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Mutters

Agenda

zehnten Band

5. November 1969

(Das Gespräch beginnt erneut mit eineinhalb Stunden Verspätung.)

Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll... Mittwochs und samstags reduziere ich alle anderen Verabredungen auf ein Minimum, d.h. ich lehne mehr als die Hälfte der Leute ab. Trotzdem ist es so. An den anderen Tagen arbeite ich manchmal bis mittags weiter. Das wird wirklich...

Und ich beginne ganz früh. Aber die Ansuchen werden mir durch... ein, zwei, drei, vier... acht Personen überbracht: jeder bringt welche. Da würde nur eines helfen, und zwar, mehrere Körper zu haben!

Ich wollte dir etwas Amüsantes erzählen. Du weißt, daß ich seit zwei Jahren nicht mehr unten gespielt habe [an der Orgel] – unmöglich. Neulich war Sunils Geburtstag, und er sagte mir: "Ach, bitte spiel mir doch etwas vor, damit wir es für den ersten Januar aufnehmen können!" Ich antwortete: "Ich werde es versuchen." Ich ging hin, setzte mich, und meine Hände fingen an zu spielen. Mehrere Minuten lang hörte ich keinen einzigen Laut von dem, was ich spielte. Dann kam der Ton nach und nach, und ich spielte insgesamt zehn Minuten lang. Es kam ganz von alleine, als hätte ich erst gestern gespielt. Ich machte meinem Körper Komplimente und war froh, daß er seine Gabe nicht verloren hatte – es ging viel besser als die vorigen Male. Ganz einfach (tänzerische Geste), etwas amüsierte sich und fand die Noten.

Da war jemand, der spielte, ich weiß nicht wer – kein menschliches Wesen. Das hat mich ein wenig getröstet. (Mutter lacht)

Es war besser als das letzte Mal 1, denn es gab keinerlei Erwartungen, daß ich etwas Besonderes spielen könnte, der Körper war überzeugt davon, daß er gar nichts mehr wußte, daß er inzwischen gewiß aus der Übung war. Aber kaum saß ich, begannen die Hände schon zu spielen.

Immer mehr scheint es so zu sein: "Was Du willst, das mache ich." So ist die Haltung des Körpers. Der Körper sagt: "Was Du willst, das mache ich."

In dieser Hinsicht gibt es keine Einbußen: er schreitet voran.

Aber ich habe keine Kontrolle mehr über die Organisation. Ich habe keine Kontrolle mehr. Die anderen haben die Kontrolle übernommen. Ich habe die Gewohnheit verloren zu sagen: "ich will" – ganz und gar.

Und ich sehe deutlich: sie werden alle bedrängt – zwanzig, fünfundzwanzig, dreißig Ansuchen zugleich. Diese verringert man dann, so weit es geht. Dabei hatte ich ausdrücklich erklärt (und ich beharre darauf, wiederhole es bei jeder Gelegenheit): "Mittwochs und samstags möchte ich nicht viele Leute haben." Ich sagte: "Ich habe Arbeit, ich kann nicht."

Aber ich verstehe gut: die Sekretäre werden von allen Seiten bestürmt. Man bringt mir stapelweise Anfragen – ich lehne ab, was ich nur kann.

Wir müssen etwas finden.

Wenn ich dich ganz früh herriefe?

Was immer für dich am bequemsten ist.

Für mich gibt es keine Bequemlichkeit.

Es gibt jedoch Umstände. Mir scheint, daß diese Gespräche nur dann wirklich das sein können, was sie sollen, wenn du ein Minimum an effektiv freier Zeit hast, wo du von nichts unter Druck gesetzt wirst, damit du dich auf eine Erfahrung einlassen kannst.

Das kann ich jederzeit.

Ja, aber es erfordert doch ein Mindestmaß...

Nein.

Wie oft hast du mir gesagt: "Ich wollte dir etwas sagen, aber jetzt ist es weg", wie oft schon!

Nein, das waren Erfahrungen, die mir nicht mehr der Mühe wert erschienen, erzählt zu werden. Nein, daran liegt es nicht – der Zustand ist unveränderlich, mein Kind, zu jeder Stunde des Tages.

Ja, der Zustand ändert sich nicht, aber um ihn ausdrücken zu können, bedarf es eines Minimums an Verfügbarkeit. Wenn du um 11 Uhr 30 von allen Seiten belästigt wirst, ist es offensichtlich nicht der Augenblick.

Nein, wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich es sagen. Siehst du, ich habe dir die Geschichte von Sunil erzählt – ich würde es sagen. Was ich zu sagen habe, ist nicht... Es gibt eine Kurve, und derzeit gibt es sehr widersprüchliche Dinge, die zugegen und aktiv sind: ein wachsendes und ein schwindendes Vertrauen – beides gleichzeitig.

Ich bekomme sehr unverschämte Briefe von Leuten, die mich fragen, warum ich dies oder jenes getan habe (mir ist das völlig egal: wenn ich es lese, lache ich), aber ich sehe... ich sehe die Atmosphäre. Es gibt eine Zunahme an Vertrauen und Nähe, eine sehr rasche und große Zunahme. Und zugleich gibt es... all die kleinen Egos, die revoltieren und wütend werden. Aber das ist sehr gut, weil dies vom Druck des Bewußtseins herrührt, welches möchte, daß die Dinge... offen zutage treten. Manche Leute grollen seit langem und sagen nichts – jetzt müssen sie es sagen. So ist das. Es herrscht ein sehr starker Druck für die Transformation. Deshalb werde ich natürlich auch von Leuten überschwemmt... Denn in einem Punkt gebe ich nicht nach: das sind die Stunden des sogenannten Schlafes, von acht Uhr abends bis fast acht Uhr morgens, also zwölf Stunden, wo die innere Arbeit getan werden kann, und daran will ich nicht rütteln. Zwölf Stunden sind natürlich viel, die Hälfte des Tages. Dadurch werden die anderen zwölf Stunden zur Sturzflut. Aber ich lege Wert darauf, weil dies die Stunden sind, wo das Wichtigste getan wird. (Eigentlich ist es weniger lang: von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens ist wirklich die Zeit, wo sich die Arbeit auf die Transformation konzentriert.) Das heißt überhaupt nicht, daß die restliche Zeit dem widerspricht: dieser Bewußtseinszustand ist unveränderlich. Im Grunde glaube ich nicht, daß es im Verlauf der vierundzwanzig Stunden viele Minuten gibt, wo der Körper sich nicht der göttlichen Gegenwart bewußt wäre – er ist so. Aber die Stunden am Tag dienen dem Handeln, den anderen; die Stunden der Nacht dienen der eigenen Transformation.

Und diese Stunden des Handelns sind so... Jeden Tag sehe ich mindestens drei oder vier Personen, die zu sehen völlig nutzlos war; dies wird zur Kenntnis genommen, aber das ist nicht viel, und für die Mehrzahl geschieht wirklich etwas. Es rührt sich. Manchmal gibt es sogar ganz und gar erstaunliche Dinge.

Was also tun?

Ich hätte nur gern... Ich habe gesagt: "Ich bitte nur darum, an zwei Tagen in der Woche wenigstens eine ruhige Stunde zu haben, um arbeiten zu können." Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Ich lehne so viel wie möglich ab, aber es kommt ständig mehr hinzu. Und es gibt schon jetzt viele Dinge, die getan werden müßten und nicht getan werden.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich hätte wirklich gern... Ich denke, es müßte wenigstens eine Stunde zweimal wöchentlich sein. Diesen Entschluß habe ich seit langem gefaßt.

Ich könnte eine frühere Stunde ansetzen, aber dann würden all die Leute draußen warten und drängen.

Es ist nicht für mich.

Das weiß ich wohl.

Ich finde es nur schade für unsere Arbeit. 2

Ja, das weiß ich.

Es ist schon zwölf.

 

1 Zwei Jahre zuvor.

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2 Während der kommenden Jahre wird es noch viel mehr Grund zur Betrübnis geben – Mutter hatte tatsächlich die Gewohnheit verloren, zu sagen "ich will"...

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