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Mutters

Agenda

zehnten Band

8. November 1969

(Das Gespräch beginnt zehn Minuten vor der Zeit. Mutter gibt Satprem eine "Transformations"-Blüte.)

Willst du eine?

Ja, wir brauchen sie wirklich.

Sie sind hübsch... Nur eine ist nötig: die da ganz unten (Mutter gibt ihm lachend die Blüte).

Dir (zu Sujata) gebe ich vier.

Voilà.

Aber geschieht das unabhängig von unseren Bemühungen?

Etwas geschieht, das weiß ich. Etwas geschieht.

Der Druck ist sogar sehr stark, und viele Leute empfinden dies als Unbehagen. Ich habe das in meinem Körper erlebt: der Augenblick des Wechsels der Autorität – weißt du, es wechselt von einer Autorität zur anderen – ist immer schwierig, und wenn man nicht vorgewarnt ist, kann man es als Anzeichen einer Krankheit auffassen. Verstehst du? Für den Anfang einer Krankheit. Ich habe das bei vielen Personen hier im Ashram beobachtet. Sie glauben, sie würden krank – aber das ist es nicht, es ist die Ungewißheit... Die Zellen wissen nicht mehr, wem sie gehorchen sollen. Wenn es einen bewußten Druck gibt, hört es sehr schnell auf. Aber ich sah Dinge... Wenn all diese Dinge im Detail erzählt würden, sähe es wirklich wie eine Fülle kleiner Wunder aus; aber das ist es nicht, sondern das Bewußtsein arbeitet, und anstatt sich über eine sehr lange Zeit zu erstrecken, geht alles ganz schnell. Es fängt an wie ein großer Schmerz, irgendwo ist etwas sehr gestört, aber wenn man ganz ruhig bleibt und das Bewußtsein ruft, dann... schmilzt es und geht weg – ganz mühelos, innerhalb weniger Minuten. Ich erlebe das ständig: vier- oder fünfmal täglich. Trotzdem bleibt noch viel Arbeit zu tun. Und die äußere Erscheinung wird sich als Letztes ändern (das ist ganz offensichtlich), und sie wird auch viel länger 1 brauchen als der innere Wandel.

Bei der letzten Attacke hat sich mein Rücken gekrümmt, und dies ist geblieben (anfangs dachte ich sogar, daß A.R. vielleicht etwas tun könnte, aber er erreichte überhaupt nichts – es war nicht der Augenblick dafür). In den letzten Tagen kam zwei- oder dreimal der Impuls des Bewußtseins, sich aufzurichten – und ich konnte mich noch sehr gut aufrichten, aber... Es kam, als wollte es mir sagen: "Siehst du, so wird es geschehen." Und dann verschwand es wieder. Der Augenblick dafür ist noch nicht gekommen. Es ging weg. Der sichtbare Wandel scheint der letzte zu sein, und Gott weiß, wann er kommen wird.

Der innere Wandel geschieht bereits. Aber für ahnungslose Leute kann dies verwirrend sein, denn es kann sogar mit einem recht starken Schmerz beginnen.

Das physische Bewußtsein (sofern man das als "Bewußtsein" bezeichnen kann: das in den Zellen enthaltene Bewußtsein – nicht ganz tief drinnen, aber jenes, das die Zellen funktionieren läßt) ist an Anstrengungen, an Kampf, an Elend, an Niederlagen gewöhnt... so sehr, daß dies universell geworden ist. Bei den Leuten hält dem nur ihr mentales Bewußtsein stand (und wenn sie fortgeschrittener sind, oft auch ihr vitales Bewußtsein); aber das physische Bewußtsein neigt dazu, Katastrophen vorherzusehen – so sehr ist es daran gewöhnt: das Ende... dieses Ende, das über Jahrtausende hinweg unvermeidlich war, das lastet. Und es lastet sehr schwer. Eine sehr langwierige und stetige Arbeit ist erforderlich, um diese Gewohnheit... ja, im Grunde die Gewohnheit der Niederlage zu ersetzen durch einen... es darf kein Wille sein sondern ein Glaube; und damit sich dieser Glaube festigen kann, müssen die Zellen erst völlig hingegeben sein, d.h. sie müssen beständig dem Höchsten zugewandt sein mit... "Dein Wille geschehe!", was auch immer er sein mag. "Das geht mich nichts an, das ist nicht meine Sache. Dein Wille geschehe!" Wenn das solide begründet ist, kann nach und nach das wahre Bewußtsein kommen; das wahre Bewußtsein, daß die Wahrheit Harmonie ist, Fortschritt ist, Licht ist... Das kommt nach und nach. Aber dies ist eine langwierige Arbeit.

Wie ich in den letzten "Notizen" 2 sagte: Was gelernt wurde, wurde gelernt, es gibt keine Schwankungen mehr. Allerdings gibt es sehr viele Zellen... Weißt du, wieviele Zellen ein Körper wissenschaftlich gesehen hat?

Nein. Es müssen wohl Milliarden sein.

In der Größenordnung. Und man fühlt sie: manche vibrieren und leuchten, aber dies geht in der Masse unter...

Wie ich dir letztes Mal erzählte: Als ich am Klavier saß, bemerkte ich, daß meine Hände sehr bewußt, d.h. äußerst empfänglich waren. Dies erschien ihnen völlig natürlich – es gab keinerlei Bezug zum Bewußtsein des Körpers, sie wurden durch das Bewußtsein von oben bewegt... Die Hände hatten eine besondere Ausbildung. Aber du verstehst...

Ein gewisser Teil des Körpers, der die meisten Beziehungen zur Außenwelt hat (Mutter berührt den Bereich des Mundes und der Kehle), dieses Zentrum, welches die Beziehungen mit der Außenwelt darstellt, all dies... oh, das ist sehr schwierig – sehr schwierig. Manchmal, mit einer Aspiration, beginnt es sich ein wenig zu ändern und führt dann fast zu einer Art Katastrophe. Man erstickt und hustet und... schrecklich. Dann muß ich alles beruhigen... und warten. Man muß ihm Zeit lassen, sonst hätte der Organismus nicht die nötige Kraft, um dem dadurch hervorgerufenen Durcheinander zu widerstehen.

Sri Aurobindo hatte mir dies übrigens sehr deutlich gesagt: Man kann nicht hoffen, daß es sich in weniger als zwei Jahren durchführen läßt.

In zwei Jahren?

Zweihundert! Man kann nicht hoffen, daß es weniger als zweihundert Jahre dauern wird. Er sagte: "Normalerweise würde es dreihundert Jahre dauern." Er hatte selber damit angefangen, und er wußte... Er wußte genau. Das sah ich, als er wegging: das Bewußtsein kam aus seinem Körper und trat direkt in den meinen ein... in Strömen. Aber das hinderte ihn nicht daran, krank zu sein.

Es ist eine schwere Aufgabe.

Dieses Bewußtsein ist jedenfalls sehr aktiv. Es arbeitet aktiv, um bewußt zu machen; wer einen schlechten Charakter hat, bekommt einen noch schlechteren Charakter, und wer böse ist, wird noch böser. So ist das. Wer sensibel ist, wird noch sensibler. Und dies macht das Leben extrem schwierig, extrem.

Immer mehr wird es so.

Die Zeit – diese Art Arbeit der Natur, die eine ständige Vergeudung von Zeit und allem zu sein scheint –, das war vielleicht eine Gnade, damit sich die Dinge nicht allzusehr überstürzen. Das SEHE ich. Ich sehe: die Verwirrung wird immer akuter und die Schwierigkeiten werden immer größer – natürlich wird das Bewußtsein immer klarer, oh, sehr klar... Das ist wirklich interessant. Ich schaue jemanden an oder höre ein Wort, man erzählt mir etwas, und sofort erscheint das ganze Bild (Geste, als liefe ein Film vor Mutters Augen ab), mit allen Eindrücken eines jeden, und wenn ich ganz ruhig und aufmerksam bin: die Konsequenzen, das, was geschehen wird.

(Schweigen)

Ich hatte dir erzählt, daß ich wie Sri Aurobindo vorging, d.h. man verhält sich vollkommen passiv, und lebt NUR in der Aspiration, sich mit dem Göttlichen zu vereinigen und es zu manifestieren. Dies ist die EINZIGE Beschäftigung. Dann sah ich, daß das Leben immer mehr aus den Fugen geriet. (Wie diese Gespräche, die mit anderthalb Stunden Verspätung begannen.) Daraufhin beschloß ich, daß ich in bestimmten Fällen das, was ich als das Wahre sehe, durchsetzen würde. Und ich muß sagen, die Kraft ist wirklich mächtig. (Mutter lacht) Die Wirkung siehst du ja (das Gespräch begann um 9:50 Uhr). Ich hatte mehr Widerstand erwartet – es gab keinen. Wir werden sehen, ob sich dies aufrechterhalten läßt... 3

*
*   *

(Etwas später, zu Satprems Artikel "Der große Sinn" und dessen englischer Übersetzung)

Ich hatte diesen Text für das italienische Fernsehen geschrieben, aber da das Fernsehen unter der Kontrolle des Vatikans steht, wollten sie ihn nicht senden.

Der Text ist hervorragend. Wir müssen das drucken.

Im Englischen bin ich mir nicht ganz sicher, deshalb möchte ich, daß jemand anders es durchsieht, aber letztlich... Weil die Verbindung mit Sri Aurobindo dauernd besteht, kann ich ihn fragen. Er hilft mir, das Englische immer besser zu kennen. Aber die Sprachen entwickeln sich ständig weiter: das Französische entwickelt sich und auch das Englische. Es ist eigenartig, daß sich die Sprachen näherkommen; statt sich voneinander zu entfernen, kommen sie sich näher. Irgendwo bereitet sich eine Weltsprache vor – nicht hier: irgendwo.

Sri Aurobindo sagte immer, daß die Form des Englischen gewinne, wenn man sie französisiere, daß die französische Sprache aber verlöre, wenn man sie anglisiere. Die französische Sprache ist klarer, aber sie ist etwas starr, sie braucht mehr Geschmeidigkeit.

(Schweigen)

Es wundert mich nicht, daß sie diesen Text nicht genommen haben, das ist eine Kampfschrift.

Dies ist für die jungen Leute – die muß es erreichen; es ist für jene, die nicht zufrieden sind und die etwas anderes suchen.

 

1 Fast mit Sicherheit wollte Mutter das Gegenteil sagen: Das Äußere wird viel weniger Zeit brauchen. Einmal hatte sie Satprem gesagt: "Zuletzt wird es nichts sein – ein Hauch, und es ist getan."

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2 Gespräch vom 1. Oktober: Wenn das Physische einmal etwas gelernt hat, vergißt es das nie mehr, es rührt sich nicht mehr.

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3 Die alte Situation schlich sich bald wieder ein.

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