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Mutters

Agenda

zehnten Band

30. August 1969

Verschiedene Inspirationen kommen jetzt für Auroville (Mutter deutet auf mehrere Notizen), da sind noch viele andere, aber vor allem geht es um die interne Geldfrage: ich möchte, daß es innerhalb Aurovilles keinen Geldaustausch gibt (wir werden das irgendwie ausarbeiten), daß das Geld ausschließlich für die Beziehungen nach außen dient. Aber das habe ich nicht aufgeschrieben – ich schrieb etwas anderes (Mutter reicht eine erste Notiz). Das habe ich dir schon öfters gesagt:

Auroville möchte die Wiege des Übermenschen sein.

Und dann dies:

Auroville, die freie, internationale Stadt. Keine Armee, keine Polizei...

Bravo!

...Sie werden ersetzt durch ein Bataillon von Rettern, bestehend aus Athleten und Gymnasten.

Oh, phantastisch!

Das ist für jetzt. Es soll sofort so arrangiert werden.

Ja, keine Armee, keine Polizei. Genau!

Und dann (Mutter zeigt auf eine dritte Notiz), das ist für die Einfuhr, denn Auroville soll einen Hafen bekommen. Der Zugang ist natürlich frei, aber unter bestimmten Bedingungen, denn wir haben keine Grenzen, wir haben keine Mauern, wir sind ein Teil von Indien, so kann ich mein Gesetz nicht ganz Indien auferlegen. Das wird durch eine Kontrolle am Hafen ersetzt: Wir lassen nur das zu, was zur unmittelbaren Verwendung in Auroville bestimmt ist – um nicht als Schmuggelkanal für eine Flut von zollfreien Gütern mißbraucht zu werden.

(Satprem liest)

Kein Zoll, aber eine Einfuhrgenehmigung gibt es nur für Güter, die zum Verbrauch in der Stadt bestimmt sind.

Das ist alles.

Ja, um den Schmuggelverkehr mit dem Rest von Indien zu unterbinden.

Ja. Wenn die Leute ehrlich wären, ginge alles gut, aber sie sind es nicht...

Keine Polizei und keine Armee.

Ja, das ist hervorragend.

Dies gibt der Körperkultur einen tieferen Sinn: Leute, die fähig sind, Brände zu löschen, Ertrinkende zu retten usw. Nicht viele sind nötig: fünfhundert würden für die ganze Stadt genügen, aufgeteilt in kleine Gruppen, die sich verteilen.

Dr. S hatte auch einige Ideen, um die Gefängnisse zu ersetzen (wir haben ja keine Gefängnisse; andererseits können wir die unehrlichen Leute auch nicht einfach ins restliche Indien abschieben, das wäre nicht nett). Man müßte also die Gefängnisse wie auch die "Altersheime" durch irgend etwas ersetzen... Wir untersuchen das gerade. Wir haben schon etwas gefunden. Das wird interessant sein.

Schließlich noch ein Ort, wo man all jene Kinder aufnehmen könnte, um die sich die Eltern nicht kümmern wollen oder wenn sie sich schlecht darum kümmern. All dies muß so angelegt sein, daß es keine Unfälle geben kann und sie auch nicht weglaufen – aber kein Gefängnis und kein Krankenhaus, nichts in der Art.

Das wird gerade ausgearbeitet.

(Schweigen)

Nördlich von Pondicherry an der Küste gibt es ein Gebiet, mit dem man noch nie etwas anfangen konnte (es wird ständig überflutet), und wir hätten die Möglichkeit, das zu nutzen. Ich versuche gerade, von der Regierung die Erlaubnis zu bekommen, all das zu übernehmen. Wenn wir es bekommen können, hätten wir Platz für einen Freihafen und einen freien Flugplatz (etwas weiter von der Küste entfernt), sowie für neue Anbaumethoden mit Bewässerung durch Meerwasser und natürlich für die Umwandlung von Meerwasser – denn man hat etwas gefunden, um aus Meerwasser Trinkwasser zu gewinnen (Mutter nimmt eine Broschüre neben sich). Ich glaube, das kommt aus Frankreich – eine wirtschaftliche Methode, sehr interessant. Sie ist noch in der Entwicklung, aber wenn wir noch einige Jahre warten, wird das sicher erfolgreich ausgearbeitet worden sein.

(langes Schweigen)

Ich verbrachte einen großen Teil der Nacht mit Sri Aurobindo (fast die ganze Nacht bis drei Uhr morgens). Er zeigte und erklärte mir nicht nur, sondern er selbst WAR, was er zeigte: er bereitete sich auf die neue Schöpfung vor. Und letzte Nacht zeigte er mir, wie dies und jenes sein wird, wie der Körper sein wird. Ich erinnere mich, als ich aufwachte, lag er ausgestreckt auf seinem Bett. Ich kniete neben dem Bett und schaute ihn an, und während er dieser neue Körper war, erklärte er mir gleichzeitig, wie der Körper des Übermenschen sein würde (das supramentale Wesen 1). Das war so lebendig, daß es blieb, selbst nachdem ich aufgestanden war – ich sehe es immer noch. Aber die Details... (wie soll ich sagen?) Die Erinnerung hat nicht die nötige Präzision, um es erklären zu können (ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll). Ich kann es immer noch sehen... es hatte eine Farbe... es warf keine Lichtstrahlen, das nicht, aber... es war auch nicht phosphoreszierend wie ein Gegenstand, hatte jedoch eine besondere Leuchtkraft mit einem Licht... ein wenig wie die Aurovilleblume (nicht ganz, denn es wirkte völlig natürlich). Er zeigte mir seinen Körper; er lag dort, zeigte mir seinen Körper und sagte: "So wird es sein." Die Form war fast ähnlich wie... Die Erinnerung ist immer noch da (Geste in der Atmosphäre), ich kann es jedoch nicht erklären... In letzter Zeit dachte ich mir des öfteren: "Seltsam, wir haben gar keine Ahnung, wie es sein wird", und ich sagte mir: "Niemand kann es mir sagen." Denn dieses neue Bewußtsein, das gekommen ist, wirkt zwar im Bewußtsein, aber nicht so sehr durch die Sicht. Das also erlebte ich letzte Nacht. Lange, lange war ich mit Sri Aurobindo zusammen, mehrere Stunden.

Es ist in das Bewußtsein eingedrungen, und eines Tages wird es hervorkommen. Aber ich bewahrte die Erinnerung an die letzte Szene: ich sah mich selbst, wie ein Doppel meiner selbst, vielleicht nicht ganz so, wie ich bin, aber das interessierte mich nicht: ich schaute ihn an, wie er dalag und mir alles erklärte. Und es war... ganz wie ein phosphoreszierender Körper, aber nicht phosphoreszierend sondern ..., wenn ich mich nicht täusche, ein wenig wie die Farbe dieses Saris (Mutter deutet auf Sujatas Sari), so ähnlich.

Orange?

Nein... Ein Rosa, das golden strahlt, verstehst du? Man sieht beides zusammen (Geste eines Verschmelzens).

(langes Schweigen)

Das ist amüsant... Ich versuche mein Bestes, der Regierung hier eine Orientierung zu geben, und Indira ist sehr offen, aber die Masse der Bevölkerung sagt: "Sie ist eine Kommunistin." Und die Kommunisten beschweren sich: "Es ist eine bürgerliche Regierung." Das ist äußerst amüsant, denn es zeigt genau die Haltung beider Parteien gegenüber Sri Aurobindos Ideen.

(Schweigen)

Was bringst du?

Gestern hatte ich eine lange interessante Unterhaltung mit einem neunzehnjährigen Jungen, der an der "Mai-Revolution" in Paris teilgenommen hat und einer der kommunistischen Führer der Studenten war... Er hat den kurzen Text gelesen, den ich schrieb, "Der Große Sinn", in dem ich versuchte, über die wahre Richtung der Dinge zu sprechen, die weder in der Gewalt noch in der Gewaltlosigkeit liegt, sondern "etwas anderes" ist. Er ist Kommunist, aber dieser Text berührte ihn tief, und er stellte alles in Frage. Daraufhin versuchte ich ihm zu erklären, was du mir einmal sagtest: diese Idee einer schweigenden, reglosen Revolution ohne Gewalt 2 – Hunderttausende von Studenten, die sich weigern, die sich nicht rühren und die sagen: "Wir wollen keine Diplome mehr, wir wollen die gegenwärtige Gesellschaftsstruktur nicht mehr, wir wollen nicht mehr Ingenieure oder Ärzte oder sonst etwas werden – wir wollen etwas anderes."

Hat er verstanden?

Ja, er hat verstanden, es hat ihn getroffen. Es war wie eine Art Offenbarung für ihn.

Sieh an!

Kam es zu vielen Gewalttätigkeiten in Frankreich?

Ja, diese Revolution, die zu Beginn wirklich durch eine göttliche Kraft angeregt worden war, wurde sehr schnell durch Gewalttätigkeiten verdorben. Ich erklärte ihm daraufhin: "Wenn ihr die Zukunft wollt, müßt ihr mit Mitteln der Zukunft arbeiten. Und die Mittel der Zukunft sind keine Pistolen sondern innere Mittel – die innere Macht. Wollt ihr etwas anderes, dann ruft dieses Andere herbei!"

Ja.

"Und es wird euch antworten ..." Das war sehr interessant, alle seine Strukturen wurden weggefegt... in Schlichtheit.

So ist es.

Angesichts der Einfachheit der Sache.

Ja, so ist es.

Ach, ich hatte eine Erfahrung dieser Art (ich weiß nicht, ob es heute morgen oder gestern morgen oder in der Nacht war), während einer gewissen Zeit befand ich mich in einem Bewußtseinszustand, wo die abgetrennte Individualität nicht mehr existierte, aber das Prinzip... (wie soll ich sagen?) das besondere Prinzip eines jeden Individuums bleibt im universalen Bewußtsein erhalten. In diesem Augenblick wurde alles SO wunderbar!... Das dauerte vielleicht eine Stunde (mehr oder weniger, ich weiß es nicht mehr), jedenfalls lang genug, um... (Mutter lächelt) um sich sozusagen darin aufgehen zu lassen. Es gab KEINE Trennung mehr, sie war verschwunden, jedoch eine gewisse... (wie soll ich sagen?) fast eine Art zu sehen, wie die Sichtweise eines jeden Individuums (nicht nur die Sichtweise, zugleich auch die Stellung in der Aktion – die "Stellung", d.h. der Teil der Aktion, der durch diese Sichtweise ausgelöst wird), das bleibt. Es bleibt im Einen bestehen – keinerlei Trennung. Jede Sache hat ihren Platz – das Ganze ist von einer wunderbaren Wirksamkeit. Und gleichzeitig... Ich kann nicht sagen; Worte sind machtlos. Als ich die Erfahrung hatte, erinnerte ich mich an einen Satz von Sri Aurobindo, wo er sagte: "Der Herr ist nur ein Kind, das spielt ..." (du kennst es, er formulierte es auf eine gewisse Weise 3), und ich verstand, warum er diese Worte benutzte, das war... etwas, was unsere Sprache offensichtlich nicht formulieren kann, aber darin zu LEBEN, das ist... der Eindruck einer so vollkommenen, harmonischen Allmacht und gleichzeitig, ja, so harmonisch, daß alles zu lächeln scheint. Das läßt sich nicht beschreiben. Ich hatte diese Erfahrung, und dann ging es weg. Es vermengte sich mit der täglichen Arbeit.

Und ich erinnerte mich... Das ist interessant, denn während ich in diesem Zustand war, erinnerte ich mich an deine Frage in bezug auf Pavitra, ob das Prinzip der Individualität erhalten bleibe – ein Teil von mir sagte dir: "Hier siehst du: so ist es." (Mutter lacht) Ich erinnerte mich an deine Frage und sagte mir: So ist das, es gibt KEINE Trennung mehr, aber... diese wunderbare Komplexität bleibt – das Wunder der Komplexität. Und der Eindruck, daß alles, alles, was existiert, an seinem Platz ist, und wenn es an seinem Platz ist, wird es vollkommen harmonisch.

Oh... das war wirklich eine Offenbarung.

Ich denke, all diese Erfahrungen sind Teil des supramentalen Bewußtseins, des Übermenschen. (Wie wird er sich wohl selbst nennen? Wir wissen es nicht.)

Das war heute morgen, nach meiner Nacht mit Sri Aurobindo; es geschah dort (Mutter deutet auf das Badezimmer), ich beschäftigte mich gerade mit etwas anderem, aber das spielte keine Rolle – das Wunderbare an diesen Erfahrungen ist, daß sie nicht darauf angewiesen sind, daß alles andere stehenbleibt. Die Erfahrung kommt, und gleichzeitig kann man mit etwas anderem beschäftigt sein, und man beobachtet sich dabei, etwas anderes zu tun, das ist ganz komisch... Das kam heute morgen (es ist noch nicht lange her). Einen ersten Eindruck davon erhielt ich gestern abend, dann die Erfahrung in der Nacht, und schließlich heute morgen...

Solche Erfahrungen machen das Leben wirklich lebenswert.

Man hat den Eindruck: Ja, dies ist das Leben. Das ist etwas. Alles andere ist... Alles andere, sogar der Körper, hat das Gefühl, sich ständig an Hindernissen zu stoßen: Unverständnis, Dinge, die nicht antworten. Er hat ständig das Gefühl, sich zu stoßen, während in dieser Erfahrung... (weite, alles umfassende Geste).

Ein Wesen, das ständig in diesem Zustand leben könnte... Wie ich dir sagte: ich sah, wie der Körper gleichzeitig anderen Beschäftigungen nachging. Das hindert einen nicht. Wie du siehst, konnte ich mich sogar an etwas erinnern, das du gesagt hattest. All das zusammen.

Vielleicht wird der Übermensch so sein?...

(Schweigen)

Er wird die Macht haben, das Leben zu verändern.

 

1 Mutter sagte "Übermental", und wir korrigierten es. Diese Verwechslung wird häufig auftauchen, vermutlich, weil Mutter diese Terminologie schwerfällig fand. Dieses nächste Wesen hat jedoch offensichtlich nichts mit dem Übermental und der Welt der Götter zu tun.

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2 Siehe Agenda Bd. 9 vom 22. Mai 1968.

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3 "Gott ist ein ewiges Kind, das in einem ewigen Garten spielt." (Gedanken und Aphorismen)

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