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Mutters

Agenda

zehnten Band

27. August 1969

Man hat einen Text wiedergefunden, den ich kurz nach Sri Aurobindos Abschied geschrieben hatte.

Einen Teil davon erzählte ich dir schon, aber dies ist der vollständige Text. Er datiert vom...

(Mutter reicht Satprem das Schriftstück)

26. Januar 1951

Aber es ist sehr privat.

(Es folgt Mutters Text. Die Rede ist von einer Person aus Sri Aurobindos Umgebung, die versuchte, Mutter zu zerstören und von Sri Aurobindo zu trennen. Tatsächlich ist es offensichtlich und verständlich, daß der tiefste Schatten direkt unter dem Licht ist und daß jene, die die göttliche Arbeit verrichten, die ganze Last der Opposition auf sich nehmen müssen. Deshalb finden sich in Sri Aurobindos oder Mutters Nähe die größten Gegner. Das erklärt auch den späteren Weggang Mutters und die obskure Situation in Auroville wie im Ashram nach ihrem Abschied. Entsprechend Mutters Anweisung veröffentlichen wir den Text ihrer Notiz nicht und auch nicht die ganze darauffolgende lange Unterhaltung sondern nur einige kurze Auszüge, die das "Problem" oder vielleicht das Geheimnis von Sri Aurobindos und Mutters Abschied illustrieren, denn sie haben ein und dieselbe Ursache.)

Das darf natürlich nicht veröffentlicht werden, aber es muß aufgehoben werden.

Aber welche Rolle hat sie gespielt?

Sie ging so weit, ihm zu sagen, ich würde seine Arbeit verraten – alles nur Erdenkliche.

Wollte Sri Aurobindo denn nicht eingreifen?

Nie.

Das ist erstaunlich... die Art, wie Sri Aurobindo nicht eingriff.

Niemals.

Er war so fest davon überzeugt: "Der Höchste Herr tut alles." Folglich... muß es wohl so sein.

Aber für mein kleines Bewußtsein ist es unvorstellbar, daß ein so lächerliches, winziges Wesen wie diese Frau eine solche Macht haben konnte.

Dahinter stand ein großer Asura 1 . Dahinter standen gegnerische Kräfte. Die Frau selbst war nichts, aber sie war sehr empfänglich für diese Kräfte.

Und er wollte sie nicht brechen?

Oh, das wollte er nicht. Er war stets nur: Mitgefühl, Güte, Geduld...

Zweimal sah ich ihn gegen sie in Wut geraten – zweimal. Aber er faßte sich sehr schnell.

(Schweigen)

Eine traurige Geschichte, aber nun... Nachher sah ich es ein und verstand. Jetzt weiß ich es. Im Hinblick auf die Arbeit war es... Es war das, was sein sollte.

Ich habe nie etwas gesagt, Sri Aurobindo hat nie etwas gesagt – das einzige, was ich schrieb, ist das (diese Notiz); ich sprach nie darüber.

(Schweigen)

Die kleinen menschlichen Individualitäten dienen nur als Instrumente, das ist nichts.

Aber bedeutet die Tatsache, daß er nachgab (denn in gewisser Hinsicht gab er nach), daß er einen größeren Sieg gegen diesen Asura errang?

Oh ja, unendlich viel größer.

Genau das will mir nicht einleuchten.

Unendlich viel größer. Er hat seine Arbeit nie verlassen, und er hat mich nie verlassen. Alles, was er an supramentaler Kraft in seinem Körper angesammelt hatte, übertrug er auf mich – und ich empfing es. Der Rest blieb im Subtilphysischen, wo er all seine Arbeit verrichtet. Und er sagte: "Ich werde erst dann wieder einen Körper annehmen, wenn es ein supramentaler Körper sein wird."

(Schweigen)

Es war... monströs, verstehst du... Ich sagte nie etwas... Doch: einmal wurde sie so unausstehlich, daß ich sie aus Sri Aurobindos Zimmer rufen ließ und ihr eine Ohrfeige verpaßte. Als ich wieder zurückkam, sagte mir Sri Aurobindo: You ought not to have done it... ["Das hättest du nicht tun sollen."]

Es war... die höchste und man könnte fast sagen erhabenste Weise, die feindlichen Kräfte zu erschöpfen.

(langes Schweigen)

(Mutter nimmt eine neben ihr liegende Notiz) Ach, sieh nur!

Es handelt sich um einen Druiden (lachend) – es gibt noch einen Druiden in der Bretagne –, der F schrieb, er habe von gemeinsamen Freunden von Auroville gehört und er wolle kommen. Er sagt: "Ich bin arm, ich bringe nichts" (er hat eine Frau, sie wollen zusammen kommen). Er schreibt, er werde nur ein Buch mitbringen: ein Buch eines Freundes von ihm, der die "finanzielle und ökonomische Vision" der Welt habe (er sagt, es sei eine Offenbarung); er werde es mitbringen, damit man es in Auroville anwende. Meine Antwort wird so lauten: "Hier ist die Basis, auf der Auroville errichtet wurde ..."

(Mutter reicht Satprem ihre Notiz)

Das Geld darf nicht dazu dienen, Geld zu verdienen...

Ich hatte das vor langer Zeit auf englisch geschrieben; ich schickte es nach Amerika: dort löste es eine Revolution aus. Die meisten reagierten sehr ungehalten, daß man so etwas denken könne.

...das Geld soll dazu dienen, die Erde auf die Manifestation der neuen Schöpfung vorzubereiten.

Wir werden also den Druiden sehen... Er ist der vierte: wir haben einen Krebsheiler, der kommen wird; dann einen allgemeinen Heiler; dann... (Mutter sucht) ach ja, ein persischer Erfinder, der "außerordentliche" Erfindungen gemacht hat (er schickte einen Bericht) für die Erziehung (besonders für die Kindererziehung), er wird im September kommen...

All das wird amüsant sein.

Ja, zumindest haben wir ein breites Spektrum.

Aber der Druide schrieb, er habe keinen Pfennig. Wir werden ihn zu R (dem Architekten von Auroville) schicken, der vielleicht etwas arrangieren könnte...

Er hat alle Religionen studiert und... (lachend) blieb beim Druidentum stehen.

Er ist Bretone.

Ja, das war zu erwarten.

Er hält das Buch seines Freundes für ein sehr wertvolles Geschenk, eine Revolution. Ich weiß nicht, ob es veröffentlicht worden ist, deshalb möchte ich ihm meine Notiz lieber vorher schicken. Ich weiß nicht, was in seinem Buch steht, aber wenn es eine analoge Idee ist, soll er wissen, daß wir sie als erste hatten!

(langes Schweigen)

(Mutter zeigt auf das Tonbandgerät:) Das muß gelöscht werden.

Ja. Das ist ein Problem, das mich... das ich nicht verstehe, dieses Problem der Nicht-Intervention. Inwieweit soll man eingreifen, und wann soll man eingreifen? Oder soll man die Dinge immer laufenlassen?

Man hat nur dann das Recht, nicht einzugreifen, wenn man ständig – ständig und innig – mit dem Höchsten verbunden ist: Wenn man der STELLVERTRETER der höchsten Kraft, des höchsten Bewußtseins ist. Das ist alles. Sonst muß man eingreifen. Und er hatte dieses Empfinden im Höchstmaß – bei ihm lernte ich, es nicht zu tun.

Sonst ist es das Spiel der Kräfte, und MAN MUSS eingreifen.

Aber da, wenn man so ist (reglose, nach oben gewandte Geste), dann kommt die Höchste Macht. Folglich...

Das ist eine schreckliche Prüfung.

Ja... ja – dies kam, um zu sehen, ob wir fähig waren, die Arbeit auszuführen.

(Schweigen)

Dies war das mächtigste Mittel der Reinigung, das man sich vorstellen kann... Das weiß ich... Und es ging so weit, daß sogar vom physischen Standpunkt aus jegliche Möglichkeit einer Reaktion beseitigt worden war.

Ich sagte es dir: Das einzige, was ich einmal tat und das mir wie eine abstoßende Schwäche erschien, war, ihr diese Ohrfeige zu verpassen.

Voilà.

(Mutter gibt Satprem und Sujata Blumen: "Sri Aurobindos Mitgefühl")

 

1 Siehe Agenda Bd. 1, S. 267.

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