SRI AUROBINDO
Briefe über den Yoga
Band 3
1. Erfahrung und Verwirklichung
I.
Erfahrung ist ein Wort, das beinahe alle Ereignisse im Yoga umfasst; erst wenn etwas sich gefestigt hat, ist es keine Erfahrung mehr, sondern Teil einer siddhi; so ist zum Beispiel der Friede, solange er kommt und geht, eine Erfahrung, sobald er sich aber gefestigt hat und nicht mehr geht, ist er eine siddhi. Verwirklichung ist etwas anderes: Verwirklichung ist, wenn etwas, wonach du strebst, zur Wirklichkeit für dich wird; du hast zum Beispiel die Vorstellung, dass das Göttliche in allen ist, es ist aber nur eine Vorstellung, ein Glaube; eine Verwirklichung wird es dann, wenn du das Göttliche in allen fühlst oder siehst.
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All das sind überflüssige Unterscheidungen. Die Erfahrung einer Wahrheit in der Mental-Substanz, im Vital oder im Physischen – wo immer sie auch stattfinden mag – ist der Beginn der Verwirklichung. Wenn ich die Erfahrung des Friedens habe, beginne ich zu verwirklichen, was Friede ist. Die Wiederholung dieser Erfahrung führt zu einer umfassenderen und beständigeren Verwirklichung. Und wenn sie sich irgendwo gefestigt hat, ist es die volle Verwirklichung an dieser Stelle oder in diesem Teil des Wesens.
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Spiritualität ist, wenn du beginnst, ein anderes Bewusstsein als das Ego wahrzunehmen und immer mehr darin oder unter seinem Einfluss zu leben. Dieses Bewusstsein, weit, unendlich, selbstbestehend, unbefleckt vom Ego usw., wird Spirit genannt (das Selbst, Brahman, das Göttliche), woraus sich zwangsläufig die Bedeutung von Spiritualität herleitet. Verwirklichung und alles übrige ist das, was die Erfahrung und das Wachsen dieses größeren Bewusstseins mit sich bringen.
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Ein Yogi ist jemand, der bereits in der Verwirklichung gefestigt ist – ein Sadhak ist jemand, der die Verwirklichung gerade erlangt hat oder sich noch darum bemüht.
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Es gibt kein Gesetz, dass ein Gefühl keine Erfahrung sein kann; es gibt Erfahrungen aller Art, und sie nehmen alle [erdenklichen] Formen im Bewusstsein an. Wenn das Bewusstsein etwas Spirituelles, Seelisches order gar etwas Okkultes erlebt, sieht oder fühlt, so ist das eine Erfahrung – im technisch-yogischen Sinn, denn es gibt natürlich alle möglichen andersartigen Erfahrungen. Gefühle als solche sind von mancherlei Art. Das Wort Gefühl wird oft für eine Emotion gebraucht, und es gibt seelische oder spirituelle Emotionen, die man zu yogischen Erfahrungen rechnet, zum Beispiel eine Woge der śuddhā bhakti (reine bhakti) oder das Aufsteigen der Liebe zum Göttlichen. Ein Gefühl bedeutet auch die Wahrnehmung von etwas Gefühltem, eine Wahrnehmung im Vital oder Seelischen oder in der essentiellen Substanz des Bewusstseins. Ich empfinde sogar häufig eine mentale Wahrnehmung, wenn sie sich sehr lebhaft darstellt, als Gefühl. Wenn du alle diese und ähnliche Gefühle ausschließt und sagst, dass es Gefühle und keine Erfahrungen seien, bleibt für Erfahrungen sehr wenig Platz übrig. Das Gefühl und die Vision sind die hauptsächlichen Formen spiritueller Erfahrung. Man sieht und fühlt Brahman allenthalben; man fühlt eine Kraft in sich eintreten oder [von sich] ausgehen; man fühlt oder sieht die Gegenwart des Göttlichen in oder um sich, man fühlt oder sieht die Herabkunft von Licht, man fühlt die Herabkunft von Frieden oder Ananda. Schmeiß all dies mit der Begründung hinaus, dass es nur ein Gefühl ist, dann räumst du mit den meisten Dingen auf, die wir Erfahrung nennen. Außerdem fühlen wir eine Veränderung in der Bewusstseins-Substanz oder dem Bewusstseins-Zustand. Wir fühlen, wie wir uns in die Weite ausdehnen, und empfinden den Körper als ein kleines Ding in dieser Weite (dies kann auch gesehen werden); wir fühlen, wie das Herz-Bewusstsein weit statt eng ist, sanft statt hart, erleuchtet statt finster, auch das Kopf-Bewusstsein, das Vital, sogar das Physische; wir fühlen Tausende von Dingen aller Art, und weshalb sollten wir sie nicht Erfahrung nennen? Natürlich ist es ein inneres Sehen, ein inneres Fühlen, ein feinstoffliches und nicht ein stoffliches Fühlen, so wie man kalten Wind fühlt oder einen Stein oder ein beliebiges anderes Objekt; und in dem Maß, wie sich das innere Bewusstsein vertieft, ist es nicht weniger lebhaft oder konkret, sondern sogar stärker.
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Eine Erfahrung ist eine unverkennbare Sache und man muss ihr den richtigen Wert beimessen. Das Mental mag übertreiben, wenn es darüber nachdenkt, das aber nimmt ihr nicht ihre Bedeutung.
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Es geht nicht darum, allem was du tust die gleiche Bedeutung beizumessen, sondern den Wert der verschiedenen Elemente in der Sadhana zu erkennen. Eine Regel, dass Trance-Zustände von geringem Wert oder Erfahrungen von untergeordneter Bedeutung seien, kann nicht aufgestellt werden, genausowenig wie man sagen kann, dass Arbeit ohne oder nur von geringer Bedeutung ist.
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In einem tieferen und spirituellen Sinn ist eine konkrete Verwirklichung das, was die verwirklichte Sache realer, dynamischer und dem Bewusstsein innerlich gegenwärtiger macht als irgendeine physische Sache es sein kann. Eine derartige Verwirklichung des persönlichen Göttlichen oder des unpersönlichen Brahman oder des Selbstes findet gewöhnlich nicht zu Beginn einer Sadhana statt. Nur wenige erhalten sie auf diese Weise. Sie aber so frühzeitig zu erwarten oder herbeizuwünschen, würde in den Augen jedes erfahrenen Yogi oder Sadhaks als eine ziemlich übereilte und ungewöhnliche Ungeduld angesehen werden. Die meisten würden sagen, dass eine langsame Entwicklung das beste sei, was man in den ersten Jahren erhoffen könne, und erst wenn die Natur bereit und voll auf das Göttliche konzentriert sei, die entscheidende Erfahrung möglich wäre. Einige haben jähe vorbereitende Erfahrungen in einem verhältnismäßig frühen Stadium [der Sadhana], aber auch sie können der Arbeit des Bewusstseins, welche die Erfahrung in der dauernden und vollständigen Verwirklichung gipfeln lässt, nicht entgehen. Es ist nicht eine Frage von Neigung oder Abneigung, es ist eine Frage der Tatsache und Wahrheit und Erfahrung. Und zwar die Tatsache, dass Menschen, die froh und bereit sind, Schritt für Schritt zu gehen und wenn es sein muss auch langsamen Schrittes, viel schneller und sicherer vorankommen als jene voller Ungeduld und Eile. Das habe ich immer wieder festgestellt.
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Selbstverwirklichung sei „kein langer Vorgang“! Das ganze Leben oder gar mehrere Leben sind für ihre Erlangung oft nicht genug. Ramakrishnas Guru brauchte 30 Jahre dazu, und selbst dann beanspruchte er nicht, sie erlangt zu haben.
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Deine Vermutung (dass du das Göttliche nicht eher lieben kannst als bis du auf irgendeine Weise zur Erfahrung des Göttlichen gelangt bist) widerspricht der Erfahrung vieler Sadhaks. Ich glaube, Ramakrishna deutete irgendwo an, dass die Liebe und Freude und der Eifer während des Suchens viel intensiver als nach der Erfüllung waren. Ich stimme dem nicht zu, es zeigt aber zumindest, dass eine intensive Liebe vor der Verwirklichung möglich ist.
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Mein Standpunkt ist, dass es hunderte von bhaktas gibt, die ohne irgendeine konkrete Erfahrung die Liebe haben und auf der Suche sind und nur eine mentale Vorstellung [vom Göttlichen] oder einen emotionalen Glauben an das Göttliche haben, der sie stützt. Der springende Punkt ist, dass es nicht stimmt zu behaupten, eine entscheidende oder konkrete Erfahrung des Göttlichen haben zu müssen, bevor man das Göttliche lieben kann. Es widerspricht den Tatsachen und zwar den ganz gewöhnlichen Tatsachen spiritueller Erfahrung.
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Der durchschnittliche bhakta ist kein Löwenherz. Löwenherzen erhalten relativ frühzeitig ihre Erfahrungen, der durchschnittliche bhakta aber muss sich oft jahrelang von seiner eigenen Liebe und Sehnsucht nähren – und er tut es.
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Mit Erfahrungen meinte ich einfach, dass du dir deine eigenen Vorstellungen darüber gemacht hast, was du vom Yoga erwartest, und an diesem Maßstab stets alles, was zu kommen begann, bewertet hast; und weil es den Erwartungen oder jenem Maßstab nicht entsprach, hast du dir nach ganz kurzer Zeit gesagt: „Es ist nichts, es ist nichts“. Dieses Unbefriedigtsein lieferte dich bei jedem Schritt einer Reaktion oder einem Zurückschrecken aus und verhinderte jede fortlaufende Entwicklung. Der Yogi mit Erfahrung weiß, dass die kleinen Anfänge von höchster Wichtigkeit sind, dass sie gepflegt werden müssen und ihrer Entwicklung mit großer Geduld stattgegeben werden muss. Er weiß zum Beispiel, dass die neutrale, für den vitalen Eifer der Sadhaks so unbefriedigende Ruhe der erste Schritt zu jenem Frieden ist, der alles Verstehen übersteigt; er weiß, dass der feine Strom oder Schauder inneren Entzückens das erste Rinnsal des Ozeans Ananda ist, dass das Spiel der Lichter oder Farben der Schlüssel zu den Türen der inneren Schau und Erfahrung ist, dass die Herabkunft, die den Körper in konzentriertem Schweigen erstarren lässt, die erste Berührung von etwas ist, an dessen Ende die Göttliche Gegenwart steht. Er ist nicht ungeduldig; er ist vielmehr auf der Hut, die beginnende Entwicklung nicht zu stören. Gewiss, einige Sadhaks haben anfangs starke und entscheidende Erfahrungen, denen jedoch ein langes Mühen mit vielen Phasen der Leere und des Kampfes folgt.
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Bestimmt ist Verzweiflung nicht am Platz. Seligkeit kommt anfangs immer in Tropfen oder als ein immer wieder unterbrochenes Rinnsal. Du musst freudig und in vollem Vertrauen voranschreiten bis die Kaskade kommt.
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Wenn du dich in deinem ganzen Bewusstsein wahrhaft entscheidest, dein Wesen dem Göttlichen darzubringen, damit Er es nach Seinem Willen forme, werden deine persönlichen Schwierigkeiten zum größten Teil verschwinden – ich meine solche, die noch vorhanden sind; es wird lediglich die kleineren Umwandlungsschwierigkeiten des gewöhnlichen in das yogische Bewusstsein geben, die in jeder Sadhana normal sind. Deine mentale Schwierigkeit bestand die ganze Zeit über darin, dass du entsprechend deinen eigenen vorgefassten mentalen Ideen die Sadhana und das Annehmen der Erfahrung sowie die Erwiderung durch das Göttliche gestalten wolltest und es dem Göttlichen nicht freigestellt hast, sich gemäß Seiner Wahrheit und Wirklichkeit und dem Bedürfnis deiner Seele und deines Spirits – nicht aber deines Mentals und Vitals – zu offenbaren. Es ist als würde dein Vital dem Göttlichen ein farbiges Glas hinhalten und zu Ihm sagen: „Ergieße dich hier hinein, dann werde ich dich dort einschließen und durch die Farben betrachten“, oder, von der mentalen Ebene her gesehen, als würdest du auf ähnliche Weise [dem Göttlichen] ein Reagenzglas hinhalten und sagen: „Hier hinein mit dir, dann werde ich dich testen und feststellen, woraus du bestehst!“ Das Göttliche aber ist hinsichtlich solcher Methoden zurückhaltend und Seine Vorbehalte sind ganz und gar nicht unverständlich.
Immerhin bin ich froh, dass die Erfahrung zurückgekehrt ist – es geschah als Ergebnis deiner und meiner Bemühung in den letzten Tagen und ist praktisch ein Hinweis dafür, dass die Tür zur yogischen Erfahrung noch vorhanden ist und sich bei der richtigen Berührung öffnen kann. Du hast mich neulich eines Irrtums hinsichtlich deiner Erfahrung beschuldigt und mir vorgeworfen, eine große Schlussfolgerung aus einem sehr kleinen Phänomen gezogen zu haben – übrigens etwas, das die Wissenschaftler täglich tun, ohne dass deine Vernunft das geringste dagegen einzuwenden hätte. Das gleiche hattest du vermutlich angenommen, als ich deine vorangehende Erfahrung akzeptierte – diesen Strom und die Herabkunft der Stille in den Körper als Anzeichen des Yogi in dir. Solche Vorstellungen aber rühren aus der Unkenntnis des spirituellen Bereiches und seiner Phänomene her und zeigen lediglich an, dass die äußere, intellektuelle Vernunft unfähig ist, die Rolle zu spielen, die zu spielen du von ihr erwartest, nämlich die eines höchsten Begutachters spiritueller Wahrheit und innerer Erfahrung – eine durchaus naturbedingte Unfähigkeit, denn sie kennt nicht einmal das ABC dieser Dinge, und es geht über meinen Verstand, wie man etwas beurteilen will, wovon man nichts versteht. Ich weiß, die „Wissenschaftler“ tun dies laufend mit den überphysischen Dingen, die außerhalb ihres Bereiches liegen, was darauf hinausläuft, dass Menschen, die nie eine spirituelle oder okkulte Erfahrung hatten, das Gesetz für okkulte Phänomene und den Yoga festlegen; das aber macht die Sache weder vernünftiger noch verzeihlicher. Jeder Yogi, der etwas über pranayama oder japa weiß, kann dir sagen, dass das [selbsttätige] Fließen des Namens [Gottes] im Atem kein geringes Phänomen, sondern eines von großer Bedeutung in diesen Übungen ist, und, wenn es auf natürliche Weise kommt, ein Anzeichen dafür, dass etwas im inneren Wesen diese Art von Sadhana in der Vergangenheit ausgeübt hat. Was das Strömen anbelangt, so ist es ein bekanntes Anzeichen für eine erste Berührung des höheren Bewusstseins, das in Form eines Stromes herabfließt – ähnlich den „Licht“-Wellen des Wissenschaftlers –, um seine Besitzergreifung von Mental, Vital und dem Physischen im Körper vorzubereiten. Ebenso ist die Stille und Starrheit des Körpers in deiner früheren Erfahrung ein Anzeichen für die gleiche Herabkunft des höheren Bewusstseins, und zwar in seiner Form von Stille und Frieden oder seiner Neigung dazu. Es ist durchaus begründet zu folgern, dass derjenige, der diese Erfahrungen zu Beginn [der Sadhana] erhält, die Fähigkeit zum Yoga in sich hat und sich zu öffnen vermag, auch wenn dieses Sich-Öffnen durch andere Bewegungen, die seiner gewöhnlichen Natur angehören, verzögert wird. Diese Dinge sind Teil der Yoga-Wissenschaft und ebenso bekannt wie die entscheidenden Erfahrungen der Naturwissenschaft für den naturwissenschaftlich Forschenden.
Das Gefühl, ohnmächtig zu werden, entsteht einfach deshalb, weil du nicht, wie du glaubtest, geschlafen hast, sondern dich in einem ersten Zustand dessen befandest, was gewöhnlich svapna-samādhi, Traum-Trance, genannt wird. Was du als Ohnmacht empfunden hast, war lediglich die Neigung, dich tiefer nach innen zu wenden in einen umfassenderen svapna-samādhi oder aber in eine suṣupti-Trance – das letztere Wort umschreibt das, was im Englischen gewöhnlich mit Trance bezeichnet wird, kann aber auch auf die svapna-Trance ausgedehnt werden. Dem nach außen gerichteten Mental erscheint dieser völlige Verlust des äußeren Bewusstseins wie eine Ohnmacht, tatsächlich aber ist es nichts Derartiges. Viele Sadhaks hier erlangen zuweilen – manchmal aber auch über eine lange Zeitspanne hinweg – in dem, was als Schlaf begann, diesen tieferen svapna-samādhi mit dem Ergebnis, dass eine bewusste Sadhana sowohl in ihrem Schlaf als auch in ihren Wach-Stunden stattfindet. Dies unterscheidet sich von den Traum-Erfahrungen auf der vitalen oder mentalen Ebene, die an sich keine gewöhnlichen Träume sind, sondern tatsächlich Erfahrungen auf den mentalen, vitalen, seelischen oder feinstofflichen Ebenen. Du hattest verschiedene Träume, die vitale Traum-Erfahrungen waren, jene, in denen du die Mutter getroffen hast, und kürzlich hattest du einen derartigen Kontakt auf der mentalen Ebene, was für diejenigen, die etwas von diesen Dingen verstehen, bedeutet, dass sich das innere Bewusstsein sowohl im Mental als auch im Vital vorbereitet – also ein großer Fortschritt!
Du wirst fragen, warum diese Dinge entweder im Schlaf oder in einer nach innen gewandten Meditation stattfinden und nicht im Wach-Zustand. Hierfür gibt es einen zweifachen Grund: Erstens, dass im Yoga diese Dinge meist in einem nach innen gewandten Zustand und nicht im Wach-Zustand beginnen; erst wenn oder sobald das Wach-Mental bereit ist, geschehen sie genauso leicht im Wach-Zustand. Das Wach-Mental in dir war wiederum zu aktiv in seinem Beharren auf den Ideen und Wirkungsweisen des äußeren Bewusstseins, als dass es dem inneren Mental eine Chance gegeben hätte, sich in den Wach-Zustand zu projizieren. Es ist aber das innere Bewusstsein, vor allem das innere Mental, durch das diese Dinge zustandekommen; wenn also keine klare Verbindung vom inneren zum äußeren [Bewusstsein] besteht, müssen sie [die Traum-Erfahrungen] zuerst in den innerlichen Zuständen auftreten. Wenn das Wach-Mental sich dem inneren Bewusstsein unterworfen oder überantwortet hat und willens ist, sein Instrument zu werden, kann selbst von Anfang an das Sich-Öffnen über das Wach-Bewusstsein stattfinden. Das ist abermals ein bekanntes Gesetz des Yoga.
Ich könnte, da du dich über die fehlende Erwiderung [durch das Göttliche] beklagst, hinzufügen, dass du vermutlich sofort eine Art direkter Offenbarung des Göttlichen erwartest, die in der Regel – es gibt natürlich Ausnahmen – nur dann erfolgt, wenn das Bewusstsein durch vorangegangene Erfahrungen vorbereitet wurde, damit es die [Göttliche] Erwiderung fühlen, verstehen und erkennen möge. Meist kommt zuerst das spirituelle oder göttliche Bewusstsein – das, was ich das höhere Bewusstsein genannt habe –, die [Göttliche] Gegenwart oder Manifestation folgt später. Diese Herabkunft des höheren Bewusstseins ist aber tatsächlich die Berührung oder der Einfluss des Göttlichen selbst, wenn auch die niedere Natur dies zunächst nicht erkennt.
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Ich behaupte nicht, dass diese Erfahrungen immer wertlos sind, sie sind jedoch so vermischt und verworren, dass sie, wenn du ihnen ohne jedes Unterscheidungsvermögen folgst, dich am Ende in die Irre führen – manchmal auf tragische Weise – oder in ein labyrinthisches Niemandsland versetzen.
Das bedeutet nicht, dass alle derartigen Erfahrungen nutzlos oder ohne Wert sind. Es gibt sowohl brauchbare als auch unbrauchbare; es gibt solche, die hilfreich sind und auf der wahren Linie liegen, manchmal Wegweiser, manchmal Stadien auf dem Pfad zur Verwirklichung, manchmal auch Stoff und Substanz der Verwirklichung selbst. Natürlich und mit Recht sucht man diese, man ruft sie, strebt nach ihnen oder öffnet sich zumindest in der vertrauensvollen Erwartung, dass sie früher oder später kommen werden. Deine eigenen hauptsächlichen Erfahrungen mögen an Zahl nur gering oder nicht anhaltend gewesen sein, ich kann aber nicht sagen, dass sie unbrauchbar oder nicht förderlich gewesen wären. Ich würde eher behaupten, dass es besser sei, wenige von diesen als eine Unzahl von den anderen zu haben. Was ich in meinem Schreiben ausdrücken wollte war, nicht durch die reine Fülle der Erfahrungen beeindruckt zu sein oder zu glauben, dass sie ausreiche, um einen großen Sadhak zu formen, oder aber dass ein Fehlen dieser Fülle notwendigerweise eine Minderwertigkeit bedeute, einen beklagenswerten Mangel oder eine Dürftigkeit der einen wünschenswerten Sache.
Es gibt zwei Arten von Dingen, die sich im Yoga ereignen, Verwirklichungen und Erfahrungen. Verwirklichungen sind, wenn die grundlegenden Wahrheiten des Göttlichen im Bewusstsein angenommen und verankert werden, [die Wahrheiten] der Höheren oder Göttlichen Natur, des Weltbewusstsein und Spiels seiner Kräfte, des eigenen Selbstes und die seiner wirklichen Natur und der inneren Natur der Dinge, der Macht dieser Dinge, die in einem wachsen, bis sie Teil des eigenen inneren Lebens und Daseins sind; wie zum Beispiel die Verwirklichung der Göttlichen Gegenwart, die Herabkunft des höheren Friedens, des Lichtes, der Kraft, des Ananda in das Bewusstsein und ihre Festigung, ihr Wirken dort, die Verwirklichung der göttlichen oder spirituellen Liebe, das Gewahrwerden des eigenen seelischen Wesens, die Entdeckung des eigenen wahren mentalen Wesens, des wahren vitalen Wesens, des wahren physischen Wesens, die Verwirklichung des Obermentals oder des supramentalen Bewusstseins, die klare Wahrnehmung der Beziehung all dieser Dinge zu unserer gegenwärtigen niederen Natur und ihr Einwirken darauf, damit sie sich verändere. Die Liste kann natürlich unendlich verlängert werden. Diese Dinge werden auch oft Erfahrungen genannt, wenn sie blitzartig kommen, in einem Augenblick oder in seltenen Visitationen; man nennt sie erst dann volle Verwirklichungen, wenn sie sehr eindeutig, häufig, anhaltend oder normal werden.
Dann gibt es Erfahrungen, die zur Verwirklichung spiritueller oder göttlicher Dinge beitragen oder zu ihnen hinführen oder die ein Sich-Öffnen oder eine Weiterentwicklung der Sadhana bewirken, oder solche, die eine Hilfe auf dem Weg sind – Erfahrungen von symbolischem Charakter, Visionen, Kontakte der einen oder anderen Art mit dem Göttlichen oder mit den Wirkungsweisen der höheren Wahrheit, Dinge wie das Erwachen der Kundalini, das Sich-Öffnen der chakras, Botschaften, Intuitionen, das Freiwerden innerer Mächte usw.. Das eine, worauf man zu achten hat, ist, dass sie echt und wahrhaft sind, und das hängt von der eigenen Aufrichtigkeit ab; denn wenn man nicht aufrichtig ist, wenn einem mehr am Ego liegt oder daran, ein großer Yogi zu sein oder ein Übermensch zu werden, als an der Begegnung mit dem Göttlichen oder der Erlangung des Göttlichen Bewusstseins, das einen befähigt, im oder mit dem Göttlichen zu leben, wird eine Flut von Fälschungen oder Verworrenheiten über einen hereinbrechen, und man landet in den Labyrinthen des Zwischenbereiches oder wirbelt in den gewohnten Geleisen der eigenen Gestaltungen herum. Das ist die Wahrheit der ganzen Angelegenheit.
Warum also sagt X, dass man Erfahrungen nicht nachjagen, sondern allein das Göttliche lieben und suchen soll? Das bedeutet ganz einfach, dass du nicht Erfahrungen zu deinem hauptsächlichen Ziel, sondern allein das Göttliche zu deinem Ziel machen solltest; und wenn das der Fall ist, wirst du mit größerer Wahrscheinlichkeit die wahren, förderlichen Erfahrungen empfangen und die falschen meiden. Wenn du hingegen in der Hauptsache Erfahrungen suchst, könnte der Yoga zu einem reinen Schwelgen in den geringeren Dingen der mentalen, vitalen und feinstofflichen Welten oder in spirituellen Zweitrangigkeiten werden, oder er könnte den Tumult oder Mahlstrom des Zweifelhaften und des ganzen oder halben Unechten herabbringen und sich zwischen die Seele und das Göttliche stellen. Das ist eine sehr vernünftige Regel der Sadhana. All diese Regeln und Behauptungen müssen jedoch mit einem Gefühl für ihr Maß und ihre richtigen Grenzen aufgenommen werden – sie bedeuten nicht, dass man förderliche Erfahrungen nicht begrüßen soll oder dass sie keinen Wert hätten. Es ist auch durchaus erlaubt, wenn sich eine vernünftige Linie der Erfahrung öffnet, sie weiter zu verfolgen, sofern man immer das zentrale Ziel im Auge behält. Alle hilfreichen und stützenden Kontakte im Traum oder der inneren Schau, wie die von dir erwähnten, müssen begrüßt und angenommen werden. Erfahrungen der rechten Art sind eine Stütze und Hilfe im Hinblick auf die Verwirklichung und sind auf jeden Fall zu akzeptieren.
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Sei nicht so übermäßig erpicht auf Erfahrungen, denn Erfahrungen kannst du immer haben, sobald einmal die Schranke zwischen dem physischen Mental und den feinstofflichen Ebenen durchbrachen ist. Wonach du am meisten streben musst, das ist die verfeinerte Beschaffenheit des empfangenden Bewusstseins in dir, das Unterscheidungsvermögen im Mental und dass der nicht-verhaftete, unpersönliche Zeuge alles sieht, was in dir und um dich herum vor sich geht, die Reinheit im Vital, die ruhige Gelassenheit, die ausdauernde Geduld, das Nicht-Vorhandensein von Stolz und dem Gefühl der Größe – und im besonderen nach der Entwicklung des seelischen Wesens in dir, der Hingabe, dem Selbst-Geben, der seelischen Demut, der Weihung. Ein Bewusstsein, das sich aus diesen Dingen zusammensetzt, das aus diesem Holz geschnitzt ist, kann ohne zu zerbrechen, zu straucheln oder ohne irrige Abwege den Einbruch des Lichtes, der Macht und der Erfahrungen von den überphysischen Ebenen ertragen. Eine gänzliche Vollkommenheit in dieser Hinsicht ist schwerlich möglich, solange nicht die gesamte Natur vom höheren Mental bis zum unbewussten Physischen eins wurde in dem Licht, das größer ist als das Mental; eine hinreichende Grundlage jedoch und ein sich stets beobachtendes Bewusstsein, aufmerksam und in diese Dinge hineinwachsend, ist unerlässlich – denn die vollkommene Läuterung ist die Grundlage der vollkommenen siddhi.
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Was die Sadhana anbelangt, so ist es notwendig, eine gewisse Ruhe des inneren Mentals zu erlangen, welche die Meditation fruchtbar macht, oder eine Stille des Herzens, die das seelische Sich-Öffnen bewirkt. Das kann nur durch regelmäßige Konzentration geschehen, durch fortwährendes Streben und den Willen, Mental und Herz von den sie beunruhigenden und erregenden Dingen zu befreien. Sobald in diesen beiden Zentren eine gewisse Grundlage errichtet wurde, kommen die Erfahrungen von selbst. Viele [Menschen] mögen ohne Zweifel gewisse Arten von Erfahrungen, wie Visionen usw. haben, bevor die Grundlage sorgfältig errichtet ist, und zwar infolge einer bestimmten vitalen oder mentalen Eignung für diese Dinge; solche Erfahrungen führen jedoch nicht aus sich heraus zur Umwandlung oder Verwirklichung – die Stille des Mentals und das seelische Sich-Öffnen sind es, durch die diese größeren Dinge kommen können.
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Es ist notwendig, auf drei Dinge zu achten:
1. Auf eine vollkommene Ruhe und Stille des Mentals und ganzen Wesens.
2. Dass der Vorgang der Läuterung andauert, ... damit das seelische Wesen (die Seele) die gesamte Natur beherrschen kann.
3. Dass die Verehrung und bhakti für die Mutter unter allen Voraussetzungen und in allen Erfahrungen erhalten bleibt.
Dies sind die Bedingungen, unter denen man in allen Erfahrungen ungefährdet wachsen und sich die vollkommene Verwirklichung ohne Störung des Organismus auf die rechte Weise entfalten kann, ohne dass man von der Intensität der Erfahrungen fortgerissen wird. Ruhe, seelische Reinheit, bhakti und spirituelle Demut vor dem Göttlichen sind die drei Voraussetzungen hierfür. Erfahrungen als solche sind richtig und förderlich.
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Ich glaube nicht, dass irgendeine Ursache zur Unzufriedenheit mit deinem Fortschritt besteht. Vielen werden Erfahrungen zuteil, bevor ihre Natur bereit ist, in vollem Umfang Nutzen daraus zu ziehen; andere durchlaufen zuerst eine mehr oder weniger lange Zeitspanne der Läuterung und Vorbereitung des Stoffes ihrer Natur oder der Instrumente, während die Erfahrungen aufgehalten werden, bis dieser Vorgang zum größten Teil oder gänzlich beendet ist. Von beiden ist die letztere Methode, die in deinem Fall angewandt zu sein scheint, die gefahrlosere und gesündere. Wir sind der Meinung, dass du ganz offensichtlich in dieser Hinsicht einen beachtlichen Fortschritt erzielt hast, zum Beispiel in der Zügelung der Gewaltsamkeit, Ungeduld und des Ungestüms, die der vulkanischen Energie deines Temperamentes eigen sind, in der Aufrichtigkeit, die ausgefallenen und irrigen Impulse eines ungemein aktiven Mentals und Temperamentes zu bezähmen, in [der Erlangung] einer größeren Ruhe und Harmonie des Wesens als Ganzem. Zweifellos muss der Vorgang noch vollendet werden, doch scheint etwas sehr Grundlegendes geschehen zu sein. Es ist wichtiger, eine Sache mehr von der positiven als von der negativen Seite her zu betrachten. Die Dinge, die gefestigt werden müssen, sind brahmacaryam śamaḥ satyam praśāntir ātmasaṃyamaḥ: brahmacaryam, vollständige geschlechtliche Reinheit; śamaḥ, Ruhe und Harmonie im Wesen unter Aufrechterhaltung seiner Kräfte, aber kontrolliert, harmonisiert und diszipliniert; satyam, Wahrheit und Aufrichtigkeit in der gesamten Natur; praśāntir, ein allgemeiner Zustand des Friedens und der Ruhe; ātmasaṃyamaḥ, die Macht und Gewohnheit zu kontrollieren, was immer in den Bewegungen der Natur der Kontrolle bedarf. Wenn all dies einigermaßen gefestigt ist, hat man eine Grundlage geschaffen, auf welcher das yogische Bewusstsein sich entwickeln kann, und mit dem yogischen Bewusstsein kommt ein leichtes Sich-Öffnen gegenüber Verwirklichung und Erfahrung.
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Du hast Erfahrungen gehabt, die Anzeichen einer künftigen Möglichkeit sind. Mehr in den ersten eineinhalb Jahren zu haben, würde bedingen, vollständig die Haltung eines Sadhaks einzunehmen und die des Weltmenschen aufzugeben. Nur dann kann der Fortschritt von Anfang an rasch sein.
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All dies (das Aufgeben von genussvollem Essen, von Teetrinken usw.) sind äußere Dinge, die ihren Wert haben; was ich aber (mit der „vollendeten Haltung des Sadhaks“) meine, ist etwas mehr Innerliches. Ich meine, an äußeren Dingen nicht um ihrer selbst willen interessiert zu sein und ihnen voller Verlangen nachzulaufen, sondern die ganze Zeit über auf seine Seele bedacht zu sein, zentral im inneren Wesen und seinem Fortschritt zu leben und äußere Dinge und Tätigkeiten lediglich als Mittel für den inneren Fortschritt anzusehen.
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Warum aber von irgendeiner Fülle irgendwelcher Erfahrungen überwältigt sein? Worauf läuft es schließlich hinaus? Der Wert eines Sadhaks hängt nicht davon ab; eine große spirituelle Verwirklichung, direkt und im Zentrum, formt oft einen großen Sadhak oder Yogi, während eine Unzahl von den mittleren yogischen Erfahrungen es nicht tut, das hat sich durch viele Beispiele reichlich bewiesen ... Daher brauchst du jenen Reichtum nicht an deiner Armut zu messen. Dich der Herabkunft des höheren Bewusstseins (des wahren Wesens) zu öffnen, ist die eine erforderliche Sache, und selbst wenn sie erst nach langer Bemühung und vielen Fehlschlägen kommt, ist dies besser als ein hektischer Galopp, der nirgendwohin führt.
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Erfahrung in der Sadhana muss zwangsläufig mit der mentalen Ebene beginnen – das einzig Notwendige ist, dass die Erfahrung einwandfrei und echt ist. Der Druck des Verstandes und Willens im Mental und die Gott zugewandte emotionale Inbrunst im Herzen sind die beiden wichtigsten Kräfte im Yoga; und Friede, Reinheit und Ruhe (und ein Beruhigen der niederen Unrast) sind genaugenommen die erste Grundlage, die geschaffen werden muss; dies zu tun ist anfangs wesentlich wichtiger, als einen flüchtigen Einblick in überphysische Welten zu erlangen oder die Erfahrung von Visionen, Stimmen und Mächten zu haben. Läuterung und Ruhe sind die ersten Erfordernisse im Yoga. Ohne sie kann man eine große Fülle von Erfahrungen jeder Art haben (Welten, Visionen, Stimmen usw.), doch sind diese Erfahrungen, die in einem ungeläuterten und gestörten Bewusstsein stattfinden, gewöhnlich sehr verworren und vermischt.
Zu Beginn dauern der Friede und die Ruhe nicht an, sie kommen und gehen, und es braucht lange Zeit, sie in der Natur zu festigen. Es ist daher besser, Ungeduld zu vermeiden und stetig das fortzusetzen, was geschieht. Wenn du etwas jenseits von Frieden und Ruhe haben willst, dann lass es das volle Sich-Öffnen des inneren Wesens und das Bewusstsein der in dir wirkenden Göttlichen Macht sein. Strebe danach, aufrichtig und mit großer Intensität, doch ohne Ungeduld, und es wird kommen.
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Durchaus richtig. Solange der adhar nicht geläutert ist, kann sich weder die höhere Wahrheit (intuitiv, erleuchtet, spirituell) noch das Obermental, noch das Supramental offenbaren; die Kräfte, die von ihnen herabkommen, welcher Art auch immer, werden mit dem niederen Bewusstsein vermischt, und an die Stelle der Wahrheit tritt die Halbwahrheit oder manchmal sogar ein gefährliches Irren.
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In einem bestimmten Stadium der Sadhana, zu Beginn der intensiveren Erfahrungen (oder ungefähr dann), geschieht es manchmal, dass eine intensive Verwirklichung eines bestimmten Aspektes des Göttlichen stattfindet, eine Art Einung damit, und jener [Aspekt] wird überall und alles als jener gesehen. Es ist ein Übergangsstadium, und später erhält man die größere Erfahrung des (persönlichen) Göttlichen in all seinen Aspekten und jenseits aller Aspekte. Während der ganzen Zeit der Erfahrung sollte es einen Teil des Wesens geben, der beobachtet und versteht – denn manchmal werden unwissende Sadhaks von ihrer Erfahrung überwältigt und kommen dort zum Stillstand oder verfallen Extravaganzen. Es muss als eine Erfahrung angesehen werden, durch die du hindurchgehst.
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Die speziellen Erfahrungen, die du hast, sind flüchtige Ausblicke auf etwas, das kommen wird, das wächst und sich vorbereitet, und sie tragen dazu bei, das Bewusstsein hierfür bereit zu machen. Es ist deshalb nicht überraschend, dass sie sich verändern und durch andere ersetzt werden – so geschieht es meistens; denn es sind nicht diese Formen, die fortbestehen müssen, sondern die Essenz von dem, was sie bringen. Daher ist das, was jetzt am meisten wachsen muss, das Schweigen, die Ruhe, der Friede, die freie Leere, in welche die Erfahrungen kommen können und das Gefühl der Kühle und Befreiung.
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Wenn dies voll vom Bewusstsein in Besitz genommen ist, wird etwas anderes in es eintreten und sich festigen, das für das wahre Bewusstsein ebenfalls wesentlich ist – meist geht es auf diese Weise vor sich. Es ist daher nichts Seltsames, dass bestimmte Formen der Erfahrung aufhören und andere ihnen folgen, nachdem du der Mutter darüber geschrieben oder erzählt hast. Wenn die beständigeren Formen der Verwirklichung zu kommen beginnen, wird es nicht mehr so sein.
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Ich stelle die persönliche Intensität oder Greifbarkeit deiner inneren Erfahrungen durchaus nicht in Frage, doch können Erfahrungen intensiv und dennoch, was ihre Wahrheit und ihren Charakter anbelangt, sehr zweifelhaft sein. Deine Erfahrung wird stark von deiner eigenen Subjektivität und manchmal deinen Ego-Trieben beeinträchtigt, die ihr ihre Form und jenen Eindruck geben, den sie in dir hervorrufen. Allein dann, wenn eine reine seelische Erwiderung vorhanden ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Form, die der Erfahrung gegeben wird, die richtige ist, und dann werden auch die mentalen und vitalen Bewegungen sich in ihrer wahren Natur darstellen. Im anderen Fall geben Mental, Vital und Ego dem, was geschieht, ihre eigene Färbung, ihre eigene Richtung und sehr häufig ihre eigene Entstellung. Intensität ist kein Garant für die volle Wahrheit und Richtigkeit einer Erfahrung; allein die Reinheit des Bewusstseins vermag die volle Wahrheit und Richtigkeit zu verleihen.
Die Gegenwart der Mutter ist immer vorhanden; wenn du dich aber entscheidest, auf eigene Faust zu handeln – gemäß deiner eigenen Idee, deiner eigenen Vorstellung der Dinge, deinem eigenen Willen sowie deinem Anspruch auf die Dinge –, ist es durchaus wahrscheinlich, dass ihre Gegenwart verhüllt wird; nicht sie ist es, die sich von dir zurückzieht, sondern du ziehst dich von ihr zurück. Dein Mental und Vital wollen dies jedoch nicht zugeben, da es ihr Hauptanliegen ist, stets ihre eigenen Bewegungen zu rechtfertigen. Würde aber der Seele die volle Herrschaft gewährt werden, könnte das nicht geschehen; sie würde die Verhüllung fühlen und sich sofort sagen: „Etwas Falsches muss in mir sein, eine Trübung ist in mir entstanden“ und danach Ausschau halten und die Ursache finden.
Es ist durchaus richtig, dass, solange kein vorbehaltloses Selbstgeben sowohl im inneren als auch im äußeren Wesen vorhanden ist, es immer Verschleierungen, dunkle Zeitspannen und Schwierigkeiten geben wird. Wäre aber das rückhaltlose Selbstgeben im Inneren vorhanden, würde das rückhaltlose Selbstgeben im Äußeren [in der äußeren Natur] auf natürliche Weise folgen; wenn es nicht der Fall ist, bedeutet es, dass das Innere nicht uneingeschränkt hingegeben ist; es gibt Vorbehalte in einem Teil des Mentals, das auf seinen eigenen Ideen und Vorstellungen beharrt, Vorbehalte in einem Teil des Vitals, das auf seinen Forderungen, Impulsen, Bewegungen, Ego-Ideen und Gestaltungen. besteht, Vorbehalte im inneren Physischen, das an seinen alten Gewohnheiten von mancherlei Art hängt – und alle fordern bewusst, halb-bewusst oder unterbewusst, dass sie aufrechterhalten, respektiert und befriedigt und als ein wichtiges Element in der Arbeit, der „Schöpfung“ oder dem Yoga betrachtet werden sollten.
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Erfahrungen auf den mentalen, vitalen und feinstofflichen Ebenen oder gedankliche und vitale Gebilde stellen sich oft so dar, als wären es konkrete äußere Ereignisse; genauso werden wahre Erfahrungen durch mentale und vitale Übertreibungen und Hinzufügungen entstellt. Eines der ersten Erfordernisse in unserem Yoga ist Urteilsvermögen und seelisches Feingefühl, wodurch man das Falsche vom Wahren unterscheidet und jedem Ding seinen Platz und wahren Wert oder Nicht-Wert gibt, ohne von der Erregung des Mentals oder vitalen Wesens fortgerissen zu werden.
Erfahrungen des höheren Bewusstseins allein werden die [menschliche] Natur nicht wandeln. Das höhere Bewusstsein muss entweder dynamisch in das ganze Wesen herabkommen und es wandeln; oder es muss sich im inneren Wesen bis hinab ins innere Physische festigen, so dass letzteres sich vom äußeren [Physischen] getrennt fühlt und frei darauf einwirken kann; oder die Seele muss hervortreten und die Natur wandeln; oder der innere Wille muss erwachen und die Natur zur Wandlung zwingen. Dies sind die vier Wege, auf denen eine Wandlung herbeigeführt werden kann.
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Das Problem im Yoga besteht nicht darin, Erfahrungen oder eine subjektive Verwirklichung der Wahrheit zu erhalten; es besteht darin, die Wahrheit zu objektivieren, das heißt, das äußere Bewusstsein bis hinab zum Stofflichen zu einem Ausdruck der inneren Wahrheit zu machen. Solange dies nicht geschehen ist, können die Angriffe der niederen Natur immer stören.
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Das kosmische Bewusstsein, das Obermental-Wissen und die Obermental-Erfahrung sind ein inneres Wissen – aber seine Auswirkung ist subjektiv. Solange man es hat, kann man in der Seele frei sein; es ist aber notwendiger, die äußere Natur umzuwandeln.
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Subjektiv ist nicht gleichbedeutend mit falsch. Es bedeutet lediglich, dass die Wahrheit zwar innerlich erfahren wird, sie aber noch nicht die dynamischen Beziehungen zum äußeren Dasein ergriffen hat. Es ist eine innere Erfahrung des kosmischen Bewusstseins und des Obermental-Wissens.
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Ich habe dir schon einmal gesagt, dass deine Erfahrungen subjektiv sind – und in dem subjektiven Bereich sind sie, so weit sie reichen, in ihrer Substanz richtig. Um aber in das Supramental einzutreten, reicht die subjektive Erfahrung nicht aus. Es muss zuerst eine hinreichende Anwendung der Intuition und des Obermentals im Leben stattfinden.
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Was meinst du mit wahr? Du hast eine subjektive Erfahrung, die zu einer höheren Bewusstseinsebene gehört. Wenn du damit in das Stoffliche herabkommst, wird das ganze Dasein in der Wahrheit jenes Bewusstseins gesehen – so als würde ein Mensch überall die Vision des Göttlichen haben; er sieht alles bis hinab zur stofflichen Welt als das Göttliche.
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Es findet auf diese Weise im eigenen, subjektiven Bewusstsein des Sadhaks statt. Das bedeutet natürlich nicht, dass die ganze Welt [tatsächlich] so wird – jedermanns Bewusstsein ... Wenn deine Erfahrung objektiv wäre, würde das heißen, dass die Welt sich gewandelt hätte, jedermann bewusst geworden wäre und es nirgendwo Sorge und Leid gäbe. Selbstredend hat sich nicht die stoffliche Welt objektiv auf diese Weise gewandelt, nur in deinem eigenen Bewusstsein siehst du allenthalben subjektiv das Göttliche; alle Disharmonie schwindet, Sorge und Leid werden unmöglich, wenigstens eine Zeit lang – das ist eine subjektive Erfahrung.
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Es hängt davon ab, was du mit subjektiv und objektiv meinst. Wissen und Unwissenheit sind ihrer Natur nach subjektiv. Doch vom persönlichen Standpunkt aus könnte sich die Kraft der Unwissenheit als etwas Objektives außerhalb von einem selbst offenbaren, so dass, auch wenn man das Wissen für sich erlangt hat, man die umgebende Unwissenheit nicht auflösen kann. Wenn das der Fall ist, ist die Unwissenheit nicht nur eine subjektive Kraft im eigenen Inneren, sondern in der Welt vorhanden.
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Es scheint eine Reihe von Erfahrungen der verschiedenen bhavas [Seins-Zustände] der bhakti gewesen zu sein, die nur um der Erfahrung oder einer vielseitigen Entwicklung der bhakti willen stattfanden. Natürlich sind es rein subjektive Erfahrungen, die das Bewusstsein erziehen sollen, und sie haben keinen bestimmten Wert für die tatsächliche Manifestation. Sie sind allein für die subjektive Erfahrung und das subjektive Wissen da.
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Das goldene Licht ist meist ein Licht vom Supramental, ein Licht des Wahrheits-Wissens (es kann manchmal das supramentale Wahrheits-Wissen sein, das in die obermentale oder intuitive Wahrheit gewandelt wurde). Orange zeigt häufig okkulte Macht an. Du hast eine ausgeprägte Fähigkeit (subjektiver) schöpferischer Gestaltung, hauptsächlich, wie ich glaube, auf der mentalen, doch teilweise auch auf der vitalen Ebene. Diese Art gestaltender Fähigkeit kann für objektive Ergebnisse verwendet werden, wenn sie von einer soliden Kenntnis okkulter Kräfte und ihrem Wirken begleitet wird; für sich allein führt sie jedoch öfter zum Aufbau einer eigenen inneren Welt, in der du durchaus zufrieden leben kannst, solange du in dir selbst lebst, fern von jedem engen Kontakt mit dem äußeren physischen Leben; sie hält aber der Probe objektiver Erfahrung nicht stand.
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Auf jeder Ebene gibt es eine objektive und eine subjektive Seite. Nicht allein die physische Ebene und das physische Leben sind objektiv.
Wenn du die Kraft der Gestaltung hast, von der ich sprach, wird das Mental von allem, das an es herantritt, in sich selbst eine Form konstruieren und errichten. Diese Kraft aber kann zwei Wege einschlagen; sie kann das Mental dazu verleiten, reine Spiegelbilder der Wirklichkeit zu schaffen, die es fälschlicherweise für die Wirklichkeit als solche hält. Es ist eine der vielen Gefahren eines zu aktiven Mentals.
Du formst eine Gestaltung in deinem Mental oder auf deiner vitalen Ebene – es ist eine Art Schöpfung, aber nur eine subjektive; sie berührt nur dein eigenes mentales oder vitales Wesen. Du kannst mit Hilfe von Ideen, Gedankenformen, Bildern eine ganze Welt in dir oder für dich aufbauen; doch damit ist es schon zu Ende.
Manche haben die Macht, bewusst Gestaltungen zu bilden, die hinausgehen und das Mental, die Taten, die vitalen Bewegungen und das äußere Leben von anderen [Menschen] beeinflussen. Diese Gestaltungen können sowohl destruktiv als auch konstruktiv sein.
Schließlich gibt es eine Macht, Gestaltungen zu formen, die hier im Erd-Bewusstsein wirksame Wirklichkeiten werden, in seinem Mental, seinem Leben und physischen Dasein. Das ist es, was wir gewöhnlich mit Schöpfung bezeichnen.
III.
Mentale Verwirklichung ist zu Beginn nützlich, sie bereitet die spirituelle Erfahrung vor.
Sie kann zu Beginn hilfreich, aber auch hinderlich sein. Es hängt vom Sadhak ab.
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Auch Wordsworths Erfahrung war mental. Mentale Erfahrungen sind natürlich eine gute Vorbereitung, wenn man dort aber haltmacht, bleibt man von der wirklichen Sache weit entfernt.
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Die Verwirklichung des Göttlichen im Mental ist eine bestimmte Art von lebendigem Erkennen, das aus zwei Teilen besteht: einmal die lebendige Wahrnehmung im Denken, die bis zur Intuition oder Offenbarung reicht, zum anderen das lebhafte mentale Empfinden und Reproduzieren dessen, was derart in der Mental-Substanz erkannt wird. Auf diese Weise wird der Eine durch eine Art inneres mentales Empfinden vom Mental in allen gefühlt, gesehen und verwirklicht. Die spirituelle Verwirklichung ist konkreter als das – man erhält das Wissen durch eine Art Identität in der eigenen Substanz.
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Du musst durch die Erfahrung erkennen. Die mentale Wahrnehmung und die mentale Verwirklichung sind zwei verschiedene Dinge – die mentale Wahrnehmung ist nur eine Idee, in der mentalen Verwirklichung wird die Wahrheit in der eigentlichen Mentalsubstanz reflektiert oder reproduziert. Die spirituelle Erfahrung steht höher als die mentale – dort findet die Erfahrung in der eigentlichen Substanz des Wesens statt.
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Ein mentales oder vitales Empfinden des Einsseins hat nicht die gleiche Wesentlichkeit oder Auswirkung wie eine spirituelle Verwirklichung des Einsseins – ebenso wie die mentale Wahrnehmung des Göttlichen nicht das gleiche ist wie die spirituelle Verwirklichung [des Göttlichen]. Das Bewusstsein der einen Ebene unterscheidet sich von dem Bewusstsein einer anderen Ebene. Spirituelle und seelische Liebe sind verschieden von mentaler, vitaler oder physischer Liebe – und so ist es mit allem übrigen. Und auch mit der Wahrnehmung des Einsseins und ihren Auswirkungen. Das ist der Grund, warum jede der verschiedenen Ebenen ihre Bedeutung hat; im anderen Fall hätte sie keine Daseinsberechtigung.
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Deine Erfahrung ist der Beginn der grundlegenden und entscheidenden Verwirklichung, die das Bewusstsein aus der begrenzten mentalen in die wahre spirituelle Schau und Erfahrung trägt, in welcher alles eins und alles das Göttliche ist. Diese unveränderliche und lebendige Erfahrung bildet die wahre Grundlage des spirituellen Lebens. Es kann keinen Zweifel an ihrer Wahrheit und ihrem Wert geben, denn sie ist offensichtlich etwas Lebendiges und Dynamisches und überschreitet eine mentale Verwirklichung. Sie kann sich in Zukunft verschiedene Aspekte hinzufügen, doch die essentielle, grundlegende Verwirklichung hast du jetzt. Wenn sie andauert, kann gesagt werden, dass man das Zwielicht des Mentals verlassen hat und in das Licht des Spirits eingetreten ist.
Was du jetzt zu tun hast ist, dem Wachsen und Entfalten der Verwirklichung stattzugeben. Die erforderlichen Bewegungen werden wahrscheinlich von selbst kommen – so wie auch die anderen gekommen sind –, vorausgesetzt, du hältst deinen Willen eingleisig und treu auf dieses Licht und diese Wahrheit gerichtet. Sie hat dich bereits zum nächsten Schritt geführt, zur Beendigung des Gedankenstroms und zum Schweigen des inneren Mentals. Wenn das einmal gewonnen ist, werden sich voraussichtlich ein gefestigter Friede sowie Befreiung und Weite einstellen. Das Gefühl der Notwendigkeit von Einfachheit und Transparenz ist ebenfalls eine echte Bewegung und stammt aus der gleichen inneren Führung. Es ist notwendig, damit das tiefste, innerste göttliche Element hinter Mental, Leben und Körper voll in dir hervortreten kann – wenn das geschieht, wirst du fähig werden, den inneren Führenden und eine Kraft, die für die gänzliche spirituelle Wandlung arbeitet, wahrzunehmen. Diese Einfachheit kommt durch eine Loslösung von den vielerlei irrigen mentalen und vitalen Bewegungen, die dich in alle Richtungen führen – eine Ruhe, ein Losgelöstsein im Herzen, die dich allein der einen Wahrheit und dem einen Licht zuwenden und schließlich das ganze Wesen und ganze Leben erfassen.
Habe Vertrauen in die Gnade des Einen und Göttlichen, der dich bereits berührt und seine Tür geöffnet hat, und verlasse dich darauf in allem, was kommt.
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Ich habe den Bericht von Xs Erfahrungen gelesen. Daraus geht hervor, dass er bis zu einem gewissen Grad den richtigen Anfang gemacht hatte und fähig war, den Beginn einer mentalen Ruhe und eine Art von seelischem Sich-Öffnen herzustellen, ohne jedoch mit beidem bis jetzt sehr weit gekommen zu sein. Der Grund ist wahrscheinlich darin zu suchen, dass er alles mit Hilfe einer starken mentalen Kontrolle und durch ein gewaltsames Beruhigen des Mentals und der emotionalen und vitalen Bewegungen getan hat, die wahre spirituelle Ruhe aber noch nicht festigen konnte, die allein durch die Erfahrung des höheren Wesens über dem Mental oder die Hingabe an dieses kommt. Das ist es, woran er arbeiten muss, um die Basis für einen substantiellen Fortschritt zu schaffen.
1. Er hat recht zu glauben, dass eine innere Ruhe und Stille die Grundlage nicht nur für die äußere Arbeit, sondern auch für alle inneren und äußeren Tätigkeiten sein muss. Das Beruhigen des Mentals zu einer mentalen Stille oder Untätigkeit – obwohl als erster Schritt häufig nützlich – ist aber nicht ausreichend. Die mentale Ruhe muss zuerst in einen tieferen spirituellen Frieden, santi, umgewandelt werden und dann in die supramentale Ruhe, das supramentale Schweigen, voll des höheren Lichtes, der Stärke und des Ananda. Zudem reicht das Beruhigen des Mentals allein häufig nicht aus. Es muss das vitale und physische Bewusstsein geöffnet und dort die gleiche Grundlage errichtet werden. Auch darf der Geist der Hingabe, von dem er spricht, nicht nur ein mentales Gefühl sein, sondern es muss das Streben des tieferen Herzens und Willens nach der Wahrheit über uns sein, damit das Wesen sich in sie erheben und damit sie herabkommen und alle Tätigkeiten lenken möge.
2. Die Leere, die er im Mental fühlt, ist oft eine notwendige Voraussetzung für seine Läuterung von den gewöhnlichen Bewegungen, damit es sich einem höheren Bewusstsein und einer neuen Erfahrung öffnen kann; als solche jedoch ist sie rein negativ, eine mentale Ruhe, die nichts Positives enthält, und wenn man dort haltmacht, müssen Dumpfheit und Trägheit, über die er klagt, auftreten. Er muss sich in der Leere und dem Schweigen des Mentals dem Wirken der höheren Macht, des Lichtes und Friedens von oberhalb des Mentals öffnen und auf sie warten oder um sie bitten.
3. Das Andauern der schlechten Gewohnheiten im Schlaf ist leicht zu erklären und eine Sache von allgemeiner Erfahrung. Es ist ein bekanntes psychologisches Gesetz, dass, was immer im bewussten Mental unterdrückt wird, im unterbewussten Wesen fort besteht und entweder in Wachzustand wiederkehrt, wenn die Kontrolle aufgehoben ist, oder aber im Schlaf. Durch die mentale Kontrolle als solche kann aus dem Wesen nichts gänzlich ausgerottet werden. Das Unterbewusste im gewöhnlichen Menschen umfasst den größeren Teil des vitalen Wesens, des physischen Mentals und auch des geheimen Körperbewusstseins. Zur Durchführung einer echten und vollkommenen Wandlung muss man all diese [schlechten Gewohnheiten] bewusst machen, um klar zu erkennen, was noch vorhanden ist, und sie Schicht um Schicht zurückweisen bis sie aus dem persönlichen Dasein gänzlich getilgt wurden. Selbst dann ist es möglich, dass sie fortbestehen und von den umgebenden universalen Kräften zum Wesen zurückkehren; nur wenn kein Teil des Bewusstseins in irgendeiner Form mehr auf diese Kräfte der niederen Ebene reagiert, können der Sieg und die Umwandlung absolut vollständig sein.
4. Seine Erfahrung, dass die Kräfte des vergangenen karma – das heißt also in Wirklichkeit der alten Natur – mit doppelter Heftigkeit zu ihm zurückkehren, wann immer er einen Sieg auf der mentalen Ebene errungen hat, ist abermals eine allgemeine Erfahrung. Die psychologische Erklärung ist im vorangehenden Abschnitt zu finden. Jeder Versuch, das Wesen umzuwandeln, ist ein Ringen mit universalen Kräften, die lange Zeit die Herrschaft inne hatten, und es ist müßig zu erwarten, dass sie den Kampf bei der ersten Niederlage aufgeben werden. Sie versuchen so lange sie können ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, und selbst wenn sie hinausgeworfen werden, trachten sie danach zurückzukehren und ihre Macht zurückzugewinnen, solange die geringste Möglichkeit einer Erwiderung im bewussten oder unterbewussten Wesen besteht. Es hat keinen Sinn, sich von diesen Angriffen entmutigen zu lassen. Man muss versuchen, sie mehr und mehr nach außen zu drängen und ihnen jede Zustimmung zu verweigern, bis sie sich erschöpfen und dahinschwinden. Nicht nur citta und buddhi müssen die Zustimmung verweigern, sondern auch die niedrigeren Teile des Wesens, das Vital und physische Vital, das physische Mental und das Körperbewusstsein.
5. Die Mängel des empfangenden Mentals und der unterscheidenden buddhi sind allgemeine Mängel des Intellekts, von denen man sich erst dann gänzlich befreien kann, wenn die intellektuelle durch eine überintellektuelle Tätigkeit ersetzt wurde und schließlich durch das harmonisierende Licht des supramentalen Wesens.
Als nächstes die psychischen Erfahrungen: Der Bereich des Glanzes, der im höchsten Punkt des Kopfes gefühlt wird, ist einfach die Berührung durch das supramentale Sonnenlicht oder seine Widerspiegelung im höheren Teil des Mentals. Das ganze Mental und Wesen müssen sich diesem Licht öffnen, und es muss herabkommen und das gesamte [Körper-] System erfüllen. Der Blitz und die elektrischen Ströme sind die (vaidyuta-) Agni-Kraft der supramentalen Sonne, die dich berührt und versucht, sich in den Körper zu ergießen. Die anderen Anzeichen sind Verheißungen künftiger seelischer und anderer Erfahrungen. Keines dieser Dinge aber kann sich festigen, solange nicht das Sich-Öffnen gegenüber der höheren Kraft stattgefunden hat. Der mentale Yoga kann nur eine Vorbereitung für diesen wahreren Ausgangspunkt sein.
Was ich gesagt habe, ist lediglich eine Erklärung dieser Erfahrungen; es scheint mir aber, dass er genügend fortgeschritten ist, um eine Grundlage für den Beginn des höheren Yoga zu schaffen. Wenn er das will, muss er seine mentale Kontrolle ersetzen durch einen Glauben und eine Hingabe an die Höchste Gegenwart und Kraft über dem Mental, durch ein Streben im Herzen und einen Willen im höheren Mental, die höchste Wahrheit zu erreichen sowie die Umwandlung des ganzen bewussten Wesens durch ihre Herabkunft und Macht. Er muss sich ihr in seiner Meditation schweigend öffnen und zuerst eine tiefere Ruhe, ein tieferes Schweigen und als nächstes die Stärke von oben herabrufen, damit sie im ganzen System wirke, und schließlich den höheren Glanz, von dem er einen flüchtigen Eindruck hatte, als er sein ganzes Wesen durchströmte und es durch die göttliche Wahrheits-Bewegung erhellte.
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Ja, solange die Haltung mental ist, ist sie unsicher, da sie etwas der Natur Auferlegtes ist – eine mentale Richtlinie und Kontrolle. Mit der spirituellen Erfahrung jedoch beginnt eine Wandlung im Stoff des Bewusstseins als solchem, und in dem Maß, wie sie sich festigt und bestätigt, beginnt auf natürliche Weise das, was wir die Umwandlung der Natur nennen.
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Nein, der Ausdruck („Stoff des Bewusstseins“) bedeutet einfach Substanz des Bewusstseins, das Bewusstsein als solches.
In dem Maß, wie die yogische Erfahrung sich entwickelt, wird Bewusstsein als etwas durchaus Konkretes empfunden, worin Bewegungen und Formungen stattfinden, die das sind, was wir Gedanken, Gefühle usw. nennen.
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Deine Empfindung ist durchaus in Ordnung. Jede spirituelle Erfahrung ist eine substantielle Erfahrung – Bewusstsein, sogar Ananda wird als etwas Substantielles gefühlt. Es ist ebenfalls wahr, dass dieses Fühlen von etwas ausgeht, das tiefer als das Mental ist; das Mental ist es, welches konkrete Realitäten in Abstraktionen verwandelt.
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Diese Nachteile des mentalen Wissens bestehen fraglos. Ich bezweifle aber, ob sich jemand die Erfahrung des Einen allenthalben oder das Herabströmen des Friedens mental vorsimulieren könnte. Er könnte eine erste mentale Verwirklichung für eine tiefere spirituelle halten oder glauben, dass die Herabkunft in seinen Körper stattgefunden habe, während es [tatsächlich] eine mentale Beeinflussung des Körpers durch die mentale Schicht des feinstofflichen Körpers war – aber auch jene ohne mentales Wissen können diese Fehler begehen. Der Nachteil für denjenigen, der mental keine Kenntnis besitzt, besteht darin, dass er die empfangene Erfahrung nicht versteht, und dies mag eine Behinderung oder zumindest eine Verzögerung in der Entwicklung bedeuten, weil er einen Fehler nicht so leicht ablegen könnte wie einer, dessen Mental erleuchteter ist.
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Jene, die nicht das mentale Wissen über das universale Selbst besitzen, fühlen es zuerst durch das seelische Zentrum aufgrund der Einung mit der Mutter, und sie nennen es nicht das Selbst; oder aber sie fühlen ganz einfach Weite und Frieden im Kopf oder Herzen. Vorangegangenes mentales Wissen ist nicht unerlässlich. Ich habe in mehr als einem Fall erlebt, dass Sadhaks die Brahman-Verwirklichung erlangen und fragen „was ist dies?“, und sie mit großer Lebendigkeit und Genauigkeit beschreiben, ohne aber die bekannten Ausdrücke zu benützen.
Nachdem ich dies soeben niedergeschrieben habe, lese ich den Brief einer Sadhika, worin es heißt: „Ich fühle, dass mein Kopf sehr ruhig wird, rein, leuchtend, universal, viśvamaya.“ Nun, das ist der Anfang der Verwirklichung des universalen Brahman – des Selbstes im Mental; wenn ich es ihr aber mit diesen Worten erklären würde, verstünde sie nichts.
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Selbst eingebildete Erfahrungen (ehrlich eingebildete) können zu einer mentalen Verwirklichung führen, und eine mentale Verwirklichung kann ein Schritt zur totalen Verwirklichung sein.
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Wenn man im physischen Mental lebt, ist die Phantasie der einzige Weg, ihm zu entkommen. Das ist übrigens der Grund, warum Dichtung und Kunst einen derart starken Einfluss ausüben. Diese Phantasien aber sind tatsächlich oft Schatten einer überphysischen Erfahrung, und wenn einmal die Schranke des physischen Mentals durchbrachen ist oder sich nur ein wenig geöffnet hat, kommen die Erfahrungen von selbst, insofern die Veranlagung [der menschlichen Natur] geeignet ist. Von dort stammen Visionen und andere derartige Phänomene – all das, was fälschlicherweise mit „psychischen Phänomenen“ bezeichnet wird.
Was die Gebete anbelangt, so kann keine starre und feste Regel aufgestellt werden. Einige Gebete werden erhört, aber nicht alle. Du magst fragen, warum nicht alle Gebete erhört werden. Warum sollten sie es? Es ist kein Mechanismus der Art, dass du nur ein Gebet in den Automaten zu stecken brauchst und erhältst, worum du bittest. Wenn man zudem all die gegensätzlichen Dinge betrachtet, um welche die Menschheit in ein und demselben Augenblick bittet, wäre Gott, wenn er alles gewähren wollte, in einer ziemlich misslichen Klemme – es ginge gar nicht.
Die Läuterung des Herzens – das, was du versucht hast zu erreichen – ist keine Unmöglichkeit; und ist einmal das Herz geläutert, dann werden andere Dinge, die zuvor unmöglich erschienen, ganz einfach – sogar die innere Hingabe, die dir jetzt undurchführbar vorkommt.
Wenn Demut und Ergebung fest im Herzen verankert sind, werden andere Dinge, wie Vertrauen, auf natürliche Weise später folgen – das ist die übliche Erfahrung. Und wenn sich einmal das seelische Licht und Glück – die die Gabe dieser Dinge sind – gefestigt haben, ist es für andere Kräfte nicht leicht, diesen Zustand zu umwölken, und nicht möglich, ihn zu zerstören. Das ist eine allgemeine Erfahrung.
Läuterung und Weihung sind die beiden großen Erfordernisse der Sadhana. Diejenigen, die Erfahrung vor der Läuterung haben, sind einer großen Gefahr ausgesetzt; es ist viel besser, zuerst das Herz zu läutern, weil dann der Weg ungefährlich wird. Das ist der Grund, warum ich als erstes zur seelischen Wandlung der Natur rate – denn sie bedeutet die Läuterung des Herzens und seine völlige Hinwendung zum Göttlichen, die Unterwerfung von Mental und Vital unter die Kontrolle des inneren Wesens, die Seele. Immer wenn sich die Seele im Vordergrund befindet, erhält man die richtige Führung von innen hinsichtlich des zu Geschehenden und zu Meidenden, des Wahren oder Falschen im Denken, Fühlen und Handeln. Dieser innere Hinweis aber tritt in dem Maß hervor, wie das Bewusstsein reiner und reiner wird.
Worüber X stolperte, war Ehrgeiz, Stolz, Eitelkeit – der Wunsch, ein großer Yogi mit okkulten Mächten zu sein. Okkulte Mächte in ein ungeläutertes Mental oder Herz oder einen ungeläuterten Körper herabbringen zu wollen – nun, wenn du am Rand eines Abgrundes tanzen willst, kannst du es tun. Oder du kannst es auch tun, wenn du nicht ein spirituelles Ziel hast, sondern ein Okkultist sein willst, denn dann kannst du die erforderlichen Methoden anwenden und die Hilfe der okkulten Mächte erlangen. Auf der anderen Seite können die wahren okkult-spirituellen Kräfte und Geheimnisse herabgerufen werden oder auch von selbst herabkommen, doch muss das der einen wahren Sache, dem Suchen nach dem Göttlichen, untergeordnet werden – und wenn sie kommen, gehört es zum Göttlichen Plan in dir. Okkulte Mächte können für den spirituellen Menschen nur eine Instrumentation der ihn gebrauchenden Göttlichen Macht sein: sie können nicht das Ziel oder ein Ziel seiner Sadhana sein. Viele Menschen haben die Gewohnheit, den Yoga ihren eigenen Ideen entsprechend auszuüben, ohne sich um die Führung durch den Guru zu kümmern – von dem sie jedoch völligen Schutz und Erfolg in der Sadhana erwarten, selbst wenn sie auf dem falschesten aller nur möglichen Pfade entlangtanzen oder -stolpern.
Mit subtilen Methoden meine ich psychologische, nicht-mechanische Vorgänge, zum Beispiel Konzentration im Herzen, Hingabe, Selbst-Läuterung, das Ausarbeiten der Bewusstseinswandlung durch innere Methoden. Das heißt nicht, dass eine äußere Wandlung nicht stattfindet; die äußere Wandlung ist notwendig, doch als Teil der inneren Wandlung. Wenn innerlich Unreinheit oder Unwahrhaftigkeit besteht, wird die äußere Wandlung nicht wirksam sein; wenn aber im Inneren aufrichtige Arbeit geschieht, wird die äußere Wandlung sie fördern und den Vorgang beschleunigen... Das Wichtigste für die Läuterung des Herzens ist absolute Wahrhaftigkeit – sich keinen falschen Anschein zu geben, nichts zu verheimlichen vor dem Göttlichen, vor sich selbst oder dem Guru, die eigenen Bewegungen ehrlich zu betrachten und sie mit rückhaltlosem Willen in Ordnung zu bringen. Es spielt keine Rolle, wenn es lange dauert. Man muss darauf gefasst sein, dass es die Aufgabe eines ganzen Lebens ist, das Göttliche zu suchen. Die Läuterung des Herzens ist immerhin eine ziemlich beachtliche Errungenschaft; es ist sinnlos zu verzagen, zu verzweifeln usw., wenn man Dinge in sich findet, die noch der Wandlung bedürfen. Wenn man den wahren Willen und die wahre Haltung bewahrt, beginnen die inneren Intuitionen oder Hinweise zu wachsen und klar, deutlich und unmissverständlich zu werden, und die Kraft, ihnen zu folgen, wird ebenfalls wachsen. Dann aber, sogar noch bevor du mit dir selbst zufrieden bist, wird das Göttliche mit dir zufrieden sein und allmählich den Schleier zurückziehen, durch den es sich selbst und all jene, die es suchen, schützt vor einem frühzeitigen und gefährlichen Ergreifen des Größten, nach dem die Menschheit streben kann.
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Die automatische Tendenz ist ein gutes Zeichen, denn sie zeigt, dass das innere Wesen, das sich der Wahrheit öffnet, die notwendigen Veränderungen durchsetzt.
Es ist wie du sagst, das Versagen der richtigen Einstellung ist ein Hindernis, wenn man durch schwere Prüfungen einer Wandlung der Natur entgegengeht. Der Druck, um diese Veränderung des Charakters herbeizuführen, wird jetzt größer, sogar noch größer als für die entscheidende Yoga-Erfahrung – denn wenn die Erfahrung kommt, kann sie nicht entscheidend sein, da die erforderliche Wandlung der Natur nicht stattgefunden hat. So erlangt zum Beispiel das Mental die Erfahrung des Einen in allen, während das Vital nicht zu folgen vermag, da es von Ego-Reaktionen und Ego-Motiven beherrscht wird; oder die Gewohnheiten der äußeren Natur bewahren eine Art und Weise des Denkens, Fühlens, Handelns und Lebens, die mit der Erfahrung durchaus nicht in Einklang steht. Oder aber die Seele und ein Teil des Mentals und emotionalen Wesens empfinden häufig die Nähe der Mutter, während die übrige Natur sich nicht dargebracht hat und, ihrem eigenen Weg folgend, die Trennung von ihrer Nähe verlängert und Entfremdung schafft. Es ist nicht genug – und die Notwendigkeit, dass sich dies ändert, ist groß.
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Ich weiß nicht, was X sagte oder was er in welchem Artikel, den ich nicht besitze, schrieb. Wenn aber die Behauptung darin aufgestellt wird, dass niemand erfolgreich meditieren oder irgend etwas verwirklichen kann, solange er nicht rein und vollkommen ist, vermag ich nicht zuzustimmen – es widerspricht meiner eigenen Erfahrung. Bei mir kam die Verwirklichung durch die Meditation immer zuerst, und die Läuterung folgte später als Ergebnis davon. Ich habe viele [Menschen] gekannt, die eine wichtige, ja eine fundamentale Verwirklichung durch die Meditation erlangten, ohne von ihnen behaupten zu können, dass sie innerlich weit entwickelt waren. Haben alle Yogis, die erfolgreich meditierten und in ihrem inneren Bewusstsein große Verwirklichungen erreichten, eine vollendete Natur? Es sieht nicht so aus! Es ist mir nicht möglich, an absolute Verallgemeinerungen auf diesem Gebiet zu glauben, denn die Entwicklung des spirituellen Bewusstseins ist eine äußerst umfassende und komplexe Angelegenheit, bei der sich alle möglichen Dinge ereignen können, und man könnte beinahe behaupten, dass sie für jeden Menschen entsprechend seiner Natur verschieden ist; das einzig Wesentliche der Sache ist der innere Ruf und das innere Streben sowie die Ausdauer, ihnen immer zu folgen, gleichgültig wie lange es dauert und welcher Art die Schwierigkeiten und Behinderungen sind – denn nichts anderes wird die Seele in uns befriedigen.
Es ist durchaus richtig, dass ein gewisses Maß an Läuterung für das Vorwärtskommen unerlässlich ist; je vollständiger die Läuterung, umso besser, denn wenn dann die Verwirklichungen beginnen, können sie ohne große Schwierigkeiten oder Rückfälle andauern und ohne dass ein Sturz oder Fehlschlag möglich ist. Es stimmt ebenfalls, dass für viele die Läuterung das erste Erfordernis ist – bestimmte Dinge müssen aus dem Weg geräumt werden, bevor eine andauernde innere Erfahrung beginnen kann. Das Haupterfordernis aber ist eine gewisse Vorbereitung des Bewusstseins, damit es fähig wird, immer freier auf die höhere Kraft zu reagieren. Während dieser Vorbereitung sind viele Dinge nützlich – Dichtung und Musik, die du betreibst, können helfen, denn sie wirken wie eine Art von śravaṇa [Sammlung und Betrachtung] und manana [Denken], ja sogar – vorausgesetzt, die wachgerufene Empfindung ist intensiv – eine Art von natürlichem nididhyāsana [feste Kontemplation]. Die seelische Vorbereitung, die die gröberen Formen des mentalen und vitalen Egos beseitigt, das Sich-Öffnen von Mental und Herz gegenüber dem Guru sowie viele andere Dinge helfen sehr – nicht Vollendung oder ein völliges Freisein von den Dualitäten oder vom Ego ist die unerlässliche Voraussetzung, sondern Bereitschaft und Eignung des inneren Wesens, wodurch ein spirituelles Erwidern und Empfangen möglich wird.
Es gibt daher keinen Grund, diese Forderungen, die für X auf dem von ihm eingeschlagenen Weg richtig gewesen sein mögen, aber nicht jedem auferlegt werden können, als Evangelium hinzunehmen – das Gesetz des Spirits ist nicht so streng und unerbittlich.
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X hatte... vor ein oder zwei Tagen sowohl die Erfahrung des Aufstiegs nach oben und der Weite des Friedens und der Freude des Unendlichen (frei vom Gefühl des Körpers und der Begrenzung durch ihn), als auch die Herabkunft bis zum muladhara. Sie kennt weder Namen noch technische Eigentümlichkeiten dieser Dinge, ihre Beschreibung aber, sehr genau und voller Einzelheiten, war eindeutig. Drei oder vier andere hatten kürzlich ebenfalls diese Erfahrung, und wir können annehmen, dass das Wirken der Kraft nicht insgesamt vergebens ist; denn diese Erfahrung ist eine sehr große Sache und wird, wenn sie einmal gefestigt ist, als Höhepunkt der alten Yoga-Systeme angesehen – für uns ist sie nur ein Beginn der spirituellen Umwandlung. Ich habe dies gesagt, obwohl es etwas Persönliches ist, damit du verstehst, dass äußere Mängel und Hindernisse in der Natur oder der Anschein des Nicht-Yogischen nicht notwendigerweise bedeuten, dass ein Mensch keine Sadhana ausübt oder auszuüben vermag.
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Es ist ein Fehler, zuviel über die niedere Natur und ihre Hemmnisse, die die negative Seite der Sadhana sind, nachzudenken. Man hat sie zu erkennen und zu läutern, sich aber damit als der einzig wichtigen Sache zu beschäftigen, ist nicht förderlich. Die Erfahrung der Herabkunft von ihrer positiven Seite ist wichtiger. Wenn man abwarten will, bis die niedere Natur ganz und gar und für alle Zeit geläutert ist, bevor man die positive Erfahrung herabruft, könnte man für immer zu warten haben. Es stimmt, je mehr die niedere Natur geläutert wird, umso einfacher ist die Herabkunft der höheren Natur; es ist aber ebenso wahr und mehr noch als das, dass die höhere Natur in dem Maß, in dem sie herabkommt, die niedere läutern wird.
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Weder die völlige Läuterung noch die andauernde und vollkommene Offenbarung kann sofort kommen; es ist eine Frage der Zeit und des geduldigen Fortschritts. Beide [Läuterung und Offenbarung] schreiten Seite an Seite voran und werden immer stärker, um einander in die Hände zu spielen – das ist der übliche Verlauf der Sadhana.
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Die [menschliche] Natur zu verändern, ist nicht einfach und beansprucht immer Zeit; wenn aber keine innere Erfahrung stattfindet, kein allmähliches Hervortreten des anderen, reineren Bewusstseins, das von all diesen Dingen, die du jetzt siehst, verdeckt wird, wäre es selbst für den stärksten Willen nahezu unmöglich. Du sagst, dass du dich erst von all dem zu befreien hast, um dann die inneren Erfahrungen zu erlangen. Wie aber soll das geschehen? Dinge wie Ärger, Eifersucht, Begehren sind der eigentliche Stoff des gewöhnlichen menschlich-vitalen Bewusstseins. Ihre Wandlung wäre nicht möglich, wenn es nicht ein tieferes Bewusstsein innen gäbe, das von ganz anderer Natur ist. In dir ist ein seelisches Wesen, das göttlich ist und unmittelbar ein Teil der Mutter, frei von all diesen Mängeln. Es wird von dem gewöhnlichen Bewusstsein und der gewöhnlichen Natur verdeckt und verborgen; wenn es aber enthüllt wird und hervortreten und das Wesen lenken kann, dann verändert es das gewöhnliche Bewusstsein, entledigt sich all dieser ungöttlichen Dinge und wandelt die äußere Natur vollständig. Daher wollen wir, dass die Sadhaks sich konzentrieren, um dieses verborgene Bewusstsein zu öffnen – durch Konzentration, von welcher Art auch immer, und die Erfahrungen, die sie bringt, öffnet man sich, wird innerlich bewusst, und das neue Bewusstsein, die neue Natur beginnen zu wachsen und hervorzutreten. Natürlich wollen wir auch, dass sie ihren Willen gebrauchen und die Begierden und falschen Bewegungen des Vitals zurückweisen, denn hierdurch wird das Hervortreten des wahren Bewusstsein möglich. Zurückweisung allein kann aber nicht erfolgreich sein; es geschieht sowohl durch Zurückweisung als auch durch innere Erfahrung und ein inneres Wachsen.
Du sagst, dass all diese Dinge in dir verborgen waren. Nein, sie waren nicht tief in dir, sie befanden sich in der äußeren oder Oberflächen-Natur; du warst dir ihrer nur nicht hinreichend bewusst, weil das andere, wahre Bewusstsein sich noch nicht geöffnet und in dir entwickelt hatte. Jetzt aber ist durch deine Erfahrungen die Seele gewachsen, und aufgrund dieses neuen seelischen Bewusstseins bist du fähig, klar zu erkennen, was alles verschwinden muss. Es verschwindet nicht auf einmal, da sich das Vital in der Vergangenheit so sehr daran gewöhnt hat; nun aber werden diese Dinge gehen müssen, weil deine Seele sich von ihnen befreien will – und deine Seele wächst an Stärke in dir. Du musst daher sowohl deinen Willen gebrauchen, gestützt durch die Kraft der Mutter, um dich von diesen Dingen zu befreien, als auch deine inneren seelischen Erfahrungen fortsetzen – durch beides zusammen wird alles geschehen.
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Wenn einmal diese Erfahrungen begonnen haben, wiederholen sie sich meist, ob die allgemeine Veranlagung gut ist oder nicht. Sie können natürlich keine radikale Wandlung bewirken, solange sie sich nicht festigen und im ganzen Wesen normal werden oder zumindest in seinem inneren Teil. Im letzteren Fall können die alten Bewegungen immer noch stattfinden, doch werden sie als etwas recht Oberflächliches empfunden, und die Sadhana wächst trotz ihnen an. Die Frage ob gut oder böse erhebt sich nicht. Wenn auch nur ein Teil des Wesens sich geöffnet hat, werden die Erfahrungen-kommen.
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Ja, das ist das wahre Wirken. Zuerst kommt das, was sich festigen muss, nur mühsam und wird als normal empfunden, eine Erfahrung, die sich leicht wieder verliert – später kommt es von selbst, hält aber noch nicht an; schließlich wird es ein häufiger und vertrauter Zustand des Wesens, beständig und normal. Auf der anderen Seite werden alle Verworrenheiten und Irrtümer, an die die Natur einst gewöhnt war, hinausgestoßen; sie kehren zunächst zwar häufig zurück, werden aber später ihrerseits etwas Anormales und Fremdes für die [menschliche] Natur, sie verlieren an Häufigkeit und verschwinden schließlich.
Die Auf- und Ab-Bewegung, von der du sprichst, ist allen Yoga-Wegen gemein. Es gibt sie auf dem bhakti-Weg, es gibt aber auch den Wechsel von Zuständen des Lichtes und Zuständen der Finsternis; und zuweilen, wenn man dem Pfad des Wissens folgt, ist es eine völlige und anhaltende Finsternis. Diejenigen, die okkulte Erfahrungen haben, erleben Zeiten, in denen alle Erfahrungen aufhören und sogar für immer beendet zu sein scheinen. Selbst viele und dauerhafte Verwirklichungen scheinen hinter den Schleier zurückzutreten und im Vordergrund nichts als eine dumpfe Leere zurückzulassen, die, wenn überhaupt mit etwas, lediglich mit immer wiederkehrenden Angriffen und Schwierigkeiten erfüllt ist. Dieser wiederholte Wechsel wird durch die Beschaffenheit des menschlichen Bewusstseins verursacht und ist kein Beweis für Untauglichkeit oder ein vorherbestimmtes Versagen. Man muss darauf gefasst sein und hindurchgehen. Es ist „der Tag und die Nacht“ der vedischen Mystiker.
Was die Hingabe anbelangt, so hat jeder seinen eigenen ersten Weg der Annäherung; wenn sie aber auf Furcht, einer „Formalität“ oder Pflichtgefühl beruht, kann man bestimmt von keiner Hingabe sprechen; diese Dinge haben mit Hingabe nichts zu tun; auch ist die volle und totale Hingabe nicht so einfach wie manche es sich vorzustellen scheinen. Es gibt immer viele und große Vorbehalte – selbst wenn man sich ihrer nicht bewusst ist, sind sie vorhanden. Vollkommene Hingabe kommt am ehesten durch vollkommene Liebe und bhakti. Bhakti andererseits kann ohne Hingabe beginnen, führt jedoch in dem Maß, wie sie sich formt, auf natürliche Weise zur Hingabe.
Es ist bestimmt eine irrige Vermutung von dir, dass die Schwierigkeit, intellektuelle Anschauungen aufzugeben, in dir ein ganz besonderes Hindernis darstelle, das größer als in anderen sei. Das Verhaftetsein mit den eigenen Ideen und Anschauungen und das Beharren auf ihnen ist eine allgemeine Eigenart. Sie kann entweder durch ein Wissens-Licht von oben entfernt werden, das dir die unmittelbare Berührung mit der Wahrheit oder die erleuchtete Erfahrung von ihr bringt und die bloße intellektuelle Meinung, Idee oder Überzeugung völlig entwertet sowie das Bedürfnis danach aufhebt, oder auch durch ein rechtes Bewusstsein, das die rechten Ideen, das rechte Fühlen, die rechte Tat und alles übrige, was recht ist, mit sich bringt. Oder aber es muss durch eine spirituelle und mentale Demut erreicht werden, die in der menschlichen Natur selten ist – besonders in der mentalen, denn das Mental neigt immer dazu, seine eigenen Ideen, ob richtig oder falsch, für die richtigen Ideen zu halten. Und schließlich ist es auch das seelische Wachsen, das diese Hingabe möglich macht – und dies wiederum kommt höchst einfach durch bhakti. Auf jeden Fall ist das Vorhandensein dieser Schwierigkeit als solcher kein ausreichender Grund, um einen Fehlschlag im Yoga vorauszusagen.
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Der Grund für diesen wiederholten Wechsel, über den du dich beklagst, liegt in der Natur des Bewusstseins; nach einer kleinen Weile der Wachsamkeit fühlt es das Erfordernis, ein wenig zu schlafen. Zu Beginn ist sehr häufig das Wachsein kurz und das Schlafen lang; nachher wird es annähernd gleich lang und schließlich werden die Schlafperioden immer kürzer. Eine andere Ursache für diesen wiederholten Wechsel während [der Zeit] des Empfangens liegt in dem Bedürfnis der Natur sich zu verschließen, um zu assimilieren. Sie kann möglicherweise viel empfangen, kann aber, während der Dauer der Erfahrung nicht alles, was diese bringt, richtig aufnehmen – daher verschließt sie sich zur Assimilation. Eine dritte Ursache tritt während der Zeit der Umwandlung auf – ein Teil der Natur wandelt sich, und man hat das Gefühl, als hätte eine vollständige und dauerhafte Wandlung stattgefunden. Dann aber folgt die Enttäuschung, wenn man merkt, dass sie [die Wandlung] beendet ist, und eine Periode der Dürre oder des abgesunkenen Bewusstseins folgt. Der Grund hierfür ist, dass ein anderer Teil des Bewusstseins zur Wandlung hervortritt und eine Periode der Vorbereitung und des verhüllten Wirkens folgt, die eine Zeit der Nicht-Erleuchtung oder gar noch Schlimmeres zu sein scheint. Diese Dinge alarmieren, enttäuschen oder verwirren den Eifer und die Ungeduld des Sadhaks; wenn man sie aber ruhig hinnimmt und Nutzen aus ihnen zu ziehen weiß oder die richtige Haltung einnimmt, kann man auch diese unerleuchteten Zeiten zu einem Teil der bewussten Sadhana machen. Die vedischen rishis sprechen von dem Wechsel von „Tag und Nacht, die beide das göttliche Kind nähren“. Was du im Kopf fühlst, ist vermutlich die erste bewusste Herabkunft der göttlichen Kraft in den Körper. Bis jetzt hat sie, von dir wahrscheinlich unbemerkt, vom Hintergrund des Herzens her gewirkt. Wenn die Konzentration auf natürliche Weise im Kopf stattfindet, musst du dem stattgeben – die Möglichkeit hierfür wurde jedoch durch die vorangegangene Konzentration im Herzen vorbereitet; daher braucht diese auch nicht unterbrochen zu werden, wenn nicht die in dir wirkende Kraft ausschließlich auf der Konzentration oben beharrt. Das Streben kann auf die gleiche Weise fortgesetzt werden, bis die Führung in der Sadhana durch die Macht der Mutter deutlich gefühlt und für dich die normale Sache wird.
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Ja, es ist richtig. Jeder kennt diesen wiederholten Wechsel, denn das ganze Bewusstsein ist nicht fähig, immer in [dem Bereich] der oberen Erfahrung zu bleiben. Wichtig ist, dass zwischenzeitlich Ruhe herrscht, zumindest im inneren Wesen, keine Rastlosigkeit, kein Unbefriedigtsein, kein Kampf. Wenn dies erreicht wird, kann die Sadhana reibungslos weitergehen – nicht dass es keine Schwierigkeiten mehr gäbe, aber Unruhe und Unbefriedigtsein usw. usw. werden nicht mehr vorhanden sein.
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Der Vaishnava bhajana [ein andächtiger Gesang] erregt leicht das vitale Wesen, und wenn Menschen mit einer minderwertigen Natur [unter den Zuhörern] anwesend sind, können alle Arten von dunklen und niederen Kräften eindringen, um von der Erregung zu profitieren ... Die spirituelle Erfüllung kommt zur rechten Zeit durch eine stete Entwicklung des Wesens und der Natur. Sie hängt nicht davon ab, dass man diese oder jene [bestimmte] Gelegenheit ergreift.
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Noch etwas anderes musst du lernen. Wenn deine Sadhana unterbrochen wird ..., musst du innerlich einfach ruhig bleiben und die Unterbrechung vorübergehen lassen. Wenn du das lernst, wird der innere Zustand oder die Erfahrung zu einem späteren Zeitpunkt wieder eintreten, genauso als wäre nichts geschehen. Wenn du dagegen der Unterbrechung übertriebene Wichtigkeit beimisst und dich aufregst, wirst du sie in eine Störung verwandeln, und der innere Zustand oder die innere Erfahrung hört auf; lass nichts dich stören oder aufregen. Eine stetige innere Stille, ein ruhiger Wille und ein seelischer Glaube sowie bhakti sind die einzig wahre Grundlage für deine Sadhana.
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Unter einer ruhigen und ausgeglichenen Grundlage ist in der Sadhana ein Zustand zu verstehen, in dem es kein Hin- und Hergerissenwerden zwischen ungeduldigen Ausbrüchen der Erfahrung und einem niedergeschlagenen, trägen oder halbträgen Zustand gibt, sondern, sei es im Fortschreiten oder in der Schwierigkeit, ein stets ruhiges Bewusstsein, das sich in Vertrauen und Glauben dem Göttlichen zuwendet.
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Ein gelegentliches Absinken des Bewusstseins passiert jedem. Die Ursachen sind verschieden; einige kommen von außen, etwas, das im Vital, besonders in dem niederen Vital, noch nicht oder nicht hinreichend gewandelt ist, eine Trägheit oder Dunkelheit, die sich aus den physischen Teilen der Natur erhebt. Wenn es [das Absinken des Bewusstseins] stattfindet, bleibe ruhig, öffne dich der Mutter, rufe die wahren Bedingungen zurück und strebe nach einem klaren, ungetrübten Unterscheidungsvermögen, das dir von innen die Ursache dieser Dinge aufzeigt, die in Ordnung gebracht werden müssen.
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Zwischen zwei Bewegungen gibt es immer Pausen der Vorbereitung und Assimilation. Du darfst sie weder mit Missmut noch mit Ungeduld betrachten, als wären es widrige Unterbrechungen in der Sadhana. Die Kraft steigt auf, hebt einen Teil der menschlichen Natur auf eine höhere Ebene und kommt dann auf eine niedrigere Ebene herab, um auch diese zu erheben; diese Bewegung des Aufsteigens und Herabkommens ist oft äußerst mühsam, da weder das Mental, das eine Vorliebe für den geraden Aufstieg hat, noch das Vital, das auf schnelle Vollendung erpicht ist, die komplizierte Bewegung verstehen oder ihr folgen können; sie neigen dazu, sich durch sie deprimieren zu lassen oder sich darüber zu ärgern. Die Umwandlung der gesamten Natur ist aber keine einfache Sache, und die Kraft, die es tut, weiß es besser als unsere mentale Unwissenheit oder vitale Ungeduld.
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Alles einmal Gewonnene ist vorhanden und kann wiedergewonnen werden. Yoga ist nicht etwas, das durch einen entscheidenden Vorstoß auf die eine oder andere Weise vor sich geht – es ist das Aufbauen eines neuen Bewusstseins, voller Auf- und Abwärtsbewegungen. Wenn man aber dabei bleibt, führen die Aufwärtsbewegungen, indem sie sich summieren, zu einer entscheidenden Wende. Jammere nicht, wenn du einen Sturz getan hast und sage: „Es ist um mich geschehen“, sondern stehe auf, schüttle den Staub ab und gehe auf dem rechten Pfade weiter.
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Das gänzliche Vergessen der Erfahrung bedeutet lediglich, dass noch keine ausreichende Brücke zwischen dem inneren Bewusstsein, das die Erfahrung in einer Art samadhi [-Zustand] hat, und dem äußeren Wach-Bewusstsein vorhanden ist. Sobald das höhere Bewusstsein die Brücke zwischen ihnen gebildet hat, beginnt sich auch das äußere [Bewusstsein] zu erinnern.
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Schwankungen dieser Art müssen notgedrungen kommen, und wenn sie kommen, hat man sehr ruhig zu bleiben, sich von dem Oberflächen-Zustand abzulösen und darauf zu warten, dass sie vorübergehen, während man die Kraft der Mutter ruft. Ein neutraler Zustand dieser Art dient einem bestimmten Zweck in dem Haushalt von Läuterung und Wandlung – er bringt Dinge zum Vorschein, die umgewandelt oder zurückgewiesen werden müssen, und er hebt einen Teil des Wesens empor, um ihn der umwandelnden Kraft auszusetzen. Wenn man es versteht und ruhig bleibt, losgelöst von den Oberflächen-Bewegungen, nicht damit identifiziert, geht es schneller; die Kraft vermag das, was sich erhebt, rasch zu klären, und nachher erkennt man, dass etwas gewonnen und ein Fortschritt erzielt wurde.
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Diese Schwankungen in der Kraft des Strebens und der Macht der Sadhana sind unvermeidlich und allen Sadhaks gemein, bis das ganze Wesen für die Umwandlung bereitgemacht wurde. Intensität ist vorhanden, wenn die Seele im Vordergrund oder aktiv ist und Mental und Vital zustimmen. Wenn die Seele weniger hervortritt und das niedere Vital seinen gewöhnlichen Bewegungen oder das Mental seiner unwissenden Tätigkeit folgt, können entgegengesetzte Kräfte eindringen, es sei denn, der Sadhak ist sehr wachsam. Trägheit kommt meist vom gewöhnlichen physischen Bewusstsein, besonders wenn das Vital die Sadhana nicht aktiv stützt. Diese Dinge können allein durch ein beharrliches Herabbringen des höheren spirituellen Bewusstseins in alle Teile des Wesens geheilt werden.
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Ein Absacken der Konzentration passiert jedem – man darf es nicht als etwas Tragisches ansehen oder zur Ursache einer Depression werden lassen.
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Diese Unterschiede im Bewusstsein während des Tagesablaufs sind etwas allgemein übliches, das beinahe jeder in der Sadhana erlebt. Das Prinzip der Oszillation, der Entspannung und des Rückfalls aus einem höheren Zustand, der erfahren, aber noch nicht ganz gefestigt wurde, in einen normalen oder vergangenen niedrigeren Zustand, wird sehr stark und ausgeprägt, wenn des Wirken der Sadhana im physischen Bewusstsein stattfindet. Denn die in der physischen Natur vorhandene Trägheit lässt eine Beständigkeit der Intensität, die dem höheren Bewusstsein eignet, nicht ohne weiteres zu – das Physische sinkt immer in etwas Gewöhnlicheres zurück; das höhere Bewusstsein und seine Kraft müssen lange arbeiten und immer wiederkehren, bevor sie in der physischen Natur beständig und normal werden können. Lass dich durch diese Schwankungen oder Verzögerungen weder aufregen noch entmutigen, wie lang und ermüdend sie auch sein mögen; achte nur darauf, in innerer Ausgeglichenheit immer ruhig zu sein und so offen wie möglich gegenüber der höheren Macht, und lasse nicht zu, dass eine wirklich widrige Verfassung von dir Besitz ergreift. Wenn es kein feindlicher Einbruch ist, kann es nur ein beharrliches Fortbestehen von Unvollkommenheiten sein, die alle [Menschen] im Überfluss besitzen; diese Unvollkommenheit und Beharrlichkeit muss durch die Kraft verarbeitet und eliminiert werden, doch braucht die Eliminierung ihre Zeit.
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Das ist eine häufige Erfahrung (obwohl ich nicht glaube, dass sie allgemein ist) – nicht nur mit dem Frieden, sondern auch mit anderen Dingen; es besteht die Tendenz, dass das Bewusstsein am Abend absackt. Bei anderen hingegen ist es umgekehrt. Ich weiß nicht, ob es wirklich von der Arbeit und dem Umgang mit anderen abhängt, die tatsächlich eine zehrende Auswirkung haben können; ich meine vielmehr, dass es eher ein gewisser Rhythmus des Bewusstseins-Aufstiegs und -Absinkens während des Tagesablaufs ist. Selbst wenn der Friede vollständig gefestigt ist, kann dieser Rhythmus für andere Dinge, die in der Entwicklung begriffen sind, fortbestehen.
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Es gibt keine mental eindeutige und streng gültige Begründung dafür, dass sich diese Sache (der Sturz in die Trägheit) eher am Abend abspielt als um zwei Uhr nachmittags, um Mitternacht oder am Morgen. Bei einigen Menschen findet das Absacken am Abend, bei anderen am Morgen und bei manchen zu anderen Zeiten statt, und genauso ist es mit dem Anstieg. Die meisten Menschen aber unterliegen diesen Schwankungen gemäß dem einen oder anderen gesetzmäßigen Rhythmus. Die Zeiten sind bei den jeweiligen Personen verschieden und können sich sogar bei ein und demselben Menschen verändern. Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, dass es [das Absacken des Bewusstseins] zu einer bestimmten Zeit stattfindet, außer es ist zu dieser Zeit zur Gewohnheit geworden. Das übrige ist eine Frage des Spiels der Kräfte, das man zwar wahrnehmen kann, dessen Ursachen sich aber der mentalen Definition entziehen.
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(Die Ursache für Schwankungen in der Sadhana:) Ich weiß nicht. Zeit und [innere] Jahreszeiten wechseln gemäß der Ausgeglichenheit sowie dem Fluten und Ebben der Bewusstseins-Kräfte. Es ist keine Sache, die du vernunftmäßig erklären und in ein System bringen kannst. Man kann es in der Essenz des Bewusstseins fühlen und verstehen, nicht aber die genaue Ursache und Wirkung ausdrücken.
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Ich kann nur wiederholen, dass es „keinen spezifischen“ Grund (für die Schwankungen im Wirken der Kraft) gibt, der durch das Mental festgestellt werden kann. Es hängt von dem Gesamt-Zustand und der Wechselwirkung der Kräfte ab. Man muss das Streben aufrechterhalten und stetig das Ziel im Auge behalten, ohne durch diese Veränderlichkeiten und Schwankungen beunruhigt zu werden.
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Es gibt keine starren Regeln (für die Schwankungen im Wirken der Kraft). Es bestehen einfach eine Menge von Strömungen und Kräften, mit denen man vertraut werden muss. Es ist kein starrer Mechanismus, den man mit Kunstgriffen lenken kann oder dadurch, dass man auf diesen oder jenen Knopf drückt. Nur durch den inneren Willen, das fortwährende Streben, durch Loslösung und Zurückweisung, durch das Herabbringen des wahren Bewusstseins, der wahren Kraft usw. kann es geschehen.
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Das Absinken des Bewusstseins wird meist durch eine gewisse Trägheit verursacht, die infolge von Ermüdung das Bewusstsein erfasst, oder durch die bloße Gewohnheit der Entspannung oder durch eine vitale Reaktion, die man bemerken kann oder auch nicht, oder durch eine falsche Bewegung des Mentals. Das sind die feststehenden Ursachen für das Absinken, im Hintergrund aber steht die Tatsache, dass diese Schwankungen nahezu unvermeidlich sind, solange das Bewusstsein auf irgendeine Weise der alten Natur gehorcht. Die Zwischenzeiten der Nicht-Sadhana können indes entsprechend den inneren Umständen lang oder kurz sein (hauptsächlich entsprechend der Fähigkeit des Willens oder der Seele oder des höheren Wesens, das wahre Gleichgewicht schnell wieder herzustellen).
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Depression ist nicht die einzige Ursache für das Aussetzen von Erfahrungen. Es gibt noch andere Ursachen, wie Trägheit usw.. Wenn man trotz dieser Dinge unentwegt Erfahrungen haben kann, bedeutet es, dass ein Teil des Bewusstseins sich eindeutig vom übrigen getrennt hat und trotz des äußeren Widerstandes fähig ist vorwärtszuschreiten.
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Ja – wenn der Friede gefestigt ist, finden Stürze nur noch an der Oberfläche statt, sie berühren das innere Bewusstsein nicht.
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Auch wenn manchmal physische Ermüdung eintritt, muss sie nicht unbedingt der Sadhana im Weg sein. Die innere Bewegung kann immer weitergehen.
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Die Unfähigkeit, in das wahre Bewusstsein zurückzukehren, bleibt meist nur dann so hartnäckig erhalten, wenn etwas im Mental und Vital die niederen Kräfte akzeptiert und sich ihnen hingibt. Physische tamas kann lange Unterbrechungen hervorrufen, die von einem düsteren Bewusstsein beherrscht werden, meist aber nicht mit einer solch gewaltsamen Behinderung – gewöhnlich ist alles dumpf und widerspenstig.
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Intensitäten wie diese halten nicht an, solange das Bewusstsein nicht umgewandelt ist – es muss eine Zeit der Assimilation folgen. Wenn das Wesen nicht bewusst ist, geht die Assimilation hinter dem Schleier oder unter der Oberfläche vor sich und das Oberflächenbewusstsein sieht währenddessen nur Dumpfheit und den Verlust des Empfangenen; wenn man jedoch bewusst ist, kann man sehen, wie die Assimilation vonstatten geht, und erkennen, dass nichts verloren ist, sondern nur das Herabgekommene sich in Ruhe festigt.
Die Weite, die überwältigende Stille, das Schweigen, womit du dich verschmolzen fühltest, sind das, was der Atman oder schweigende Brahman genannt wird. Das alleinige Ziel vieler Yoga-Systeme ist, diese Verwirklichung des Atmans oder schweigenden Brahmans zu erreichen und darin zu leben. In unserem Yoga ist es nur das erste Stadium der Verwirklichung des Göttlichen und des Wachsens des Wesens in das höhere oder göttliche Bewusstsein hinein, das wir Umwandlung nennen.
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Wenn man ein bestimmtes Stadium erreicht hat, gehen die gewonnen Dinge nie mehr verloren – sie mögen verdeckt sein, kommen aber wieder –, sie haben sich nur nach innen verlagert und kehren an die Oberfläche zurück.
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Wenn das physische Bewusstsein die Oberhand hat, bemerkt man häufig weder ein Anzeichen noch eine Auswirkung, auch wenn Erfahrungen vorhanden sind.
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Wie kannst du erwarten, dass etwas so Stumpfes und Vergessliches wie das physische Bewusstsein die Auswirkung fühlen kann, wenn sich die Erfahrungen nicht wiederholen? Wenn du eine Lektion zu lernen hast, musst du sie so lange wiederholen, bis das physische Mental sie behalten kann – andernfalls wird sie nicht zu einem Teil des Bewusstseins.
Die Leere, die du gestern in deinem Brief beschrieben hast, war nichts Schlechtes – diese Leere, innerlich und äußerlich, wird im Yoga häufig der erste Schritt zu einem neuen Bewusstsein. Die Natur des Menschen gleicht einem Becher mit schmutzigem Wasser – das Wasser muss ausgeschüttet und der Becher sauber und leer werden, damit er mit einer göttlichen Flüssigkeit gefüllt werden kann. Die Schwierigkeit liegt darin, dass das menschliche physische Bewusstsein es schwer findet, diese Leere zu ertragen – es ist daran gewöhnt, von allen möglichen kleinen mentalen und vitalen Bewegungen beansprucht zu sein, die es fesseln und unterhalten, oder selbst in Kummer und Sorge noch tätig sein lassen. Das Aufhören dieser Dinge ist ihm schwer erträglich. Es beginnt, sich dumpf und rastlos zu fühlen und nach den alten Interessen und Bewegungen Verlangen zu hegen. Durch diese Rastlosigkeit aber stört es die Ruhe und bringt die Dinge zurück, die bereits hinausgestoßen wurden. Das ist es, was die Schwierigkeit und momentane Behinderung schafft. Wenn du die Leere als einen Durchgang zum wahren Bewusstsein und zu den wahren Bewegungen hinnehmen kannst, wird es leichter sein, sich von diesem Hindernis zu befreien.
Nicht alle im Ashram leiden an diesem Gefühl der Dumpfheit und an dem Mangel an Interesse, viele jedoch leiden daran, weil die herabkommende Kraft die alten Bewegungen des physischen und vitalen Mentals, die sie Leben nennen, zu verhindern sucht, und sie nicht daran gewöhnt sind, die Zurückweisung dieser Dinge zu akzeptieren oder den Frieden oder die Freude des Schweigens zuzulassen.
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Die Leere als solche ist kein schlechter Zustand, außer es handelt sich um die traurige und rastlose Leere eines unbefriedigten Vitals. In der Sadhana ist die Leere sehr häufig ein notwendiger Übergang von einem Zustand zu einem anderen. Wenn Mental und Vital ruhig werden und ihre rastlosen Bewegungen, Gedanken und Wünsche aufhören, fühlt man sich leer. Es ist zunächst häufig eine neutrale Leere, die nichts enthält, nichts, weder Gutes noch Schlechtes, weder Glückliches noch Unglückliches, weder Impuls noch Bewegung. Diesem neutralen Zustand folgt häufig oder sogar meist das Sich-Öffnen gegenüber der inneren Erfahrung. Es gibt auch eine Leere, die aus Frieden und Schweigen besteht, wenn der Frieden und das Schweigen aus der inneren Seele hervorgehen oder vom höheren Bewusstsein herabkommen. Diese [Leere] ist nicht neutral, da das Gefühl des Friedens, oft auch der Weite und Freiheit, darin enthalten ist. Es gibt auch eine glückliche Leere mit dem Gefühl von etwas, das nah ist oder näher kommt, aber noch nicht da ist, zum Beispiel die Nähe der Mutter oder eine andere vorbereitende Erfahrung. Was du beschreibst, ist eine neutrale Ruhe. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Wenn sie kommt, hat man nur ruhig und offen und der Mutter zugewandt zu bleiben, bis sich etwas von innen her entwickelt.
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Ein leeres Gefäß zu sein, ist etwas sehr Gutes, wenn man die Leere zu nutzen weiß.
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Wenn es nur die Leere ist, dann ist daran nichts Falsches. Der Wechsel von Leere und Fülle ist eine ganz normale Eigenart in der Erfahrung der Sadhana.
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Die Leere (wenn du damit das Schweigen und Leersein von Gedanken, Bewegungen usw. meinst) ist der grundlegende Zustand, in den das höhere Bewusstsein fließen kann.
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Die Leere ist die beste Voraussetzung für eine volle Empfangsbereitschaft.
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Die Leere kann von überall herkommen, vom Mental, Vital oder von oben.
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Die Leere kommt gewöhnlich als ein Freimachen des Bewusstseins oder eines Teils davon. Das Bewusstsein oder ein [Bewusstseins] Teil wird wie ein leerer Becher, in den etwas Neues gegossen werden kann. Die höchste Leere ist das reine Dasein des Selbstes, in dem die ganze Manifestation stattfinden kann.
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Leere als solche ist keine Eigenart des höheren Bewusstseins, obwohl es, wenn man die reine Verwirklichung des Selbstes [erlangt] hat, für das menschliche Vital häufig so aussieht, weil alles unbeweglich ist – und dem Vital scheint alles, was nicht in voller Tätigkeit ist, leer zu sein. Die Leere aber, die das Mental, Vital oder Physische erfüllt, ist eine besondere Sache, die dazu ausersehen ist, den Raum für die Dinge von oben frei zu machen.
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Eine Leere im Mental oder Vital kann spirituell sein, ohne dass Leere eine wesentliche Eigenart des höheren Bewusstseins zu sein braucht. Wenn dies der Fall wäre, könnte es im höheren Bewusstsein keine Kraft, kein Licht, keinen Ananda geben. Leere ist nur ein Ergebnis, das dadurch ausgelöst wird, dass eine höhere Kraft in bestimmter Weise auf das [menschliche] System einwirkt, damit das höhere Bewusstsein in es herabzukommen vermag. Es ist eine spirituelle Leere im Gegensatz zu der dumpfen und trägen Leere des vollständigen tamas, die nicht spirituell ist.
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Leere ist ein Ruhe-Zustand des mentalen oder vitalen oder des gesamten Bewusstseins, das von keinen mentalen oder vitalen Bewegungen gestört wird, sondern für das Reine Dasein offen oder dafür bereit ist oder darauf hinzielt, oder bereits ist, aber in seiner vollen Macht des Seins noch nicht verwirklicht. In welchem dieser Zustände es sich befindet, hängt von dem einzelnen Fall ab. Der Selbst-Zustand oder Zustand des reinen Daseins wird manchmal auch Leere genannt, doch nur in dem Sinn, dass es ein Zustand der reinen statischen Ruhe des Wesens ohne irgendwelche Kontakte mit der beweglichen Natur ist,
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Es gibt nichts Derartiges wie „néant“. Mit „Leere“ ist eine Leere gemeint, die von allen Inhalten frei ist, außer dem reinen und einfachen Dasein. Ohne sie kann man nicht den schweigenden Brahman verwirklichen.
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Die Leere ist der Zustand des Selbstes – frei, weit und schweigend. Sie erscheint dem Mental leer, doch ist sie in Wirklichkeit einfach ein Zustand des reinen Daseins und Bewusstseins, Sat und Chit mit santi.
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Leere kann von verschiedener Art sein – eine bestimmte Art spiritueller Leere oder die Leere, die eine Vorbereitung für neue Erfahrung ist. Eine Erschöpfung der Lebens-Energie aber ist etwas ganz anderes. Sie kann durch Ermüdung kommen oder dadurch, dass jemand oder etwas die vitale Kraft abzieht, oder durch einen Einbruch von tamas. Ich verstehe aber nicht, inwiefern sie etwas mit dem Studium der englischen Sprache zu tun haben soll und nur dann auftritt.
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Das normale Ergebnis der Leere besteht in der Beruhigung jeder vitalen Störung, sie bringt jedoch nicht – außer es ist eine vollständige Leere – die sich mechanisch wiederholende Tätigkeit des Mentals zum Stillstand.
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Wenn es eine wirkliche Leere ist, kann man auf Jahre hinaus in ihr verharren – dass man es nicht kann, kommt daher, weil das Vital rastlos und voller Begehren (nicht leer) ist. Auch ist das physische Mental keineswegs zur Ruhe gelangt. Wenn die Begierden hinausgeworfen würden, das Ego weniger aktiv und das physische Mental zur Ruhe gelangt wäre, würde das Wissen von oben an die Stelle der Dummheiten des physischen Mentals treten, das vitale Mental könnte ruhig und still sein, die Kraft der Mutter könnte die Tätigkeit aufnehmen und das höhere Bewusstsein anfangen herabzukommen. Das ist die eigentliche Reihenfolge in der Leere.
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Ich kann unmöglich geschrieben haben, dass nur du das Schweigen als leer empfindest, denn es gibt viele, die es zuerst so empfinden. Man empfindet es als leer, weil man daran gewöhnt ist, das Dasein mit Gedanken, Gefühl und Bewegung oder mit Formen und Objekten zu assoziieren, während nichts von alledem vorhanden ist. Aber wirklich leer ist es nicht.
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Du schreibst über die herabkommende Kraft, die sogar manchmal alle [Wesens-] Teile erfüllt – was soll also dieses „niemals“ bedeuten? Ich habe keineswegs gemeint, dass es einen mechanischen Vorgang gibt, wodurch nach jeder Leere ein vollständiges Auffüllen folgt. Das hängt vom Stadium der Sadhana ab. Die Leere kann häufig eintreten oder anhalten, lange bevor irgendeine Herabkunft stattfindet – was sie ausfüllt, kann das Schweigen, der Friede und die Kraft oder das Wissen sein, und möglicherweise füllen sie nur das Mental oder Mental und Herz oder Mental, Herz und Vital oder alles zusammen. Es gibt aber nichts Starres und mechanisch Geregeltes in diesen beiden Vorgängen.
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Das Schweigen des Wesens ist das erste natürliche Ziel des Yoga. X und einige andere finden darin keine Befriedigung, weil sie das vitale Mental nicht überwunden haben, das immer eine Art von Aktivität will, eine Abwechslung, eine Tätigkeit, ein Ereignis. Die ewige Unbeweglichkeit des schweigenden Brahman ist nichts, was ihm zusagt. Wenn dann die Leere kommt, wird sie als dumpf, träge, monoton empfunden.
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Das Vital vermag an einem leeren Zustand kein Interesse zu finden. Wenn du von deinem Vital abhängig bist, kannst du ihn nicht aufrechterhalten. Es ist der Spirit, der in dem Schweigen, das von allen mentalen oder anderen Tätigkeiten frei ist, Erlösung findet, denn in diesem Schweigen wird er sich selbst gewahr. Damit die Leere Wirklichkeit wird, muss man in das Purusha- oder Beobachter-Bewusstsein eingetreten sein. Wenn du es von deinem Mental oder Vital her betrachtest, gibt es keine Leere, denn wenn es auch keine deutlichen Gedanken gibt, so müssen doch eine mentale Einstellung oder mentale Schwingungen vorhanden sein – wie zum Beispiel keine Anteilnahme zu fühlen.
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Es gibt keinen Grund, warum Leere ein dumpfer oder unglücklicher Zustand sein soll. Es ist meist eine Gewohnheit des Mentals und Vitals, Glücksempfinden oder Anteilnahme nur mit Tätigkeit zu assoziieren; das spirituelle Bewusstsein jedoch kennt keine solchen Begrenzungen.
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Ich weiß wirklich nicht, welche Art von Freude du willst. Nicht alle Erfahrungen werden von Freude begleitet. Anteilnahme ist eine andere Sache.
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Das Physische neigt dazu, die Leere durch seine eigene Trägheit zu ersetzen. Die wahre Leere ist der Beginn dessen, was ich im „Arya“ śama nenne – die Ruhe, die Stille, der Friede des ewigen Selbstes – wodurch letzten Endes tamas, die physische Trägheit, ersetzt werden muss. Tamas ist die Degradierung von sama, so wie rajas die Degradierung von tapas, der Göttlichen Kraft, ist. Das physische Bewusstsein versucht stets, die Stille, den Frieden oder die Ruhe des wahren Bewusstseins durch seine eigene Trägheit zu ersetzen, ebenso wie das Vital immer versucht, das wahre Wirken der Kraft durch sein rajas zu ersetzen.
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Das Physische ermüdet durch die Leere nicht. Es kann sich aufgrund der ihm eigenen Neigung zu Trägheit tamasisch fühlen, der Leere aber widersetzt es sich meist nicht. Es könnte natürlich das vitale Physische sein. Du musst es einfach als ein Überbleibsel der alten Bewegungen zurückweisen.
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Im Verlauf der Sadhana stellt sich häufig ein Zustand der Leere ein, so etwas wie diese „neutrale Ruhe“ – besonders wenn die Sadhana im physischen Bewusstsein stattfindet. Nicht dass das Streben aufgehört hätte zu bestehen, aber es manifestiert sich während dieser Zeit nicht, weil alles neutral ruhig geworden ist. Dieser Zustand ist für das menschliche Mental und Vital unangenehm, da sie daran gewöhnt sind, immer in einer bestimmten Art von Tätigkeit zu sein, und sie betrachten jenen als einen leblosen Zustand. Man darf sich aber, wenn es so ist, nicht beunruhigt oder enttäuscht fühlen, sondern muss ruhig bleiben in dem festen Vertrauen, dass es sich nur um ein Stadium handelt, ein Gebiet, das in der Sadhana durchquert werden muss. In welchem Zustand auch immer man sich befindet, der Glaube und die feste Vorstellung der Hingabe müssen im Mental wachgehalten werden. Was die kurzen Regungen der Rastlosigkeit anbelangt, so werden sie, wenn das eingehalten wird, zur Ruhe gelangen, und das ruhige Mental und Vital werden schnell wieder die Oberhand gewinnen.
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Die Leere ist nur ein Zustand, in dem die Verwirklichung vor sich gehen muss. Wenn hierfür Streben notwendig ist, muss es angewandt werden; wenn die Verwirklichung von selbst kommt, ist natürlich das Streben nicht notwendig.
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Der Zustand, von dem ich sprach, war nicht die Leere, sondern etwas anderes. Ich sehe unter Bezugnahme auf den Abschnitt in deinem Brief, dass es ein Zustand war, „in welchem das Streben nicht gebraucht wird“. Hier handelt es sich nicht um Leere, sondern um einen Zustand, in dem die Kraft der Mutter dem Bewusstsein gegenwärtig ist und alles tut.
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Jede Art von Verwirklichung: unendliches Selbst, kosmisches Bewusstsein, die Gegenwart der Mutter, Licht, Kraft, Ananda, Wissen, die Sachchidananda-Verwirklichung, die verschiedenen Ebenen des Bewusstseins bis hinauf zum Supramental. All das kann kommen in dem Schweigen, das andauert, aber nicht mehr leer ist.
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Das Schweigen kann zurückbleiben, wenn die Leere gegangen ist. Alles kann hereinströmen und dennoch bleibt das Schweigen erhalten; wenn du von Kraft, Licht, Ananda, Wissen usw. erfüllt bist, kannst du dich nicht länger als leer bezeichnen.
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Wenn es die spirituelle Leere ist, wird sie nicht als Störung der Sadhana empfunden werden.
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Deiner Beschreibung nach ist es der gleiche neutrale Zustand, den du zuvor hattest. Es ist ein Übergangszustand, in dem das alte Bewusstsein nicht mehr tätig ist und das neue sich hinter einer neutralen Ruhe vorbereitet. Man muss ihn ruhig hinnehmen und darauf warten, dass er sich in den spirituellen Frieden und das seelische Glück wandelt, die etwas ganz anderes sind als vitale Freude und vitales Leid. Weder vitale Freude noch vitales Leid zu empfinden, wird von den Yogis als eine sehr wünschenswerte Befreiung angesehen – sie ermöglicht den Übergang von den gewöhnlichen menschlich-vitalen Gefühlen zu einem inneren Frieden, Glück oder einer inneren Freude, die wahr und beständig sind. Ich vermute, du hast gerade jetzt keine Zeit für die Meditation. Der Drang zu schlafen ist ein Drang, sich nach innen zu wenden, und durch die Gewohnheit der Meditation kann sich der Schlaf in eine Art Schlaf-samadhi wandeln, in welchem man sich verschiedener Erfahrungen und Fortschritte im inneren Wesen bewusst wird.
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Der Zustand, den du empfindest, ist in der Sadhana sehr bekannt. Es ist eine Art Durchgang oder Übergang, ein Zustand der Innerlichkeit, der wächst, aber noch nicht vollendet ist – in dieser Zeit ist es quälend zu sprechen oder sich nach außen zu wenden. Es ist notwendig, sehr ruhig zu sein und immer in sich zu verharren, bis die Bewegung vollendet ist; man sollte weder sprechen – oder nur wenig, leise und ruhig – noch das Mental auf äußere Dinge konzentrieren. Du solltest dich auch nicht darum kümmern, was die Leute sagen oder fragen, denn, obwohl sie selbst die Sadhana ausüben, wissen sie nichts von diesen Zuständen, und wenn man ruhig wird oder sich zurückzieht, glauben sie, man wäre traurig oder krank. Die Mutter hatte bei dir überhaupt nicht den Eindruck, dass dem so sei; es ist einfach eine Phase oder ein vorübergehender Zustand in der Sadhana, von dem sie die Erfahrung hat und der ihr wohlbekannt ist.
Der Zustand hält oft mehrere, manchmal sogar viele Tage an, bis etwas Bestimmtes beginnt. Bleibe vertrauensvoll und ruhig!
Die übliche Regel der Yogis ist, dass man während der Dauer der Sadhana nicht mit anderen über seine Erfahrungen sprechen soll, den Guru natürlich ausgenommen, da dies die Erfahrung verderben würde; es gibt etwas, das sie kṣaya [Verlust] der tapasya nennen. Nur über längst vergangene Erfahrungen sprechen sie, und selbst über diese nicht ganz offen.
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Das Licht hat dich verlassen, weil du mit jemandem darüber gesprochen hast, der kein adhikāri war. Das Sicherste ist, nicht über diese Erfahrungen zu sprechen, außer mit einem Guru oder mit jemandem, der dir helfen kann. Dass eine Erfahrung zerrinnt, sobald man darüber redet, geschieht häufig, und aus diesem Grund machen es sich viele Yogis zur Regel, niemals darüber zu sprechen, was in ihnen vorgeht, außer es gehört der Vergangenheit an oder ist eine gefestigte Verwirklichung, die durch nichts mehr zunichte gemacht werden kann. Eine gefestigte, dauerhafte Verwirklichung bleibt erhalten; dies aber waren eher Dinge, die ein Sich-Öffnen des Bewusstseins gegenüber etwas Vollständigerem möglich machen, um es für die Verwirklichung vorzubereiten.
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Ich war der Meinung, es würde sich von selbst verstehen, dass das, was ich dir über [bestimmte] Personen schrieb, unter uns bleibt. Über Erfahrungen, seien es die eigenen oder die von anderen, die einem bekannt werden, sollte man nicht sprechen oder sie zum Gegenstand des Klatsches machen. Nur wenn es für andere von einem gewissen spirituellen Nutzen ist, und selbst dann nur, wenn es sich um vergangene Erfahrungen handelt, kann man darüber sprechen. Im anderen Fall ist es wie eine Neuigkeit aus Abessinien oder Spanien, etwas Gewöhnliches und Triviales zum Kauen oder Verschlingen für das vitale Massen-Mental.
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Wenn du die Freude bewahren willst, ist es weise, nicht darüber zu sprechen. Dinge, über die man spricht, bekommen Flügel und versuchen zu entfliehen.
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Anderen zu zeigen, was man über Erfahrungen aufgeschrieben hat, oder zu anderen über seine Erfahrungen zu sprechen, ist immer riskant. Es ist viel besser, sie für sich zu behalten.
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Allgemein-Wissen ist etwas anderes, es ist intellektuell, und der Intellekt gewinnt durch die intellektuelle Tätigkeit des Lehrens. Wenn es im Yoga nur darum ginge, sein mentales Wissen über eine Sache intellektuell weiterzugeben, würde diese Regel vielleicht gelten; aber dieser mentale Aspekt ist nur ein kleiner Teil des Yoga. Sein größerer Teil besteht aus etwas Komplexerem. Indem man einem anderen Yoga lehrt, wird man gewissermaßen zu einem Meister mit Schüler. Die Yogis haben immer gesagt, dass jemand, der Schüler annimmt, sowohl deren Schwierigkeiten als auch die eigenen auf sich nimmt – daher wird empfohlen, keine Schüler anzunehmen, wenn man nicht oder solange man nicht siddha ist, und auch dann nur, wenn man die göttliche Vollmacht hierfür erhält – Ramakrishna nennt es, die caprās [das Abzeichen der Autorität] erhalten. Zweitens besteht die Gefahr des Egoismus – wenn man davon frei ist, hält der Einwand nicht länger stand. Es gibt noch ein anderes Problem, nämlich die eigenen Erfahrungen anderen mitzuteilen. Auch hiervon raten die meisten Yogis ausdrücklich ab – sie sagen, es sei schädlich für die Sadhana. Ich habe wirklich jede Menge von Beispielen erlebt und von ihnen gehört, bei denen Menschen eine Flut von Erfahrungen hatten und diese Flut versiegte, sobald sie darüber sprachen; es muss also etwas Wahres an diesem Einwand sein. Ich vermute jedoch, er stimmt nicht mehr, sobald man eine gewisse, lang gefestigte Stabilität in der Erfahrung gewonnen hat, das heißt, wenn die Erfahrung eine bestimmte und andauernde Verwirklichung geworden ist, etwas Endgültiges und Unwiderrufliches, das dem Bewusstsein hinzugefügt wurde. Ich habe beobachtet, dass jene, die ihre Erfahrungen für sich behalten und sie nicht vor anderen ausbreiten, eine beständigere Sadhana als andere zu haben scheinen, weiß aber nicht, ob es eine unveränderliche Regel ist. Sie ist vermutlich nach einem gewissen Stadium der Verwirklichung nicht mehr anwendbar.