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Sri Aurobindo

Briefe über den Yoga

Band 1

VERNUNFT, WISSENSCHAFT UND YOGA

I

Europäisches metaphysisches Denken überschreitet selbst in jenen Denkern, die das Dasein Gottes oder des Absoluten zu erklären suchen, weder in seiner Methode noch in seinem Ergebnis den Intellekt. Doch der Intellekt ist nicht imstande, die‚ höchste Wahrheit zu erkennen; er vermag lediglich tastend nach der Wahrheit zu suchen oder teilweise Darstellungen von ihr aufzufangen – nicht aber die eigentliche Sache selbst – und versucht dann, diese zusammenzustückeln. Das Mental kann die Wahrheit nicht erreichen; es kann nur ein konstruiertes Gebilde errichten oder eine Kombination von Gebilden, die diese darzustellen versucht. Europäisches Denken mündet daher immer im erklärten oder stillschweigenden Agnostizismus. Der Intellekt, der voller Wahrhaftigkeit an seiner eigenen Grenze angelangt ist, muss umkehren und bekennen: “Ich vermag nicht zu wissen; es gibt Etwas jenseits oder scheint es zumindest zu geben, es muss es sogar geben, eine höchste Wirklichkeit, doch über ihre Wahrheit kann ich nur Mutmaßungen anstellen; sie ist entweder unerkennbar oder kann von mir nicht erkannt werden”. Oder wenn dieser Intellekt auf seiner Suche aus diesem jenseitigen Bereich ein Licht empfing, kann er auch sagen: “Es gibt vielleicht ein Bewusstsein jenseits des Mentals, denn ich scheine es flüchtig erspürt und sogar Zeichen von ihm erhalten zu haben. Wenn dieses Bewusstsein sich in Kontakt mit dem Jenseits befindet oder wenn es gar selbst das Bewusstsein dieses Jenseits ist und du einen Weg zu seiner Erlangung finden kannst, nur dann und nicht anders kann dieses Etwas erkannt werden”.

Alles Suchen der höchsten Wahrheit allein mit Hilfe des Intellektes muss entweder in Agnostizismus dieser Art enden oder aber in einem intellektuellen System oder einer vom Mental errichteten Formel. Es gibt Hunderte dieser Systeme und Formeln, und wenn es noch Hunderte mehr gäbe, würde immer noch keines endgültig sein. Jedes mag für das Mental wertvoll sein, und verschiedene Systeme mit ihren einander widersprechenden Schlussfolgerungen können verschiedene Intellekte von gleicher Fähigkeit und Kompetenz gleichermaßen ansprechen. All diese mühsame Arbeit der Spekulation hat ihren Wert, da sie das menschliche Mental schult und ihm hilft, die Vorstellung eines Etwas jenseits von ihm und eines Höchsten, dem es sich zuwenden muss, aufrechtzuerhalten. Doch der intellektuelle Verstand kann nur unbestimmt darauf hinweisen oder es tastend erspüren oder versuchen, Teilaspekte und sogar einander widersprechende Aspekte seiner Manifestation hier aufzuzeigen; er vermag nicht, in es einzutreten und es zu erkennen. Solange wir allein im Bereich des Verstandes bleiben, können wir lediglich unvoreingenommen über all das, was bereits gedacht und gesucht wurde, nachdenken und fortwährend neue Ideen hervorbringen, alle erdenklichen Ideen, und uns diese oder jene philosophische Ansicht, Meinung oder Schlussfolgerung bilden. Diese Art unvoreingenommener Suche nach der Wahrheit wäre die einzig mögliche Haltung eines weiten, plastischen Intellektes. Doch jede Schlussfolgerung, zu der man auf diese Weise gelangte, wäre nur eine mutmaßliche; sie hätte keinen spirituellen Wert; sie würde nicht die entscheidende Erfahrung oder spirituelle Gewissheit bringen, nach der die Seele sucht. Wenn der Intellekt unser höchstmögliches Instrument ist und es kein anderes Mittel gibt, um die überphysische Wahrheit zu erlangen, dann ist die beste Einstellung ein weiser und weiter Agnostizismus. Die Dinge der Schöpfung können bis zu einem gewissen Grad erkannt werden, doch der Höchste und alles, was sich jenseits des Mentals befindet, müssen dann für immer unerkannt bleiben.

Allein wenn es ein größeres Bewusstsein jenseits des Mentals gibt und jenes Bewusstsein uns zugänglich ist, können wir jene höchste Wirklichkeit erkennen und in sie eintreten. Intellektuelle Spekulation, logisches Schlussfolgern, ob es solch größeres Bewusstsein gibt oder nicht, bringen uns nicht sehr weit. Was wir brauchen, ist ein Weg, um zu seiner Erfahrung zu gelangen, um es zu erreichen, in es einzutreten, in ihm zu leben. Wenn uns dies gelingt, muss die intellektuelle Spekulation und Argumentation notwendigerweise auf einen durchaus zweiten Platz zurücktreten und sogar ihre Daseinsberechtigung verlieren. Philosophie und die intellektuelle Formulierung der Wahrheit können zwar bestehen bleiben, doch hauptsächlich deshalb, um diese größere Entdeckung und was von ihrem Inhalt in mentalen Begriffen darstellbar ist für jene auszudrücken, die noch im mentalen Verstand leben.

Du wirst erkennen, dass dies deine Frage über die westlichen Denker weitgehend beantwortet, über Bradley und andere, die auf dem intellektuellen Weg zu jener Vorstellung eines “Anderen, jenseits des Denkens” gelangt sind oder die sogar, wie Bradley, versucht haben, ihre Schlussfolgerungen darüber in Begriffen auszudrücken, die an Formulierungen im “Arya” erinnern. Diese Vorstellung ist an sich nicht neu, sie ist so alt wie der Veda selbst. Es gab sie in anderer Form im Buddhismus, im christlichen Gnostizismus, im Sufismus. Ursprünglich wurde sie nicht durch die intellektuelle Spekulation entdeckt, sondern durch Mystiker, die einer inneren spirituellen Disziplin folgten. Als zwischen dem siebten und fünften Jahrhundert v. Chr. die Menschen sowohl im Osten als auch im Westen das Wissen zu intellektualisieren begannen, blieb diese Wahrheit im Osten erhalten; im Westen, wo der Intellekt allmählich als das einzige oder höchste Instrument zur Entdeckung der Wahrheit anerkannt wurde, begann diese Vorstellung zu verblassen; die Neo-Platoniker entdeckten sie aufs neue, und nun scheinen die Neo-Hegelianer und andere (zum Beispiel der Russe Ouspensky und, ich glaube, ein oder zwei deutsche Denker) danach zu suchen. Und dennoch ist ein Unterschied vorhanden.

Nicht nur im Westen, auch im Osten, besonders in Indien versuchten metaphysische Denker, die Natur der höchsten Wahrheit mit Hilfe des Intellektes zu bestimmen. Doch erstens räumten sie dem mentalen Denken als Instrument bei der Entdeckung der Wahrheit nicht die höchste Stufe ein, sondern behandelten es zweitrangig. Der vorderste Platz gehörte hier immer der spirituellen Intuition und Erleuchtung, der spirituellen Erfahrung; eine intellektuelle Schlussfolgerung, die dieser höchsten Maßgeblichkeit widersprach, wurde nicht anerkannt. Zweitens, jede Philosophie versah sich mit einem praktischen Weg, um das höchste Stadium des Bewusstseins zu erreichen, so dass das Ziel, selbst wenn man mit dem Denken begann, darin bestand, zu einem Bewusstsein jenseits des mentalen Denkens zu gelangen. Jeder Gründer einer Philosophie – oder jene, die sein Werk oder seine Schule fortsetzten – war gleichzeitig ein metaphysischer Denker und Yogi. Die rein philosophischen Intellektuellen wurden ob ihrer Gelehrsamkeit respektiert, doch nahmen sie nie den Rang von Wahrheits-Entdeckern ein. Und jene Philosophien, denen eine genügend machtvolle Methode spiritueller Erfahrung fehlte, starben aus und gehörten der Vergangenheit an, da sie für spirituelle Entdeckung und Verwirklichung nicht brauchbar waren.

Im Westen geschah genau das Gegenteil. Der Gedanke, der Intellekt, der logische Verstand wurden mehr und mehr als die höchsten Mittel betrachtet und sogar als höchstes Ziel; in der Philosophie ist das Denken der Anfang und das Ende. Die Wahrheit muss hier durch intellektuelles Forschen – und die Spekulation entdeckt werden; sogar die spirituelle Erfahrung wird aufgerufen, sich den Prüfungen des Intellektes zu unterziehen, wenn sie als gültig angesehen werden will – also praktisch das Gegenteil der indischen Einstellung. Selbst diejenigen, die erkennen, dass mentales Denken zurückgelassen werden muss, und ein supramentales “Anderes” anerkennen, scheinen zu meinen, dass mit Hilfe von mentalem Denken, das sich sublimiert und wandelt, diese andere Wahrheit zu erreichen sei und an Stelle der mentalen Begrenzung und Unkenntnis treten muss. Und dennoch, westliches Denken ist nicht mehr dynamisch, es hat eine Theorie der Dinge und nicht die Verwirklichung gesucht. Bei den alten Griechen war es noch dynamisch, doch eher mit einem moralischen und ästhetischen als einem spirituellen Ziel. Späterhin wurde es umsomehr rein intellektuell und akademisch; es wurde zu einer intellektuellen Spekulation, doch ohne jeden praktischen Weg und praktische Methoden, die Wahrheit mit Hilfe spiritueller Erfahrung, spiritueller Entdeckung und spiritueller Umwandlung zu erreichen. Gäbe es diesen Unterschied nicht, dann bestünde für Suchende, wie du selbst einer bist, kein Grund, sich dem Osten zur Unterweisung anzuvertrauen; denn im rein intellektuellen Bereich sind die westlichen Denker so maßgebend wie jeder östliche Weise. Was in der Überintellektualität des Mentals in Europa verloren ging, ist der spirituelle Pfad, der Weg, der über den Intellekt hinausführt, der Übergang vom äußeren Wesen zum innersten Selbst.

In den Auszügen von Bradley und Joachim, die du mir schicktest, ist es immer noch das intellektuelle Denken über das, was sich jenseits von ihm befindet, und das zu einer intellektuellen, einer vernunftsmäßigen, spekulativen Schlussfolgerung daraus gelangt. Es besitzt nicht die Dynamik für die Veränderung, die es zu beschreiben sucht. Wenn diese Autoren eine Verwirklichung in mentalen Ausdrücken beschreiben würden, selbst eine mentale Verwirklichung, eine intuitive Erfahrung jenes “Anderen, jenseits des Denkens”, könnte man in die Nähe der gleichen Erfahrung gelangen, sofern man bereit wäre, sie durch den Schleier ihrer Sprache zu spüren. Oder man könnte sich, ihren Überlegungen folgend, für den gleichen Übergang bereitmachen, wenn sie nach Erreichen der verstandesmäßigen Folgerungen – auf der Suche nach dem Weg oder einem bereits gefundenen folgend – zur spirituellen Verwirklichung fortgeschritten wären. Doch nichts dieser Art ist in all dem schwerfälligen Denken zu finden. Es bleibt im Bereich des Intellekts und ist darin zweifellos bewundernswert; doch für die spirituelle Erfahrung fehlt ihm die Dynamik.

Nicht indem man die gesamte Wirklichkeit “durchdenkt”, sondern durch eine Bewusstseinsveränderung kann man aus der Unwissenheit zum Wissen gelangen, zu jener Erkenntnis, durch, die wir zu dem werden, was wir erkannten. Der integrale Weg zur Wahrheit1 besteht darin, sich vom äußeren in ein direktes und wesenhaftes inneres Bewusstsein zu wenden, das Bewusstsein über die Grenzen von Körper und Ego auszudehnen, es durch inneren Willen und Aspiration zu erhöhen und dem Licht zu öffnen, bis es in seinem Aufsteigen das Mental überschreitet; ferner eine Herabkunft des supramentalen Göttlichen durch Selbst-Geben und Hingabe und die fortwährende Umwandlung von Mental, Leben und Körper herbeizuführen. Dies ist es, was hier die Wahrheit genannt wird und das Ziel unseres Yoga ist.

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Yoga besteht nicht aus Ideen, sondern aus innerer spiritueller Erfahrung. Sich allein von gewissen religiösen oder spirituellen Ideen angezogen zu fühlen, führt zu keiner Verwirklichung. Yoga bedeutet eine Bewusstseinsveränderung; rein mentale Aktivität führt zu keiner Veränderung des Bewusstseins, sie vermag lediglich das Mental zu verändern. Und wenn dein Mental genügend beweglich ist, wird es sich bis zuletzt fortwährend verändern, ohne zu einem gesicherten Weg oder in einen spirituellen Hafen gelangt zu sein. Das Mental kann denken, zweifeln, in Frage stellen, billigen und seine-Billigung wieder zurückziehen, Formungen bilden und sie wieder auflösen, Entscheidungen fällen und sie rückgängig machen, immer an der Oberfläche und mittels oberflächlicher Anhaltspunkte urteilend und daher niemals zu einer tiefen und sicheren Erfahrung der Wahrheit gelangend – doch mehr vermag es allein aus sich selbst nicht zu tun. Es gibt nur drei Wege, wodurch es sich zu einem Kanal oder Instrument der Wahrheit machen kann. Entweder es muss zum Schweigen im Selbst gelangen und einem weiteren und größeren Bewusstsein weichen; oder es muss sich passiv machen für ein inneres Licht und diesem Licht erlauben, es als Ausdrucksmittel zu gebrauchen; oder aber es muss sich aus dem gegenwärtig zweifelnden, intellektuellen und oberflächlichen Mental in einen intuitiven Verstand wandeln, in ein visionäres Mental, das für eine direkte Wahrnehmung der göttlichen Wahrheit geeignet ist.

Wenn du irgend etwas im Yoga erreichen willst, hast du ein für allemal festzulegen, welchem Weg du folgen willst. Es hat keinen Wert, dein Gesicht der Zukunft zuzuwenden und dann immer wieder in die Vergangenheit zurückzublicken; auf diese Weise wirst du nirgendwohin gelangen. Wenn du an deine Vergangenheit gebunden bist, kehre zu ihr zurück und folge dem Weg, den du dann wählst; doch wenn du statt dessen diesen Weg wählst, musst du dich voll und ganz geben und darfst nicht jeden Augenblick zurückschauen.

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Über Zweifel zu diskutieren, habe ich seit langem aufgegeben, da ich es durchaus für sinnlos halte. Yoga eignet sich nicht für intellektuelle Untersuchung oder Erörterung. Man kann nicht über das logische oder debattierende Mental zum wahren Verständnis des Yogaweges gelangen oder diesem folgen. Eine unentschiedene Einstellung, “ehrliche Zweifel” und die Forderung, dass der Intellekt zufriedengestellt werden muss und jeden einzelnen Punkt zu beurteilen hat, ist im Bereich einer äußeren mentalen Tätigkeit durchaus in Ordnung. Yoga aber ist kein mentaler Bereich, und das Bewusstsein, das gegründet werden muss, ist kein mentales, logisches oder erörterndes Bewusstsein – es gibt im Yoga sogar die Regel, dass die Sadhana ihr Ziel verfehle, wenn und solange nicht das Mental, einschließlich des intellektuellen oder logischen Mentals, zur Ruhe gelangt ist und sich in der Stille oder dem Schweigen einem Bewusstsein, einem Wissen und einer Schau von höherer oder tieferer Art geöffnet hat. Aus dem gleichen Grund wird in der indischen Tradition bedingungslose Offenheit gegenüber dem Guru gefordert; den Guru zu tadeln, zu kritisieren und anzugreifen, galt als verwerflich und als das unfehlbarste Hemmnis der Sadhana, das es gibt.

Könnte man den “Geist des Zweifels” überwinden, indem man ihm mit Argumenten begegnet, dann wäre die Forderung, ihn mittels der Logik zu befriedigen, gewissermaßen berechtigt. Doch der “Geist des Zweifels” zweifelt um seiner selbst, um des Zweifels willen; er gebraucht das Mental lediglich als Instrument seines speziellen dharma und dies umsomehr, je mehr das Mental glaubt, es suche aufrichtig nach einer Lösung seiner ehrlichen und ununterdrückbaren Zweifel Mentale Einstellungen, unterscheiden sich zudem immer, und es ist wohlbekannt, dass Menschen endlos argumentieren können, ohne einander zu überzeugen. Zu versuchen, hartnäckige und immer wiederkehrende Zweifel zu beschwichtigen – was lange Zeit in diesem Ashram verbreitet war und die Sadhana behinderte – bedeutet, das Ziel des Yoga zu vereiteln und sich gegen sein zentrales Prinzip zu wenden, ohne spirituell oder auf andere Weise etwas zu gewinnen. Grundlegende Zweifel überwindet man durch das Wachsen der Seele in sich oder durch die Weitung seines Bewusstseins und durch nichts anderes. Fragen, die sich aus einer forschenden Einstellung erheben, die weder aggressiv noch rechthaberisch sind, sondern zum allgemeinen Wissensdrang gehören, können beantwortet werden, doch der “Geist des Zweifels” ist unersättlich und nie zu befriedigen.

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Unter tausend mentalen Fragen und Antworten gibt es nur hie und da eine, die wirklich eine dynamische Hilfe bedeutet – während eine einzige innerliche Reaktion oder ein klein wenig Wachsen des Bewusstseins das erreicht, was tausend Fragen und Antworten nicht zu erreichen vermögen. Der Yoga schreitet nicht durch Anweisung , upadeśa, voran, sondern durch innere Einflussnahme. Weit wichtiger, als Fragen zu stellen, ist, deinen Zustand und deine Erfahrungen zu erkennen und dich der Hilfe zu öffnen.

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Die ganze Welt weiß – und das gilt sowohl für den spirituellen Denker als auch für den Materialisten –, dass dieses Leben in der Unwissenheit oder der Unbewusstheit der Natur für das erschaffene oder natürlich [in der Evolution] entwickelte Wesen weder ein Bett aus Rosen ist noch ein Pfad in heiterem Licht. Es ist eine schwierige Reise, ein Kampf, ein Gefecht, ein oft schmerzhaftes und wechselvolles Wachsen, ein Leben, das von Finsternis, Falschheit und Leid umgeben ist. Es hat seine mentalen, vitalen und physischen Freuden und Vergnügungen, doch haben diese einen sehr vergänglichen Geschmack – den dennoch das vitale Selbst nicht missen will –, und sie enden in Ekel, Ermüdung und Desillusionierung. Und was dann? Zu sagen, es gäbe das Göttliche nicht, ist einfach, doch führt es nirgendwohin, es lässt dich dort, wo du bist, ohne Hoffnung und Ausweg – weder Russel noch sonst irgendein Materialist kann dir verraten,‘wohin du gehst oder gar wohin du gehen sollst. Das Göttliche manifestiert sich bekanntlich nicht derart, dass es in den äußeren Gegebenheiten der Welt erkannt werden kann. Wir haben es nicht mit dem Werk eines unverantwortlichen Herrschers irgendwo zu tun, sondern es sind die Gegebenheiten eines Ausarbeitens von Kräften gemäß einer bestimmten Natur des Seins – man könnte auch sagen, gemäß einer gewissen Anlage oder einem gewissen Problem des Seins – in etwas, in das einzutreten und mit ihm zusammenzuwirken wir tatsächlich alle zugestimmt haben. Die Arbeit sei schmerzhaft, zweifelhaft, ihre Wechselfälle unmöglich vorherzusehen? Dann gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich entweder sich davon abzulösen und das nirvāṇa zu erlangen, sei es mit Hilfe des buddhistischen oder des illusionistischen Weges, oder aber sich nach innen zu wenden und dort das Göttliche zu finden, das an der Oberfläche nicht zu entdecken ist. Diejenigen, die den Versuch unternahmen – und es waren ihrer nicht wenige, sondern Hunderte und Tausende –, haben durch alle Zeiten bezeugt, dass dort das Göttliche zu finden ist, und daher gibt es auch den Yoga. Es nähme lange Zeit in Anspruch? Das Göttliche sei hinter dem dichten Schleier seiner Maya verborgen und beantworte weder unseren Ruf sofort noch in einem frühen Stadium der Sadhana? Oder es gewähre nur einen ungewissen oder flüchtigen Blick und ziehe sich dann zurück und warte auf unser Bereitsein? Doch wenn das Göttliche irgendeinen Wert hat, lohnt es dann nicht eine gewisse Mühe und Zeit und Arbeit, ihm zu folgen, und können wir wirklich darauf beharren, es ohne Schulung, Opfer, Leiden oder Mühen zu erreichen? Ganz sicher ist es unvernünftig, eine derartige Forderung zu stellen. Soviel steht jedoch fest, wir müssen uns nach innen wenden, hinter den Schleier, damit wir es finden; nur dann können wir es auch außen sehen, und der Verstand kann nicht so sehr überzeugt als gezwungen werden, Seine Gegenwart durch die Erfahrung anzuerkennen – geradeso als hätte ein Mensch das erblickt, dessen Vorhandensein er abgestritten hatte, und kann es nun nicht länger leugnen. Doch hierfür müssen die Mittel akzeptiert werden, ein beharrlicher Wille und eine beharrliche Geduld bei der Arbeit.

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Doch warum um Himmels willen verlangt dein verzweifelnder Freund, dass jedermann mit ihm übereinstimmt und der von ihm bevorzugten Verhaltens– oder Glaubensrichtung folgt? Das ist der niemals verwirklichte Traum des Politikers, oder verwirklicht nur mit Hilfe eines gewaltsamen Druckes auf das menschliche Mental und Leben, jener neuesten Errungenschaft des Tat-Menschen. Die “inkarnierten” Götter, also die Gurus und spirituellen Menschen, über die er sich so bitterlich beklagt, sind in ihren Hoffnungen viel bescheidener und zufrieden mit einer Handvoll oder aber – wenn du so willst – mit einem Ashram voller Schüler; doch selbst diese wollen sie nicht eigentlich – wenn sie da sind, sind sie da. Sind also diese verachteten “Inkarnierten” der Vernunft und Weisheit nicht näher als die politischen Führer – ausgenommen natürlich, dass einer von ihnen den Fehler begeht, eine universale Religion zu gründen, doch das geht uns nichts an. Zudem tadelt dich dein Freund, du hättest deine Vernunft in blindem Glauben verloren. Doch was ist, außer einem vernunftsmäßigen Glauben, seine eigene Ansicht der Dinge? Du glaubst deinem Glauben gemäß, was ganz natürlich ist, er glaubt seiner Meinung gemäß, was auch natürlich ist, doch keinesfalls besser, was die Wahrscheinlichkeit anbelangt, zur wahren Wahrheit der Dinge zu gelangen. Seine Meinung entspricht seiner Vernunft. Doch auch die Meinung seiner politischen Gegner entspricht deren Vernunft, dennoch ist die Idee, auf der sie beharren, das genaue Gegenteil der seinen. Kann man überhaupt durch Argumentation das Rechte aufzeigen? Die einander opponierenden Parteien können argumentieren, bis sie schwarz werden, und sind einer Entscheidung immer noch nicht nähergekommen. Am Ende gewinnt der, der die größere Macht hat oder der von der allgemeinen Richtung der Dinge begünstigt wird. Doch wer kann, wenn er die Welt betrachtet, behaupten, die allgemeine Richtung der Dinge bewege sich immer oder jemals der rechten Vernunft gemäß – was immer dies sein mag, das man die rechte Vernunft nennt. Tatsächlich gibt es keine universale, unfehlbare Vernunft, die zwischen gegensätzlichen Meinungen zu entscheiden und der Schiedsrichter zu sein vermöchte: es gibt nur meine Vernunft, deine Vernunft, X.‘s Vernunft, Y.‘s Vernunft, die miteinander multipliziert ein misstönendes Vielfaches ergeben. Jeder urteilt nach seiner Einstellung zu den Dingen, nach seiner Meinung, das heißt seiner mentalen Beschaffenheit und Vorliebe gemäß. Welchen Wert hat es, den Glauben verächtlich zu machen, der uns letzten Endes etwas gibt, woran wir uns inmitten der Widersprüche eines rätselhaften Universums halten können. Wenn man zu einem Wissen, das weiß, zu gelangen vermag, dann ist es etwas anderes; doch solange wir nur ein argumentierendes Nicht-Wissen besitzen, nun, solange gibt es noch einen Platz für den Glauben; der Glaube kann sogar der Schimmer jenes Wissens sein, das weiß – wie fern es auch immer sei; und schließlich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass mit seiner Hilfe die Dinge geschehen. Hier hast du nun selbst ein Stück Argumentation – und wie alles übrige Argumentieren überzeugt es den Überzeugten, doch nicht den Unüberzeugbaren, also jenen, der den Boden, auf dem die Argumentation tanzt, nicht akzeptiert. Logik ist schließlich nichts anderes als ein abgewogener Tanz des Mentals.

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Dein Traum war bestimmt kein Mondschein, er war eine innere Erfahrung, die als voll gültig angesehen werden kann. Was die anderen Fragen anbelangt, so sind sie sehr verwickelt, und ich fühle mich nicht gerüstet, den Gordischen Knoten mit einem Hieb zu durchhauen. Sicher hast du recht, wenn du unmittelbar deiner eigenen Wahrheit folgst, und du brauchst X.‘s oder anderer Leute Vorschläge und Lösungen nicht anzunehmen. Der Mensch braucht beides, Glauben und Vernunft, solange er keine bessere Einsicht und kein größeres Wissen erreicht hat. Ohne Glauben kann er mit Sicherheit auf keinem Pfad wandern, doch ohne Vernunft durchaus, besonders wenn ihn der Stab des Glaubens in der Dunkelheit stützt. X gründet seinen Glauben zwar nicht auf der Vernunft, doch auf dem Argument; selbst der Rationalist, der Rationalisierende oder der Argumentierende muss Glauben besitzen und sei es nur der Glaube an die Vernunft selbst als ausreichend und maßgebend; genauso sieht der Gläubige seinen Glauben als ausreichend und maßgebend an. Dennoch können beide [Glaube und Vernunft] irren – wie es nicht anders sein kann –, da beide Instrumente des menschlichen Mentals sind, dessen Natur es ist zu irren, und beide teilen die Begrenzungen dieses Mentals. Jeder muss in dem Licht wandern, das er besitzt, auch wenn es dunkle Stellen gibt, über die er stolpert.

All dies hat mit der Frage nach der gegenwärtigen menschlichen Zivilisation jedoch nichts zu tun. Nicht diese ist es, die gerettet werden muss – die Welt muss gerettet werden; und dies wird bestimmt geschehen, obwohl es nicht so einfach oder so bald sein wird, wie manche es wünschen oder sich vorstellen mögen, oder gar auf die Weise, wie sie es sich vorstellen. Das Gegenwärtige muss sich mit Sicherheit ändern; die Frage ist nur, ob es mit Hilfe einer Zerstörung oder eines neuen Aufbaus auf der Grundlage einer größeren Wahrheit geschieht. Die Mutter hat diese Fragen offen gelassen, und ich kann nichts anderes tun. Schließlich muss der Weise, außer er ist ein Prophet oder der Direktor des astrologischen Instituts von Madras, die “Asquithsche”2 Haltung einnehmen. Weder Optimismus noch Pessimismus sind die Wahrheit: sie sind nichts als Veranlagungen des Mentals oder Temperaments.

Am besten also ohne übermäßigen Optimismus oder Pessimismus “abwarten und Tee trinken”.

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Der Glaube an spirituelle Dinge, der vom Sadhak verlangt wird, ist kein unwissender, sondern ein leuchtender Glaube, ein Glaube im Licht und nicht in der Finsternis. Der skeptische Verstand nennt ihn blind, da sich dieser Glaube von äußeren Erscheinungsformen oder scheinbaren Tatsachen nicht leiten lässt – denn er sucht die Wahrheit dahinter – und sich nicht auf den Krücken des Beweises und des Offenkundigen vorwärtsbewegt. Er ist eine Intuition – eine Intuition, die nicht nur auf die Erfahrung wartet, die sie rechtfertigen soll, sondern auch zur Erfahrung führt. Wenn ich an Selbst-Heilung glaube, werde ich nach einer Weile den Weg finden, mich selbst zu heilen. Wenn ich an die Umwandlung glaube, kann ich zu ihr gelangen, in dem ich meine Hand an den Vorgang der Umwandlung lege und diesen auslöse. Doch wenn ich mit Zweifel beginne und mit mehr Zweifel fortfahre, wie weit werde ich dann auf dieser Reise vermutlich kommen?

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Was die Frage des Glaubens und Zweifels anbelangt, so gibst du dem Wort “Glauben” mit Übereifer eine Bedeutung und eine Reichweite, wie ich sie nicht damit verbinde. Ich werde nicht nur einen, sondern mehrere Briefe zu schreiben haben, um die Situation zu klären. Es scheint, dass du mit Glauben einen mentalen Glauben meinst, der dem Mental und den Sinnen in der zweifelhaften Form einer haltlosen Behauptung dargeboten wird. Ich meine damit die dynamische und intuitive Überzeugung des inneren Wesens von der Wahrheit übersinnlicher Dinge, die durch physische Tatsachen nicht bewiesen werden können, sondern dem Bereich der Erfahrung angehören. Meiner Ansicht nach ist dieser Glaube eine höchst wünschenswerte Vorbereitung für die angestrebte Erfahrung (wenn auch nicht unerlässlich, denn es gibt eine Art Erfahrung, der kein Glaube vorangeht). Wenn ich so viel Wert auf den Glauben lege – nicht so sehr auf einen bejahenden Glauben als auf ein Ablegen des a priori Zweifelns und Verneinens –, dann deshalb, da ich finde, dass diese Zweifel und dieses Verneinen zu einem Instrument in den Händen der hemmenden Kräfte geworden sind...

Die Ablehnung des Materialisten nenne ich a priori, weil er sich weigert, auch nur zu erwägen oder zu prüfen, was er ablehnt; er beginnt vielmehr mit der Ablehnung und vertritt den Standpunkt, dass etwas seinen eigenen Theorien Widersprechendes nicht wahr sein kann. Auf der anderen Seite ist der Glaube an das Göttliche, an die Gnade, den Yoga, den Guru usw. kein a priori-Glaube, da er sowohl auf einer großen menschheitlichen Erfahrung, angesammelt in Jahrhunderten und Jahrtausenden, beruht als auch auf der persönlichen intuitiven Wahrnehmung. Glaube ist eine intuitive Wahrnehmung, die durch die Erfahrung von Hunderten und Tausenden, die sie vor mir hatten, bestätigt wurde.

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Während ich über Zweifel zu schreiben beginne, fechten mich “Zweifel” an, ob jedwede Menge von Schriften oder irgend etwas anderes den ewigen Zweifel im Menschen, die Strafe seiner angeborenen Unwissenheit zu zerstreuen vermag. Zunächst einmal, wollte man angemessen darüber schreiben, so würde dies in etwa sechzig bis sechshundert Seiten ausmachen, doch nicht einmal sechstausend überzeugende Seiten könnten den Zweifel überzeugen. Denn der Zweifel besteht um seiner selbst willen; sein eigentlicher Zweck ist, immer zu zweifeln, und selbst wenn er beschwichtigt ist, weiterhin zu zweifeln; und nur um von demjenigen, der ihn nährt, Unterkunft und Verpflegung zu erhalten, gibt er vor, ein ehrlicher Wahrheitssucher zu sein. Dies ist es, was ich sowohl aus der Erfahrung mit meinem eigenen Mental als auch mit dem Mental anderer gelernt habe; der einzige Weg, sich vom Zweifel zu befreien, besteht darin, Wahrheit und Falschheit mit Hilfe des Unterscheidungsvermögens ausfindig zu machen und unter seinem Schutz die Tür frei und mutig der Erfahrung zu öffnen.

Gleichviel, ich habe zu schreiben begonnen, doch werde ich nicht mit dem Zweifel beginnen, sondern mit der Forderung nach dem Göttlichen als einer konkreten inneren Gewissheit, genauso konkret wie irgendein physisches Phänomen, das von den Sinnen aufgegriffen wird. Nun, natürlich muss das Göttliche eine derartige innere Gewissheit sein, nicht nur so konkret, sondern noch konkreter als irgend etwas, das von Ohr oder Auge oder beim Kontakt mit der Welt der Materie wahrgenommen wird; es ist jedoch nicht eine Gewissheit des mentalen Denkens, sondern die einer essentiellen Erfahrung. Wenn sich der Friede Gottes auf dich senkt, wenn die Göttliche Gegenwart in dir ist, wenn der Ananda dich überströmt wie ein Meer, wenn du vom Atem der Göttlichen Kraft getrieben wirst wie ein Blatt vor dem Wind, wenn die Liebe sich aus dir über der gesamten Schöpfung entfaltet, wenn das Göttliche Wissen dich mit einem Licht überflutet, in einem Augenblick alles erleuchtend und umwandelnd, was zuvor trüb und sorgenvoll und finster war, wenn alles Bestehende Teil der Einen Wirklichkeit wird, wenn diese Wirklichkeit ganz um dich ist, dann fühlst du, siehst du, berührst du allein das Göttliche, augenblicklich und überall, sei es durch spirituellen Kontakt, die innere Vision, durch das erleuchtete und erkennende Denken, sei es durch die vitale Empfindung und sogar durch die physischen Sinne selbst. Dann kannst du es kaum weniger bezweifeln oder leugnen als du das Tageslicht oder die Luft oder die Sonne am Himmel bezweifeln oder leugnen kannst; denn dieser physischen Dinge bist du nicht sicher, weil sie etwas sind, was deine Sinne dir widerspiegeln; doch in der konkreten Erfahrung des Göttlichen ist Zweifel nicht möglich.

Was das Andauern anbelangt, so kannst du von einer anfänglichen spirituellen Erfahrung dieses nicht erwarten; nur wenigen gelingt dies, und selbst bei ihnen ist nicht immer die gleich hohe Intensität der Erfahrung vorhanden; meist kommt sie und zieht sich dann hinter den Schleier zurück, um zu warten, bis der menschliche Teil vorbereitet ist und reif wird und ihr Anwachsen und dann ihr Andauern ertragen und bewahren kann. Doch sie deswegen in Frage zu stellen, wäre in höchstem Maße vernunftwidrig. Man bezweifelt nicht das Vorhandensein der Luft, wenngleich nicht immer ein starker Wind weht, oder des Sonnenlichts, obwohl die Nacht zwischen Abend und Morgen liegt. Die Schwierigkeit liegt im normalen menschlichen Bewusstsein, zu dem die spirituelle Erfahrung als etwas Anormales kommt, und tatsächlich ist sie übernormal. Diese schwache, begrenzte Normalität hat anfangs Schwierigkeiten, von jener größeren und intensiveren übernormalen Erfahrung auch nur angerührt zu werden; oder sie wird mit dem dunkleren Stoff der eigenen mentalen oder vitalen Erfahrung verdünnt; und wenn dann die spirituelle [Erfahrung] in ihrer überwältigenden Macht tatsächlich herabkommt, kann sie diese oft nicht ertragen oder aber nicht halten und bewahren. Dennoch, ist einmal eine entscheidende Bresche in den Wall geschlagen worden, den das Mental gegen das Unendliche errichtet, dann wird sich die Bresche weiten, manchmal langsam, manchmal schnell, bis es keinen Wall mehr gibt – und dies bedeutet dann die Beständigkeit [der spirituellen Erfahrung].

Doch können weder entscheidende Erfahrungen herbeigeführt werden, noch kann ein neuer Bewusstseinszustand, in dem diese normal sein werden, andauern, solange sich das Mental ständig mit seinen eigenen Vorbehalten, mit seinen Vorurteilen und unwissenden Phrasen einmischt oder darauf besteht, die göttliche Gewissheit – wie die relative Wahrheit einer mentalen Schlussfolgerung –, mit Hilfe der Argumentation zu erreichen, mit Hilfe des Zweifels, des Forschens und all dem anderen Rüstzeug der Unwissenheit, das um das Wissen herumtappt und -tastet; diese größeren Dinge können allein durch ein fortschreitendes Sich-Öffnen eines beruhigten Bewusstseins, das spiritueller Erfahrung immerfort zugewandt ist, herbeigeführt werden. Die Frage, warum das Göttliche es derart auf dieser höchst unbequemen Grundlage eingerichtet hat, ist müßig, denn es handelt sich um nichts anderes als ein psychologisches Erfordernis, das von der eigentlichen Natur der Dinge auferlegt wurde. Diese Erfahrungen des Göttlichen sind keine mentalen Konstruktionen, keine vitalen Bewegungen, es sind essentielle Dinge, es sind keine nur erdachten Dinge, es sind Realitäten, die nicht mental, sondern in der uns unmittelbar zugrundeliegenden Substanz und Essenz gefühlt werden. Das Mental ist immer bereit, sich einzumischen; es hat seine eigene Art, das Göttliche zu mentalisieren mit Hilfe von Gedanken, Meinungen, Gefühlen und mentalen Deutungen der spirituellen Wahrheit; es gibt sogar eine Art mentaler Verwirklichung, die, so gut sie kann, ein gewisses Bild der höheren Wahrheit wiedergibt – und all dies hat seinen Wert, doch ist es nicht konkret, wesenhaft und unbezweifelbar. Das Mental ist von sich aus einer höchsten Gewissheit nicht fähig;was immer es glaubt, kann es bezweifeln und bezweifelt es; was immer es bejaht, kann es verneinen; was immer es ergreift, kann es loslassen und lässt es los. Das ist, wenn du so willst, seine Freiheit, sein edles Recht, sein Privileg; doch dies ist alles, was du zu seinen Gunsten sagen kannst; du darfst nicht hoffen, mit Hilfe dieser Methoden des Mentals (außerhalb des Bereichs physischer Phänomene und selbst innerhalb dieser kaum) zu irgend etwas zu gelangen, das du die höchste Gewissheit nennen kannst. Aus diesem zwingenden Grund kann das Denken über das Göttliche oder das Forschen nach ihm nicht das Göttliche herbeiführen. Wenn das Bewusstsein immer mit kleinen mentalen Bewegungen erfüllt ist, die, begleitet von einer Schar vitaler Regungen, Begierden, Voreingenommenheiten und all dem übrigen, das menschliche Denken beeinträchtigen, so wie es meist der Fall ist– ganz abgesehen von dem eigentlichen Ungenügen der Vernunft –, wo soll da Platz für eine neue Wissensordnung sein, für grundlegende Erfahrungen oder für jenes tiefe und gewaltige Emporwogen oder Herabkommen des Spirits? Allerdings besteht die Möglichkeit, dass das Mental inmitten seiner Aktivitäten plötzlich ergriffen, überwältigt, zur Seite geschwemmt und alles von einem plötzlichen Einbruch spiritueller Erfahrung überflutet wird. Doch wenn es nachher beginnt, in Frage zu stellen, zu zweifeln, zu theoretisieren, zu mutmaßen, was dies sein könnte, ob es wahr sei oder nicht, dann bleibt der spirituellen Macht nichts anderes übrig, als sich wieder zurückzuziehen und zu warten, bis das Schäumen des Mentals sich beruhigt hat.

Ich möchte eine einfache Frage an jene richten, die das intellektuelle Mental zum Maßstab und Richter spiritueller Erfahrung machen. Ist das Göttliche etwas Geringeres oder ist es etwas Größeres als das Mental? Ist mentales Bewusstsein mit seinen tastenden Fragen, seinem endlosen Argumentieren, seinen unstillbaren Zweifeln, seiner starren und unbiegsamen Logik dem Göttlichen Bewusstsein überlegen oder ebenbürtig oder ist es seiner Tätigkeit und seinem Zustand nach etwas Geringeres? Ist es größer, dann gibt es keinen Grund, das Göttliche zu suchen. Ist es ihm ebenbürtig, dann ist spirituelle Erfahrung ziemlich überflüssig. Ist es aber geringer, wie vermag es dann anzuklagen, zu urteilen, das Göttliche zum Angeklagten oder Zeugen vor seinem Tribunal zu machen, es aufzufordern, als Kandidat vor einem Komitee von Prüfenden zu erscheinen oder es wie ein Insekt unter das untersuchende Mikroskop zu halten? Kann das vitale Tier die Ebene seiner vitalen Instinkte, Assoziationen und Impulse als unfehlbar betrachten und mit ihrer Hilfe das Mental des Menschen beurteilen, interpretieren und ergründen? Es kann das nicht, da das menschliche Mental eine größere Macht ist, die auf eine weitere, komplexere Weise arbeitet, der das tierisch-vitale Bewusstsein nicht zu folgen vermag. Sollte es daher so schwierig sein zu erkennen, dass in gleicher Weise das Göttliche Bewusstsein etwas unendlich Weiteres, Komplexeres als das menschliche Mental sein muss, erfüllt mit größerer Macht und größerem Licht, sich auf eine Weise bewegend, die das reine Mental mit dem Maßstab seines fehlbaren Verstandes und begrenzten Halbwissens weder beurteilen noch interpretieren noch ergründen kann? Es ist klar, dass Spirit und Mental nicht das gleiche sind und dass es das spirituelle Bewusstsein ist, in das der Yogi eintreten muss (in all dem erwähne ich in keiner Weise das Supramental), wenn er in ständigem Kontakt oder der Einung mit dem Göttlichen sein will. Es ist daher keine Laune oder Tyrannei des Göttlichen, darauf zu bestehen, dass das Mental seine Begrenzungen erkennt, sich beruhigt, von seinen Forderungen ablässt, um sich einem größeren Licht als dem seiner eigenen dunkleren Ebene zu öffnen und hinzugeben.

Dies bedeutet nicht, dass das Mental im spirituellen Leben keinen Platz hat; es bedeutet vielmehr, dass es nicht das Hauptinstrument sein kann, viel weniger die Autorität, deren Urteil sich alle, einschließlich des Göttlichen, unterwerfen müssen. Das Mental hat von dem größeren Bewusstsein, dem es sich nähert, zu lernen und ihm nicht seinen eigenen Maßstab aufzuerlegen; es muss die Erleuchtung empfangen, es muss sich einer höheren Wahrheit öffnen und eine größere Macht anerkennen, die nicht nach mentalen Richtlinien wirkt, es muss sich unterwerfen und geschehen lassen, dass sein Halblicht und seine Halbdunkelheit von oben überflutet werden, bis es sehen kann, wo es blind war, bis es hören kann, wo es taub war, bis es fühlen kann, wo es stumpf war, und bis es Freude, Erfüllung, Gewissheit und Frieden haben kann, wo es zuvor verwirrt und unsicher, voller Zweifel und Enttäuschung war.

Das ist es, worauf der Yoga fußt, auf einer immerwährenden Erfahrung seit die Menschen begannen, das Göttliche zu suchen. Wenn dies nicht wahr ist, dann ist im Yoga keine Wahrheit, und es besteht auch kein Erfordernis für den Yoga. Wenn es aber wahr ist, dann können wir von dieser Grundlage ausgehend – nämlich von der Notwendigkeit dieses größeren Bewusstseins – erkennen, ob Zweifel irgendeinen Nutzen für das spirituelle Leben haben. Irgendetwas Beliebiges, zu glauben, wird vom spirituell Suchenden bestimmt nicht erwartet; eine solche unkritische und törichte Gläubigkeit wäre nicht nur unintellektuell, sondern auch in höchstem Maße unspirituell. In jedem Augenblick des spirituellen Lebens, bis man in das höhere Licht ganz eingetreten ist, muss man auf der Hut sein und fähig, spirituelle Wahrheit von pseudospirituellen Nachahmungen oder Surrogaten zu unterscheiden, die vom Mental und dem vitalen Begehren geformt werden. Die Fähigkeit, zwischen den Wahrheiten des Göttlichen und den Lügen der asuras zu unterscheiden, ist ein zentrales Erfordernis für den Yoga. Die Frage ist, ob dies am besten durch die negative und destruktive Methode des Zweifels geschieht, die zwar oft die Falschheit tötet, doch mit dem selben gleichgültigen Hieb die Wahrheit zurückschlägt, oder ob eine positivere, eine hilfreichere und lichthaft suchende Macht gefunden werden kann, die durch keine ihr innewohnende Unwissenheit gezwungen wird, Falschheit und Wahrheit gleicherweise mit dem Stilett des Zweifels oder dem Knüppel der Verneinung zu begegnen. Die Lehre der Spiritualität oder des Yoga besteht nicht in der Blindheit des mentalen Glaubens; der Glaube, von dem der Yoga spricht, ist kein unverarbeiteter, mentaler Glaube, sondern das Festhalten der Seele an dem leitenden inneren Licht, ein Festhalten, das bewahrt werden muss, bis jenes Licht in das Wissen führt.

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Ich verlange von niemandem “blinden” Glauben, ich verlange vielmehr einen grundlegenden Glauben, der von einer geduldigen und ruhigen Unterscheidung getragen wird – denn diese beiden gehören zum Bewusstsein des spirituell Suchenden; ich habe sie selbst angewendet und gefunden, dass durch sie jenes ziemlich unnötige Dilemma schwindet, jenes “entweder du musst alles Überphysische bezweifeln oder blind glauben”, welches das gängige Argument des Materialisten ist. Dein eigener Zweifel kehrt, wie ich sehe, fortwährend zu dieser Frage mit der Wiederholung jener Phrase zurück – obwohl ich ihr nicht zustimme –, was wiederum meine Behauptung stützt, dass der Zweifel nicht überzeugt werden kann, da er aufgrund seiner eigentlichen Natur nicht überzeugt werden will; er wiederholt immer wieder die alte Leier.

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In dieser physischen Welt überwiegt das Anormale, und es gibt auch das Übernormale. Bei diesen Dingen sollte, abgesehen von jeder Glaubensfrage, ein wahrhaft vernünftiger Mensch mit einem freien Geist (der nicht wie jener der Rationalisten oder sogenannten Frei-Denker an jedem Punkt mit dem dreifachen Strick eines a priori und eines irrationalen Zweifels gebunden ist) nicht sofort “Humbug und Falschheit” ausrufen, sondern eine Beurteilung so lange aufschieben, bis er die notwendige Erfahrung und das notwendige Wissen besitzt. In Unwissenheit zu verneinen, ist nicht besser, als in Unwissenheit zu bejahen.

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Welches Motiv auch immer das Mental oder Vital unmittelbar bewegt, es muss, wenn in dem Wesen ein wahrhaftes Suchen nach dem Göttlichen besteht, einmal zur Verwirklichung des Göttlichen führen. Die Seele besitzt immer jenes innere Sehnen (ahaitukī) nach dem Göttlichen; das besondere Motiv (hetu) ist lediglich ein Impuls, der von ihr benutzt wird, damit Mental und Vital dem inneren Drängen folgen. Und sobald das Mental und Vital die reine Liebe der Seele zum Göttlichen um seiner selbst willen spüren und annehmen können, erreicht die Sadhana ihre volle Kraft, und viele Schwierigkeiten schwinden; doch auch wenn sie dies nicht können, werden sie erhalten, was sie im Göttlichen suchen, und auf diese Weise etwas verwirklichen und sogar die Begrenzung ihres ursprünglichen Begehrens überschreiten... Ich möchte behaupten, die Idee eines freudlosen Gottes ist eine Absurdität, die allein durch die Unkenntnis des Mentals genährt werden konnte. Die Radha-Liebe gründet sich nicht auf etwas Derartigem, sie bedeutet ganz einfach: was immer einem auf dem Weg zum Göttlichen geschehe, Schmerz oder Freude, milana oder viraha, und wie lange auch das Leiden dauern möge, die Radha-Liebe ist unerschütterlich und bewahrt ihren Glauben und ihre Gewissheit, die stetig wie ein Stern auf das höchste Ziel der Liebe weisen.

Was ist im übrigen dieser Ananda? Das Mental vermag in ihm lediglich einen angenehmen psychologischen Zustand zu erkennen – doch wenn er nur dies wäre, könnte er nicht aus jener Verzückung bestehen, die die bhaktas und Mystiker in ihm finden. Wenn der Ananda zu dir kommt, kommt das Göttliche zu dir, genau so wie der Friede, der in dich einströmt, das Göttliche ist, das in dich einströmt, oder wenn du mit Licht überflutet wirst, es die Flut des Göttlichen selbst ist, die um dich ist. Natürlich ist das Göttliche viel mehr, viel anderes außerdem, und in allem ist eine Gegenwart, ein Wesen, eine Göttliche Person; denn das Göttliche ist Krishna, ist Shiva, ist die Höchste Mutter. Doch durch den Ananda kannst du den Anandamaya-Krishna wahrnehmen, denn der Ananda ist der feine Körper, das Wesen Krishnas; und mit Hilfe des Friedens kannst du den Shantimaya-Shiva wahrnehmen; und in dem Licht, in dem befreienden Wissen, in der Liebe, in der erfüllenden und erhebenden Macht kannst du der Gegenwart der Göttlichen Mutter begegnen. Diese Wahrnehmung erfüllt die Erfahrungen der bhaktas und Mystiker mit Verzücken und hilft ihnen, die Nächte der Pein und Trennung zu überstehen; und wenn diese Seelen-Wahrnehmung vorhanden ist, gibt sie auch einem kleinen oder kurz währenden Ananda eine Kraft und einen Wert, die er sonst nicht haben könnte – der Ananda selbst sammelt hierdurch die sich ständig mehrende Macht, verweilen, zurückkehren und wachsen zu können.

Ich kann nicht gut auf die Kritik Russells eingehen, denn die Auffassung des Göttlichen als einer äußeren, allmächtigen Macht, die die Welt “erschuf” und sie wie ein absoluter und willkürlicher Monarch regiert – was der christlichen oder semitischen Auffassung entspricht –, ist niemals die meine gewesen; sie widerspricht zu sehr meiner Erkenntnis und Erfahrung während dreißig Jahren Sadhana. Gegen diese Auffassung richtet sich der atheistische Einwand, denn der Atheismus in Europa ist nichts als eine seichte und ziemlich kindische Reaktion gegen einen seichten und kindischen äußerlichen Religionismus mit seinen volkstümlichen, unzulänglichen und schwerfälligen dogmatischen Vorstellungen. Doch wenn ich vom Göttlichen Willen spreche, meine ich etwas, das hier in eine evolutionäre Welt der Unwissenheit herabgekommen ist und im Hintergrund der Dinge steht, etwas, das die Dunkelheit mit seinem Licht bedrängt und unter den Bedingungen einer Welt der Unwissenheit die gegenwärtigen Dinge auf das Bestmögliche hinführt; etwas, das sie schließlich hinführt auf die Herabkunft einer größeren Macht des Göttlichen, die keine Allmacht sein wird, die durch das Gesetz der Welt, wie sie ist, gehemmt und bedingt wird, sondern die voll tätig ist und daher die Herrschaft des Lichtes, des Friedens, der Harmonie, der Freude, der Liebe, der Schönheit und des Ananda herbeiführt, denn aus diesen besteht die Göttliche Natur. Die Göttliche Gnade ist da und bereit, in jedem Augenblick zu wirken, doch sie manifestiert sich in dem Maß, in dem man aus dem Gesetz der Unwissenheit in das Gesetz des Lichtes wächst; sie ist keine willkürliche Laune, wie wunderbar auch oft ihr Eingreifen ist, sondern sie ist eine Hilfe in diesem Wachsen und ein Licht, das uns leitet und schließlich befreit. Wenn wir die Tatsachen der Welt, wie sie sind, betrachten und die Tatsachen der spirituellen Erfahrung als Ganzes, von denen keine geleugnet oder vernachlässigt werden kann, dann verstehe ich nicht, welches andere Göttliche es geben kann. Dieses Göttliche mag uns oft durch Finsternis führen, da Finsternis in uns und um uns ist, doch ist es das Licht, zu dem es uns führt, und zu nichts anderem.

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Jene Bemerkung, dass der Intellekt das “Formlose” falsch deutet (das Ergebnis eines rein negativen Ausdrucks von etwas, das unsäglich wesenhaft und positiv ist), ist sehr gut formuliert und trifft den Kern der Sache. Jeder, der den Ananda des Brahman erfahren hat, kann über den Vorwurf der Kälte nur lächeln; denn in ihm ist eine Absolutheit unveränderlicher Ekstase, eine konzentrierte Intensität von schweigendem und unabdingbarem Entzücken, das von jenem, der nicht die Erfahrung hatte, unmöglich auch nur andeutungsweise beschrieben werden kann. Die ewige Wirklichkeit ist weder trocken noch kalt noch leer; ebensowenig könntest du von der Hochsommersonne als kalt oder vom Ozean als trocken oder von der vollendeten Fülle als leer sprechen. Selbst wenn du durch die Eliminierung der Form und alles übrigen in sie eintrittst, wallt sie als wunderbare Fülle auf, als wahres Purnam. Wenn man sowohl bejahend als auch verneinend in sie eintritt, kann tatsächlich die Frage der Leere oder Dürre nicht entstehen. Alles ist vorhanden und mehr noch als man je hätte träumen können. Deshalb darf sich der Intellekt nicht als der sab-jāntā, der allwissende Richter einmischen; wenn er sich an seine eigenen Grenzen hielte, hätte man nichts gegen ihn einzuwenden. Doch er konstruiert Worte und Ideen, die für die Wahrheit nicht anwendbar sind, er schwatzt in seiner Unwissenheit törichte Dinge und macht aus seinen Konstruktionen einen Wall, der die Wahrheit, die seine Möglichkeiten und seinen Horizont übersteigt, nicht einlässt.

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Wenn man blind ist, ist es ganz natürlich– denn schließlich ist die menschliche Intelligenz bestenfalls eine törichte Angelegenheit – das Tageslicht zu leugnen; wenn die eigene höchste natürliche Schau die eines schimmernden Dunstes ist, ist es natürlich zu glauben, alle hohe Vision sei ebenfalls nur Dunst oder Schimmer. Doch es gibt das Licht trotz allem – und Spirituelle Wahrheit ist mehr als nur Dunst und Schimmer.

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Das Buch “The Riddle of this World” (“Das Rätsel dieser Welt”), das Prof. Sorley erwähnt, war natürlich nicht als eine umfassende oder unmittelbare Darlegung meiner Gedankengänge gedacht; und da ich es hauptsächlich für Sadhaks schrieb, wurden viele Dinge dort als bekannt vorausgesetzt. Die meisten der wichtigsten Ideen, wie zum Beispiel die des Obermentals, werden nicht erläutert. Um diese Ideen dem Verstand klarzumachen, müssen sie in eine genaue intellektuelle Form gebracht werden, soweit dies mit überintellektuellen Dingen überhaupt möglich ist. Der Inhalt dieses Buches wird jenen klar sein, die im Bereich innerer Erfahrung weit genug gekommen sind, doch für die meisten kann er nur eine Anregung bedeuten.

Ich glaube jedoch nicht, dass die Darlegung überintellektueller Dinge notwendigerweise ein Unterscheiden in den Begriffen des Intellektes fordert. Denn grundsätzlich gelangt man über das spekulative Denken nicht zu einer Formulierung von [spirituellen] Ideen. Zum spirituellen Wissen gelangt man durch die Erfahrung und durch ein Bewusstsein der Dinge, das direkt aus jener Erfahrung hervorgeht, ihr zugrundeliegt oder in sie einbezogen ist. Grundsätzlich ist also diese Art von Wissen ein Bewusstsein und weder ein Denken noch eine formulierte Idee. Meine erste große Erfahrung zum Beispiel, die durchgreifend und überwältigend war, doch nicht, wie sich herausstellte, endgültig und erschöpfend, kam durch die Ausschließung und Beruhigung allen Denkens; zum ersten Mal erlebte ich etwas, das ein spirituell substantielles oder ein konkretes Bewusstsein der Stille und des Schweigens genannt werden könnte, dann das Gewahrsein einer einzigen und höchsten Wirklichkeit, in der die Dinge nur als Formen bestehen, aber keineswegs als substantielle oder reale oder konkrete Formen; doch all dies war einer spirituellen Wahrnehmung und einem essentiellen, unpersönlichen Empfinden nur etwas Scheinbares, und es bestand nicht die geringste Vorstellung oder Idee einer Wirklichkeit oder Nicht-Wirklichkeit oder irgendeine andere Vorstellung; denn jeder Begriff, jede Idee war in der absoluten Stille zum Schweigen gebracht worden oder war vielmehr völlig abwesend. Diese Dinge wurden unmittelbar durch das reine Bewusstsein und nicht durch das Mental erkannt, daher bestand keine Notwendigkeit für Begriffe oder Worte oder Namen. Dieser Grundzug spiritueller Erfahrung ist aber nicht absolut bindend, denn diese kann zwar ohne das Denken, doch auch mit dem Denken vor sich gehen. Natürlich meint man, dass das Denken einen sofort in den Bereich des Intellektes zurückbrächte – und tatsächlich mag dies zu Beginn und für lange Zeit stimmen; doch muss es nach meiner Erfahrung nicht so sein. Dies geschieht meist dann, wenn man versucht, die Erfahrung intellektuell darzustellen; doch es gibt eine andere Art des Denkens, die hervorbricht, als wäre sie ein Körper oder eine Form jener Erfahrung selbst oder des in ihr enthaltenen Bewusstseins – oder ein Teil dieses Bewusstseins –, und dieses Denken scheint mir in seinem Grunde nicht intellektuell zu sein. Ein anderes Licht, eine andere Macht ist in ihm enthalten, eine Bedeutung innerhalb seiner Bedeutung. Dies tritt besonders deutlich in Erscheinung bei jenen Gedanken, die ohne die Notwendigkeit entstehen, in Worten ausgedrückt zu werden, Gedanken, die die Natur eines direkten Sehens innerhalb des Bewusstseins haben, eine Art innerer Bedeutung oder inneren Kontaktes, der einen genauen Ausdruck seiner Wahrnehmung findet (ich hoffe, dies ist nicht zu mystisch oder unerklärlich), doch man könnte dem entgegenhalten, dass, sobald sich Gedanken in Worte formen, sie zum Herrschaftsbereich des Intellektes gehören, denn Worte werden vom Intellekt geprägt. Doch ist dies tatsächlich oder unweigerlich so? Es schien mir vielmehr immer so, dass Worte ursprünglich von woanders als vom denkenden Mental kämen, obwohl das denkende Mental sich die Herrschaft über sie sicherte, sie für seinen Gebrauch verwendet und frei für seine Zwecke münzt. Doch ist es andererseits nicht auch möglich, Worte für den Ausdruck von etwas Nicht-Intellektuellem zu verwenden? Housman behauptet, Dichtung sei nur dann wahrhaft poetisch, wenn sie nicht-intellektuell, wenn sie “Un-Sinn” sei. Dies ist zu paradox, doch meint er vermutlich, dass, wenn man die Dichtung der strengen Prüfung des Intellektes unterzieht, sie überspannt erscheint, da sie etwas vermittelt, das eine andere Art von Sehen ausdrückt– und für dieses wirklich ist – als das, was intellektuelles Denken uns vermittelt. Kann es nicht sein, dass Worte einem überintellektuellen Bewusstsein entspringen, welches die essentielle Macht der spirituellen Erfahrung ist, und dass Sprache gebraucht werden kann, um dieses Bewusstsein wenigstens bis zu einem gewissen Grad und auf gewisse Weise auszudrücken? All dies jedoch nur nebenbei – doch wenn man versucht, spirituelle Erfahrung dem Intellekt zu erklären, so ist das etwas völlig anderes.

Die gegenseitige Durchdringung der Ebenen ist tatsächlich für mich ein hauptsächlicher und grundlegender Teil spiritueller Erfahrung, ohne den der Yoga, wie ich ihn ausübe, und sein Ziel nicht bestehen könnten. Denn dieses Ziel ist, ein höheres Bewusstsein auf Erden zu manifestieren, zu erreichen oder zu verkörpern, nicht sich von der Erde abzukehren und einer höheren Welt oder einem höchsten Absoluten zuzuwenden. Die alten Yogasysteme bevorzugten die andere Richtung (nicht alle), doch vermutlich deshalb, weil sie die Erde als ziemlich unmöglichen Ort für jedes spirituelle Wesen ansahen und den Widerstand gegen eine Veränderung für zu groß hielten, als dass er ertragen werden könnte. Die Erdnatur erschien ihnen – nach Vivekanandas Gleichnis – wie der Hundeschwanz, der nach jedem Glattstreichen in seine ursprüngliche Form zurückrollt. Doch die eigentliche Lehre wurde sehr bestimmt in den Upanishaden verkündet, wo es heißt, die Erde sei die Grundlage und alle Welten befänden sich auf der Erde und die Vorstellung eines klar umrissenen oder unüberbrückbaren Unterschiedes zwischen ihnen sei Unwissenheit; hier und nicht anderswo – nicht indem man in eine andere Welt eintritt – hat die göttliche Verwirklichung zu erfolgen. Diese Äußerung sollte eine rein individuelle Verwirklichung rechtfertigen, doch kann sie ebensogut die Grundlage eines umfassenderen Strebens sein.

Was den Polytheismus anbelangt, so akzeptiere ich durchaus die Wahrheit der vielen Formen und Persönlichkeiten des Einen, die seit vedischen Zeiten die spirituelle Essenz indischen Polytheismus war; diesen Polytheismus kann man als eine Art zweitrangigen Aspektes auf der Suche nach dem Einen, dem einzigen Göttlichen betrachten. Doch die Stelle, auf die Prof. Sorley sich bezieht, betrifft etwas anderes – jene kleinen Götter und Titanen, von denen dort die Rede ist, sind überphysische Wesen anderer Ebenen. Es wird nicht gesagt, dass sie wahre Gottheiten seien und angebetet werden sollten – im Gegenteil, es wird angedeutet, dass, ihren Einfluss anzunehmen, zu Irrtum und Verwirrung führen würde oder zu einem Abweichen vom wahren spirituellen Weg. Ohne Zweifel besitzen sie eine gewisse Macht, etwas zu erschaffen, sie sind Schöpfer von Formen auf ihre eigene Weise und in ihrem begrenzten Bereich; doch ebenso sind die Menschen Schöpfer von äußeren und inneren Dingen in ihrem eigenen Bereich und innerhalb ihrer Grenzen – und diese schöpferischen Mächte der Menschen können sogar Rückwirkungen auf die überphysischen Ebenen haben.

Ich stimme der Ansicht durchaus zu, dass Asketizismus übertrieben werden kann. Er hat seine Berechtigung als ein Mittel – aber nicht als das einzige – der Selbstmeisterung; doch ist Asketizismus, der das Leben abschneidet, eine Übertreibung, wenn auch eine, die viele bemerkenswerte Ergebnisse zeitigte, die auf andere Weise kaum erzielt worden wären. Das Spiel der Kräfte in dieser Welt ist geheimnisvoll und entzieht sich jeder festen Regel der Vernunft, und selbst eine Übertreibung wie diese ist oft ein Mittel, etwas herbeizuführen, das zur vollen Entwicklung menschlicher Verwirklichung und Erfahrung und menschlichen Wissens notwendig ist. Dennoch war Asketizismus auf jeden Fall eine Übertreibung und nicht etwa der unerlässliche Pfad zum wahren Ziel, der zu sein er vorgab.

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Ich habe nichts gegen Prof. Sorleys Kommentar über das stille, helle und klare Mental einzuwenden, denn er weist in angemessener Weise auf jenen Vorgang hin, durch den das Mental in seiner ruhigen Oberfläche oder Substanz sich für die Widerspiegelung der höheren Wahrheit bereit macht. Eines sollte man dabei vielleicht im Auge behalten: diese reine Stille des Mentals ist immer die erforderliche Grundvoraussetzung – das Desideratum –, doch um sie herbeizuführen, gibt es mehr als einen Weg. So reicht zum Beispiel die Bemühung des Mentals als solches allein nicht aus, sich von aller eindringenden Empfindung oder Leidenschaft zu befreien oder von seinen eigenen charakteristischen Vibrationen oder von den verdunkelnden Schwaden einer physischen Trägheit, die zum Schlaf oder zur Stumpfheit des Mentals führt, statt zu seinem wachsamen Schweigen – denn dies wäre nur die gewöhnliche Methode des Yogaweges des Wissens. Es kann ebenfalls durch die Herabkunft einer großen spirituellen Stille geschehen, die dem Mental und Herz, den Lebensimpulsen und physischen Reflexen das Schweigen auferlegt. Ein plötzliches Herabkommen dieser Art oder eine Anzahl von Herabkünften, die an Kraft und Wirksamkeit zunehmen, ist ein wohlbekanntes Phänomen spiritueller Erfahrung. Oder aber man beginnt mit einer bestimmten Methode dieser oder jener Art, was normalerweise eine langwierige Arbeit mit einbezieht, und wird bereits zu Beginn von einem jähen Eintreten oder einer Manifestation des Schweigens erfasst, die in ihrer Auswirkung in keinem Verhältnis zu den anfänglich eingesetzten Mitteln steht. Man beginnt mit einer Methode, doch wird die Arbeit von der Gnade darüber aufgenommen, von Jenem, nach dem man strebt, oder von einem Einbruch der Unendlichkeiten des Spirits. Dies letztere fand in mir selbst statt, als mein Mental zum absoluten Schweigen gelangt war, was für mich vor der tatsächlichen Erfahrung etwas Unvorstellbares war.

Da ist noch ein weiterer wichtiger Punkt, nämlich die genaue Natur dieser Helle und Klarheit und Stille; woraus besteht sie, ist sie lediglich ein psychologischer Zustand oder ist sie mehr? Prof. Sorley behauptet, diese Worte seien schließlich nur Gleichnisse, und versucht, dasselbe in einer abstrakteren Sprache auszudrücken – was ihm auch gelingt. Doch ich war mir nicht bewusst, Gleichnisse zu gebrauchen, als ich die Stelle niederschrieb, obwohl mir klar ist, dass die Worte anderen so erscheinen mögen. Ich glaube aber, sie würden einem, der eine ähnliche Erfahrung hatte, nicht nur als eine lebendigere, sondern auch genauere Beschreibung dieses inneren Zustandes erscheinen, als es durch irgendeine abstrakte Sprache wiedergegeben werden könnte. Es ist wahr, Gleichnisse, Symbole, Bildnisse wurden stets vom Mystiker als Hilfsmittel verwendet, um seiner Erfahrung Ausdruck zu verleihen; das ist unvermeidlich, denn er muss in einer Sprache, die das Mental formte oder zumindest entwickelte und manipulierte, ein Bewusstseinsphänomen ausdrücken, das nicht mental, doch zugleich komplexer und auf subtilere Art konkret ist. Es ist diese subtil konkrete, übersinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit jener Bewusstseinsphänomene, zu welcher der Mystiker gelangt, die den Gebrauch von Gleichnis und Bildnis als einer lebendigeren und genaueren Umschreibung rechtfertigt gegenüber den abstrakten Ausdrücken, die von der gedanklichen Überlegung für ihren eigenen charakteristischen Vorgang gebraucht werden. Wenn die angewendeten Gleichnisse irreführen oder in der Beschreibung nicht genau sind, so deshalb, weil die Formulierfähigkeit des Schreibenden nicht der Intensität seiner Erfahrung entspricht. Der Wissenschaftler spricht von Licht– oder Klangwellen und gebraucht auf seine Weise ein Gleichnis, doch eines, das der physischen Tatsache entspricht und durchaus zulässig ist, denn es gibt keinen Grund, warum es nicht eine Welle, eine immerwährend fließende Bewegung von Licht oder Klang geben sollte, genau wie von Wasser. Doch wenn ich von der Helle und Stille und Klarheit des Mentals spreche, ist es nicht meine Absicht, ein Gleichnis zu gebrauchen. Es sollte eine Beschreibung sein, so genau und positiv, als würde ich die Ausdehnung der Luft oder einer Wasserfläche beschreiben. Denn des Mystikers Erfahrung des Mentals, besonders wenn es zur Stille gelangt, ist nicht die eines abstrakten Zustandes oder die des Abstreifens oder die eines nicht greifbaren Bewusstseinselementes, es ist die Erfahrung einer erweiterten feinen Substanz, in der es Wellen geben kann und gibt, Strömungen, Schwingungen, die zwar nicht stofflich, doch einem inneren Sinn ebenso bestimmt wahrnehmbar und kontrollierbar sind, wie es irgendeine Bewegung stofflicher Energie oder Substanz für die physischen Sinne ist. Die Stille des Mentals bedeutet als erstes, dass die gewohnten Gedankenregungen, Gedankenformungen, Gedankenströme, die die Substanz des Mentals erregen, zur Ruhe gelangen, und für viele ist dieses mentale Schweigen ausreichend. Doch selbst in dieser Ruhe aller Gedanken– oder Gefühlsregungen erkennt man bei näherer Betrachtung, dass die Substanz des Mentals sich in einem andauernden Zustand sehr feiner Schwingung befindet, die zunächst nicht gleich erkennbar, doch dann ganz offensichtlich ist – und dieser Zustand fortwährender Schwingung kann einer genauen Widerspiegelung oder dem genauen Empfang der herabkommenden Wahrheit so schädlich sein wie jede andere mehrgeformte Gedankenregung; denn er ist die Quelle einer Mentalisierung, welche die Echtheit der höheren Wahrheit verringern oder entstellen oder in mentale Brechungen auflösen kann. Wenn ich von einem stillen Mental spreche, meine ich eines, in dem es diese Störungen nicht länger gibt. In dem Maße, wie diese zur Ruhe gelangen, kann man die wachsende Stille und eine daraus hervorgehende Klarheit so deutlich fühlen, wie man die Stille und Klarheit einer physischen Atmosphäre wahrnehmen kann. Was ich als die Helle beschreibe es gibt noch ein anderes Element –, löst sich in einer Lichterscheinung auf, die jeder mystischen Erfahrung gemein ist. Dieses Licht ist keine Metapher – wie etwa jenes Licht, nach dem Goethe in seinen letzten Augenblicken rief –, es zeigt sich vielmehr als eine durchaus positive Erhellung, die durch den inneren Sinn tatsächlich gesehen und gefühlt wird. Auch ist die Helle des stillen und klaren Mentals eine positive Spiegelung dieses Lichtes, bevor das Licht sich dann selbst manifestiert; und diese Licht-Spiegelung ist eine durchaus notwendige Voraussetzung für die wachsende Fähigkeit, die Wahrheit, die man empfangen und beherbergen muss, durchzulassen. Ich habe diesen Teil ein wenig ausführlich behandelt, um dadurch den Unterschied zwischen der abstrakt mentalen und der konkret mystischen Wahrnehmung überphysischer Dinge hervorzuheben, der eine Quelle großer Missverständnisse zwischen dem spirituell Suchenden und dem intellektuellen Denker ist. Selbst wenn sie die gleiche Sprache sprechen, ist es eine andere Wahrnehmungsordnung, auf welche die Sprache das Ergebnis zweier verschiedener Bewusstseinsstufen bezieht, und selbst dort, wo sie übereinstimmen, besteht oft ein Abgrund der Verschiedenheit.

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Das bringt uns geradewegs zu der von Prof. Sorley erhobenen Frage, nämlich der Beziehung zwischen mystischer und spiritueller Erfahrung und ob es – wie behauptet wird – zutrifft, dass der Mystiker hinsichtlich der Gültigkeit seiner Erfahrung oder der Gültigkeit ihres Ausdrucks den Intellekt als Richter anerkennen muss. Es ist durchaus einleuchtend, in der Erfahrung als solcher kann der Intellekt nicht beanspruchen, seine Grenzen oder sein Gesetz einem Bestreben aufzuerlegen, dessen Ziel, Prinzip und Anliegen es ist, den Bereich des gewöhnlichen, erdverhafteten und sinnenverhafteten mentalen Denkvermögens hinter sich zu lassen. Das wäre so, als sollte ich einen Berg ersteigen mit einem Strick an den Beinen, der mich an die Erde fesselt, oder als ob ich fliegen sollte unter der Bedingung, meine Füße auf dem Boden zu behalten. Es mag sicherer sein, auf der Erde mit festem Boden unter den Füßen zu wandern; sich auf Flügeln oder anderswie zu erheben, kann einen Sturz und alle möglichen Unfälle zur Folge haben, wie Irrtum, Illusion, Extravaganz, Sinnestäuschung und was nicht sonst noch – die üblichen Vorwürfe des positiv erdgebundenen Intellektes gegenüber mystischer Erfahrung; doch wenn ich es überhaupt tun will, muss ich das Risiko auf mich nehmen. Der erwägende Verstand fußt auf der normalen Erfahrung des Menschen und auf einer oberflächlichen, äußeren Wahrnehmung und Auffassung der Dinge und ist nur zufrieden, solange er auf einer mentalen Grundlage arbeitet, die durch die Erderfahrung und ihre angesammelten Daten gebildet wurde. Der Mystiker wendet sich darüber hinaus in einen Bereich, in dem diese mentale Grundlage wegfällt, in dem diese Daten überschritten werden und in dem es ein anderes Gesetz, eine andere Richtlinie der Wahrnehmung und Erkenntnis gibt. Sein einziges Anliegen besteht darin, diese Grenzen zu einem anderen Bewusstsein zu durchbrechen, das die Dinge auf andere Weise betrachtet; und obwohl dieses neue Bewusstsein die Tatsachen des gewöhnlichen äußeren Verstandes mit einbeziehen mag, kann es durch diese nicht eingeschränkt oder festgelegt werden, die Dinge vom intellektuellen Standpunkt aus zu sehen oder in Übereinstimmung mit seiner Auffassung und Begründung und seiner hergebrachten Deutung der Erfahrung. Ein mystisches Betreten des okkulten oder spirituellen Bereiches mit dem Intellekt als einzigem oder höchstem Licht oder Führer würde bedeuten, nichts zu sehen oder aber lediglich zu einer mentalen Verwirklichung zu gelangen, die bereits festgelegt ist in den Spekulationen des intellektuellen Denkers.

Es gibt durchaus eine Richtung im indisch-spirituellen Denken, die mit der modernen intellektuellen Forderung einen Kompromiss schließt und die Vernunft als höchsten Richter anerkennt; doch damit ist eine Vernunft gemeint, die ihrerseits bereit ist, die Tatsachen spiritueller Erfahrung als gültig per se zu akzeptieren und mit ihnen einen Kompromiss zu schließen. Dies ist gewissermaßen genau das, was indische Philosophen immer taten; denn sie versuchten, durch metaphysisches Denken Verallgemeinerungen aufzustellen, die aus spiritueller Erfahrung stammten, jedoch auf der Grundlage dieser Erfahrung und mit der Aussage des spirituell Suchenden als höchstem Beweis, der über intellektueller Spekulation oder Erfahrung steht. Auf diese Weise wird die Freiheit spiritueller und mystischer Erfahrung bewahrt, der erwägende Verstand tritt lediglich in zweiter Linie als Richter verallgemeinernder Äußerungen auf, die aus der [spirituellen] Erfahrung stammen. Dies kommt vermutlich Prof. Sorleys Einstellung nahe; er stimmt zu, dass die Erfahrung als solche dem Bereich des Unsäglichen angehört; und sobald ich sie zu deuten und darzulegen beginne falle ich zurück in den Bereich des denkenden Mentals, ich gebrauche dessen Begriffe, dessen Art zu denken und sich auszudrücken und muss den Verstand als Richter anerkennen. Tue ich es nicht, dann stoße ich die Leiter fort, mit deren Hilfe ich über das Mental zum Jenseits des Mentals emporstieg – und hänge in der Luft. Es ist [aus Prof. Sorleys Äußerungen] nicht ganz ersichtlich, ob die Echtheit meiner Erfahrung als solcher durch diese haltlose Stellung in der Luft als entwertet angesehen werden soll, doch bleibt sie auf jeden Fall etwas Fernes, Unmitteilbares, ohne Halt oder irgendwelche Folgen für das Denken und Leben. Drei Thesen kann man vermutlich aus dem Obigen als feststehend, anerkannt und zusammenhängend aufstellen: Erstens, spirituelle Erfahrung als solche stammt aus dem [Bereich] Jenseits des Mentals und ist unbeschreibbar und vermutlich undenkbar. Als nächstes, willst du die Erfahrung ausdrücken oder deuten, bist du gezwungen, in den Bereich jenes Bewusstseins zurückzufallen, das du verlassen hast, und musst dich mit dessen Ansicht abfinden, musst die Bedingungen und Richtlinien seines Gesetzes anerkennen und dich seinem Urteil unterwerfen; du hast die Freiheit des Unsäglichen verlassen und bist nicht mehr dein eigener Herr. Und als letztes, spirituelle Wahrheit mag in sich, für ihre eigene Selbsterfahrung wahr sein, doch unterliegt jede Äußerung darüber dem Irrtum, und hier ist der Intellekt der einzige Richter.

Ich glaube nicht, dass ich bereit bin, irgendeine dieser Behauptungen, so wie sie sind, völlig hinzunehmen. Es stimmt, spirituelle und mystische Erfahrung führt zuerst in die Bereiche eines Anderen Mentals (und auch eines Anderen Lebens) und dann in das Jenseits des Mentals;es ist ebenfalls richtig, dass die höchste Wahrheit als undenkbar, unsagbar, unerkennbar beschrieben wird, und weder die Sprache noch das Mental können sie erreichen; ich möchte bemerken, dass dies für das menschliche Mental zutrifft, doch nicht für diese [höchste Wahrheit] als solche, denn diese, auf sich selbst bezogen, wird als ihrer selbst-bewusst beschrieben, sie ist auf eine direkte supramentale Weise erkennbar und wird erkannt und ist ewig ihrer selbst gewahr. Und hier handelt es sich nicht um die letzte Verwirklichung des letzten Unsäglichen – das nach Meinung vieler allein in einer höchsten Trance, samādhi, abgewandt von aller äußeren oder anderen Wahrnehmung erreicht werden kann –, sondern um eine Erfahrung in der leuchtenden Stille des Mentals, das in die Unendlichkeit des letzten, unbegrenzten Schweigens aufblickt, in das es eintreten und in dem es aufgehen soll; doch bevor jene unaussprechliche Erfahrung des Letzten stattfindet oder das Aufgehen in ihm, ist eine Herabkunft von zumindest irgendeiner Macht oder Gegenwart der Wirklichkeit in die Mentalsubstanz möglich, die diese gleichzeitig modifiziert; und diese Erfahrung auf irgendeine Weise auszudrücken, sie auf das Denken zu übertragen, sollte möglich sein. Oder wir können auch annehmen, dass das Unsägliche und Unerkennbare Aspekte und Darstellungen dieser Erfahrung besitzt, die nicht gänzlich undenkbar und unsagbar sind.

Wäre es nicht so, dann wäre jede Darstellung spiritueller Wahrheit und Erfahrung unmöglich. Man könnte bestenfalls Mutmaßungen darüber anstellen, doch diese würden sehr in der Luft hängen, ja sogar in einer Leere ohne Grund und Boden, es wäre ein reines Manipulieren aller möglichen Ideen über das Höchste und Letzte. Abgesehen davon könnte es nur einen bestimmten unerklärlichen Übergang so oder so von Bewusstsein zu einer Art unbeschreibbarer Überbewusstheit geben. Und tatsächlich war es dies, was ein großer Teil des mystischen Suchens in Europa und Indien erreichte. Die christlichen Mystiker sprachen von einer totalen Finsternis, einer vollständigen Finsternis, unberührt von jedem mentalen Licht, durch die man hindurchzugehen hat auf dem Weg zu jenem leuchtenden Unsäglichen. Die indischen sannyāsin versuchten das Mental insgesamt abzustreifen und in eine Trance ohne Denken einzugehen, aus der man bei der Rückkehr weder eine Mitteilung noch einen Ausdruck mitbringen kann – außer der Erinnerung an ein unaussprechliches Dasein, an unaussprechliche Seligkeit. Und doch gab es Erfahrungen des höchsten Mysteriums, Formulierungen des Höchsten oder des okkulten universalen Daseins, die als spirituelle Wahrheit anerkannt wurden und auf deren Grundlage Seher und Mystiker ihre Erfahrung darstellen und die Denker ihre zahllosen Philosophien und die Bücher der Exegese aufbauten. Die einzig offene Frage ist, wodurch diese Mitteilung, dieser Ausdruck, diese Umschreibung von Tatsachen einer anderen Bewusstseinsordnung für das Mental ermöglicht wird und was über die Gültigkeit des Ausdrucks oder gar die Gültigkeit der ursprünglichen Erfahrung überhaupt entscheidet. Wenn keine gültige Darstellung möglich wäre, gäbe es keine Frage der Beurteilung durch den Intellekt – es gäbe lediglich den grotesken Widerspruch, sich hinzusetzen und vom Unsäglichen zu sprechen, an das Undenkbare zu denken und das Unbegreifliche und Unerkennbare zu erkennen.

*

Ich las Leonard Woolfs Artikel, doch habe ich nicht die Absicht, mich damit in meinen Kommentaren zu Prof. Sorleys Brief auseinanderzusetzen; denn abgesehen von der unwissenden Beschuldigung und billigen Satire, die darin zum Ausdruck kommen, enthält seine Anklage gegen spirituelles Denken oder spirituelle Erfahrung nichts Erwähnenswertes; seine Überlegungen sind oberflächlich und entspringen einer völlig falschen Auffassung der mystischen Seite. Der Artikel enthält in der Hauptsache vier Argumente gegen diese, und keines davon hat irgendeinen Wert.

Argument Nummer eins: Mystizismus und Mystiker hätte es immer in Zeiten der Dekadenz, während der Ebbe des Lebens gegeben, und ihr lautes Geschrei sei ein Symptom der Dekadenz. Dieses Argument ist absolut falsch. Im Osten fanden die großen spirituellen Bewegungen in der vollen Blüte des Lebens und der Kultur eines Volkes statt – in der ansteigenden Flut – und gaben seinem Denken, seiner Kunst, seinem Leben einen machtvollen Impuls des Ausdrucks und der Fülle; in Griechenland gab es die Mystiker und Mysterien in prähistorischen Zeiten und auch später (Pythagoras war einer der größten Mystiker) und nicht nur während Ebbe und Niedergang; die mystischen Kulte blühten in Rom, als seine Kultur im Aufstieg begriffen war; viele große spirituelle Persönlichkeiten Italiens, Frankreichs, Spaniens wirkten in einem Leben, das reich und lebendig und nicht im geringsten von der Dekadenz berührt war. Eine solche vorschnelle und dumme Verallgemeinerung enthält keine Wahrheit und ist daher ohne Wert.

Argument Nummer zwei: Eine spirituelle Erfahrung könne nicht als Wahrheit angesehen werden (sie sei ein Hirngespinst), sofern sie nicht bewiesen werde, so wie man das Vorhandensein eines Stuhles im anderen Zimmer beweisen kann, indem man ihn dem Auge zeigt. Natürlich kann eine spirituelle Wahrheit nicht derart bewiesen werden, denn sie gehört nicht der Ordnung physischer Tatsachen an und ist physisch weder sichtbar noch berührbar. Die Darstellung des Autors läuft darauf hinaus, dass nur das, was für jedermann auch ohne Schulung und Entwicklung, ohne Rüstzeug oder persönliche Entdeckung leicht ersichtlich ist oder ersichtlich gemacht werden kann, als Wahrheit betrachtet werden darf. Diese Einstellung würde, falls man sie annähme, das Wissen oder die Wahrheit auf sehr enge Grenzen beschränken und einen Großteil menschlicher Kultur zunichte machen. Ein spiritueller Friede – jener Friede, der alles Verstehen überschreitet – ist eine allgemeine Erfahrung der Mystiker der ganzen Welt, er ist eine Tatsache, doch eine spirituelle Tatsache, eine Tatsache des Unsichtbaren, und sobald man in ihn eintritt – er tritt besser gesagt in einen selbst ein –, erkennt man ihn als eine Wahrheit des Daseins, die immerfort hinter dem Leben und den sichtbaren Dingen steht. Doch wie soll ich diese unsichtbaren Tatsachen Herrn Leonhard Woolf beschreiben? Er wird sich abwenden und sagen, es sei das übliche Geschwätz, und verächtlich die Schultern zucken – vielleicht um einen weiteren seichten Artikel zu schreiben über ein Thema, von dem er keine persönliche Kenntnis oder Erfahrung besitzt.

Argument Nummer drei: Verallgemeinerungen, die sich auf spirituelle Erfahrung gründen, seien sowohl irrational als auch unbewiesen. Irrational inwiefern? Sind sie lediglich töricht und unfassbar oder gehören sie einer überrationalen Ordnung der Erfahrung an, für Welche die gewöhnlichen intellektuellen Maßstäbe nicht anwendbar sind, da sich diese auf die Welt der Erscheinungen gründen, wie das äußere Mental und der Verstand sie erfasst, und nicht auf eine innere Verwirklichung, die diese Erscheinungen überschreitet? Das ist es, was die Mystiker behaupten, und man kann es nicht abtun mit der einfachen Feststellung, dass diese Verallgemeinerungen mit der normalen Erfahrung nicht übereinstimmen würden, weshalb sie unsinnig und falsch seien. Ich unternehme es nicht, alles, was Joad oder Radhakrishna geschrieben haben, zu verteidigen – wie zum Beispiel die Behauptung, die Welt sei gut –, doch kann ich es nicht zulassen, dass der Autor viele dieser Äußerungen als absolut irrational verdammt. “Die Persönlichkeit zu integrieren” zum Beispiel mag keine Bedeutung für ihn haben, es hat aber eine sehr klare Bedeutung für mich, denn es ist eine Wahrheit der Erfahrung; und wenn man der modernen Psychologie Glauben schenken will, ist diese nicht irrational, da sich in unserem Wesen nicht nur ein bewusster Teil, sondern auch ein unbewusster oder verborgen unterschwelliger Teil befindet, und es ist nicht unmöglich, sich beider bewusst zu werden und eine Art Integration zu vollziehen. Beide Teile zu überschreiten, kann ebenfalls eine rationale Bedeutung haben, denn wenn wir zugeben, dass es einen unterbewussten Teil unseres Wesens gibt, kann es auch einen überbewussten Teil geben; ungleiche Teile unserer Natur oder Erfahrung miteinander in Einklang zu bringen, ist daher keine so sinnlose oder lächerliche Phrase. Es ist weiterhin nicht absurd zu sagen, die Karma-Lehre verbinde Determinismus und Freien Willen, da angenommen wird, dass unsere vergangenen Taten und unser vergangener Wille in großem Ausmaß die gegenwärtigen Folgen bestimmen, doch nicht derart, dass sie einen gegenwärtigen Willen ausschließen, der sie modifiziert und unser künftiges Dasein neu determiniert. Die Stelle über den Wert der Welt ist durchaus erklärbar, wenn wir erkennen, dass sie sich auf einen progressiven Wert bezieht, der nicht bestimmt wird von den guten oder schlechten Erfahrungen des Augenblicks, sondern auf einen Daseins-Wert, der sich in der Zeit entwickelt und als Ganzes zu sehen ist. Die Äußerung über Gott ergibt keinen Sinn, wenn sie mit der oberflächlichen Darstellung des Göttlichen in Verbindung gebracht wird, wie sie in der volkstümlichen Religion üblich ist; doch es ist ein durchaus logisches Ergebnis des Obenerwähnten, dass es einen Unendlichen und Ewigen gibt, der in sich die Zeit und Dinge manifestiert, die in ihrer Erscheinung endlich sind. Man kann diese komplexe Vorstellung des Göttlichen, die sich auf der Koordinierung von Tatsachen einer langen spirituellen Erfahrung gründet und die Tausende von Suchenden zu allen Zeiten hatten, hinnehmen oder zurückweisen, doch sehe ich nicht ein, warum sie als irrational anzusehen ist und was daran so tadelnswert und unzulässig sein soll. Es kann schließlich eine synthetische und globale Beurteilung der Dinge geben und ein Bewusstsein der Dinge, die nicht durch die Gegensätze und Trennungen eines bloß analytischen, auswählenden und zergliedernden Verstandes gebunden sind.

Argument Nummer vier: Die Ausrede die Intuition sei nur ein Deckmantel für die Unfähigkeit, etwas mit Hilfe des Verstandes – des Joad– und Radhakrishna-Verstandes – zu erhärten und statt dessen Zuflucht in der Intuition zu suchen, da der Verstand versagt. Kann man das Problem auf eine so leichte und einschneidende Weise lösen? Tatsache ist, dass sich der Mystiker auf ein inneres Wissen, eine innere Erfahrung verläßt; doch wenn er philosophiert, muss er dem Verstand zu erklären versuchen – wenn auch notwendigerweise nicht mit Hilfe des Verstandes allein –, was er als die Wahrheit erkannt hat. Er kann nichts anderes sagen als: “Ich erkläre eine Wahrheit, die sich jenseits äußerer Erscheinungen und jenseits des Verstandes, der auf die Erscheinungswelt angewiesen ist, befindet; diese [Wahrheit] beruht auf einer Art innerer Erfahrung und auf dem intuitiven Wissen, das aus dieser Erfahrung hervorgeht, und kann mit Hilfe von Symbolen, die der Welt der äußeren Erscheinungen angehören, nicht hinreichend vermittelt werden; dennoch muss ich, so gut ich kann, diese verwenden, damit sie mir zu einer Darlegung verhelfen, die intellektuell annehmbar ist”. Es ist daher keine Bosheit oder trügerische List, Metaphern und Symbole zu gebrauchen mit einem vorsichtigen “gleichsam wie”, so wie zum Beispiel das des Brennpunktes, das bestimmt nicht als Argument, sondern als einprägsames Gleichnis gemeint war. Ich möchte hinzufügen, dass der Schreiber selbst häufig seine Zuflucht zur Metapher nimmt, angefangen mit seinem “quak, quak”, und Joad könnte durchaus erwidern, dass er dies tue, um die Gegenpartei verächtlich zu machen und die Notwendigkeit einer vernünftigen philosophischen Erwiderung auf die Philosophie, die er nicht mag und verabscheut, zu umgehen. Eine Intensität des Glaubens ist kein Maß der Wahrheit, doch ebensowenig ist die Intensität des Unglaubens das rechte Maß.

Was die wirkliche Natur der Intuition und ihre Beziehung zum intellektuellen Mental anbelangt, so ist dies eine ganz andere und sehr weite und komplizierte Frage, mit der ich mich hier nicht befassen kann. Ich habe mich darauf beschränkt darzulegen, dass dieser Artikel eine ziemlich unzulängliche und oberflächliche Kritik enthält. Man kann sich gegen spirituelle Erfahrung, gegen spirituelle Philosophie und ihre Einstellung wenden, doch um eine ernsthafte Antwort zu erhalten, muss dies besser verfochten werden und den wirklichen Kern des Problems berühren. So wie es eine Kategorie von Tatsachen gibt, zu denen unsere Sinne die bestverfügbaren, doch sehr unvollkommenen Führer sind, und so wie es eine Kategorie von Wahrheiten gibt, die wir mit Hilfe des hellen, doch noch unvollständigen Lichtes unserer Vernunft suchen, gibt es gemäß dem Mystiker eine Kategorie von noch feineren Wahrheiten, die sowohl die Reichweite der Sinne als auch die des Verstandes überschreiten, jedoch durch ein inneres, direktes Wissen und eine direkte Erfahrung gesichert werden können. Diese Wahrheiten sind übersinnlich, doch nichtsdestoweniger wirklich: sie haben ungeheure Auswirkungen auf das Bewusstsein, sie verändern seine Substanz und Bewegung und rufen vor allem tiefen Frieden und bleibende Freude hervor, ein großes Licht der inneren Schau und Erkenntnis, eine Möglichkeit, die niedere Tier-Natur zu überwinden, sowie Ausblicke auf eine spirituelle Selbstentwicklung, die ohne diese [Wahrheiten] nicht bestünde. Eine neue Anschauung der Dinge entsteht, die, falls sie in ihrer vollen Konsequenz verfolgt wird, eine große Befreiung bringt, innere Harmonie und Einung – und außerdem viele andere Möglichkeiten. Es ist wahr, diese Dinge sind von einer geringen Minorität der Menschheit erfahren worden, und dennoch war es eine große Anzahl unabhängiger Menschen in allen Zeiten, Ländern und unter allen Voraussetzungen, die sie bezeugen; unter ihnen befinden sich einige der größten Geister der Vergangenheit, einige der bedeutendsten Gestalten der Welt. Müssen nun diese Möglichkeiten sofort als Phantastereien verdammt werden, weil sie nicht nur über den Durchschnittsmenschen der Straße hinausreichen, sondern auch für viele kultivierte Intellekte nicht leicht erfassbar sind, oder weil ihre Methode schwieriger ist als die des gewöhnlichen Verstandes oder der Vernunft? Und wenn ihnen irgendeine Wahrheit innewohnt, ist es dann nicht wert, diese als etwas zu verfolgen, das das höchste Stadium der Selbst-Entdeckung und Welt-Entdeckung durch die menschliche Seele enthüllt? Im besten Falle ist es so – schlimmstenfalls muss es als Möglichkeit betrachtet werden, so wie alle Dinge, die der Mensch erreichte, in ihren frühen Stadien nur Möglichkeiten waren; doch es ist in jedem Fall ein großes und vielleicht ein höchst fruchtbares Abenteuer.

II

Ich glaube nicht, dass man jemanden überzeugen kann, der genau das Gegenteil des spirituellen Standpunkts vertritt, der die Dinge mit den Augen eines viktorianischen Agnostikers betrachtet. Sein Zweifel bezüglich des Wertes der Yogaerfahrung – außer einem subjektiven und rein individuellen Wert – beruht darauf, dass diese nicht auf wissenschaftliche Wahrheit abziele und nicht in Anspruch nehmen könne, die höchste Wahrheit zu erreichen, da die Erfahrungen von der Individualität des Erfahrenden gefärbt seien. Man könnte natürlich fragen, ob die Wissenschaft selbst bei irgendeiner höchsten Wahrheit angelangt sei; im Gegenteil, es scheint vielmehr, als ob die höchste Wahrheit selbst auf der physischen Ebene sich in dem Maße zurückzieht, in dem die Wissenschaft fortschreitet. Die Wissenschaft geht von der Annahme aus, die höchste Wahrheit habe physisch und objektiv zu sein und das objektive Höchste (oder sogar noch etwas weniger als das) würde alle subjektiven Phänomene erklären. Der Yoga geht vom gegenteiligen Standpunkt aus, nämlich dass die höchste Wahrheit spirituell und subjektiv ist und wir die objektiven Erscheinungen in diesem höchsten Licht zu betrachten haben. Es sind dies zwei einander entgegengesetzte Pole, und die Kluft ist so weit, wie sie nur irgend sein kann. Yoga kann insofern als wissenschaftlich bezeichnet werden, als er vom subjektiven Experiment ausgeht, und alles, was er findet, auf der Erfahrung gründet; mentale Intuitionen werden nur als ersten Schritt anerkannt und nicht als Verwirklichung betrachtet – sie müssen bestätigt werden, indem man sie auf eine Erfahrung überträgt und durch diese rechtfertigt. Was den Wert der Erfahrung als solcher anbelangt, so wird dieser vom physischen Mental bezweifelt, da es sich um etwas Subjektives und nicht um etwas Objektives handelt. Doch hat diese Unterscheidung wirklich große Bedeutung? Ist nicht alles Wissen, alle Erfahrung im Grunde gleich subjektiv? Die objektiven äußeren und physischen Dinge werden vom Menschen in genau der gleichen Weise gesehen, da sein Mental und seine Sinne entsprechend aufgebaut sind; wären Mental und Sinne anders aufgebaut, dann würde die Erklärung der physischen Welt völlig anders ausfallen – die Wissenschaft selbst betont dies nachdrücklich. Doch der Standpunkt deines Freundes ist, dass Yoga-Erfahrung etwas Individuelles sei, gefärbt von der Individualität dessen, der sie hat. Dies trifft in gewissem Umfang für die genaue Form oder die Darstellung der Erfahrung in bestimmten Bereichen zu; doch selbst hier besteht ein Unterschied nur oberflächlich. Es ist eine Tatsache, dass yogische Erfahrung überall in gleichen Bahnen verläuft. Natürlich gibt es nicht nur eine, sondern viele dieser Bahnen, denn schließlich haben wir es mit einem vielseitigen Unendlichen zu tun, zu dem es viele Wege der Annäherung gibt und geben muss; doch die großen Richtlinien sind überall die gleichen, und die Intuitionen, die Erfahrungen und Phänomene sind dieselben in weit auseinanderliegenden Zeiten und Ländern und in Glaubenssystemen, die völlig unabhängig voneinander praktiziert wurden. Die Erfahrungen des mittelalterlichen europäischen bhakta oder Mystikers sind in ihrem Gehalt genau die gleichen wie jene des mittelalterlichen indischen bhakta oder Mystikers – sie mögen sich unterscheiden was die Namen, Formen, die religiöse Färbung anbelangt. Und dennoch standen diese Menschen weder miteinander in Verbindung, noch kannten sie ihre jeweiligen Erfahrungen und Ergebnisse, wie dies heutzutage bei den modernen Wissenschaftlern von New York bis Yokohama der Fall ist. Dies scheint doch zu beweisen, dass etwas Gleiches, Universales und vermutlich Wahres in ihnen enthalten ist, wie sehr sich auch die Nuancen der Übertragung aufgrund der Verschiedenheit einer mentalen Sprache unterscheiden mögen.

Was nun die höchste Wahrheit anbelangt, so würden vermutlich der viktorianische Agnostiker und der – nennen wir ihn – indische Vedantin darin übereinstimmen, dass sie zwar verhüllt, jedoch vorhanden sei. Beide bezeichnen sie als das Unerkennbare; der einzige Unterschied besteht darin, dass der Vedantin sagt, sie sei durch das Mental nicht erkennbar und durch die Rede nicht ausdrückbar, aber durch etwas Tieferes oder Höheres als mentale Wahrnehmung dennoch erreichbar; und sogar das Mental vermag die tausend Aspekte, die sie der äußeren und inneren mentalen Erfahrung darbietet, widerzuspiegeln, und die Rede vermag sie auszudrücken. Der viktorianische Agnostiker würde vermutlich dieser Formulierung nicht zustimmen; er würde für das zweifelhafte Vorhandensein und, wenn überhaupt vorhanden, für die absolute Unerkennbarkeit dieses Unerkennbaren stimmen.

*

Du fragst mich, ob du deiner Neigung, etwas zu prüfen, bevor du es annimmst, widerstehen musst und im Yoga alles a priori hinzunehmen hast – und mit prüfen meinst du die Prüfung durch die gewöhnliche Vernunft. Die einzige Antwort, die ich zu geben vermag, ist, dass Yogaerfahrungen einem inneren Bereich angehören und einem eigenen Gesetz folgen, dass sie ihre eigene Methode der Wahrnehmung haben, ihre eigenen Maßgeblichkeiten und all das übrige, das weder dem Bereich der physischen Sinne noch dem Bereich der rationalen oder wissenschaftlichen Prüfung angehört. Genauso wie die wissenschaftliche Forschung den Bereich der physischen Sinne verläßt und in den Bereich des unendlich Großen und unendlich Kleinen eintritt, über den die Sinne nichts aussagen und den sie nicht prüfen können – denn man kann ein Elektron weder sehen noch berühren oder durch das Sinnen-Mental entscheiden, ob es vorhanden ist oder nicht; oder aber entscheiden, ob die Erde sich wirklich um die Sonne dreht und nicht vielmehr die Sonne um die Erde, wie es uns unsere Sinne und die ganze physische Erfahrung täglich wahrnehmen lassen –, genauso überschreitet spirituelle Suche den Bereich wissenschaftlicher oder rationaler Forschung, und es ist unmöglich, mit Hilfe der gewöhnlichen positiven Vernunft die Tatsachen spiritueller Erfahrung zu prüfen und zu entscheiden, ob diese Dinge vorhanden sind oder nicht und welcher Art ihr Gesetz und ihre Natur ist. Wie in der Wissenschaft so musst du auch hier Erfahrung zu Erfahrung fügen, treulich den Methoden folgen, die durch den Guru oder die Systeme der Vergangenheit festgelegt wurden, du musst ein intuitives Unterscheidungsvermögen entwickeln, das die Erfahrungen vergleicht, das erkennt, was sie bedeuten und inwieweit und in welchem Bereich jede gültig ist, welchen Platz eine jede im Ganzen einnimmt, inwiefern sie mit anderen, die ihr zunächst zu widersprechen scheinen, in Einklang oder in Bezug gebracht werden kann, usw. usw., bis du dich mit sicherem Wissen in dem Feld spiritueller Erfahrung bewegst. Ich selbst habe die andere Methode erprobt und fand sie vollkommen unbrauchbar und unanwendbar. Andererseits musst du, wenn du nicht bereit bist, all dies auf dich zu nehmen – wie es nur wenige vermögen, außer jene mit einer außergewöhnlichen spirituellen Veranlagung –, die Führung eines Meisters annehmen, genauso wie du in der Wissenschaft einen Lehrer annimmst und nicht ihren gesamten Bereich mit seiner Experimentation allein durchquerst, wenigstens solange nicht, bis du genügend Erfahrung und Wissen angesammelt hast. Solltest du dies darunter verstehen, die Dinge a priori anzunehmen, nun, dann musst du sie tatsächlich a priori annehmen. Denn ich vermag nicht zu erkennen, mit Hilfe welcher gültigen Tests du die gewöhnliche Vernunft zum Richter dessen machen willst, was sie überschreitet.

Du zitierst Darstellungen von V oder X. Ich würde, bevor ich diesen Äußerungen Wert beimesse, gern wissen, was V oder X tatsächlich getan haben, um ihre spirituellen Wahrnehmungen und Erfahrungen zu prüfen. Wie prüfte V den Wert seiner spirituellen Erfahrungen, von denen einige einem durchschnittlichen Geist nicht ohne weiters glaubwürdiger erscheinen als die Wunder, die gewissen berühmten Yogis zugeschrieben wurden? Ich weiß nichts über X, doch welcher Art waren seine Tests, und wie wandte er sie an? Was waren seine Methoden und Kriterien? Vermutlich wird kein normaler Mensch das Erscheinen Buddhas aus einer Wand oder ein halbstündiges Gespräch mit Hayagriva als gültige und gründlich geprüfte Tatsachen hinnehmen. Er würde sie entweder a priori oder aufgrund des einzigen Beweises von V hinnehmen müssen – was auf das gleiche hinausläuft – oder aber sie a priori als Halluzinationen oder rein mentale Bildnisse, begleitet von einer auditiven Halluzination, ablehnen. Ich weiß nicht, wie man sie hätte testen sollen. Oder wie hätte ich selbst meine nirvāṇa-Erfahrung mit Hilfe des gewöhnlichen Mentals testen sollen? Zu welcher Schlussfolgerung hätte ich mit Hilfe der gewöhnlichen positiven Vernunft kommen sollen? Wie hätte ich ihre Gültigkeit testen sollen? Ich weiß es nicht. Ich tat das einzig möglich, sie als eine starke und gültige, wahre Erfahrung hinzunehmen, sie voll spielen und ihre vollen experimentellen Folgen zeitigen zu lassen, bis ich selbst genügend yogisches Wissen erlangt hätte, um sie einzuordnen. Und schließlich, wie willst du oder irgend jemand anderer ohne inneres Wissen oder innere Erfahrung das innere Wissen oder die innere Erfahrung von anderen prüfen?

Ich habe oft betont, dass Unterscheidung in spiritueller Erfahrung nicht nur durchaus zulässig, sondern sogar unerlässlich ist. Doch es muss eine Unterscheidung sein, die sich auf dem Wissen gründet, und kein Urteilen, das sich auf der Unwissenheit gründet. Andernfalls legst du dich mental fest und hemmst die Erfahrung durch vorgefasste Vorstellungen, die so sehr a priori wären, wie es irgendein Annehmen spiritueller Wahrheit oder Erfahrung sein kann. Deine Vorstellung, dass Hingabe allein durch Liebe vollzogen werden kann, ist ein Beispiel dafür. In yogischer Erfahrung ist es absolut richtig, dass Hingabe durch wahre Liebe, also die psychische und spirituelle Liebe, das Machtvollste, Wirksamste und Einfachste von allem ist; man kann jedoch nicht, indem man dies als eine Behauptung aufstellt, zu der man durch die gewöhnliche Vernunft gelangt ist, die ganze mögliche Erfahrung der Hingabe in diese Formel zwängen oder aufgrund ihrer Aussage verkünden, man habe auf die vollkommene Liebe zu warten, bevor die Hingabe möglich sei. Yogische Erfahrung zeigt, dass Hingabe ebenfalls über das Mental und den Willen vollzogen werden kann, über ein klares und wahrhaftes Mental, das die Notwendigkeit der Hingabe erkennt, und über einen klaren und wahrhaften Willen, der sie den widerstrebenden Gliedern auferlegt. Die Erfahrung zeigt ebenfalls, dass nicht nur Hingabe durch Liebe kommt, sondern Liebe auch durch Hingabe kommen kann oder durch diese eine unvollkommene in eine vollkommene Liebe wachsen kann. Man beginnt, mit Hilfe einer machtvollen Idee, eines intensiven Willens das Göttliche zu erkennen oder zu erreichen, und gibt mehr und mehr seine üblichen persönlichen Vorstellungen, Begierden, Verhaftungen, seine Tatgewohnheiten hin, damit das Göttliche alles aufnehmen kann. Hingabe bedeutet, unser kleines Mental und seine mentalen Begriffe und Vorlieben um eines göttlichen Lichtes und eines größeres Wissens willen aufzugeben, unseren kleinen persönlichen, wirren, blinden und tastenden Willen um eines großen, ruhigen, stillen und leuchtenden Willens und ebensolcher Kraft, unsere kleinen, ruhelosen und gepeinigten Gefühle um einer weiten, starken, göttlichen Liebe und ānanda willen, unsere kleine, leidende Persönlichkeit um der einen Person willen, deren dunkler Abkömmling jene ist. Wenn man auf seinen eigenen Vorstellungen und Überlegungen beharrt, können das größere Licht und Wissen nicht kommen, oder aber sie werden in ihrem Kommen auf Schritt und Tritt durch eine Störung von unten entstellt und behindert; wenn man auf seinen eigenen Wünschen und Eitelkeiten beharrt, können jener große leuchtende Wille und jene Kraft in der ihnen eigenen wahren Macht nicht wirken – denn das wäre so, als würdest du sie bitten, der Knecht deiner Begierden zu sein; solange man seine kleine Art des Fühlens nicht aufgeben will, können die ewige Liebe und der höchste Ananda nicht herabkommen, oder sie werden beim Überschäumen des groben emotionalen Kessels vermischt und verschüttet. Keine noch so große Menge von allgemeinen Überlegungen kann von der Notwendigkeit befreien, das Niedere zu überschreiten, um das Höhere zu gewinnen.

Und wenn man findet, dass man sich in der Abgeschiedenheit dem Höheren, dem Göttlichen am besten hingeben kann, da man so die Gelegenheit des Aufwallens alles Niedrigen leichter vermeidet – warum nicht? Es ist das Ziel, dessentwegen jene gekommen sind; warum also tadeln oder voller Misstrauen und Verdacht auf die Methode blicken, die sie für die beste halten, oder diese mit derartig geringschätzigen Adjektiven belegen, wie “grimmig, unmenschlich”, und all das übrige? Es ist dein Vital, das davor zurückschreckt, und dein vitales Mental besorgt die entsprechenden Bezeichnungen, die lediglich dein Zurückschrecken zum Ausdruck bringen und nicht, was Abgeschiedenheit wirklich bedeutet. Denn das Vital oder sein geselliger Teil scheut sich vor der Einsamkeit und nicht das denkende Mental, das das Vital lediglich unterstützt. Der Dichter sucht mit sich oder mit der Natur allein zu sein, um seiner Inspiration zu lauschen; der Denker taucht in die Einsamkeit, um über die Dinge nachzudenken und in ein tieferes Wissen einzutreten; der Wissenschaftler schließt sich in sein Laboratorium ein, um mit Hilfe von Experimenten in die Geheimnisse der Natur einzudringen; all diese Abgeschiedenheit ist weder grimmig noch unmenschlich. Noch ist es die Abgeschiedenheit des Sadhaks in einer alles ausschließenden Konzentration, die er als sein Erfordernis empfindet; sie ist ein Mittel zum Zweck – zu jenem Zweck, auf den sein ganzes Herz ausgerichtet ist. Und was den Yogi oder bhakti anbelangt, der bereits die erste grundlegende Erfahrung hatte, so befindet auch er sich nicht in grimmiger und unmenschlicher Einsamkeit. Denn der eine birgt das Göttliche und die gesamte Welt in seinem eigenen Wesen, ein anderer den höchsten Geliebten oder seinen Ananda.

Ich sage dies hinsichtlich deiner Verachtung der Zurückgezogenheit, die sich auf der Unkenntnis gründet, was diese tatsächlich ist; ich selbst empfehle, wie ich oft betonte, keine völlige Abgeschiedenheit, denn ich halte diese für ein gefährliches Mittel, das zu Morbidität und großem Irren führen kann. Ich erlege auch niemandem die Abgeschiedenheit als Methode auf oder stimme ihr zu, außer die betreffende Person sucht diese selbst und fühlt ihre Notwendigkeit, schöpft Freude daraus und erfährt den persönlichen Beweis, dass sie ihr zur spirituellen Erfahrung verhilft. Sie sollte niemandem als Prinzip auferlegt werden, denn das wäre die mentale Art – der Weg des gewöhnlichen Mentals – die Dinge zu tun; wenn sie als Erfordernis empfunden wird, muss sie als Erfordernis angenommen werden, nicht aber als allgemeines Gesetz oder als Regel.

Was du in deinem Brief als die Erwiderung des Göttlichen beschreibst, würde in der Sprache yogischer Erfahrung nicht so bezeichnet werden; dieses Gefühl großen Friedens, Lichtes, der Leichtigkeit und des Vertrauens, der Verringerung der Schwierigkeiten, das Gefühl der Gewissheit würde vielmehr eine Erwiderung deiner eigenen Natur auf das Göttliche genannt werden. Es gibt einen Frieden oder ein Licht, welches tatsächlich die Erwiderung des Göttlichen ist, doch das ist ein weiter Friede, ein großes Licht, sie werden als eine Gegenwart gefühlt, die vom persönlichen Selbst verschieden ist, nicht als Teil der persönlichen Natur, sondern als etwas, das von darüber kommt und schließlich von der Natur Besitz ergreift – oder es kann die Göttliche Gegenwart selbst sein, die tatsächlich die absolute Befreiung sowie Glück und Gewissheit mit sich bringt. Doch die ersten Erwiderungen des Göttlichen sind meist nicht so, sie kommen vielmehr als eine Berührung, als ein Druck, den zu erkennen und anzunehmen man in der Lage sein muss; oder es ist eine Stimme der Bekräftigung, manchmal eine sehr “leise, kleine Stimme”, ein momentanes Bild, eine spontane Gegenwart, manchmal eine Eingebung der Führung – viele Formen sind es, die es annehmen kann. Dann zieht es sich zurück, und die Vorbereitung der Natur geht weiter, bis es möglich ist, dass die Berührung immer wiederkehrt, dass sie länger andauert und sich in etwas Dringlicheres, Näheres und Innerlicheres verwandelt. Das Göttliche drängt sich einem zu Beginn nicht auf – es bittet, erkannt und angenommen zu werden. Das ist ein Grund, warum das Mental zur Ruhe kommen muss, warum es nicht testen oder Forderungen stellen soll – es muss Platz vorhanden sein für die wahre Intuition, die sofort die echte Berührung erkennt und annimmt.

Und als letztes noch zu der bedrängenden Tätigkeit des Mentals, die deine Konzentration behindert. Doch ist diese oder aber eine noch ermüdendere, hartnäckigere, eine mahlend mechanische Tätigkeit immer die Schwierigkeit, wenn man sich zu konzentrieren sucht, und es nimmt lange Zeit in Anspruch, sie zu überwinden. Diese oder die Gewohnheit des Schlafs verhindert entweder die wache Konzentration oder den bewussten samādhi oder die vertiefte, alles ausschließende Trance, jene drei Formen, die yogisches Bewusstsein annimmt. Doch es ist mit Sicherheit die Unkenntnis des Yoga, seines Ablaufs und seiner Schwierigkeiten, die dich verzweifeln und dich aufgrund dieser ganz normalen Behinderung von deiner Untauglichkeit sprechen lässt. Die Beharrlichkeit des gewöhnlichen Mentals und seine falschen Überlegungen, Gefühle und Beurteilungen, die ziellose Aktivität des denkenden Mentals in der Konzentration oder seine mechanische Tätigkeit sowie die träge Reaktion auf die verhüllte oder initiierende Berührung sind die ganz gewöhnlichen Hemmnisse, die durch das Mental entstehen, genauso wie Stolz, Ehrgeiz, Eitelkeit, Sex, Gier, das Ergreifen der Dinge um des eigenen Egos willen Schwierigkeiten und Hemmnisse sind, die einem das Vital auferlegt. Und genauso wie die vitalen Schwierigkeiten niedergefochten und besiegt werden können, kann das auch mit den mentalen geschehen. Man muss nur erkennen, dass sie nicht zu vermeiden sind, und darf sich weder an sie klammern noch sich erschrecken oder überwältigen lassen, weil sie vorhanden sind. Man muss durchhalten, bis man sowohl vom Mental als auch vom Vital zurückstehen und die tieferen und größeren mentalen und vitalen Purushas in sich fühlen kann, die der Stille fähig sind, fähig eines unmittelbaren Empfangs des wahren Wortes, der wahren Kraft, des wahren Schweigens. Wenn die menschliche Natur den Weg wählt, auf dem zuerst die Schwierigkeiten niedergefochten werden müssen, dann ist die erste Hälfte des Weges lang und mühsam, und die Klage über die mangelnde Erwiderung durch das Göttliche wird laut. Doch das Göttliche ist tatsächlich immer da. Es arbeitet hinter dem Schleier und wartet darauf, dass du seine Erwiderung erkennst, dass die Erwiderung auf die Erwiderung möglich wird.

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Das Strömen, das man hier spürt, scheint unmittelbar den Quellen der Wahrheit zu entspringen und ist nicht so häufig zu finden, wie man es wünschen würde. Dies ist ein Geist, der nicht nur zu denken, sondern auch zu erkennen vermag, der nicht nur die Oberfläche der Dinge sieht– mit der intellektuelles Denken meist endlos und ohne sicheren Ausgang ringt, als ob es nichts anderes gäbe –, sondern der auch fähig ist, in das Innere zu sehen. Die Tantriker gebrauchen den Ausdruck paśyantī vāk, das erkennende Wort, um eine Ebene der vāk Shakti, der Shakti des Wortes zu beschreiben. Hier ist es paśyantī buddhi, der erkennende Verstand – vielleicht deshalb, weil der Erkennende vom Denken zur Erfahrung übergegangen ist, doch gibt es viele, die einen beträchtlichen Reichtum der Erfahrung besitzen, ohne dass diese derart ihre Gedankenschau klärt; zwar erkennt die Seele, doch das Mental fährt fort, die Idee wirr und unvollkommen zu umschreiben, zu verschleiern und durcheinanderzubringen. Hier aber muss die Gabe einer erkennenden Schau in der Natur bereitgelegen haben.

Es ist beachtlich, sich so rasch und entschlossen von den schimmernden Schleiern und Nebeln, die der moderne Intellektualismus für das Licht der Wahrheit hält, befreit zu haben. Das moderne Mental – und wir mit ihm – ist so lange und ausdauernd im Tal des Falschen Lichtes gewandert, dass es für niemanden einfach ist, dessen Nebel mit dem Sonnenlicht einer klaren Schau zu vertreiben, so wie es hier geschah. Alles, was hier über modernen Humanismus und Humanitarismus gesagt wird, über die vergeblichen Bemühungen des sentimentalen Idealisten und des erfolglosen Intellektuellen, über synthetischen Ekklektizismus und ähnliche Dinge, ist bewundernswert klarsichtig und trifft ins Schwarze. Nicht durch diese Mittel kann die Menschheit zur radikalen Veränderung ihrer Lebensweise gelangen – die so dringlich geworden ist –, sondern allein dadurch, dass sie das Grundgestein der Wirklichkeit dahinter erreicht – nicht durch bloße Ideen und mentale Formungen, sondern durch eine Bewusstseinsveränderung, durch eine innere und spirituelle Wende. Doch für diese Wahrheit würde man in dem gegenwärtigen Tosen aus vielstimmigem Lärm und aus Wirrnis und Katastrophe schwerlich Gehör finden.

Eine Unterscheidung, diejenige, die hier sehr deutlich gemacht wird zwischen der Ebene der phänomenalen Vorgänge, also der äußeren Prakriti, und der Göttlichen Wirklichkeit, steht an erster Stelle unter den Worten innerer Weisheit. Die Wende, die sie auf diesen Seiten nimmt, ist mehr als eine geniale Erklärung; sie drückt wohlüberlegt eine jener klaren Gewissheiten aus, denen du begegnest, wenn du die Grenzlinie überschreitest und die äußere Welt aus der Sicht der inneren spirituellen Erfahrung betrachtest. Je mehr du dich nach innen oder nach oben wendest, desto mehr verändert sich die Sicht der Dinge, und das äußere, von der Wissenschaft geordnete Wissen erhält seinen eigentlichen und sehr begrenzten Platz. Die Wissenschaft, wie das meiste mentale und äußere Wissen, vermittelt dir nur die Wahrheit des Vorgangs. Ich möchte hinzufügen, dass sie dir nicht einmal die volle Wahrheit des Vorganges geben kann;denn du ergreifst einige Wägbarkeiten, doch das überaus wichtige Unwägbare entgeht dir; du erfährst kaum das Wie sondern lediglich die Bedingungen, unter denen die Dinge in der Natur geschehen. Nach all den Triumphen und Wundern der Wissenschaft bleibt das erklärende Prinzip, das Rationale, die Bedeutung des Ganzen ebenso dunkel wie geheimnisvoll, wenn nicht geheimnisvoller denn je. Das Schema, das diese von der Evolution aufstellt – der Evolution dieser reichen, weiten, mannigfaltigen stofflichen Welt, des Mentals und seines Wirkens, des Lebens und Bewusstseins, als einer Evolution aus einer rohen Masse von Elektronen, identisch und verschieden nur in Anordnung und Zahl – ist irrationale Magie und verwirrender, als jede zuhöchst mystische Vorstellung es sich vergegenwärtigen könnte. Wissenschaft führt uns letzten Endes in ein fertiges Paradoxon, in einen geordneten und geradlinig determinierten Zufall in eine Unmöglichkeit, die irgendwie möglich wurde; sie hat uns eine neue, eine stoffliche Maya gezeigt, aghaṭana-ghaṭana-paṭīyasī, die sehr geschickt das Unmögliche zuwege bringt, ein Wunder, das logischerweise nicht sein kann und doch irgendwie wirklich ist, unfehlbar geordnet, aber dennoch irrational und unerklärlich. Der Grund hierfür ist offensichtlich darin zu suchen, dass die Wissenschaft etwas Essentielles verfehlt hat; sie hat erkannt und geprüft, was geschah und wie es geschah, doch sie hat ihre Augen vor etwas geschlossen, das dieses Unmögliche zuwege brachte, etwas, das es auszudrücken gilt. Die Dinge haben keine grundlegende Bedeutung, wenn du die Göttliche Wirklichkeit nicht erkennst, denn dann bleibst du in einer gewaltigen Oberflächenkruste einer manipulierbaren und nutzbaren Erscheinungswelt eingeschlossen. Du versuchst, den Zauber des Zauberers zu analysieren, doch erst wenn du das Bewusstsein des Zauberers erlangst, kannst du zu einer anfänglichen Erfahrung der wahren Ordnung, der Bedeutung und der Kreise der līlā gelangen. Ich sage “anfänglich”, da die Göttliche Wirklichkeit nicht so einfach ist, dass du sie bei der ersten Berührung gleich zu erkennen oder in eine einzige Formel zu pressen vermagst; sie ist das Unendliche und öffnet vor dir unendliches Wissen, gegenüber dem alle Wissenschaft zusammengenommen nur eine Bagatelle ist. Du berührst das Wesentliche, das Ewige hinter den Dingen, und im Licht von jenem wird alles zuinnerst leuchtend und verständlich werden.

Ich habe dir früher schon einmal gesagt, was ich davon halte, wenn gewisse Wissenschaftler, die es gut meinen, an der Oberfläche – oder der scheinbaren Oberfläche – der spirituellen Wirklichkeit, die hinter den Dingen steht, sinnlos herumkritisieren, und ich brauchte es daher nicht nochmals zu tun. Viel wichtiger sind die Vorzeichen einer größeren Gefahr, die durch den neuen Angriff des Gegners, nämlich des Skeptikers, gegen die Gültigkeit spiritueller und überphysischer Erfahrung aufkommt – seine neueste Vernichtungstaktik, die darin besteht, diese anzuerkennen und in seinem eigenen Sinn zu deuten. Dies könnte durchaus ein Grund zur Befürchtung sein; doch zweifle ich, wenn diese Dinge einmal der Prüfung unterzogen sein werden, ob das Mental der Menschheit sich lange mit Erklärungen zufrieden geben wird, die so unbefriedigend oberflächlich und äußerlich sind – Erklärungen, die nichts erklären. Nicht nur diejenigen, die die Religion verteidigen, scheinen eine unvernünftige, leicht zu widerlegende Haltung einzunehmen, indem sie auf der nur subjektiven Gültigkeit spiritueller Erfahrung beharren, sondern auch der Gegner scheint unwissentlich die Tore der materialistischen Festung freizugeben durch seine Bereitwilligkeit, spirituelle und überphysische Erfahrung überhaupt zuzugeben und zu prüfen. Seine Verschanzung im physischen Bereich, seine Weigerung, überphysische Dinge anzuerkennen oder zu prüfen, waren die Wehr seiner großen Sicherheit; ist diese einmal aufgegeben, wird das menschliche Mental nach etwas weniger Negativem drängen und in einer förderlich positiven Haltung über die tote Masse der Theorien und über die Scherben annullierender Erklärungen und erfindungsreicher psychologischer Etikettierungen hinweggehen. Eine andere Gefahr mag dann aufkommen, nicht die einer endgültigen Leugnung der Wahrheit, sondern die Wiederholung vergangener Fehler in alter oder neuer Form; nämlich auf der einen Seite die Wiederbelebung eines blinden, fanatischen, obskuren und sektiererischen Religionismus, auf der anderen Seite ein Stolpern in die Gräben und Sümpfe des vitalistischen Okkulten und des Pseudospirituellen – Fehler, aus denen der materialistische Angriff der Vergangenheit seine ganze Kraft und sein credo bezog. Doch dies sind Erscheinungen, die uns immer an der Grenzlinie oder im Bereich zwischen materieller Dunkelheit und dem vollendeten Glanz begegnen. Trotz allem, der Sieg des höchsten Lichtes, selbst im dunklen Erdbewusstsein, besteht als die eine höchste Gewissheit.

Kunst, Dichtung, Musik sind nicht Yoga, keine in sich spirituellen Dinge, ebensowenig wie Philosophie oder Wissenschaft etwas Spirituelles ist. Hier lauert eine seltsame weitere Unfähigkeit des modernen Intellektes, sein Unvermögen, zwischen Mental und Spirit zu unterscheiden, seine Bereitwilligkeit, mentalen, moralischen und ästhetischen Idealismus für Spiritualität zu halten und dessen untere Stufen für spirituelle Werte. Es stimmt, die mentalen Intuitionen des Metaphysikers oder Dichters bleiben weit hinter einer konkreten spirituellen Erfahrung zurück; sie sind ferne Blitze, verschwommene Spiegelungen und nicht die Strahlen aus dem innersten Licht. Es stimmt weiterhin, dass, von oben betrachtet, kein großer Unterschied besteht zwischen den hohen geistigen Höhen und dem niederen Emporarbeiten dieses äußeren Daseins. Alle Kräfte der līlā sehen von oben gleich aus, alle sind Verhüllungen des Göttlichen. Doch man muss hinzufügen, dass alles als ein anfängliches Hilfsmittel zur Verwirklichung des Göttlichen verwandt werden kann. Eine philosophische Äußerung über den Atman ist eine mentale Formulierung, sie ist nicht Wissen, nicht Erfahrung; dennoch wird sie vom Göttlichen manchmal zum Anlass einer Berührung genommen; es ist seltsam, eine Barriere im Mental bricht nieder, etwas wird erkannt, es vollzieht sich eine tiefe Wandlung in einem inneren Teil, etwas Stilles, Gleichmütiges, Unsägliches dringt in die Tiefen der menschlichen Natur. Oder man steht auf einem Bergkamm und erblickt oder fühlt eine Größe, ein Durchdrungensein, eine namenlose Weite in der Natur; dann plötzlich die Berührung – eine Enthüllung, ein Fluten, das Mental verliert sich im Spirituellen, man hält dem ersten Einbruch des Unendlichen stand. Oder du stehst vor einem Tempel der Kali an einem heiligen Fluss und siehst eine Skulptur, ein feines Stück Bildhauerarbeit, doch an ihrer Stelle in einem jähen Augenblick, geheimnisvoll, unerwartet, ist da eine Gegenwart, eine Macht, ein Gesicht, das in das deine blickt, deine innere Schau hat die Welt-Mutter erkannt. Ähnliche Berührungen können über die Kunst, die Musik, die Dichtung zu demjenigen kommen, der sie hervorbringt, oder zu einem, der die Gewalt des Wortes fühlt, den verborgenen Sinn einer Form, die Botschaft im Klang, die vielleicht mehr enthält, als vom Komponisten bewusst beabsichtigt war. Alle Dinge der līlā, des Göttlichen Spiels, können zu Fenstern werden, die sich einer verborgenen Wirklichkeit öffnen. Und dennoch, solange man sich damit zufrieden gibt, durch Fenster zu blicken, ist nur ein erster Erfolg zu verzeichnen; eines Tages wird man den Pilgerstab nehmen müssen und sich auf die Wanderschaft machen nach dort, wo die Wirklichkeit für immer manifest und gegenwärtig ist. Noch weniger aber kann es spirituell befriedigen, bei jenen verschwommenen Spiegelungen zu verweilen, und die Suche nach dem Licht, das jene darzustellen suchen, drängt sich auf. Doch da diese Wirklichkeit und dieses Licht sowohl in uns als auch in einem hohen Bereich über der sterblichen Ebene sind, können wir bei unserer Suche danach viele Bilder und Tätigkeiten des Lebens verwenden; so wie man eine Blume, ein Gebet, eine Tat dem Göttlichen darbringt, kann man ebenfalls eine erschaffene Form, die die Schönheit ausdrückt, ein Lied, ein Gedicht, ein Bildnis, eine Melodie darbringen und hierdurch zu einer Berührung, einer Erwiderung und Erfahrung gelangen. Und wenn man in dieses göttliche Bewusstsein eingetreten ist oder wenn es innerlich wächst, dann ist dessen Ausdruck im Leben durch diese Dinge ebenfalls nicht vom Yoga ausgeschlossen; diese schöpferischen Tätigkeiten können ihren Platz behalten, doch nicht einen wichtigeren Platz als irgendwelche anderen, die man zu göttlichem Gebrauch und Dienst ausübt. Kunst, Musik, Dichtung in ihrer gewöhnlichen Auswirkung schaffen mentale und vitale, keine spirituellen Werte; sie können aber einem höheren Ziel zugewandt werden und dann, wie alles übrige, unser Bewusstsein mit dem Göttlichen verbinden, sie werden verwandelt, werden spirituell und können als Teil der Yogadisziplin dienen. Alle Dinge nehmen einen neuen Wert an, nicht durch sich selbst, sondern durch das Bewusstsein, das sie gebraucht, denn es gibt nur eine notwendige, wesentliche und unerlässliche Sache, und das ist, sich der Göttlichen Wirklichkeit bewusst zu werden und darin zu leben und immer darin zu leben.

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Das Problem besteht darin, dass du als Nichtwissenschaftler versuchst, deine Ideen dem schwierigsten, weil stofflichsten Gebiet der Wissenschaft aufzuerlegen, nämlich der Physik. Doch nur wenn du selbst ein Wissenschaftler wärst und deine Ideen oder auch deine eigenen Entdeckungen auf universal-wissenschaftlich anerkannte Tatsachen gründen könntest, würdest du – und selbst dann nur schwerlich – Beachtung finden oder wäre deine Meinung von Gewicht. Andernfalls gibst du dich der Anschuldigung preis, etwas auf einem Gebiet zu behaupten, auf dem du keine Autorität besitzt, genauso wie es der Wissenschafter tut, sobald er seine Entdeckungen zur Grundlage für die Behauptung macht, es gäbe keinen Gott. Wenn der Wissenschaftler sagt, dass “wissenschaftlich betrachtet, Gott eine nicht länger notwendige Hypothese sei”, dann spricht er baren Unsinn, denn das Dasein Gottes ist und war nie als eine wissenschaftliche Hypothese, und kann es auch nicht sein, und auch kein wissenschaftliches Problem, denn es war immer ein spirituelles oder metaphysisches Problem. Du kannst wissenschaftlich überhaupt nicht darüber diskutieren, weder pro noch contra. Der Metaphysiker oder spirituell Suchende hat das Recht zu betonen, dass dies unsinnig sei; doch wenn du das gleiche mit dem Wissenschaftler im Bereich der Wissenschaft tust, läufst du Gefahr, dass man dir mit dem gleichen Einwand begegnet.

Was die Einheit allen Wissens anbelangt, so ist dies etwas in posse und nicht in esse. Die mechanische Methode, Wissen zu erlangen, führt zu bestimmten Ergebnissen, die höhere Methode führt zu bestimmten anderen Ergebnissen. und diese können an vielen Punkten grundsätzlich verschieden sein. Wie soll man den Unterschied überbrücken, da jede in ihrem eigenen Bereich gültig zu sein scheint; dies ist ein noch zu lösendes Problem, doch kannst du es nicht auf die Weise lösen, die du vorschlägst, am wenigsten auf dem Gebiet der Physik. In der Psychologie kann man sagen, dass die mechanische oder physiologische Methode die Sache am falschen Ende anfasse und die am wenigsten brauchbare sei, denn Psychologie ist nicht in erster Linie eine Sache des Mechanismus und des Maßes, sondern öffnet sich vielmehr in ein weites Feld jenseits der physischen Instrumentierungen des Körperbewusstseins. In der Biologie kann man einen Schimmer von dem, was jenseits des Mechanismus liegt, erhaschen, da hier von Anfang an eine Bewusstseinsbewegung erkennbar ist, die mehr und mehr ihrem Selbstausdruck entgegenschreitet und sich in diesem selbst ordnet. Doch in der Physik bist du im eigentlichen Bereich des mechanischen Gesetzes, in dem allein der Vorgang als solcher zählt und das auslösende Bewusstsein sich mit größter Gründlichkeit zu verbergen weiß, so dass es “wissenschaftlich gesprochen” gar nicht existiert. Man kann es hier allein mit Hilfe von Okkultismus und Yoga entdecken, doch die Methode der okkulten Wissenschaft und des Yoga ist durch die Mittel der Physik weder messbar noch anwendbar – und daher bleibt der Abgrund bestehen. Man wird eines Tages in der Lage sein, ihn zu überbrücken, doch der Physiker wird voraussichtlich nicht der Brückenbauer sein; daher ist es sinnlos, ihn darum zu bitten, das zu testen, was jenseits seines Bereiches liegt.

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Der Wunsch [der Okkultisten und Spiritisten], die Naturwissenschaftler zu überzeugen, ist absurd und unlogisch. Die Naturwissenschaftler haben ihren eigenen Bereich mit eigenen Instrumenten und Richtlinien. Gleiche Tests an Phänomenen von verschiedener Art anzuwenden, ist ebenso töricht, wie spirituelle Wahrheit physikalisch zu testen. Man kann Gott nicht analysieren, ebensowenig wie man die Seele unter einem Mikroskop sehen kann. Und entmaterialisierte Geister oder gar psycho-physische Phänomene jenen Tests und Normen zu unterziehen, die allein für stoffliche Phänomene gültig sind, ist eine höchst unrichtige und unbefriedigende Methode. Zudem ist der Naturwissenschaftler meist entschlossen, das nicht anzuerkennen, was nicht in sein System und dessen Formeln sauber verpackt und dann etikettiert und beschriftet werden kann. Dr. J. Romain, der sowohl Wissenschaftler als auch ein großer Schriftsteller ist, macht Experimente, um zu beweisen, dass der Mensch mit verbundenen Augen sehen und lesen kann, und die Wissenschaftler weigern sich, die Ergebnisse auch nur zur Kenntnis zu nehmen oder davon zu berichten. Khusa Baksh beweist es offen, unbezweifelbar und besteht alle gültigen Tests, und die Wissenschaftler sind absolut nicht willens, die Tatsache zuzugeben oder sie zu erwähnen, obgleich seine Ergebnisse unleugbar sind. Er läuft unverletzt über Feuer und entkräftet alle bisherigen Deutungen, doch sie suchen nach einer anderen und einfältigeren Erklärung. Welchen Nutzen hat der Versuch, Menschen zu überzeugen, die entschlossen sind, nicht zu glauben?

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Der wissenschaftliche Geist weigert sich, irgend etwas unklassifiziert zu lassen. Hat er nicht auch das Göttliche klassifiziert?

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Das Mental dieser Leute [der Wissenschaftler] ist zu sehr daran gewöhnt, sich mit physischen Dingen, die mit Instrumenten und Zahlen messbar sind, auseinanderzusetzen, als dass es für einen anderen Bereich noch von Wert ist. Einsteins Ansichten außerhalb seines Fachgebietes sind unreif und kindisch, eine Art von unsubstantiellem, allgemeingültigem Idealismus ohne Beziehung zur Wirklichkeit. Ein Mensch kann ein großer Gelehrter und dennoch simpel und töricht sein; genauso kann ein Mensch ein großer Wissenschaftler sein, während sein Mental und seine Vorstellungen in anderen Dingen unbedeutend sind.

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Psychologen natürlich, die sich mit mentalen Regungen auseinanderzusetzen haben, erkennen leichter, dass es keine wirkliche Gleichsetzung zwischen diesen und den physiologischen Vorgängen geben kann und höchstens Mental und Körper aufeinander einwirken, was unvermeidlich ist, da sie beieinander wohnen. Doch selbst ein großer Naturwissenschaftler wie Huxley erkennt, dass das Mental etwas von der Materie Grundverschiedenes ist und nicht mit den Begriffen der Materie erklärt werden kann. Dennoch ist die Naturwissenschaft seither sehr arrogant und eingebildet geworden und versucht zu erreichen, dass sich ihr und ihren Methoden alles unterordnet. Nun hat sie in der Theorie begonnen, ihre Begrenzungen auf eine allgemeine Weise zu erkennen, doch ist die alte Denkweise den meisten Wissenschaftlern noch zu sehr eingefleischt, als dass sie diese sofort ablegen könnten.

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Der Artikel liest sich, als wäre er eher von einem Gelehrten als einem Philosophen geschrieben worden. Du meinst vermutlich das Überleben jener wissenschaftlichen Verachtung der Metaphysik im 19. Jahrhundert; und zwar, dass alles Denken sich auf wissenschaftlichen Tatsachen zu gründen habe und dass die – oft so fehlerhaften und oberflächlichen – Verallgemeinerungen der Wissenschaft die Grundlage für jedes vernünftige metaphysische Denken bilden müssen. Das würde bedeuten, die Philosophie zum Dienstmädchen der Wissenschaft zu machen und die Metaphysik zum Schlachtenbummler der Physik und ihr die ihr angestammten Rechte in ihrem ureigenen Bereich zu verweigern. Man übersieht die Tatsache, dass der Philosoph sein eigenes Gebiet und seine eigenen Instrumente besitzt; er kann wissenschaftliche Entdeckungen als Stoff benützen, genau wie irgendwelche anderen Tatsachen des Daseins, doch die allgemeinen Schlussfolgerungen der Wissenschaft muss er nach seinen eigenen Maßstäben beurteilen – ob und inwieweit sie geeignet sind, auf die metaphysische Ebene übertragen zu werden. Eine derartige Einstellung war vielleicht in der Blütezeit der Naturwissenschaft gerechtfertigt, bevor sie ihre eigenen Grenzen und die Anfechtbarkeit ihres Schemas der Dinge entdeckte – jener Dinge, die unsicher in einer riesigen Unendlichkeit oder einem grenzenlosen Endlichen des Unbekannten treiben. Doch soll Spiritualität unter dem Namen psychischer Forschung verherrlicht werden? Letztere ist keine Wissenschaft, sie besteht aus einer Masse von obskuren und zweideutigen Ermittlungen, aus denen man nur einige dürftige und zweifelhafte Verallgemeinerungen bilden kann. Und soweit sie zum Okkulten gehört, berührt sie nur die unteren Regionen des Okkulten, das, was wir die untersten vitalen Welten nennen würden, wo es ebensoviel Falschheit und Irrtum und Schwindel gibt wie auf Erden und noch mehr. Ich verstehe zudem viele seiner Bemerkungen nicht. Inwiefern sollte die Voraussage eines künftigen Ereignisses unsere Auffassung oder zumindest die philosophische Auffassung der Zeit verändern? Es könnte die Vorstellung von der Beziehung der Ereignisse zueinander verändern oder vom Ausarbeiten der Kräfte oder der Möglichkeiten des Bewusstseins, doch die Zeit bleibt die gleiche wie zuvor.

Dein3 Traum bedeutet natürlich den Versuch, eine Verbindung auf der feinstofflichen Ebene herzustellen. Was du über Telefon und Kino sagst, stimmt teilweise, doch scheint mir, dass diese und andere moderne Dinge einen anderen Charakter angenommen hätten, wenn sie in anderer Einstellung aufgenommen und gebraucht worden wären. Die Menschheit war für diese Entdeckungen im spirituellen Sinn nicht bereit und nicht einmal im intellektuellen Sinn, wenn das gegenwärtige Durcheinander als Zeichen dafür gelten kann. Der ästhetische Niedergang hat vielleicht eine andere Ursache, zum Beispiel enttäuschten Idealismus, der in seinem Rückzug sein Gegenteil hervorbringt, nämlich einen trockenen und zynischen Intellektualismus, der von einem Ideal nicht enttäuscht werden will, von etwas Romantischem oder Emotionalem oder von irgend etwas, das über die Vernunft hinausreicht, die im Licht der Sinne wandert. Die asuras der Vergangenheit waren häufig große Wesen; der Ärger mit den gegenwärtigen rührt eher daher, dass sie nicht wirkliche asuras sind, sondern Wesen der niederen vitalen Welt, gewalttätig, brutal, unedel, und vor allem engstirnig, unwissend und dunkel. Doch diese Art zynischer und enger Intellektualismus, der sich ausbreitet, wird nicht andauern, er bereitet sein eigenes Ende durch die um sich greifende Dürre vor, und die Menschen beginnen, das Erfordernis neuer Lebensquellen zu fühlen.

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Ich glaube nicht, dass deine beiden Fragen hinsichtlich der spirituellen Sadhana von großer Wichtigkeit sind.

1. Die Frage bezüglich Wissenschaft und Spiritualität wäre vor zwanzig Jahren von einiger Bedeutung gewesen und beschäftigte die Menschen in den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, doch das ist nun vorbei. Die Wissenschaft selbst ist zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht – wie sie einst hoffte – entscheiden kann, was die Wahrheit oder die wirkliche Natur der Dinge ist; sie kann sich nur mit dem Ablauf der physischen Dinge befassen, wie diese sich ereignen oder nach welchen Richtlinien die Menschen mit ihnen umgehen oder Nutzen aus ihnen ziehen können. In anderen Worten, das Gebiet der Naturwissenschaft ist inzwischen deutlich gekennzeichnet und abgegrenzt worden, und Fragen über Gott oder die höchste Wirklichkeit oder andere metaphysische oder spirituelle Probleme fallen nicht in ihren Bereich. Dies jedenfalls trifft für das kontinentale Europa zu, und nur in England und Amerika versucht man noch, diese Dinge auf naturwissenschaftlicher Grundlage zu erörtern.

Die sogenannten Wissenschaften, die sich mit dem Mental und dem Menschen (Psychologie usw.) befassen, sind so sehr von der Naturwissenschaft abhängig, dass sie deren enge Grenzen nicht überschreiten können. Wenn die Wissenschaft ihr Gesicht dem Göttlichen zuwenden soll, muss es eine neue, bisher noch nicht entwickelte Wissenschaft sein, die sich direkt mit den Kräften der vitalen Welt und des Mentals befasst und auf diese Weise das Mental überschreitet; doch die gegenwärtige Wissenschaft ist hierzu nicht in der Lage.

2. Vom spirituellen Standpunkt aus sind derartige zeitbedingte Phänomene, wie die Hinwendung gebildeter Hindus zum Materialismus, von geringer Bedeutung. Es gab immer Zeiten, in denen der Geist von Nationen, von Kontinenten oder Kulturen sich dem Materialismus zuwandte und sich von jedem spirituellen Glauben abkehrte. Solche Perioden gab es im Europa des 19. Jahrhunderts, doch waren diese meist von kurzer Dauer. West-Europa hat bereits seinen Glauben an den Materialismus verloren und sucht nach etwas anderem, entweder durch die Rückkehr zu alten Religionen oder durch die Suche nach etwas Neuem. Russland und Asien durchlaufen nun den gleichen materialistischen Trend. Diese Wellen deuten auf ein gewisses Erfordernis in der menschlichen Entwicklung hin, nämlich die Fesseln alter Formen zu zerbrechen und ein Feld für neue Wahrheit, für neue Formen der Wahrheit zu öffnen sowie für das Wirken im Leben und das, was hinter dem Leben steht.

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Ich vermute, X gründet seine Ideen auf dem Versuch von Jeans, Eddington und anderen englischen Wissenschaftlern, metaphysische Ergebnisse in wissenschaftliche Daten zu pressen. Es ist notwendig, dass er die Einwände von ernsthafteren Wissenschaftlern gegen eine derartige Vermischung voll zur Kenntnis nimmt. Zudem verfügt die spirituelle Suche über ihre eigene reiche Erfahrung, die nicht im geringsten von den Theorien oder Entdeckungen der Wissenschaft in der rein stofflichen Sphäre abhängig ist. X‘s Vorstoß ist, ebenso wie der von Jeans und anderen, eine Reaktion auf den unrechtmäßigen Versuch einiger Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts – und auch von vielen anderen –, den Fortschritt wissenschaftlicher Entdeckungen zu benutzen, um den religiösen Geist weitgehend zu diskreditieren oder auszulöschen und gleichzeitig die Metaphysik als trüben Wortschwall abzutun und dabei die Wissenschaft als den einzigen Hinweis auf die Wahrheit des Universums hinzustellen. Ich glaube aber, dass es diese Einstellung nicht mehr gibt; die Wissenschaftler erkennen inzwischen, wie du sagst, die Grenzen ihres Gebietes. Ich möchte noch hinzufügen, dass dieser Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft sich niemals in Indien zeigte (bis zu den Tagen europäischer Erziehung), da Religion sich nicht in die wissenschaftliche Entdeckung mischte und die Wissenschaftler religiöse oder spirituelle Wahrheit nicht in Frage stellten; beide Dinge waren getrennt und widersprachen einander nicht.

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X irrt, wenn er in seinen Schriften unter allen Umständen auf der Vorstellung beharrt, die Wissenschaft sei noch materialistisch oder zumindest die Wissenschaftler – Jeans und Eddington ausgenommen – seien noch ausgemachte Materialisten. Das ist nicht der Fall. Die meisten europäischen Wissenschaftler haben nunmehr die Idee aufgegeben, dass Wissenschaft das Grundlegende des Daseins erklären könne. Sie sind zu der Ansicht gelangt, Wissenschaft als solche befasse sich allein mit dem Vorgang, nicht mit dem Grundlegenden, und erklären, es sei weder die Aufgabe der Wissenschaft, noch läge es innerhalb ihrer Mittel, jene großen Fragen zu beantworten, die die Philosophie und Religion beschäftigen. Dies ist die ungeheure Wende, die auf die jüngste Entwicklung der Wissenschaft zurückgeführt werden kann. Die Wissenschaft ist heutigentags weder materialistisch noch idealistisch. Das Grundgestein, auf dem der Materialismus aufgebaut wurde und das im 19. Jahrhundert unerschütterlich zu sein schien, ist nun zerbrochen. Der Materialismus ist zu einer philosophischen Spekulation geworden, genau wie jede andere Theorie; er kann nicht beanspruchen, unfehlbare biblische Autorität zu besitzen, die sich aus den Tatsachen und Folgerungen der Wissenschaft herleitet. Ich selbst, der im 19. Jahrhundert, der Zeit des absoluten Höhepunkts des wissenschaftlichen Materialismus, aufwuchs, empfinde diese Wende deutlich. Der Weg, der beinahe völlig blockiert war, es sei denn, man hätte gegen ihn revoltiert, ist nun für spirituelle Wahrheiten, spirituelle Ideen, spirituelle Erfahrungen weit offen. Das ist die wahre Revolution. Mentalismus ist nur eine Zwischenstufe, doch Mentalismus und Vitalismus sind nun durchaus als Hypothesen möglich, die sich auf den Tatsachen des Daseins gründen, auf wissenschaftlichen Tatsachen und anderen. Die Fakten der Wissenschaft zwingen niemanden, sich einer bestimmten philosophischen Richtung zuzuwenden. Sie sind neutral geworden und können sogar manchmal verwendet werden, obwohl dies den meisten Wissenschaftlern als nicht zulässig erscheint. Es ist von unserer Seite niemals behauptet worden, die neuen Entdeckungen der Physik würden die Ideen von Religion oder Kirche stützen; wir haben lediglich behauptet, die Wissenschaft habe ihren alten materialistischen Dogmatismus aufgegeben und sich durch eine revolutionäre Wende von ihrem alten Ankerplatz entfernt. Diese Wende habe ich erwartet und prophezeite sie im ersten “Ahana”-Band “A Vision of Science” (Vision der Wissenschaft) und “In the Moonlight” (lm Mondlicht).

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Ich fürchte, jegliches Interesse an solchen Spekulationen verloren zu haben; die Dinge werden für mich zu ernst, als dass ich für derartig flache Intellektualitäten Zeit verschwenden könnte. Es berührt mich nicht im geringsten, wenn du deine Ansicht durchsetzt und dem Dogmatismus einer materialistischen Wissenschaft wieder ihren Platz einräumst – jenem Dogmatismus, der vor einem halben Jahrhundert regierte und der jede Idee, die seine eigenen, engen Grenzen überschritt, als bloße weitläufige Metaphysik, als Mystizismus und Mondschein abtun konnte. Ganz offensichtlich gibt es, wenn stoffliche Energien allein in einer stofflichen Welt existieren können, keine Möglichkeit eines göttlichen Lebens auf Erden. Ein rein metaphysischer “Trick des Mentals” – wenn man es so bezeichnen kann – würde den Einwänden wissenschaftlicher Verneinung und dem konkreten gesunden Menschenverstand nicht standhalten. Ich war der Meinung viele Wissenschaftler des Kontinents seien dazu übergegangen zuzugeben, dass sie über die wirkliche Wirklichkeit der Dinge nicht länger zu entscheiden vermögen, da sie hierzu die Mittel nicht besäßen, vielmehr lediglich das Wie und den Vorgang der Wirkungsweisen stofflicher Kraft an der physischen Oberfläche entdecken und beschreiben können. Das hätte das Feld für höheres Denken und die Spekulation, für spirituelle Erfahrung und selbst für Mystizismus, Okkultismus und all jene größeren Dinge offen gelassen, die als unmöglichen Unsinn anzusehen inzwischen beinahe jeder sich verpflichtet fühlt. So sahen die Dinge aus, als ich in England war. Wenn das wiederkehren würde oder Russland und sein dialektischer Materialismus die Welt regieren sollten – nun, dann muss man dem Schicksal gehorchen, und das göttliche Leben hat sich damit abzufinden, möglicherweise noch ein weiteres Jahrtausend zu warten. Doch mir gefällt der Gedanke nicht, dass eine unserer Zeitschriften die Arena für dieses Gefecht abgeben soll. Das ist alles. Ich schreibe unter dem Eindruck deiner früheren Artikel zu diesem Thema, da ich die späteren noch nicht sorgfältig durchgesehen habe; möglicherweise sind – wie ich durchaus zugebe – dies letzteren derart überzeugend, dass ich nach ihrem Studium zur Einsicht gelange, meine Einstellung sei falsch und dass nur ein verbohrter Mystiker noch an eine Eroberung der Materie durch den Spirit glauben könne, so wie ich mir diese vorzustellen gewagt hatte. Doch leider bin gerade ich so ein verbohrter Mystiker, und wenn ich nun erlauben würde, dass deine Darlegung der Sache in einer unserer Zeitschriften veröffentlicht würde, müsste ich das Thema, an dem ich das Interesse verloren habe, wieder aufnehmen und zur Feder greifen, um meinen Standpunkt von neuem darzulegen; ich würde den Anspruch der materialistischen Wissenschaft zu bekämpfen haben, irgend etwas zu diesem Thema aussagen zu können, wofür sie weder die Instrumente der Forschung noch irgendwelche Möglichkeit einer endgültigen Entscheidung besitzt. Vermutlich müsste ich das “Life Divine” neu schreiben als Erwiderung auf die siegreiche “Negation des Materialisten”. Das ist die einzige Erklärung, die ich dir für mein langes und enttäuschendes Schweigen, geben kann, abgesehen davon, dass mir die Zeit fehlt, das Thema selbst aufzugreifen.

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Ich kenne die russische Erklärung, wonach der jüngste Trend zu Spiritualität und Mystizismus als Phänomen einer kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Dekadenz zu werten sei. Es ist jedoch eine Eigenart der bolschewistischen Bibel und der Sophisterei eines Karl Marx, in alle Phänomene der Menschheitsgeschichte bewusst oder unbewusst eine wirtschaftliche Ursache hineinzulesen. Die Natur des Menschen ist nicht so einfach und eingleisig, sie weist viele Linien auf, und jede Linie erzeugt ein Erfordernis seines Lebens. Die spirituelle oder mystische Linie ist eine von ihnen, und der Mensch versucht, sie auf verschiedene Weise zu befriedigen, durch Aberglauben aller Art, durch unwissenden Religionismus, durch Spiritismus, Dämonismus und was es sonst noch alles gibt; in seinen besser erleuchteten Teilen durch spirituelle Philosophie, höheren Okkultismus und das übrige, und in seinen höchsten Wesensteilen durch Einung mit dem All, dem Ewigen oder Göttlichen. Die Suche nach Spiritualität begann in Europa mit einer Abkehr vom wissenschaftlichen Materialismus des 19. Jahrhunderts, einem Unbefriedigtsein mit der vermeintlichen Hinlänglichkeit der Vernunft und des Intellektes und mit einem tastenden Suchen nach etwas Tieferem. Dieses Vorkriegsphänomen zeigte sich, als es die Drohung des Kommunismus noch nicht gab und die kapitalistische Welt auf dem Höhepunkt ihres anmaßenden Erfolges und Triumphes war; es war ein Aufbegehren gegen das materialistisch-bürgerliche Leben mit seinen Idealen und nicht ein Versuch, ihm zu dienen oder es zu rechtfertigen. Diesem Phänomen wurde durch die Nachkriegsdesillusionierung gedient und zugleich geschadet; geschadet, da die Nachkriegszeit entweder nt Zynismus oder einem Leben der Sinne zurückkehrte oder sich Bewegungen wie Faschismus und Kommunismus zuwandte; gedient, da in den tieferen Gemütern das Unbehagen über die Ideale der Vergangenheit oder der Gegenwart wuchs sowie über alle mentalen, vitalen oder materiellen Lösungen der Lebensprobleme und auf diese Weise allein der spirituelle Pfad übrig blieb. Es ist wahr, der europäische Geist, unerfahren in diesen Dingen, spielt mit Irrlichtern, wie Spiritismus oder Theosophie, oder fällt wieder in den alten Religionismus zurück; doch das tiefere Denken, das ich meine, lässt diese Dinge hinter sich, oder es benutzt sie bei seiner Suche nach einem größeren Licht. Ich hatte mit vielen Menschen Kontakt, bei denen sich die obigen Tendenzen deutlich abzeichneten. Sie kamen aus allen möglichen Ländern, doch nur eine Minderheit aus England und Amerika. Russland hingegen ist anders; ungleich den anderen ist es in einem mittelalterlichen Religionismus steckengeblieben und durch keine Zeitspanne des Aufbegehrens gegangen – und als dann die Revolution kam, war sie natürlich antireligiös und atheistisch. Erst wenn diese Phase sich erschöpft hat, kann der russische Mystizismus befruchtet werden und nicht eine enge religiöse, sondern die spirituelle Richtung einschlagen. Es ist wahr, der Mystizismus a revers, von oben nach unten gekehrt. hat aus dem Bolschewismus und seinem Bestreben eher ein Glaubensbekenntnis als ein Politikum gemacht, eine Suche nach dem paradiesischen, geheimen Jahrtausend auf Erden, statt eine rein soziale Struktur aufzubauen. Doch im großen und ganzen versucht Russland auf der kommunistischen Grundlage das zu erreichen, was der Idealismus des 19. Jahrhunderts zu erlangen hoffte und worin er inmitten einer – oder gegenüber einer – industriell konkurrierenden Umwelt versagte. Ob der Bolschewismus größeren Erfolg haben wird, wird die Zukunft zeigen. Denn gegenwärtig bewahrt er lediglich, was mit Hilfe von Spannung und gewalttätiger Kontrolle erlangt wurde, und diese Phase ist noch nicht vorüber.

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Die Stelle der Isha-Upanishad4 (“Eines ist reglos und schneller als das Mental, Jenes erreichen die Götter nicht, denn Es schreitet immer voran. Jenes überholt stehend die anderen, welche laufen” – Isha-Upanishad, Vers 4, nach Sri Aurobindos Übersetzung.) ist natürlich eine viel umfassendere Darlegung der Natur des universalen Daseins als die Theorie Einsteins, die auf das physische Universum beschränkt ist. Du kannst aus der Darlegung in diesem Vers auch ein viel umfassenderes Relativitätsgesetz ableiten. So betrachtet bedeutet er – er enthält natürlich viel mehr –, dass die absolute Realität existiert, aber unbeweglich und immer gleich ist; die universale Bewegung ist eine Bewegung des Bewusstseins in dieser Wirklichkeit, deren Wahrheit nur vom Transzendenten erfasst werden kann, da sie Ihm selbst-offenbar ist, während ihre Wahrnehmung durch die Gottheiten (das Mental, die Sinne usw.) notwendigerweise unvollkommen und relativ sein muss, da diese zwar versuchen können, jener Wahrheit zu folgen, sie aber nicht wirklich zu überholen vermögen (erfassen, ergreifen), da jede durch ihren eigenen Standpunkt,5 durch die geringere Instrumentierung oder Befähigung des Bewusstseins usw. begrenzt ist. Das ist die übliche Auffassung des indischen oder zumindest des vedantischen Geistes, nach der unsere Erkenntnis, unsere Wahrnehmung und Erfahrung der Dinge in der Welt sowie unsere Erfahrung der Welt selbst notwendigerweise ausschließlich relativ, praktisch oder pragmatisch, vyāvahārika sein müssen; und es ist – wie Shankara sagt – tatsächlich ein illusorisches Wissen, da die wirkliche Wahrheit der Dinge jenseits unseres mentalen und empfindungsmäßigen Bewusstseins liegt. Einsteins Relativitätstheorie ist eine wissenschaftliche und nicht eine metaphysische Darstellung. Ihre Form und ihr Bereich sind von anderer Art, doch vermute ich, dass man eine Verbindung zur vedantischen Folgerung herstellen kann, wenn man genügend Abstand dazu gewinnt und darüber hinaus zu ihrer essentiellen Bedeutung und dem wahren Grund ihres Daseins zurückfindet. Wenn du dies jedoch gegenüber dem Verstand rechtfertigen wolltest, müsstest du den ganzen Vorgang zergliedern, um nachzuweisen, wie die Verbindung zustandekommt – sofern es sich nicht von selbst ergibt.

Was Jeans anbelangt, so würden viele sagen, dass seine Folgerungen ganz und gar nicht zulässig seien. Einsteins Gesetz ist eine wissenschaftliche Verallgemeinerung; sie gründet sich auf bestimmte Beziehungen im Bereich der Physik, die – wenn überhaupt gültig – dann dort innerhalb der Grenzen dieses Bereiches gültig sind oder, wenn du so willst, auf dem allgemeinen Gebiet wissenschaftlicher Beobachtung und wissenschaftlichen Messens physischer Vorgänge und Bewegungen; doch wie willst du dies auf eine metaphysische Darlegung übertragen? Es wäre der Sprung über einen beträchtlichen Abgrund oder die gewaltsame Umwandlung einer Sache in eine andere, eines begrenzten physischen Ergebnisses in eine unbegrenzte, allumfassende Formel. Ich weiß nicht genau, worauf Einsteins Gesetz wirklich hinausläuft; doch es scheint nicht mehr zu bedeuten, als dass unsere wissenschaftlichen Messungen der Zeit und anderer Dinge unter den Bedingungen, unter denen sie stattfinden müssen, relativ sind, da sie der unvermeidlichen Begrenzung dieser Bedingungen ausgeliefert sind. Was man daraus metaphysisch folgern kann, hat der Metaphysiker zu entscheiden, nicht der Wissenschaftler. Die vedantische Auffassung bestand darin, dass sowohl das Mental als auch die Sinne eine begrenzte Macht sind, die sich ihre eigenen Darstellungen, Begriffsbildungen und Formungen errichtet und sie der Wirklichkeit auferlegt. Das ist eine viel größere und kompliziertere Angelegenheit, die bis in die eigentlichen Wurzeln unseres Daseins reicht. Ich glaube, dass es viele Auffassungen in der modernen Wissenschaft gibt, die diesen Standpunkt unterstützen, doch in der Wirklichkeit reichen sie nicht aus, ihn zu beweisen.

Ich führe hier nur meine Einwände an. Ich selbst erkenne, dass gewisse grundlegende Wahrheiten allen Bereichen und der einen Wirklichkeit überall zugrundeliegen. Doch es besteht ebenfalls ein großer Unterschied in den Hilfsmitteln und Forschungsmethoden, die die Suchenden auf den verschiedenen Wegen (dem physischen, dem okkulten, dem spirituellen) verwenden, und zumindest für den Intellekt muss die Brücke zwischen ihnen noch geschlagen werden. Man kann zwar Ähnlichkeiten nachweisen, doch kann man durchaus behaupten, dass die Wissenschaft nicht dazu benutzt werden darf, Ergebnisse spiritueller Erkenntnis zu bestätigen oder zu stützen. Auch die andere Seite hat ihre Berechtigung, und am besten ist es, beide zu sehen – dies bedeutet daher nicht, dass deine These entkräftet werden soll.

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Wie will Sir James Jeans oder irgendein anderer Wissenschaftler wissen, dass Leben durch einen “reinen Zufall” entstanden sei oder dass es nirgendwo sonst im Universum Leben gäbe oder dass Leben woanders genau das gleiche sein müsse, die gleichen Voraussetzungen haben müsse wie unser Leben hier oder andernfalls nicht existieren könne? Dies sind rein mentale Spekulationen ohne irgendwelche innere Überzeugungskraft. Leben kann nur dann zufällig sein, wenn die gesamte Welt ebenfalls ein Zufall ist, etwas, das durch den Zufall entstand und vom Zufall beherrscht wird. Es ist nicht der Mühe wert, Zeit auf diese Art von Spekulationen zu verschwenden, denn sie sind nichts als das Geschwätz eines Augenblicks.

Das stoffliche Universum ist nur die Fassade eines riesigen Gebäudes, hinter dem andere Gliederungen stehen, und erst wenn man das Ganze kennt, vermag man die Wahrheit des stofflichen Universums einigermaßen zu begreifen. Es gibt vitale, mentale und spirituelle Ebenen dahinter, die der stofflichen ihre Bedeutung verleihen. Angenommen die Erde wäre der einzige Bereich der spirituellen Evolution in der Materie, dann muss sie dies als Teil des Gesamtentwurfs sein. Die Vorstellung, alles übrige sei Verschwendung, ist eine menschliche Vorstellung, die den weiten Kosmischen Spirit nicht berühren würde, dessen Bewusstsein und Leben überall ist, im Stein und Staub und im menschlichen Verstand. Doch dies ist eine spekulative Frage, die unserem praktischen Zweck gänzlich fern liegt. Was für uns zählt, ist die Entwicklung des spirituellen Bewusstseins im menschlichen Körper.

In dieser Entwicklung gibt es Stadien, und die gesamte Wahrheit kann erst erkannt werden, wenn diese alle durchlaufen sind und das endgültige erreicht ist. Das Stadium, in dem du dich befindest, ist eines, in dem eine Verwirklichung des Selbstes sich abzuzeichnen beginnt, jenes Selbst, das frei ist von jeder Verkörperung und für sein immerwährendes Dasein unabhängig von ihr. Daher ist es etwas ganz natürliches, dass du die Verkörperung als ziemlich untergeordnet und – wie Jeans das Erdenleben – als beinahe zufällig empfindest. Dieses Stadium hielt der Mayavadin für ein endgültiges, und aus diesem Grund sah er die Welt als Illusion an. Doch dies ist nur eine Station auf unserer Reise. Jenseits dieses Selbstes, das statisch, abgesondert und formlos ist, gibt es ein größeres Bewusstsein, in dem das Schweigen und die Kosmische Aktivität geeint sind, doch in einem anderen Wissen, als es diese eingeschlossene Unwissenheit des verkörperten menschlichen Wesens ist. Dieses Selbst ist nur ein Aspekt der Göttlichen Wirklichkeit. Sobald man jenes größere Bewusstsein erlangt hat, erscheinen einem das kosmische Dasein sowie Form und Leben und Mental nicht länger als zufällig, sondern erhalten ihren Sinn. Selbst dort gibt es zwei Stufen, das Obermental und das Supramental, und erst wenn man das letztere erreicht hat, kann die volle Wahrheit des Daseins für das Bewusstsein ganz und gar wirklich werden. Beobachte deine Erfahrung und wisse, dass sie ihren Wert hat, dass sie als ein Stadium unerlässlich ist, doch betrachte die Erfahrung eines bestimmten Stadiums nicht als endgültiges Wissen.

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Ich habe ihn [Bergson] nicht genug gelesen, um mich hinreichend äußern zu können. Soviel ich weiß, scheint er eine gewisse Erkenntnis der im Leben eingeschlossenen dynamisch-kreativen Intuition zu besitzen, doch nicht die wahre, überrationale Intuition von darüber. Sollte dies stimmen, dann ist seine Intuition, die er als das einzige Geheimnis der Dinge ansieht, lediglich eine zweitrangige Manifestation von etwas Transzendentem, das als solches nur die “Strahlen der Sonne” ist [und nicht die Sonne selbst].

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Nein, [Bergsons “elan vital”] ist nicht supramental. Doch Bergsons “Intuition” scheint eine Lebens-Intuition zu sein, die natürlich das Supramental ist, bruchstückhaft und modifiziert, um als Wissen im “Leben-in-der-Materie” zu wirken. Ich kann dies nicht mit Bestimmtheit behaupten, doch ist dies der Eindruck, den ich hatte. Er [Bergson]sieht Bewusstsein (cit) nicht in seiner essentiellen Wahrheit, sondern als schöpferische Kraft – eine Art transzendenter Lebens-Energie, die in die Materie herabkommt und dort wirkt.

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[Elan-Vital:] Nicht Sachchidananda, sondern Chit-Shakti in der Verkleidung der Pranashakti. Bergson ist, glaube ich, Vitalist (im Gegensatz zu einem Materialisten einerseits und einem Idealisten andererseits) mit einer betonten Wahrnehmung der Zeit (in upanishadischen Zeiten erörterte man, ob Zeit nicht Brahman sei, und einige Schulen erhielten diese Idee aufrecht). Daher ist für ihn Brahman Bewusstseins-Kraft, Zeit-Kraft, Lebens-Kraft. Während er die letzten beiden deutlich sieht, scheint er das erstere, welches das Wahre hinter der Schöpfung ist, nur sehr verschwommen zu erkennen.

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Instinkt und Intuition, wie sie von ihm [Bergson] beschrieben werden, sind vital, doch ist es möglich, eine entsprechende mentale Intuition zu entwickeln – das ist es vermutlich, was er vorschlägt –, die nicht das Denken zur Grundlage hat, sondern eine Art mentalen, direkten Kontakt zu den Dingen. Dies ist nicht genau Mystizismus, doch ein erster Schritt darauf zu.

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Diese ungewöhnlichen Geschehnisse, die außerhalb des natürlichen Ablaufes der physischen Natur liegen, ereignen sich häufig in Indien und sind auch woanders nicht unbekannt; sie gleichen dem, was man in Europa das Poltergeist-Phänomen6 nennt. Wissenschaftler sprechen über solche anormalen Ereignisse nicht und denken auch nicht darüber nach, rümpfen nur die Nase oder beweisen, dass es sich um ganz einfache Kindertricks handelt, die vorgeben, übernatürliche Manifestationen zu sein.

Die wissenschaftlichen Gesetz geben nur eine schematische Darstellung des stofflichen Ablaufs in der Natur. Sie können als gültiges Schema benutzt werden, um nach Wunsch einen stofflichen Vorgang zu wiederholen oder auszudehnen, doch offensichtlich vermögen sie keine Darlegung der Sache selbst zu geben. Wasser ist zum Beispiel nicht nur eine Mischung aus Oxygen und Hydrogen, diese Kombination ist lediglich der Vorgang, der die Materialisation des neuen Dinges, Wasser genannt, möglich macht; was aber das neue Ding tatsächlich ist, ist eine andere Sache. Die Wirklichkeit besitzt verschiedene Ebenen der Substanz, grob, fein und feiner, die schließlich auf das zurückgeführt werden kann was die kausale Substanz genannt wird (karaṇa). Was gröber ist, kann in den feinen Zustand reduziert und das Feine in den groben Zustand verwandelt werden; das ist Dematerialisation und Rematerialisation. Es sind okkulte Vorgänge, und sie werden im allgemeinen als Magie angesehen. Meist weiß der Magier nicht von dem Warum und Wozu dessen, was er tut; er hat lediglich den Vorgang oder die Formel gelernt oder aber beherrscht Elementarwesen der feineren Zustände (oder Ebenen oder Welten), welche die Sache für ihn tun. Die Tibeter beschäftigen sich stark mit diesen okkulten Prozessen; wenn du die Bücher von Madame David-Neel liest, die in Tibet lebte, bekommst du eine Vorstellung von ihrer Geschicklichkeit in diesen Dingen. Die tibetischen Lamas verstehen aber ebenfalls etwas von den Gesetzen der okkulten (mentalen und vitalen) Energie und davon, wie diese veranlasst werden kann, auf physische Dinge einzuwirken. Das ist etwas, was die reine Magie überschreitet. Die direkte Machteinwirkung der Mental-Kraft oder der Lebens-Kraft auf die Materie kann in einem nahezu unbegrenzten Ausmaß ausgedehnt werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass Energie grundsätzlich auf allen Ebenen gleich ist und lediglich immer dichtere Formen annimmt, so dass es in der Mental-Energie oder der Lebens-Energie, die unmittelbar auf die stoffliche Energie oder Substanz einwirkt, nichts gibt, was a priori unmöglich ist; sie kann ein stoffliches Objekt veranlassen, Dinge zu tun, oder kann, besser gesagt, Dinge mit einem stofflichen Objekt tun, die für dieses Objekt in seinem gewöhnlichen Zustand oder gemäß seinem “Gesetz” ungewöhnlich und daher scheinbar unmöglich wären.

Ich vermag nicht zu erkennen, wie kosmische Strahlen den Ursprung der Materie erklären sollen; das gleiche gilt für die Behauptung von Sir Oliver Lodge, dass das Leben auf Erden von einem anderen Planeten stammen würde; dies schiebt das Problem lediglich einen Schritt weiter zurück – denn wie entstehen kosmische Strahlen? Tatsache jedoch ist, dass Agni7 die Grundlage der Formen ist, wie es das Sankya-System vor langer Zeit darlegte, das heißt, dass das feurige Prinzip in den drei Mächten, strahlenförmig, elektrisch und gasförmig (die vedische Trinität Agnis), der Mittler für die Erzeugung flüssiger und fester Formen dessen ist, was Materie genannt wird.

Ganz offensichtlich vermag ein Laie diese Dinge nicht zustandezubringen, außer er hat eine angeborene “seelische” (das heißt okkulte) Fähigkeit, und selbst dann muss er das Gesetz der Sache studieren, bevor er es nach seinem Willen anwenden kann. Es besteht immer die Möglichkeit, spirituelle Kraft oder Mental-Macht oder Willens-Macht oder auch eine bestimmte Art vitaler Energie anzuwenden, um Auswirkungen in Menschen, in Dingen und Geschehnissen zu erzielen, doch ist Wissen und viel Übung erforderlich, bevor diese Möglichkeit aufhört, unbestimmt oder zufällig zu sein, und nach Wunsch und in Vollkommenheit angewandt werden kann. Selbst dann ist eine “Kontrolle über die gesamte stoffliche Welt” ein zu großes unterfangen; eher ist eine örtliche oder teilweise Kontrolle oder sind in weiterem Sinne bestimmte Arten der Kontrolle über die Materie möglich.

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Der Wissenschaft zufolge ist die gesamte Welt nichts anderes als ein Spiel von Energie; sie wird allgemein als stoffliche Energie bezeichnet, doch bezweifelt man neuerdings, ob Materie, wissenschaftlich gesprochen, überhaupt existiert, es sei denn als Erscheinungsform von Energie. Dem Vedanta zufolge ist die gesamte welt das Macht-Spiel einer spirituellen Wesenheit der Macht eines ursprünglichen Bewusstseins, sei es Maya oder Shakti, und das Ergebnis ist illusionär oder wirklich. In der Welt, soweit sie den Menschen betrifft, gewahren wir nur die Mental-Energie, die Lebens-Energie, die Energie in der Materie; doch ei wird vermutet, dass es dahinter auch eine spirituelle Energie oder Kraft gibt, aus der jene hervorgehen. Alle Dinge sind in jedem Fall das Ergebnis einer Shakti, einer Energie oder Kraft. Es gibt kein Wirken ohne Kraft oder Energie, die dieses wirken verursacht und seine Folgen herbeiführt. Zudem ist alles, was keine Kraft hinter sich hat, entweder etwas Totes, Unwirkliches oder Untätiges und ohne Folgen. Wenn es nichts Derartiges wie spirituelles Bewusstsein gibt, kann der Yoga keine Wirklichkeit besitzen, und wenn es keine Yoga-Kraft, keine spirituelle Kraft, keine Yoga-Shakti gibt, kann es auch keine Wirksamkeit im Yoga geben. Ein Yoga-Bewusstsein oder ein spirituelles Bewusstsein, das keine Macht oder Kraft in sich hat, mag nicht gerade tot oder unwirklich sein, doch ist es offensichtlich etwas Lebloses ohne Wirkung oder Folgen. In gleicher Weise erhebt ein Mensch, der vorgibt, ein Yogi oder Guru zu sein, aber kein spirituelles Bewusstsein oder keine Macht in seinem spirituellen Bewusstsein besitzt – keine Yoga-Kraft oder spirituelle Kraft –, einen unrechtmäßigen Anspruch und ist entweder ein Scharlatan oder ein sich selbst betrügender Tor; und er ist es umsomehr, wenn er für sich in Anspruch nimmt, einen Pfad gebahnt zu haben, dem andere folgen können. Wenn Yoga Realität besitzen will und Spiritualität etwas anderes als Täuschung ist, dann muss es so etwas wie Yoga-Kraft oder spirituelle Kraft geben.

Insofern aber spirituelle Kraft existiert, muss sie offensichtlich dazu in der Lage sein, spirituelle Ergebnisse zu zeitigen, daher ist nichts Vernunftwidriges in dem Anspruch jener Sadhaks, die sagen, sie fühlten die Kraft des Gurus oder die Kraft des Göttlichen in sich wirken und sie zu spiritueller Erfüllung und Erfahrung führen. Ob es in einem besonderen Fall so ist oder nicht, ist eine persönliche Frage, doch die Äußerung kann nicht als in sich unglaubwürdig oder offensichtlich falsch bezeichnet werden, einfach mit der Begründung, dass es solche Dinge nicht geben kann. Und wenn es weiterhin wahr ist, dass spirituelle Kraft die ursprüngliche ist und die anderen Kräfte sich davon ableiten, dann liegt wiederum nichts Vernunftwidriges in der Annahme, dass spirituelle Kraft mentale Ergebnisse, vitale Ergebnisse, physische Ergebnisse hervorbringen kann. Sie kann durch mentale, vitale oder physische Energien wirken und durch die Mittel, die diese Energien benutzen, oder sie kann direkt auf Mental, Leben oder die Materie als dem Bereich ihrer eigenen speziellen und unmittelbaren Tätigkeit einwirken. Jeder Weg ist prima facie möglich. Nimm als Beispiel die Heilung einer Krankheit. Jemand ist seit zwei Tagen krank, schwach, er leidet an Schmerzen und Fieber, nimmt keine Arznei, doch erbittet schließlich die Hilfe seines Gurus; am nächsten Morgen steht er auf, gesund, stark und voller Energie. Er hat zumindest einigen Grund zu glauben, dass eine Kraft angewandt wurde und auf ihn einwirkte und dass es eine spirituelle Kraft war. In einem anderen Fall aber mögen Arzneien eingenommen werden, während zur Unterstützung der stofflichen Mittel gleichzeitig die unsichtbare Kraft zu Hilfe gerufen wird; denn es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass Arzneien helfen können oder nicht und es darüber keine Gewissheit gibt. In diesem Fall bleibt es für einen Dritten (für einen, der weder die Kraft gebraucht noch der Arzt oder der Patient ist) ungewiss, ob der Patient durch die Arznei oder die spirituelle Kraft mit der Medizin als Instrument geheilt wurde. Beides ist möglich, und man kann nicht sagen, weil Arzneien verwendet werden, sei das Wirken einer spirituellen Kraft per se unglaubwürdig und offensichtlich unwahr. Es ist ebenfalls möglich, dass der Arzt eine Kraft in sich wirken fühlte, die ihn führte, oder erkennt, dass der Zustand seines Patienten sich mit einer Geschwindigkeit bessert, die medizinischer Erfahrung zufolge unglaubhaft ist. Auch der Patient mag die Kraft in sich wirken fühlen, die ihm Gesundheit, Energie und schnelle Heilung bringt. Derjenige, der die Kraft anwendet, kann die Ergebnisse beobachten und sehen, wie die Symptome, auf die er einwirkt, sich verringern und jene, auf die er nicht einwirkt, sich vergrößern, bis er auf sie einwirkt, worauf sie sofort verschwinden; oder er beobachtet, wie der Arzt seinen unausgesprochenen Vorschlägen gemäß arbeitet usw. usw., bis die Heilung schließlich erfolgt. (Andererseits mag er erkennen, dass Kräfte gegen die Heilung wirken, und daraus schließen, dass die spirituelle Kraft sich mit einem Rückzug oder unvollkommenen Erfolg zufrieden geben muss.) In jedem Fall können sowohl der Arzt als auch der Patient oder derjenige, der die Kraft anwendet, glauben, die Heilung sei zumindest teilweise oder überhaupt aufgrund der spirituellen Kraft erfolgt. Diese Erfahrung ist natürlich nur für die Beteiligten gültig, nicht für einen äußeren, rationalisierenden Beobachter. Doch letzterer hat logischerweise kein Recht zu behaupten, dass ihre Erfahrungen unglaubwürdig oder falsch seien.

Noch etwas. Daraus folgt nicht, dass spirituelle Kraft in jedem Fall erfolgreich sein muss oder aber, wenn sie erfolglos war, nicht existierte. Von keiner Kraft kann dies behauptet werden. Die Kraft des Feuers besteht darin zu brennen, doch gibt es Dinge, die nicht brennen; unter bestimmten Umständen verbrennen nicht einmal die Füße der Menschen, die barfuß über rotglühende Kohlen gehen. Das beweist nicht, dass Feuer nicht brennen kann oder dass es nichts Derartiges wie die Kraft des Feuers, Agni-Shakti, gibt.

Ich habe keine Zeit, mehr darüber zu schreiben. Es ist auch nicht notwendig. Mein Ziel war nicht nachzuweisen, dass man an spirituelle Kraft glauben muss, sondern dass der Glaube daran nicht notwendigerweise eine Täuschung ist und dass dieser Glaube sowohl rational als auch möglich sein kann.

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Die unsichtbare Kraft, die sichtbare Ergebnisse zeitigt, innerliche und äußerliche, ist der ganze Sinn yogischen Bewusstseins. Deine Feststellung, der Yoga bringe nur das Gefühl von Macht, ohne dass irgendein Ergebnis damit verbunden wäre, war wirklich sehr eigenartig. Wer wäre mit einer derartigen Halluzination zufrieden und würde sie Macht nennen? Hätten wir nicht tausendfache Erfahrungen gehabt, die zeigen, dass diese innere Macht fähig ist, das Mental zu verändern, dessen Fähigkeiten zu entwickeln, neue hinzuzufügen, neue Bereiche des Wissens zu öffnen, vitale Regungen zu meistern, den Charakter zu verändern, Menschen und Dinge zu beeinflussen, die Beschaffenheit und das Funktionieren des Körpers zu kontrollieren, als dynamische Kraft auf andere Kräfte einzuwirken und Ereignisse zu verändern usw. usw., würden wir nicht darüber sprechen, so wie wir es tun. Außerdem ist die Kraft nicht nur in ihren Ergebnissen fühlbar und konkret, sondern auch in ihren Bewegungen. Wenn ich davon spreche, die Kraft oder Macht zu fühlen, meine ich nicht, dass ich einfach eine undeutliche Empfindung von ihr habe, sondern dass ich sie konkret fühle und folglich in der Lage bin, sie zu lenken, zu handhaben, ihre Bewegung zu beobachten, dass ich mir ihres Ausmaßes und ihrer Intensität bewusst bin und gleichfalls derjenigen von anderen, vielleicht entgegengesetzten Kräften; all diese Dinge sind möglich und üblich durch die Entwicklung des Yoga.

Eine Macht kann nicht ohne Bedingungen und Einschränkungen wirken, es sei denn die supramentale Macht. Die Bedingungen und Einschränkungen, unter denen der Yoga oder die Sadhana erarbeitet werden müssen, sind nicht willkürlich oder unberechenbar; sie ergeben sich aus der Natur der Dinge. Diese und der Wille, die Empfangsbereitschaft, die Zustimmung, das Sich-Öffnen und die Hingabe des Sadhaks müssen von der Yoga-Kraft berücksichtigt werden – es sei denn, diese erhält die Sanktion des Höchsten, sich über alles hinwegzusetzen, um ein Geschehnis herbeizuführen; doch diese Sanktion wird selten erteilt. Allein wenn die supramentale Macht voll herabkäme und nicht nur ihre Einwirkungen durch das Obermental senden würde, können die Dinge ganz radikal jenem Ziel zugewandt werden; und auch die Sanktion würde dann erteilt. Denn das Gesetz der Wahrheit wäre am Werk und würde nicht ständig durch das Gesetz der Unwissenheit ausgeglichen.

Und dennoch, Yoga-Kraft ist immer fühlbar und konkret, so wie ich es beschrieben habe, und sie hat greifbare Ergebnisse. Doch sie ist unsichtbar und kann nicht mit einem erteilten Hieb verglichen werden oder mit dem Krachen eines Autos bei einem Zusammenstoß, Dinge, welche die physischen Sinne sofort wahrnehmen können. Woher soll daher das rein physische Mental wissen, dass sie vorhanden und am Werk ist? Durch ihre Folgen? Doch woher soll es wissen, dass es die Folgen der Yoga-Kraft waren und nicht etwas anderes? An einem von zwei Vorgängen kann es sie erkennen. Entweder es erlaubt dem Bewusstsein, sich nach innen zu wenden, der inneren Dinge gewahr zu werden, an die Erfahrung des Unsichtbaren und Überphysischen zu glauben, um dann durch diese Erfahrung, durch das Sichtbarwerden neuer Fähigkeiten sich dieser Kräfte bewusst zu werden, ihre Wirkungsweise zu erkennen, ihnen zu folgen und sie zu benutzen – ebenso wie der Wissenschaftler die unsichtbaren Kräfte der Natur benutzt. Oder aber man muss Glauben haben, sich beobachten und öffnen – dann wird es [das physische Mental] zu erkennen beginnen, wie die Dinge sich ereignen, es wird bemerken, dass, sobald die Kraft gerufen wurde, sich nach einiger Zeit ein Ergebnis abzeichnet, dass sich dies öfter und öfter wiederholt, dass die Folgen klarer und deutlicher, häufiger und beständiger werden und sich das Gefühl und die Wahrnehmung der wirkenden Kraft verstärken – bis es zu einer täglichen, regelmäßigen, normalen und vollständigen Erfahrung wird. Dies sind die beiden hauptsächlichen Methoden, die eine innerlich, von innen nach außen wirkend, die andere äußerlich, von außen wirkend und die innere Kraft hervorrufend, bis sie durchdringt und im äußeren Bewusstsein sichtbar wird. Doch nichts kann geschehen, solange man auf der extrovertierten Haltung beharrt, auf dem äußeren Konkreten allein, und solange man sich weigert, ihm das innere Konkrete hinzuzufügen; oder wenn das physische Mental bei jedem Schritt den Tanz des Zweifels tanzt, der die entstehende Erfahrung sich nicht entwickeln lässt. Selbst der Wissenschaftler, der an einem neuen Experiment arbeitet, hätte nie Erfolg, wenn er seinem Mental eine derartige Verhaltensweise durchgehen ließe.

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Konkret? Was meinst du mit konkret? Spirituelle Kraft ist auf ihre eigene Weise konkret; sie kann eine Form annehmen (zum Beispiel wie ein Strom), die man wahrnimmt und ganz konkret auf ein bestimmtes Objekt senden kann.

So stellt sich die tatsächliche Macht dar, die spirituellem Bewusstsein innewohnt. Doch gibt es ebenfalls so etwas wie den gewollten Gebrauch einer feinen Kraft – diese kann spirituell, mental oder vital sein –, um ein bestimmtes Ergebnis an einem bestimmten Punkt in der Welt herbeizuführen. So wie es Wellen einer ungesehenen physischen Kraft gibt (kosmische Wellen usw.) oder Elektrizitätsströme, so gibt es Mental-Wellen, Gedankenströme, Emotions-Wellen – wie zum Beispiel Ärger, Sorge usw. –, die hinausgehen und andere beeinflussen, ohne dass diese wissen, woher sie kommen, oder dass sie überhaupt kommen; sie fühlen lediglich das Ergebnis. Einer, dessen okkulte oder innere Sinne wach sind, kann sie kommen und in sich eindringen fühlen. Gute und schlechte Einflüsse können sich auf diese Weise zeigen; dies kann unabsichtlich und auf natürliche Weise geschehen, doch ebenso kann willkürlicher Gebrauch davon gemacht werden. Es gibt auch eine gezielte Erzeugung von Kraft, sei es von spiritueller oder anderer Art. Auch kann ein starker Wille oder eine Idee angewandt werden, die unmittelbar wirken, ohne die äußere Tat, Rede oder eine andere Instrumentation zu Hilfe zu nehmen; diese wären in jenem Sinne nicht konkret, doch nichtsdestoweniger wirkungsvoll. Solche Dinge sind keine Phantastereien, Täuschungen oder Humbug, sondern wirkliche Phänomene.

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Die Tatsache, dass du die Kraft nicht fühlst, ist kein Beweis, dass sie nicht existiert. Auch die Dampfmaschine fühlt nicht die Kraft, die sie bewegt, und doch existiert die Kraft. Ein Mensch sei keine Dampfmaschine? Nun, er ist nur sehr wenig mehr, denn er ist sich nur einiger Blasen an der Oberfläche bewusst, die er sein “Selbst” nennt, und er ist sich all der unterbewussten, unterschwelligen und überbewussten Kräfte, die ihn bewegen, durchaus nicht bewusst. (Diese Tatsache wird mehr und mehr durch die moderne Psychologie bestätigt, obwohl sich diese nur mit der niederen und nicht mit der höheren Kraft befasst – du solltest daher deine rationale Nase nicht über sie rümpfen.) Der Mensch macht viel intellektuelles und törichtes Wesen um die Resultate an der Oberfläche und schreibt sie alle seinem “edlen Selbst” zu; dabei übersieht er die Tatsache, dass sein “edles Selbst” für ihn tief hinter dem Schleier seines trübe funkelnden Verstandes und dem brodelnden Nebel seiner vitalen Gefühle, Emotionen, Impulse, Erregungen und Eindrücke verborgen ist. Daher ist dein Argument völlig absurd und nichtssagend. Unser Ziel ist es, die geheimen Kräfte aus ihrer Ummauerung heraus in das Freie zu bringen, sie herabstürzen und in Strömen fließen zu lassen, so dass wir nicht länger nur einige ihrer Schatten oder ihr Aufleuchten hinter dem Schleier flüchtig erblicken oder sie gar gänzlich eingeschlossen finden. Doch all dies auf einmal zu erwarten, ist eine anmaßende Forderung, die auf ungeduldige Unkenntnis und Unerfahrenheit hinweist. Wenn sie [die Kräfte] anfangs zu tröpfeln beginnen, reicht das aus, um den Glauben an ein künftiges Herabströmen zu rechtfertigen. Du gibst zu, dass du ein, zwei Mal eine Kraft herabkommen fühltest; das beweist, dass die Kraft da war und dass sie wirkt und nur dein mühseliges herkulisches Ringen daran schuld ist, dass du sie nicht fühlst. Dieses Tröpfeln gibt dir die Gewissheit, dass das Herabströmen möglich ist. Man muss nur weitergehen und sich durch seine Geduld das Herabströmen .verdienen oder aber, ohne es zu verdienen, sich treiben lassen, bis man es erhält. Im Yoga ist die Erfahrung als solche ein Versprechen und ein Vorgeschmack, doch sie verbirgt sich, bis die menschliche Natur für die Erfüllung bereit ist. Das ist etwas, was jedem Yogi vertraut ist, wenn er auf seine vergangenen Erfahrungen zurückblickt. Auf diese Weise musst du die kurzen Erscheinungen von Ananda betrachten, die du früher hattest. Es macht nichts, wenn du nicht die Zähigkeit eines Blutegels besitzt – Blutegel sind nicht der einzige Typ von Yogis. Wenn du dich nur irgendwie festklammern kannst oder etwas dich hält – das genügt!

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Von diesen Dingen sollte man nicht sprechen, sondern sie verborgen halten... Selbst in gewöhnlichen, nicht-spirituellen Dingen ist die Tätigkeit unsichtbarer oder subjektiver Kräfte dem Zweifel und der Diskussion ausgesetzt, durch die man keine substantielle Gewissheit erlangen kann, während die spirituelle Kraft sowohl in sich unsichtbar als auch in ihrer Tätigkeit unsichtbar ist. Es ist daher ein müßiger Versuch zu beweisen, dass dieser oder jener Erfolg der Auswirkung spiritueller Kraft zuzuschreiben ist. Jeder muss sich hierüber seine eigenen Ansichten bilden; denn wenn sie [die spirituelle Kraft] akzeptiert wird, kann es nicht aufgrund eines Beweises oder eines Argumentes sein, sondern allein als ein Ergebnis der Erfahrung, des Glaubens oder aufgrund jener Einsicht in das tiefere Herz oder den tieferen Verstand, die erkennt, was hinter den Erscheinungen steht. Spirituelles Bewusstsein will sich auf solche Weise nicht durchsetzen, es kann seine Wahrheit darlegen, doch nicht darum kämpfen, dass sie angenommen wird. Eine allgemeine und unpersönliche Wahrheit der spirituellen Kraft ist etwas anderes, doch bezweifle ich, ob die Zeit hierfür gekommen ist oder ob es durch den rein erwägenden Verstand begriffen werden würde.

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Wenn ich vom yogischen Standpunkt aus über diese Dinge schreibe, selbst auf logischer Grundlage, muss sich notwendigerweise vieles mit den gängigen Meinungen im Widerspruch befinden, zum Beispiel über Wunder oder über die Grenzen, die der Beurteilung durch die Sinne gesetzt sind usw. Ich habe es so gut wie möglich vermieden, über diese Dinge zu schreiben, da ich etwas darlegen müsste, das nicht verstanden werden kann, es sei denn, man würde es auf andere Tatsachen als jene der physischen Sinne oder des Verstandes beziehen. Ich müsste von Gesetzen und Kräften sprechen, die vom Verstand oder der Naturwissenschaft nicht anerkannt werden. In meinen öffentlichen Schriften und meinen Briefen an Sadhaks habe ich diese nicht erwähnt, da sie über das Fassungsvermögen des gewöhnlichen Wissens und das davon abhängige Verständnis hinausgehen. Diese Dinge sind einigen Menschen bekannt, doch sprechen sie meist nicht darüber, während die öffentliche Meinung dem, was bekannt ist, entweder gläubig oder ungläubig gegenübersteht, in beiden Fällen aber ohne Erfahrung und Wissen.

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Was du über deine Erfahrungen und Vorstellungen schreibst, sieht so aus, als ob sich lediglich die alten Gedanken und Bewegungen erheben – wie so oft –, um den geraden Weg der Sadhana zu behindern. Mentale Verwirklichungen und Ideen dieser Art sind bestenfalls Halbwahrheiten und häufig nicht einmal das; hat man einmal eine Sadhana aufgenommen, die das Mental überschreitet, ist es ein Fehler, solchen Ideen zu große Bedeutung beizumessen. Sie können durch falsche Anwendung leicht eine ergiebige Quelle des Irrtums werden.

Bei näherer Betrachtung deiner Vorstellungen wirst du ihre erhebliche Unzulänglichkeit erkennen. Zum Beispiel:

1. Materie ist jaḍa [unbewusst] nur dem Anschein nach. Selbst die moderne Wissenschaft anerkennt, dass Materie lediglich in Tätigkeit befindliche Energie ist, und wir in Indien wissen, dass Energie die Kraft des tätigen Bewusstseins ist.

2. prakṛti in der stofflichen Welt scheint jaḍa zu sein, doch ist auch dies nur scheinbar so. prakṛti ist in Wirklichkeit die bewusste Macht des Spirits.

3. Ein Herabbringen des Spirits in die Materie kann nicht zum laya, zur Auflösung in der jaḍa prakṛti führen. Ein Herabkommen des Spirits kann allein ein Herabkommen des Lichts, des Bewusstseins und der Macht bedeuten, nicht das Anwachsen der Unbewusstheit und Trägheit, was man unter laya-jaḍa versteht.

4. Der Spirit ist bereits in der Materie wie auch sonst überall; allein eine scheinbare Unbewusstheit an der Oberfläche oder ein involviertes Bewusstsein verhüllt seine Gegenwart. Was wir zu tun haben ist, die Materie zum spirituellen Bewusstsein zu erwecken, das in ihr verborgen ist.

5. Unser Ziel ist, das supramentale Bewusstsein, Licht und Energie, in die stoffliche Welt herabzubringen da allein auf diese Weise die stoffliche Welt wahrhaft umgewandelt werden kann.

Wenn zu irgendeiner Zeit Unbewusstheit und Trägheit wachsen, dann hat das seine Ursache im Widerstand der gewöhnlichen Natur gegen die spirituelle Wandlung. Doch findet dies meist deshalb statt, damit darauf eingewirkt, damit es eliminiert werden kann. Sobald man diesen Dingen erlaubt, sich zu verbergen, sich nicht zu erheben, wird die Schwierigkeit niemals aufgegriffen werden, und eine wirkliche Umwandlung kann nicht stattfinden.

Wenn es keine schöpferische Kraft in der stofflichen Energie gäbe, gäbe es kein stoffliches Universum. Materie ist nicht unbewusst oder ohne Dynamik, sondern eine involvierte Kraft und ein involviertes Bewusstsein wirken in ihr. Es ist das, was die Psychologen das Unbewusste nennen, von dem alles stammt – doch ist es nicht wirklich unbewusst.

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Es besteht keine Notwendigkeit, ein “die” vor “Qualität” zu setzen8; das würde den Sinn im Englischen verändern. Materie wird hier nicht als Qualität des Seins betrachtet, wie sie die Sinne wahrnehmen; das ergäbe, glaube ich, keinen Sinn. Sie wird vielmehr als Ergebnis einer bestimmten Macht und Tätigkeit des Bewusstseins betrachtet, das Formen seiner selbst der Sinnen-Wahrnehmung darbietet, und diese Qualität der Sinnen-Wahrnehmung gibt ihnen gleichsam die Erscheinungsform von Materie, das heißt einer gewissen, ihnen innewohnenden Substanz. In Wirklichkeit sind sie keine selbst-bestehenden substantiellen Objekte, sondern Formen des Bewusstseins. Der springende Punkt ist, dass es nichts Derartiges wie selbst-bestehende Materie gibt, wie sie von der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts dargestellt wurde.

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Du argumentierst entsprechend deinem sehr engen und begrenzten Sinnen-Bewusstsein und seinen ziemlich schwerfälligen Beziehungen zu den Ereignissen im stofflichen Raum. Was ist Raum letzten Endes anderes als eine Ausdehnung des bewussten Seins, in welcher die Bewusstseins-Kraft sich ihr eigenes Milieu errichtet? Auf der feinen physischen Ebene gibt es nicht nur eine, sondern viele Schichten von Bewusstsein, und jede bewegt sich in ihrem eigenen Sein, das heißt in ihrem eigenen Raum. Ich sagte, dass jede feine Ebene aus einer Anhäufung oder einer Serie von Welten besteht. Jeder Raum kann an jedem Punkt einen anderen treffen, ihn durchdringen oder mit ihm übereinstimmen; dementsprechend können an einem Punkt des Treffens oder der Übereinstimmung verschiedene feine Objekte das einnehmen, was wir ziemlich willkürlich den gleichen Raum nennen würden, und dennoch brauchen sie in keiner tatsächlichen Beziehung zueinander zu stehen. Wenn eine Beziehung hergestellt wird, geschieht dies durch das vielschichtige Bewusstsein des Sehenden, in dem der Treffpunkt, der sie herstellt, offenbar wird.

Andererseits kann eine Beziehung zwischen Objekten in verschiedenen Bereichen des Raumes hergestellt werden, die zueinander in wechselseitiger Beziehung stehen, wie in dem Fall des groben physischen Objektes und seines feinstofflichen Gegenstücks. In diesem Fall kannst du eher über die Beziehung eines Raumes zu einem anderen sprechen.

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Zeit und Raum sind nicht begrenzt, sie sind unendlich – sie sind der Ausdruck einer Ausdehnung des Bewusstseins, worin sich Dinge abspielen oder in einer bestimmten Beziehung und Folge und Ordnung angeordnet sind. Es gibt wiederum verschiedene Ordnungen von Zeit und Raum; auch dies hängt vom Bewusstsein ab. Das Ewige erstreckt sich in Zeit und Raum, doch ist es ebenfalls jenseits von aller Zeit und allem Raum. Zeitlosigkeit und Zeit sind zwei Begriffe des ewigen Daseins. Das Raumlose Ewige ist nicht eine unteilbare Unendlichkeit des Raums, es gibt in ihm nicht nah oder fern, nicht hier oder dort – das Zeitlose Ewige ist nicht messbar in Jahren oder Stunden oder Äonen, seine Erfahrung wurde als der ewige Augenblick beschrieben. Doch dem Mental kann dieser Zustand nicht erklärt werden, außer durch Negationen – man muss darüber hinausgehen und ihn verwirklichen.

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Die9 Frage rührt von den dreidimensionalen menschlichen Vorstellungen des Raumes und der Teilung im Raum her, und diese Vorstellungen entspringen wiederum der begrenzten Natur der menschlichen Sinne. Für einige Wesen ist Raum eindimensional, für andere zweidimensional und für wieder andere dreidimensional, und darüber hinaus gibt es noch andere Dimensionen. Die Metaphysik anerkennt durchaus, dass das Unendliche auch in einem Punkt sein kann und nicht nur in der Ausdehnung des Raumes, genauso wie es eine ewige Ausdehnung in der Zeit gibt, doch ebenfalls eine Ewigkeit, die unabhängig von der Zeit ist, so dass sie im Augenblick gefühlt werden kann – man braucht nicht in Millionen und Abermillionen von Jahren zu denken, um dies zu erkennen. In gleicher Weise ist die starre Unterscheidung des Einen im Gegensatz zu den Vielen, eines Einen, der nicht viele sein kann, oder eines Alls, das sich durch Addition zusammenfügt und nicht selbst-bestehend ist, eine rohe mentale Vorstellung des äußeren, begrenzten Mentals, die man für das Unendliche nicht anwenden kann. Wenn das All diesen stofflichen und unspirituellen Charakter hätte, wenn es an eine grundlegende Arithmetik und Geometrie gefesselt wäre, würde die Verwirklichung des Universums in einem selbst, die Verwirklichung von allen in jedem und von jedem in allen, die Verwirklichung des Universums im bindu unmöglich sein. Deine X‘s haben offensichtlich keine Ahnung von elementarem metaphysischen Denken, sonst würden sie nicht derartige Einwände vorbringen.

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Nur indem man alle Dinge als aus einer einzigen spirituellen Substanz bestehend erkennt, kann man zu der Einheit gelangen – Einheit ist im spirituellen Bewusstsein. Der stoffliche Punkt ist nur ein Punkt unter Millionen und Abermillionen, daher ist er nicht die Grundlage der Einheit. Doch hast du einmal die Einheit im Bewusstsein erlangt, kannst du durch sie die Einheit der Mentalsubstanz, der Mentalkraft usw. fühlen, die Einheit der Lebenssubstanz (beweglich) und Lebenskraft, die Einheit der stofflichen Substanz und Energien. Sein, Bewusstsein des Seins, Energie des Bewusstseins, Form des Bewusstseins, alle Dinge sind tatsächlich dies.

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Es stimmt, das Wort “Aberglaube” wurde stets als handliche Axt benutzt, um jeglichen Glauben niederzuschlagen, der nicht mit den Ideen des materialistischen Verstandes übereinstimmt, das heißt also des physischen Mentals, das sich mit dem augenscheinlichen Gesetz eines physischen Vorganges befasst und nicht darüber hinaussieht. Es wurde ebenfalls dazu benutzt, um Ideen und Ansichten herabzusetzen, die sich nicht in Übereinstimmung mit dem befanden, was man sich selbst unter der rationalen Norm überphysischer Wahrheiten vorstellt. Viele Zeitalter hindurch hegte der Mensch Glaubensvorstellungen, die eine Kraft im Hintergrund mit einbezogen, deren Wirkungsweise dem physischen Mental unbekannt war, da sie die Beglaubigung des äußeren Verstandes und der Sinne überschritt. Die Wissenschaft trat dann mit einer Erkenntnismethode auf, welche die Wirklichkeit dieses äußeren Bewusstseinsbereiches erweiterte, und glaubte, mit dieser Methode das gesamte Dasein erklären zu können. Sie fegte sofort alle alten Glaubensformen ohne nähere Prüfung als “Aberglauben” hinweg – die wahren, halbwahren oder falschen, und alle wanderten mit einem gleichgültigen Schwung auf den Kehrichthaufen, da sie sich nicht auf die Methode der Naturwissenschaft verließen, außerhalb deren Daten lagen oder mit ihrem Standpunkt unvereinbar zu sein schienen. Selbst im Bereich überphysischer Erfahrung wurde nie das anerkannt, was man entsprechend einem bestimmten Vorstellungsbereich mental-rational erklären konnte – alles übrige, alles, was zu seiner Erklärung einen okkulten, mystischen oder unterhalb der Oberfläche liegenden Ursprung in Anspruch zu nehmen schien, wurde als Aberglaube abgetan. Volkstümliche Glaubensvorstellungen, die manchmal der Phantasie entsprangen, doch manchmal auch einem traditionell-empirischen Wissen oder einem echten Instinkt, teilten das gleiche Schicksal. Dass all dies ein voreiliges und unberechtigtes Vorgehen war, das sich seinerseits auf dem “Aberglauben” der Gültigkeit der neuen Wissenmethode gründete, die aber tatsächlich nur in einem begrenzten Bereich anwendbar ist, wird nun immer deutlicher. Ich stimme mit dir überein, das Wort “Aberglauben” sollte entweder überhaupt nicht oder nur mit großer Vorsicht benützt werden. Es für Glaubensformen anzuwenden, die von der Religion, der man zufällig angehört oder die man schätzt, nicht anerkannt werden, ist ganz offensichtlich ein Anachronismus.

Der wachsende Meinungsumschwung im Hinblick auf viele Dinge, die früher verachtet waren, nun aber wieder zu Ansehen kommen, ist überaus erstaunlich. Den von dir angeführten Beispielen könnten hundert andere hinzugefügt werden. Es ist nicht ganz verständlich, warum ein Glaube an Graphologie als irrational oder abergläubisch abgetan werden sollte; es erscheint mir vielmehr durchaus vernünftig zu glauben, dass die Handschrift eines Menschen mit seinem Temperament und seiner Natur zusammenhängt oder mit diesen übereinstimmt und bei näherer Betrachtung durchaus als Hinweis für den Charakter dienen kann. Es ist eine bekannte Tatsache, dass jeder Mensch eine eigene Individualität mit der ihr eigenen bestimmten Formung besitzt, die sich von anderen unterscheidet und die aus winzigen Veränderungen im allgemeinen menschlichen Plan besteht; dies gilt sowohl für kleine physische Merkmale und offensichtlich auch für psychologische Merkmale, und eine Verbindung zwischen beiden anzunehmen, ist durchaus nicht unvernünftig. Auf dieser Grundlage kann Chiromantie sehr wohl eine Wahrheit enthalten; es ist eine bekannte Tatsache, dass die Linien in der Hand des einen Menschen von den Linien in der Hand des anderen verschieden sind, und dass dies, ebenso wie die Unterschiede in der Physiognomie, psychologische Hinweise enthalten kann, ist durchaus möglich. Für ein Mental, das unter rationalistischen Einflüssen geschult ist, wird die Schwierigkeit größer, wenn solche Linien oder die Daten der Astrologie als Schicksalszeichen gedeutet werden, denn der moderne Rationalismus weist entschlossen von sich, dass die Zukunft vorherbestimmbar oder voraussagbar ist. Doch dies wiederum sieht mehr und mehr wie ein “Aberglaube” des modernen Mentals aus, der sich seltsamerweise im Widerspruch mit den grundlegenden Vorstellungen der Wissenschaft befindet. Denn die Wissenschaft glaubte zumindest bis gestern, dass alles in der Natur determiniert sei, und versucht, die Gesetze jener Determination zu finden, um künftige physische Geschehnisse auf dieser Grundlage vorauszusehen. Wenn das stimmt, ist die Annahme berechtigt, dass es unsichtbare Zusammenhänge gibt, die das menschliche Geschehen in der Welt bestimmen und dass künftige Ereignisse deshalb vorhersagbar sind. Ob dies nach den Richtlinien der Astrologie oder Chiromantie geschehen kann, wäre zu prüfen, doch kommt man nicht weiter, indem man diese Möglichkeit vorschnell verneint. Es spricht viel für die Astrologie, und es scheint ebenfalls viel für die Chiromantie zu sprechen.

Auf der anderen Seite ist es nicht gut, die entgegengesetzte Richtung allzu hastig einzuschlagen. Es besteht dann nämlich die gegenteilige Tendenz, alles auf diesem Gebiet zu glauben und seine Augen gegenüber dem Element der Begrenzung oder des Irrtums in diesen schwierigen Wissenszweigen zu schließen; und dieses Übermaß an blindem Glauben trug dazu bei, sie in Verruf zu bringen, da ihre Irrtümer auf der Hand lagen. Es scheint mir nicht festzustehen, dass die Sterne die Zukunft bestimmen – obwohl es möglich ist –, doch sieht es so aus, als würden sie diese anzeigen, beziehungsweise einige ihrer Gewissheiten und Möglichkeiten. Die Astrologen geben zu, dass ein weiteres Element der Determination im Menschen selbst vorhanden ist, welches das Feld der astrologischen Voraussage einschränkt und sogar viele ihrer ermittelten Ergebnisse verändern kann. Es ist ein sehr verwickelter und schwieriger Kräfte-Komplex, aus der jede Determination von Dingen in der Welt besteht, und wenn wir einen Faden des Stranges entwirrt haben und ihm folgen, mögen wir viele überraschende Ergebnisse erhalten, können uns aber darauf nicht als den einzigen, völlig sicheren Hinweis verlassen. Die Methoden des Mentals sind zu starr und zu angenehm einfach, als dass sie die volle und ganze Wahrheit der Wirklichkeit oder ihrer einzelnen Phänomene enträtseln könnten.

Ich stimme deiner Äußerung zu, dass man viel über einen Menschen erfahren kann, wenn man einen kleinen Teil seines Wesens untersucht, sei es physisch oder psychologisch; doch ich glaube, es führt zu weit zu sagen, man könnte den ganzen Menschen aus einem winzigen Partikel seines Haares rekonstruieren. So wie ich die Komplexität und Vielfalt der Elemente im menschlichen Wesen sehe, würde ich eher annehmen, dass ein derartiges Vorgehen vom Zufall geprägt wäre und viel Unbekanntes die übertriebene Sicherheit der daraus resultierenden Struktur überschatten würde.

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Ich vermute, wir können nicht so weit gehen zu leugnen, dass es so etwas wie Aberglauben gibt – ein starrer, haltloser Glaube an etwas, das ziemlich unvernünftig und unzusammenhängend ist. Das menschliche Mental klammert sich bereitwillig daran, an solche Dinge zu glauben, die wahr sein können oder in sich wahr sind, und dieses Durcheinander beeinträchtigt sehr ungünstig die Suche nach Erkenntnis. Doch gerade wegen dieser Wirrnis, weil irgendwo hinter dem Aberglauben oder nicht weit weg von ihm meist tatsächlich etwas Wahres steckt, sollte man vorsichtig sein, dieses Wort zu gebrauchen oder mit ihm als handlichem Besen sowohl das Wahre als auch das teilweise Wahre und das Unbegründete hinwegzufegen und dann zu beanspruchen, der übriggebliebene nackte Boden sei die einzige Wahrheit der Sache.

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Als ich den Satz über einen “starren, blinden Glauben” niederschrieb, dachte ich eigentlich nicht an den religiösen Glauben, sondern an die allgemeinen volkstümlichen Ideen und Vorstellungen. Deine Ansicht der Sache ist in jedem Fall durchaus vernünftig. Man kann und sollte an seinen eigenen Pfad glauben und ihm folgen, ohne andere zu verdammen oder auf sie herabzublicken, die eine andere Vorstellung von dem haben, was man selbst für die beste und größte Wahrheit hält. Der spirituelle Bereich ist vielseitig und komplex und bietet einer unendlichen Vielfalt von Erfahrungen Platz. Außerdem muss jeder mentale und spirituelle Egoismus überwunden werden, daher sollte man dieses Gefühl der Überlegenheit nicht dulden.

P. S. Ein wahrhaftes, rückhaltloses und zielstrebiges Annehmen dieses Yoga sollte auf eine Ebene führen, auf der diese starren Trennungen nicht mehr bestehen; denn sie sind mentale Wände, die um einen Teil der Wahrheit und des Wissens errichtet werden, um sie vom übrigen abzutrennen; die Sicht von oberhalb des Mentals jedoch ist umfassend, und alles erhält in ihr seinen Platz im Ganzen.

 

1 Ich sage, dass die Vorstellung des Supramentals bereits in alten Zeiten bestand. In Indien und anderswo wurde der Versuch gemacht, es zu erreichen, indem man sich zu ihm erhebt; was aber nicht erreicht wurde, war die Methode, es mit dem Leben zu integrieren und für die Umwandlung der gesamten Natur, selbst der physischen Natur herabzubringen.

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2 Sri Aurobindo bezieht sich hier auf Lord Asquith, der 1908-1916 als Premierminister die Liberale Partei Englands vertrat.

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3 Sri Aurobindo bezieht sich hier auf den Traum eines Sadhaks, in dem dieser ein Ferngespräch mit einem Freund führte. Die Stelle in dessen Brief lautet: “Im äußeren Leben, glaube ich, ist ein Telefongespräch weit weniger befriedigend als der Austausch von Briefen. Ist es nicht sehr symbolisch, dass Telefon und Kino auftauchen, gerade zu einer Zeit, it der die menschliche Verhaltensweise und menschliche Kontakte versagen? Durch Falschheit, Gefühllosigkeit und egozentrische Gleichgültigkeit wird jeder Mensch für einen anderen mehr und mehr zu einem bedeutungslosen Schatten und einer trügerischen Stimme.”

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4 One unmoving that is swifter than Mind. That the Gods reach not, for It progresses ever in front. That, standing passes beyond others as they run.” Isha-Upanishad, Verse 4. Sri Aurobindo‘s translation.

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5 Die Götter befinden sich zudem innerhalb von Raum und Zeit und sind diesen unterworfen, sie sind Bestandteil der Bewegung in Raum und Zeit und diesen nicht übergeordnet.

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6 Sri Aurobindo gebraucht hier das deutsche Wort.

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7 Agni – vedische Gottheit des Feuers.

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8 “Matter itself, you will one day realize, is not material, it is not substance but form of consciousness, guna, the result of quality of being perceived by sense-knowledge”.

“Materie als solche ist, wie du eines Tages erkennen wirst, nicht stofflich, sie ist keine Substanz, sondern eine Form des Bewusstseins, guṇa, das Ergebnis der Qualität des Seins, das durch das Sinnen-Wissen wahrgenommen wird.”

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9 “Wie kann sich das Göttliche, welches das all-durchdringende, all-enthaltende Unendliche ist, in dem kleinen Raum des menschlichen Körpers inkarnieren?”

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