Mutters
Agenda
zwölften Band
14. Juli 1971
Die Erkältung dauert hartnäckig an, sie will mich nicht loslassen...
Und was bringst du?
Eine von Z gestellte Frage. Sie hat einen Freund in Kalkutta, der ihr über eine heimliche Guerillaorganisation in Bangladesh geschrieben hat. Er sagt ihr, daß sie für die Ausbildung der Guerillas Geld benötigen, um ihnen Waffen, Kleidung und alles Notwendige zu beschaffen. Er bittet sie, ihren Freunden in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland zu schreiben, um Geld zu sammeln. Aber sie fragt, ob sie es tun soll. Sie will nichts ohne deine Erlaubnis tun.
Sie kann es tun, nur darf sie meinen Namen nicht erwähnen. Ich selbst bitte um nichts. Verstehst du, wenn sie fragt und wenn jemals... Sie kann es in ihrem eigenen Namen tun, wie ein Wohltätigkeitswerk, aber ich erscheine nicht, ich bitte um nichts.
(Schweigen)
Das bringt mich in eine schwierige Situation... Das ist sehr schwierig.
Inwiefern?
Die Leute sagen mir: Alle Kosten haben sich verdoppelt, wir sind erbärmlich dran, wir können nichts geben. Für mich hat sich auch alles verdoppelt, und ich erhalte kein Geld mehr.
Die Situation ist sehr schwierig geworden.
(langes Schweigen)
Meine Erkältung hält hartnäckig an, sie will nicht fortgehen.
Wodurch wird sie verursacht?
Ich persönlich halte es für eine Mischung – eine Kombination aus einer Ansteckung von Leuten, die kamen und mir dieses Geschenk machten, und gleichzeitig sind es Dinge, die sich ändern wollen... Du kannst dir die Formationen (Geste um Mutter herum) nicht vorstellen, unglaublich – die Formationen, die um mich herumwirbeln...
Ich fand Briefe von Sri Aurobindo an mich wieder, in denen er die aktuelle Situation beschreibt – man könnte sagen, das spiele sich jetzt ab 1!
Sind es gegnerische Formationen?
Ja, natürlich! Alles, was verschwinden soll und sich nun verbissen anklammert.
Für mich sind alle diese Formationen (sie sind mehr als katastrophal, verstehst du) für mich ist das nichts, sie spielen keine Rolle, aber es beeinträchtigt die Leute, sie stellen sich quer und dann... Man kann sagen, daß die Auswirkungen auf meinen Körper ein Minimum von dem sind, was sie sein könnten.
Der Körper sieht sehr deutlich den wunderbaren Schutz, der über ihm steht, sonst würde er wirklich zerrissen.
(Mutter tritt in Kontemplation)
ADDENDUM
(Einige Abschnitte aus Sri Aurobindos Briefen an Mutter,
als sie noch in Frankreich war)
6. Mai 1915
Alles geschieht immer zum Besten, aber manchmal ist es von außen gesehen ein unbequemes Bestes...
Die gesamte Erde steht jetzt unter einem einzigen Gesetz und antwortet auf dieselben Schwingungen. Ich bezweifle, daß man noch einen Ort finden kann, wo der Zusammenprall des Kampfes uns nicht einholt. Jedenfalls scheint eine tatsächliche Zurückgezogenheit nicht meine Bestimmung zu sein. Ich muß mit der Welt in Kontakt bleiben, bis ich entweder die gegnerischen Umstände gemeistert habe oder ihnen unterlegen bin oder den Kampf zwischen dem Spirituellen und Physischen so weit ausgetragen habe, wie es mir bestimmt ist. So habe ich die Dinge immer gesehen und sehe sie weiter so. Was Niederlagen, Schwierigkeiten und scheinbare Unmöglichkeiten betrifft, bin ich zu sehr an sie gewöhnt, um von ihrer ständigen Selbstdarstellung beeindruckt zu werden, außer in vorübergehenden Augenblicken...
Man muß ein ruhiges Herz, einen festen Willen, eine totale Selbstaufgabe haben und die Augen ständig auf das Höherliegende gerichtet halten, um in solchen Zeiten, die wahrhaft Perioden eines universalen Zerfalls sind, weiterzuleben, ohne sich entmutigen zu lassen. Ich selbst folge der Stimme und schaue weder nach rechts noch nach links. Das Ergebnis liegt nicht in meiner Hand, nicht einmal die Arbeit.
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28. Juli 1915
Alles Innere ist reif oder dabei zu reifen, aber es findet eine Art unentschiedener Kampf statt, in dem keine Seite einen sichtbaren Fortschritt machen kann (etwa wie der Grabenkrieg in Europa), wobei die spirituelle Kraft sich gegen den Widerstand der physischen Welt vorankämpft, und dieser Widerstand jeden Zentimeter streitig macht und mehr oder weniger wirksame Gegenangriffe unternimmt... Wären nicht die innere Kraft und das Ananda gegenwärtig, wäre es eine lästige und abscheuliche Arbeit; aber das Auge der Erkenntnis schaut darüber hinaus und sieht, daß es nur eine sich hinziehende Episode ist.
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16. September 1915
Nichts scheint in der Lage, die Unbeweglichkeit der Dinge zu stören, und alles, was außerhalb unserer selbst tätig ist, ist eine Art Aufruhr von dunkler und düsterer Konfusion, aus dem nichts Geformtes oder Leuchtendes hervorkommen kann. Es ist ein eigentümlicher Zustand der Welt, die Definition des Chaos selbst, während die äußere Form der alten Welt oberflächlich unbeschädigt bleibt. Aber handelt es sich um das Chaos eines langen Zerfalls oder das einer baldigen neuen Geburt? Diese Frage wird von Tag zu Tag ausgefochten, bis jetzt jedoch, ohne sich einer Entscheidung anzunähern.
Sri Aurobindo
On Himself, XXVI.424 ff.
1 Wir veröffentlichen im Addendum die Briefe, auf die Mutter sich bezieht.