Mutters
Agenda
elften Band
(Mutters Stimme scheint immer schwächer zu werden.
Dieses Gespräch enthält vielleicht den Schlüssel zu allem.)
Nun, hast du heute Fragen mitgebracht?
Ja, liebe Mutter, auch sie [auf Sujata deutend] hat welche.
Fang du an; danach kann sie sprechen.
Ich weiß nicht, ob es eine "Frage" ist, aber... Ich verstehe die Funktionsweise des Subtilphysischen oder die Beziehung zwischen dem Subtilphysischen und dem materiellen Physischen nicht ganz. Zum Beispiel sagst du, daß Sri Aurobindo sich im Subtilphysischen aufhält und daß er daran arbeitet, die neue Welt vorzubereiten...
Ja.
Und auch wir arbeiten durch einen Teil unseres Wesens nachts oft dort, um das vorzubereiten... was kommen wird. Aber wie?
Hör zu, deine Frage kommt gerade richtig. Letzte Nacht erlebte ich zum ersten Mal – es ist wirklich das erste Mal – eine ganze Geschichte (die ich dir erzählen werde). Es war kein Traum, ich schlief nicht, und ich war vollkommen überzeugt, daß es sich um etwas handelte, das im selben Augenblick hier geschah (vielleicht nicht in dieser Form, aber doch auf ähnliche Weise), und dann stellte ich fest, daß hier nichts geschehen war (jedenfalls gab es äußerlich keinerlei Anzeichen)... Es widerstrebt mir aber, irgendwelche Namen zu nennen. Nun, ich werde keine Namen nennen, das hat keine Bedeutung. Jedenfalls waren da Namen, Personen, absolut GENAU wie hier.
Ich erinnere mich nicht mehr, wie es anfing, aber ich war sehr krank, ernsthaft krank, und mein Körper schlief nicht, war aber auch nicht wach (dies ist jetzt ein ziemlich normaler Zustand für mich: ich bin völlig vertieft in ein Bewußtsein, das ich für das Bewußtsein des Subtilphysischen halte; zumindest war es letzte Nacht so). Ich war also sehr krank, und ich wußte, daß es nicht dieser Körper hier war (aber es war das Bewußtsein dieses Körpers). Das ganze spielte sich in einer Familie des Ashrams ab, und der Vater holte Hilfe – er war auf der Suche nach dem Arzt. (Alle Einzelheiten waren so präzise!...) Unterdessen sagte sich der Körper: "So bin ich also mit dieser Person identifiziert, denn sie (das heißt mich) pflegt er ja. Und weil ich mit dieser Person identifiziert bin, muß ich das Notwendige in ihr bewirken." So konzentrierte ich mich, rief die Kräfte des Herrn und heilte diesen Körper. All dies bis ins kleinste Detail. Das dauerte zwei Stunden. Gleichzeitig sah ich Leute, die an der Sache überaus interessiert waren und zuschauten (Mutter machte erstaunte Augen) und zu verstehen versuchten, was vor sich ging. Das heißt, es geschah in einer Welt, die ganz und gar wie die materielle Welt erschien, wo man aber bewußt war.
Ich erzähle nicht alle Einzelheiten, aber mein Körper FÜHLTE den Kampf der Krankheit. Und gleichzeitig wußte er, daß es nicht sein Körper war. So war das. Ein sehr komplexes und sehr präzises Bewußtsein mit einer großen Kraft. All dies geschah gleichzeitig: ich schlief nicht.
Heute morgen erwartete ich eine Meldung, daß etwas sehr Ernstes in dieser Familie passiert sei (drei Personen in dieser Familie sind krank: drei Frauen), daß einer der dreien etwas zugestoßen sei. Aber nichts war passiert... Dennoch war es eine TATSACHE, schließlich wurde es ja bei ganz klarem Bewußtsein in allen Einzelheiten erlebt – im Subtilphysischen. Aber... der Körper fühlte sich wirklich sehr krank. Gleichzeitig wußte er, daß es die Krankheit einer anderen Person war. Er nahm die erforderliche Haltung ein und sagte: "Dies geschieht, damit ich die richtige Haltung für diese Person einnehme." All das geschah vollkommen bewußt. Er nahm die entsprechende Haltung ein und blieb zwei Stunden lang so.
Da gibt es nur eine Möglichkeit: All das geschah ja während der Nacht, und diese Leute schliefen also und merkten nichts davon... Verstehst du, mein Körper hat den Eindruck, daß er jemandem das Leben gerettet hat.
Ja, man hat dir deshalb keinen Vorfall berichtet, weil du den Unfall verhindert hast.
Das Ende kenne ich nicht. Ich bin "erwacht" und in das gewöhnliche Bewußtsein zurückgekehrt. Dann mußte ich aufstehen, und... es war eher eine Erleichterung für den Körper, denn er hatte gelitten. Danach litt er nicht mehr. Aber dies lag daran, daß die Arbeit nun getan war.
Ja, im Physischen war deshalb nichts passiert, weil du die Sache im Subtilphysischen abgewendet hast.
Das ist möglich. Aber es ist... Noch nie zuvor habe ich so vollständig im Subtilphysischen gelebt – bei vollem Bewußtsein, OHNE ZU SCHLAFEN (ich lag nur auf meinem Bett), zwei Stunden lang. Die Dinge waren genauso real, genauso präzise wie hier... Und derselbe Wille: kein anderer Wille, sondern der gleiche, der göttliche Wille, der durch das Psychische in diesem Körper wirkt, hier wie dort ohne Unterschied. Das heißt, ob ich nun im Subtilphysischen oder im materiell Physischen bin, in beiden wirkt derselbe Wille, derselbe psychische Wille – genau DERSELBE und auf dieselbe Weise. Deshalb... kann ich den Unterschied nicht beschreiben. Es gibt einen Unterschied... einen sehr feinen Unterschied, man hat nicht den Eindruck von etwas Starkem oder Schwerem. Diese Vereinigung der beiden, des Subtilphysischen mit dem materiellen Physischen, findet die ganze Zeit statt – Tag und Nacht, Tag und Nacht. Die Arbeit besteht darin... Man könnte fast sagen, daß man versucht, das eine durch das andere zu ersetzen.
Und weißt du, die Gesichter, die Mienen, die Gesten, die Bewegungen und Worte waren so präzis – genauso präzise wie hier. Dies scheint eine Antwort zu sein... denn ich hatte gefragt... Ich glaube, es war gestern: wenn ich so dasitze – wie neulich mit dir –, dann verschmelzen die beiden Welten (Mutter schiebt die Finger ihrer rechten Hand zwischen die der linken), man kann keinen Unterschied spüren. Und ich fragte Sri Aurobindo, ob die Dinge ebenso präzise und genau sind, und er antwortete: Ja, aber ich müsse die entsprechende Erfahrung selber machen. Und letzte Nacht hatte ich diese Erfahrung auf eine ganz unerwartete Weise – gegen drei Uhr morgens (zwischen zwei und drei).
Danach sah ich heute morgen eine Person dieser Familie, die es hätte betreffen können – sie erwähnte nichts, sprach von nichts... Folglich hatte es für sie vielleicht im Schlaf begonnen, und die Aktion [von Mutter] hatte genügt, um sie zu heilen, ohne daß sie sich dessen bewußt war. Das ist möglich.
Verstehst du, es handelt sich um ein gewisses Bewußtsein, das sagt: "Mein Körper leidet", und es war nicht mein Körper, sondern der von jemand anderem. Er sagte: "Ich leide, aber ich weiß, daß nicht ich es bin – es ist das Leiden einer Person aus dieser Familie (und ich habe nicht herauszufinden versucht, welche), und zwar damit ich das tue, was ich für mich selbst tun würde", und ich tat es – zwei Stunden lang.
Dies war das erste Mal. Etwas ähnliches geschieht jede Nacht, aber nur flüchtig, es kommt für eine Einzelheit, einen Augenblick, und die übrige Zeit befinde ich mich in einem vollkommenen Frieden. Dies war das erste Mal, daß ich eine solche Aktion durchführte. Und ich fühlte mich dabei so krank, daß ich mich fragte (während es andauerte), ob dies physische Spuren in mir hinterlassen würde. Als ich spürte, daß ich aufstehen sollte, dachte ich deshalb, daß auch das gewollt war. Ich stand auf und stellte fest: da war nichts.
Aber dies weist darauf hin (mehr und mehr, Tag für Tag, eine Erfahrung nach der anderen), wie sehr das Eingreifen dieses Willens (den wir den göttlichen Willen nennen) durch das Psychische (oder sogar direkt, das kommt auf den Fall an), wie... allmächtig dies ist. Es hängt einzig davon ab... Dieser Wille wirkt immer auf eine vollkommene Harmonie hin – ja, eine vollkommene Harmonie, so wie wir sie uns vorstellen können; diese Vorstellung schließt gleichzeitig das Wissen ein, daß auch dies fortschreitend sein wird: sobald diese Harmonie manifestiert worden ist, wird die Arbeit für eine weitere Vollkommenheit beginnen, die sich uns im Augenblick noch entzieht. Es weiß auch dies.
Mehr und mehr ist es ist eine Art... keine wirkliche Verschmelzung [des Subtilphysischen mit dem materiellen Physischen], sondern... (wie soll ich sagen?) Damit alles zusammenhält, besteht weiterhin diese Seinsweise des materiellen Bewußtseins (des physischen materiellen Bewußtseins), aber es findet darin eine Durchdringung statt (es ist wirklich eine Durchdringung), die das andere nicht verdrängt, die aber... vermutlich auf Dauer das andere transformieren wird. Es verdrängt das andere [das materielle Bewußtsein] nicht, beherrscht es aber – mitunter herrscht auch noch das andere vor; und dann, je nachdem... verändert es sogar die äußeren Umstände (das ist schwierig zu erklären).
Es verändert die äußeren Umstände?
Ja.
Sieh an!...
Die äußeren Umstände. Diese Durchdringung soll bestimmt zur Ersetzung des einen durch das andere führen (das liegt aber wahrscheinlich noch in weiter Ferne). Dieses Subtilphysische arbeitet daran... (Mutter macht eine Geste, eine Wand abzunützen), das andere zu ersetzen, aber nicht durch eine Beseitigung sondern durch Transformation. Und man sieht (da man beide gleichzeitig wahrnimmt, sieht man es deutlich): dies bedeutet eine ungeheure Arbeit.
Das überwindet die Starrheit (unser Physisches ist nicht nur starr: es ist brüchig), es hebt diese Brüchigkeit auf: Da, wo es sonst bricht, biegt es sich, verstehst du? Da, wo das Alte zerbröckelt, fließt es, es wird (Mutter vollführt eine runde Geste)... Das ist sehr merkwürdig. Schwierig zu erklären.
Ich habe mich gefragt: "Aber wie? Wie wird...? 1 " Dank dieser Erfahrungen sehe ich es. Nur, weißt du, es bedeutet eine gigantische Arbeit...
Der Körper [von Mutter] wurde gewiß aus irgendeinem Grund als Erfahrungsfeld ausgewählt, vermutlich aufgrund der Anpassungsfähigkeit der Substanz (ich weiß es nicht). Vielleicht gibt es einen Grund, aber Tatsache ist jedenfalls, daß er ausgewählt wurde, um die Erfahrung zu machen. Denn die Erfahrung ist im Gang: es fängt beim Subtilsten an, und man sieht, daß es allmählich... (Geste einer zunehmenden Herabkunft in die Materie). Vor Monaten fing es beim Subtilsten an, um dann nach und nach, SEHR langsam und in zunehmendem Maße in einen materielleren Bereich hinabzudringen. Letzte Nacht war es wirklich bemerkenswert... Man hätte nicht sagen können: "Dies ist das Subtilphysische, und das ist das materielle Physische." Es war... (Mutter schiebt die Finger ihrer rechten Hand zwischen die der linken) erstaunlicherweise war das eine im anderen. Man hat nicht den Eindruck von ZWEI Dingen, und doch sind sie ganz verschieden – es ist eher eine andere Funktionsweise als ein Unterschied (ich weiß nicht, wie ich sagen soll), eine Funktionsweise, die ausschließlich dem Bewußtsein entstammt. Es ist ein Bewußtseinsphänomen.
Während der Erfahrung der letzten Nacht war alles auf einmal zugegen: der Körper fühlte, agierte, war bewußt, beobachtete, entschied – alles zusammen. Da war sogar... Ich weiß nicht, ich "sah" Sri Aurobindo nicht, spürte aber seine Gegenwart (das geschieht oft: manchmal sehe ich ihn, und er spricht nicht, manchmal sehe ich ihn nicht, und ich höre ihn, er spricht zu mir – es sind nicht die gleichen Gesetze), aber er machte mich darauf aufmerksam, oder vielmehr, ich stellte fest, daß, obwohl der Körper sehr litt (die Lage war kritisch), keine Spur von Angst im Körper war. Da sagte er mir: "Nur weil er fähig ist, keine Angst zu haben, kannst du dies tun."
Die Abwesenheit von Angst ist wirklich das Resultat dieses langjährigen Yogas – seit einem halben Jahrhundert.
Er war so (Geste geöffneter Hände), er bot sein Leid dar, die ganze Zeit auf diese Weise.
(Schweigen)
Nach dieser Nacht habe ich allen Grund zu denken, daß die Arbeit äußerst aktiv ist.
Wie verlaufen die Dinge denn im globalen Maßstab? Du sagst zum Beispiel, daß Sri Aurobindo, du und viele andere von uns im Subtilphysischen arbeiten, um die neue Welt vorzubereiten. Wie vollzieht sich die Durchdringung dieses Subtilphysischen?
Genau so.
Auf die gleiche Weise?
Exakt – DAS ist es, das ist die Arbeit: die Durchdringung.
Aber findet das auch weltweit statt?
Ja.
In allen?
Ja. Oh, ich erhalte Briefe von Leuten mit verblüffenden Erfahrungen, die überhaupt nicht im Verhältnis zu ihrer Intelligenz oder ihrer Entwicklung stehen – verblüffende Erfahrungen. Sie sind selbst erstaunt. Sehr unterschiedliche Erfahrungen, die ich aber alle kenne. Ich weiß, daß es Erfahrungen im Subtilphysischen sind. Leute, die ich kenne oder auch nicht, schreiben mir (sie kommen z.B., weil sie dein Buch gelesen haben oder von Sri Aurobindo gehört haben oder...), und sie beschreiben es so, wie ich es selbst beschreiben würde, das heißt, mit dem ganzen Wissen. Dabei wissen sie äußerlich nichts. Das ist ganz erstaunlich, oh!...
Ja. Und wenn man in diesem subtilphysischen Bewußtsein ist, verändern sich die Gesetze – man kann das materielle Gesetz verändern, wenn man sich in diesem Bewußtsein befindet.
Ja, dort funktioniert es überhaupt nicht auf dieselbe Weise.
Ich will sagen, daß...
Mein Kind, große Sorgfalt wurde darauf verwendet, diese Sache nicht zu mentalisieren, was wahrscheinlich sehr nützlich ist.
Das Bewußtsein ist SEHR aktiv – ein vollkommen waches Bewußtsein bis in die KLEINSTEN Dinge –, aber eine mentale Beschreibung... (Mutter schüttelt den Kopf). Von Zeit zu Zeit stelle ich mir aus alter Gewohnheit eine solche mentale Frage, und immer erhalte ich die gleiche Antwort: Man darf nicht mentalisieren.
Sonst fällt man sofort in die alte Art zurück.
Ich will sagen: ein- oder zweimal hatte ich eine so intensive Wahrnehmung, daß es fast schon einer Erfahrung gleichkommt, auch wenn es nur mental ist, daß in einem gewissen Bewußtseinszustand alle physischen Gesetze einstürzen...
Ja, ja.
Sie hatten wirklich keine Macht.
Ja, das stimmt vollkommen. Sie machen keinen Sinn.
Genau: keinen Sinn.
Sie machen keinen Sinn. So sehr... Ich erinnere mich an ein Detail von letzter Nacht: plötzlich sah ich eine gewisse Funktionsweise, und ich sagte mir: "Ach, wenn man das wüßte, WIEVIELE DINGE – wieviele Ängste, wieviele Umstände, wieviele... würden zerfallen, hätten einfach keinen Sinn mehr!" Es war... das, was wir für "Naturgesetze", für "unabwendbare" Dinge halten, war absurd, eine Absurdität.
Ja, ich empfand dies wie etwas ganz Dünnes, wie einen hauchdünnen Film, etwas, das keinen... Diese so großartigen Gesetze waren etwas sehr Fadenscheiniges.
Ja.
Als ob man sie wegblasen könnte.
Ja, das stimmt. Ja. Mit dem wahren Bewußtsein fällt das in sich zusammen.
(Schweigen)
Mehrmals sagten mir Leute, sie fühlten sich einem unabwendbaren Gesetz gegenüberstehen: "Da ist dies und das, und folglich ist es unabwendbar." Dazu lautet die Antwort immer gleich: WENN IHR ES SO WOLLT!
Ihr entscheidet, ob es unabwendbar ist.
(Schweigen)
Heute morgen, als ich merkte, daß es keine Spuren hinterlassen hat (der Körper fühlte sich danach eher besser als sonst), war er dennoch etwas erstaunt und sagte sich...
(Mutter wird plötzlich unterbrochen)
Ach, es sollte nicht ausgesprochen werden...
Das war eine außergewöhnliche Erfahrung.
Es läuft auf folgendes hinaus: "Ja, die Welt ist für dich noch so, weil du sie so WILLST; wenn du sie nicht mehr so willst, wird sie auf die wahre Weise sein." Folglich... Aber dieses "Du willst es" ist keine Idee des kleinen Egos, das will, nein, damit hat das nichts zu tun.
Wahrscheinlich ist es eine... Es gilt, eine POSITION zu ändern – eine Position des Bewußtseins muß verändert werden.
(langes Schweigen)
Aber ich hatte die klare Erkenntnis, daß das, dessen ich mir letzte Nacht bewußt war, Dinge sind, die ständig geschehen, ich bin mir ihrer nur nicht bewußt, weil... um die Fülle des Bewußtseins nicht noch weiter zu belasten. Bereits jetzt schon ist die Flut von Dingen, deren ich mir gleichzeitig bewußt bin, von einem gewöhnlichen Standpunkt aus betrachtet, für ein gewöhnliches menschliches Wesen, ungeheuerlich... All dies findet mühelos statt, ohne Anstrengung, ohne Schwierigkeit, NATÜRLICH, aber da ist noch viel mehr, das sich bewußt abspielt und nicht in das Bewußtseinszentrum weitergegeben wird, damit... damit es nicht zu viel wird.
Außerdem ist da noch das bekannte Phänomen, daß sich das Zeitgefühl entsprechend der Konzentration des Bewußtseins verändert. Dies geschieht fortwährend, ständig. Man läßt mich die gleichen Umstände, die gleichen kleinen alltäglichen Ereignisse mit dem gewöhnlichen Bewußtsein empfinden und außerdem noch mit drei oder vier verschiedenen Arten von Bewußtsein, wobei sich der Wert der Zeit jedesmal verändert. Dies variiert von einer unendlich langen Zeit bis zu... einer Sekunde. Auf diese Weise wird die Unwirklichkeit der Zeit, so wie wir sie hier wahrnehmen, demonstriert – und zwar jeden Tag, ständig.
Da ist eine Kraft am Werk... Ich habe den Eindruck, daß es sich um eine Kraft handelt, weil sie durch den Willen agiert (aber sie ist tiefer, wahrer und höher als der Wille – ich weiß nicht, wie man das ausdrücken kann). Wenn "man" zum Beispiel nicht will, daß ich etwas sage, dann, anstatt mir durch das Mental zu vermitteln: "Nichts sagen – du darfst nichts sagen", kann ich einfach nicht sprechen... Und alle möglichen Dinge dieser Art. Eine direkte Funktionsweise.
Dem Körper wird beigebracht, wie er... zu sein hat. Seine Art zu essen hat sich völlig verändert. Und mit dem Sprechen ist es genauso: völlig verändert.
In manchen Augenblicken spürt der Körper eine so große Kraft, daß er den Eindruck hat, er könnte... (er fühlt, er sieht deutlich: die Hände sind stark), eine Kraft... eine Kraft von einer anderen Qualität, aber viel mächtiger als vorher. In anderen Augenblicken kann er sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten, und der Grund hierfür ist nicht... Er gehorcht nicht mehr denselben Gesetzen, die uns auf den Beinen halten. Deshalb... Und all dies geschieht am selben Tag!...
(Schweigen)
Ach! (Mutter wendet sich an Sujata) Stell deine Frage!
Liebe Mutter, gibt es eine "Mutter der Unwissenheit"?
Was meinst du mit einer Mutter der Unwissenheit?
Ich hatte einen Traum, in dem ich einer Person begegnet zu sein schien, welche die Mutter der Unwissenheit war.
Das ist möglich... Das ist möglich, oh ja! Mein Kind, ALLES ist möglich und nicht nur möglich: alles IST. Aber nicht alles befindet sich auf der Erde. Verstehst du, es gibt viele Welten, viele Regionen – es gibt kein einziges Ding, das unmöglich wäre oder das es nicht gäbe: Die Tatsache, daß es möglich ist, bedeutet, daß es irgendwo existiert.
Logischerweise muß es also auch irgendwo eine Mutter der Unwissenheit geben.
(Satprem fragt Sujata:) Was tat die Mutter der Unwissenheit denn?
(Sujata:) In meinem Traum?... Ich hatte einen langen Traum, und am Ende bin ich ihr begegnet; ich sollte weitergehen und sagte ihr: ich muß zum Licht gehen, zur Mutter des Lichts.
(Satprem:) Und dann?
(Sujata:) Dann hörte der Traum auf.
(Mutter hat es nicht gehört)
Du bist ihr begegnet – sie sprach mit dir?
Ja, Mutter, sie sprach zu mir.
Und was hast du ihr gesagt?
(Satprem:) Daß sie zur Mutter des Lichts gehen wollte.
Ach! (lachend) Dann verschwand sie.
(Sujata:) Aber sie war da, als ob...
Als hätte sie alles zu bestimmen.
Ja, Mutter, als hätte sie alles zu bestimmen.
Das ist es.
Was sind das wohl für Regionen?... Es gibt eine Unzahl von Regionen. Es gibt unvorstellbare Dinge. Aber dies, wo liegt es? Ich weiß es nicht.
Es muß in einer Zwischenregion, in einem Bereich des materiellsten Physischen, Vitals und Mentals liegen. Da gibt es alles, was du dir nur vorstellen kannst, man sieht die außergewöhnlichsten Dinge. Und so ist es auch. Das ist merkwürdig, denn man hat dort eine Macht: ein einziger Tropfen Wahrheit hat eine ungeheure Macht in diesen Welten. Mit einer einzigen Bewegung kannst du eine Menge Dinge ändern. Nur, wißt ihr, man ruft sie auch auf diese Weise hervor: Die gegenteilige Bewegung, die Bewegung der Unwissenheit (alle Bewegungen der Unwissenheit der Welt) erschaffen ständig Dinge. Das heißt, sie werden geformt oder aktiviert oder zum Handeln veranlaßt... Doch dies ist eine Realität, die... Zunächst ist es eine unbeständige Realität. Im Grunde gibt es wenige Formen – Formen und Gedanken –, die eine ewige Realität haben: all das (Mutter macht eine Geste ständiger Umgestaltung) bewegt, verändert sich ständig.
Ich erinnere mich, als ich das erste Mal (das ist sehr lange her, vor sechzig Jahren... vor mehr als sechzig Jahren), als ich fragte: "Aber warum stirbt man? Warum lebt man, nur um zu sterben? – Das ist doch idiotisch!" Damals erklärte man mir, daß alles, was uns als "Form" erscheint, nur... (gleiche Geste einer ständigen Bewegung). Das liegt an unserem beschränkten... starren Bewußtsein, das uns all dies wie ein "ungeheures" Phänomen erscheinen läßt: man ist klein und wird groß, um sich am Ende aufzulösen. Aber alles ist so (gleiche Geste), alles ist so! Es gibt sehr wenige Dinge – äußerst wenige –, die ewig sind. Sie sind von anderer Qualität. Das erfährt man als erstes, wenn man das berührt, was ewig ist: es besitzt eine andere Schwingungsart... Und der Wille, dies hier (Mutter deutet auf den Körper) unbegrenzt fortdauern zu lassen, wo es doch aus lauter vollkommen falschen Bewegungen besteht – falsche Bewegungen und ständig in Bewegung, ständig im Wandel, ständig (gleiche Geste)... Wie Sri Aurobindo sagte: "Wollt ihr euren Körper und eure Umwelt so fortdauern lassen, wie sie sind?" – Nein danke! (Mutter lacht) Fortdauern bedeutet ja, bewußt zu werden, vollkommen bewußt in der ewigen Welt.
(Schweigen)
Sri Aurobindo wußte das alles... Hast du die letzten Aphorismen gesehen?
Über das Lachen?
(Satprem liest)
478 – Ein Gott, der nicht lächeln kann, hätte unmöglich dieses humorvolle Universum erschaffen können.
(Mutter lacht)
476 – Wann wird die Welt sich dem Vorbild des Himmels gemäß ändern? – Wenn alle Menschen zu Knaben und Mädchen werden und im Garten des Paradieses zusammen mit Gott spielen, der sich als Krishna und Kali offenbart, der fröhlichste Knabe und das stärkste Mädchen aus der Menge. Das semitische Eden war recht gut, aber Adam und Eva waren zu erwachsen, und selbst ihr Gott war zu alt, zu streng und zu würdevoll...
Oh!... (Mutter lacht)
...um dem Angebot der Schlange zu widerstehen.
Das ist wirklich großartig!
(Schweigen)
(Sich an Sujata wendend) Wenn du sie das nächste Mal siehst, sag ihr: "Bald wird deine Zeit vorüber sein ..."
(Sujata:) Ich hab ihr einfach gesagt: "O Mutter der Unwissenheit, zur Mutter des Lichts will ich gehen."
Das genügte! (Mutter lacht)
1 Mutter will zweifellos sagen: Wie wird der Übergang vor sich gehen?