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Mutters

Agenda

neunten Band

9. Oktober 1968

Es taugt immer noch nichts (Mutter hustet). Ich kann mich selbst nicht verstehen.

Geht es dir besser? Ist alles vorbei?

Ja, ja, es ist vorbei. 1

Hast du etwas Neues von dort?

Aus Rom? Ja, vor einiger Zeit hat mir P.L. einen Brief geschrieben; er ist dir immer noch ergeben. Wenn es dich interessiert, sage ich dir, was V kürzlich gesehen hat.

Er hat wieder etwas gesehen?... Kennt er denn die Geschichte?

Aber nein, das ist es ja! Zufällig sah er zweimal den Papst (und er verstand nicht warum) 2, das war schon vor mehreren Monaten, und er verstand nicht im geringsten warum. Das erste Mal fand er sich vor dem Heiligen Stuhl, vor diesem Mann [dem Papst], der ihn fixierte und ihn zunächst zu hypnotisieren versuchte. Und als er ihn zu hypnotisieren begann, fing V innerlich an, deinen Namen zu wiederholen. Darauf wandte der Papst seinen Blick ab, begann zu lächeln und fragte ihn schließlich: "Woher kommen Sie?" Worauf V antwortete: "Ich komme vom Sri Aurobindo Ashram." Darauf antwortete der Papst: "Oh, I know the Mother very well!" [Oh, ich kenne die Mutter sehr gut!]

(Mutter lächelt)

V konnte sich gar nicht vorstellen, was dies zu bedeuten hatte. Dann kehrte er ein zweites Mal dorthin zurück und sah den Papst erneut, der ihn freundlich empfing und ihm sagte: "Ach, ich würde gern nach Indien zurückkehren." Worauf ihm V sagte: "Wenn Sie nach Indien zurückkehren, müssen Sie Mutter besuchen." Und der Papst antwortete: "Falls ich wieder nach Indien reise, werde ich Mutter gewiß besuchen."

Sieh mal an!... Und dann?

Später, als du mir von den Angriffen erzähltest, die von dort ausgingen, kam mir plötzlich der Gedanke, ihn zu bitten nachzusehen, was dort los ist. Und zwei Tage danach hatte er diese Vision von dem Mann, der etwas wiederholte, sich konzentrierte und die Atmosphäre von P.L. überwachte. Und einige Tage später sah er noch etwas, aber nicht dort sondern hier.

Ach!

Auf deiner Terrasse befand sich eine Art Bär: riesig, pechschwarz, drei Meter hoch, mit spitzen Ohren, der wie ein Herr dort thronte und lauerte. Und er hatte sich dort fest eingerichtet. Er stand im Nordwesten deiner Terrasse, fest eingerichtet. Er bewachte alles von der Nordwestseite her.

(Mutter verharrt mit geschlossenen Augen und lächelt)

Ja, vielleicht ist es das! (Mutter hustet)

Gewiß ist es das, was dich husten läßt!

(Mutter lacht)

Ein Bär? Was bedeutet wohl der Bär? Ein schwarzer Bär?

Ein Bär...

Ein pechschwarzer Bär mit sehr großen Ohren.

(Mutter lacht)

Und V sagt auch, daß er noch immer diese Wellen sieht... Du weißt, er sah diese roten Wellen, die auf dich zukamen; jetzt ist es etwas anders: jetzt sind es graue Wellen, die auf dein Haus niederstürzen, und sie erscheinen eher "scattered" [verstreut], wie er mir sagte.

(Mutter verweilt in einer langen Konzentration)

Ein solch großer Bart (fließende Geste). Nicht wie Sri Aurobindos Bart sondern sehr buschig und sorgfältig gestutzt.

Ein riesiger Kopf. Es handelt sich jedoch entschieden nicht um einen Bären!... Ich sehe allerdings nicht die obere Hälfte des Kopfes, nur den Bart: ein großer Bart (dieselbe Geste), gelblich-weiß. Ein trübes Weiß.

(Mutter geht wieder in Konzentration)

Ich bin von [unsichtbaren] Menschen und Dingen nur so umgeben, das Zimmer ist voll davon!

Ich sehe sie die ganze Zeit. Vor allem nachts sehe ich Gestalten, die sich regen, die... weißt du, wie J sich kleidet (die Leute aus dem Punjab, mit langen Westen und engen Hosen) oder wie Dr. Agarwal (der eine Mütze im Stile Gandhis trug und einen langen Bart hatte)... Wo wir über Dr. Agarwal sprechen, als Pralhad (sein Sohn) starb, wollte seine Mutter unbedingt wissen, ob er zu mir gekommen sei. Ich sagte ihr: "Ich habe nichts gesehen." Ich weiß also nicht, ob es das war, oder ob ich daran dachte, aber vor zwei Tagen (vorgestern), begab ich mich auf einen Spaziergang in einem Wald des Vitals... Mein Kind, es war so schön! Oh, ein solch herrlicher Wald, ein wirklich gut gepflegter Wald, so sauber, oh, ein wirklich herrlicher Ort. Und plötzlich sah ich Pralhad dort, ganz jung, der auf mich zukam und mir in einem verzweifelten Tonfall sagte: "I don't know, I can't find the religion." [Ich weiß nicht, ich kann die Religion nicht finden.] (Mutter lacht) Also erwiderte ich ihm: "Du brauchst doch keine Religion!" Darauf sagte er mir: "Oh, there is another man here who also can't find a religion!" [Oh, hier ist noch ein Mann, der auch keine Religion finden kann.] Und dies war Benjamin (ein anderer, seit mehreren Jahren verstorbener Schüler) 3 . Ich sagte ihm also: "Was für ein Narr! Er braucht doch gar keine Religion zu finden." Stell dir vor... Benjamin, ganz verloren in einem herrlichen Wald (du kannst dir nicht vorstellen wie schön!), weil er keine Religion finden kann. Und Pralhad, der nach einer Religion sucht... Also wollte ich ein Trostwort an seine Mutter schicken: "Sei getrost, Pralhad befindet sich an einem sehr schönen Ort ..."

Es ging ihm sehr gut. Er war sehr gut gekleidet...

Du siehst, wie lächerlich das ist!

(Schweigen)

Nachts ist das Zimmer voll – mit offenen Augen!

Ich sehe riesengroße Leute, die hektisch agieren, völlig ungeschickt. Aber wenigstens machen sie keine Dummheiten. Im Gegenteil, sie versuchen, sich nützlich zu machen, sie benehmen sich anständig... (Lachend) Sie erledigen auf sehr ernsthafte Weise alle möglichen unnötigen Dinge!

(Schweigen)

Oh, welch ein herrlicher Wald, mein Kind! Das sind gewiß die Wälder... zwischen dem Subtilphysischen und dem Vital: gleichsam die Zwischenzone zwischen dem Subtilphysischen und dem Vital. Bäume, wie ich sie außer in Japan nirgends gesehen habe, groß wie Säulen, völlig aufrecht! In Reihen gepflanzt, großartig. Mit hellgrünem, ganz hellem Gras, und die Luft, eine so klare Luft, und gleichzeitig nichts als Bäume: ein ganzer Wald. Aber nicht zu dicht, nicht erdrückend. Und inmitten dieses unglaublich schönen Ortes wandert dieser Narr umher, und anstatt sich daran zu erfreuen (Mutter nahm einen weinerlichen Tonfall an): "I don't know what happened to me, I have no religion!" [Ich weiß nicht, wie mir geschehen ist, ich habe keine Religion.] (Mutter lacht) Da sagte ich ihm: "Aber freu' dich doch! Keine Religion... Du befindest dich an einem Ort, der viel schöner ist als alle Religionen." (Wieder mit weinerlicher Stimme) – "Ich verstehe nicht ..."

(Schweigen)

Gibt es nichts zu tun?... Geht es dir gut?

Ja, sehr gut... Aber immerhin hörst du mich!

Ja, wie durch einen Schleier. Besonders jetzt, wenn du zu schreien anfängst!

Aber überhaupt nicht!

(Nach einer Zeit des Schweigens) Alle Welten des Vitals sind Welten der Suggestion. Befindet man sich in einer bestimmten Welle von Suggestion, ist alles schrecklich; in einer anderen Welle von Suggestion ist alles reizend; in einer weiteren Welle ist alles herrlich. Das ist ganz merkwürdig. Diese Welten bestehen gleichsam aus Suggestionen. Zwischen dem Subtilphysischen und dem materiellen Vital (Mutter drückt ihre rechte Hand gegen die linke), äußerst dicht beieinander.

Ich stelle mir vor, daß es so auch eine Welt der Medikamente gibt. Denn das gleiche Medikament hat, wenn es verschiedene Male für dieselbe Sache verabreicht wird, eine unterschiedliche Wirkung: das gleiche Medikament! Und wenn du innerlich den Beschluß faßt: "Ich verhalte mich im Einklang mit dem Medikament" (um herauszufinden, was genau es bewirkt), dann kommt so etwas wie ein kleiner boshafter Geist und sagt (in spöttischem Tonfall): "Aber was fehlt dir denn?" Das Medikament hat keine Ahnung davon, denn je nach Fall... Ach, ich versichere dir, es ist eine solche Komödie!

So verhält es sich mit fast allem. Und im Grunde... diesbezüglich habe ich mich schon zwei- oder dreimal gefragt, ob ich mich nicht am Rande des Wahnsinns befinde; zwei- oder dreimal habe ich mich gefragt, ob es sich nicht mit ALLEM so verhält, außer dem Höchsten.

Demnach ist Er es, der sich selbst eine Komödie vorspielt, um sich zu amüsieren... Aber es ist überhaupt nicht amüsant! Also sagte ich ihm: "Für Dich mag das vielleicht amüsant sein, uns aber amüsiert dies in gar keiner Weise!"

Was aber die Schönheit angeht, in den letzten Monaten habe ich Dinge gesehen... die schönsten, die ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe, oh!

Haben wir also Mitleid damit (Mutter deutet auf ihren Hals) und auch mit dir, die Lage ist nicht sehr angenehm.

Aber Mutter, ich bitte dich...

(Mutter nimmt Satprems Hände) Du fühlst dich immer noch heiß an.

Nein, nein, es geht mir sehr gut.

(Schweigen)

Ja, all das, was ich in der letzten Zeit mit offenen Augen gesehen habe, ist sehr schön. Als Ausgleich dafür, daß ich hier nicht mehr... (Mutter sieht um sich). Es gibt etwas in bezug auf das Sehen, was ich nicht verstehe – wie viele Dinge gibt es, die ich nicht verstehe, oh...

Gleichzeitig die Feststellung einer grenzenlosen Allmacht und einer grenzenlosen Ohnmacht. Beides hier, am selben Ort (Mutter legt eine Hand über die andere)... Zum Glück bin ich vernünftig genug, nicht darüber zu sprechen, denn wenn ich alles sagte, was ich sehe und was geschieht und was da ist, dann würden sie sagen: "Jetzt ist es endgültig aus, sie ist weggetreten, sie hat ihr Gleichgewicht verloren, mit ihrem Mental hat sie ihren Kopf verloren." (Mutter lacht) Also betrachte ich die Dinge mit großem Ernst und sage mir: "Nehmen wir also eines ihrer ach so wichtigen Probleme – für sie geht es dabei um Leben und Tod –, sehen wir dem also gefaßt ins Angesicht und seien wir ein wenig ernsthaft ..." (Mutter lacht) Aber es geht, das Gleichgewicht ist noch da.

Sage V bitte, daß ich seinen Schwarzbären gesehen habe, aber als braunen Mann mit braunem Überzieher und einem Hut (diese spitzen Hüte, weißt du, durch die man abstehende Ohren bekommt).

Was ist das bloß?

Es handelt sich um jemanden, der sich nützlich machen will und dabei nutzlose Dinge tut, wie ich dir schon sagte – ich weiß nicht warum, ich weiß nicht, was er dort wollte. Vielleicht wollte er mich besuchen?... Er machte nicht den Eindruck, als würde er auf der Lauer liegen – er machte eher einen ziemlich dummen Eindruck.

Mit diesen Dingen... man gibt ihnen einen kleinen Klaps auf den Kopf und sagt: "Du bist sehr brav."

Nun, denn.

(Mutter betrachtet Satprem mit ihrem besonderen Blick...)

Und das Gefühl der Gegenwart des Höchsten.

 

1 Es sollte noch lange dauern...

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2 Es sei nochmals angemerkt, daß V Inder ist und sich nicht sonderlich für das Papsttum interessiert.

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3 Siehe die Geschichte von Benjamins Tod in der Agenda Bd. 4 vom 12. Januar 1963.

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