Mutters
Agenda
neunten Band
3. Juni 1968
Ich komme von drüben (aus dem Musikzimmer, wo Mutter die Besucher empfängt). Ich habe zwei Dutzend Besucher gesehen... auch den Premierminister von Orissa (Orissa war der erste indische Staat, der Geld für seinen Pavillon in Auroville stiftete: hunderttausend Rupien). Ein guter Mann. Das sind gute Leute, die Leute aus Orissa; von all den Staaten sind sie diejenigen, die den stärksten Vorwärtsdrang haben und etwas verändern wollen.
Und Bengalen? Drängt es nicht vorwärts?
Die Bengalen sind eher... phantasievoll. Das heißt, sie reden sehr viel – sie reden sehr gut! Die Einwohner von Orissa sind praktischer – großzügig, sie sind von Natur aus großzügig und freigebig.
Bengalen... sie sind sehr selbstbewußt, sie empfinden sich als die intellektuelle Avantgarde des Landes, folglich sind sie sehr von sich selbst eingenommen. Ich für meinen Teil bevorzuge die einfachen Leute.
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Etwas später
Ich habe die restlichen Unterlagen von T.F.s Kurs über den Tod erhalten. Es gibt neues Material.
(Mutter reicht Satprem ein Blatt)
"Liebe Mutter, wir haben mit Freuden Deine Antwort erhalten, und wir schicken Dir unsere Gedanken und Fragen im Hinblick auf den ersten Absatz: "Der Tod ist das Phänomen der Dezentralisierung und der Zerstreuung der Zellen ...""
Und?
Abhijit sagt folgendes: "Wenn eine Zelle sich ihrer Persönlichkeit bewußt wird, dann besteht das Risiko, daß sie allein in ihrem Eigeninteresse handelt, ohne das kollektive Interesse zu berücksichtigen."
(Mutter lacht) Das Eigeninteresse einer Zelle!
Und danach?
Amitangshu stellt zwei Fragen. Die erste lautet: "Vollzieht sich die Dezentralisierung auf einmal oder nach und nach?..."
Das braucht Zeit.
Es ist so: Der zentrale Wille des physischen Wesens gibt seine Bemühung auf, alle Zellen zusammenzuhalten. Das ist der erste Schritt. Er akzeptiert die Auflösung. Aber alles zerfällt nicht auf einen Schlag: das braucht seine Zeit.
Vor dem Tod stellt sich stets eine Akzeptanz ein, die Zentralisierung in der gegebenen Form zu beenden, aus welchem Grund auch immer. Mir ist aufgefallen, daß einer der häufigsten Gründe der ist, daß ein Gefühl unwiederbringlicher Disharmonie besteht. Der zweithäufigste Grund ist eine Art Widerwillen, mit der nötigen Anstrengung des Zusammenhaltens fortzufahren.
Tatsächlich gibt es unzählige Gründe, aber es besteht eine Art Bemühung des Zusammenhalts und der Harmonisierung, und was dem Tod in jedem Fall vorangeht (falls es sich nicht um einen gewaltsamen Unfall handelt), ist, daß, aus welchen Gründen auch immer oder auch ohne Grund, dieser Wille, der den Zusammenhalt aufrechterhält, abdankt.
Da ist eine zweite Frage: "Sollte jede einzelne Zelle sich ihrer Einheit mit dem Zentrum bewußt sein?"
Nein, so ist es nicht.
(nach einer langen Stille)
Es ist schwer, das verständlich zu machen... Bei den Zellen handelt es sich noch um ein halbkollektives Bewußtsein, nicht um ein individuelles Zellbewußtsein.
Und dann?
Anand Arya fragt: "Findet die Dezentralisierung immer nach dem Tode statt, oder kann sie schon vorher beginnen?"
(Lachend) Sie beginnt häufig schon vorher!
Dilip M. fragt folgendes: "Zerstreuen sich die Zellen im Raum oder innerhalb des Körpers? Wenn es im Raum geschieht, würde sich der Körper dann nicht mit den Zellen zerstreuen?"
Aber ja! Natürlich zerstreut sich der Körper nach dem Tod. Aber das dauert lange...
Die Inder wissen das nicht, weil man sie kremiert.
Rita fragt: "Hat das Wort "Zerstreuung" im Begriff der "Zerstreuung der Zellen" nicht eine besondere Bedeutung? Wenn ja, welche?"
Ich meinte das im positivsten Sinne.
Ich habe sogar beobachtet, wie die Zellen, die besonders weit entwikkelt waren und sich der göttlichen Gegenwart in ihnen bewußt geworden waren, wenn die Konzentration, die den Körper zusammenhält, aussetzt und der Körper sich auflöst (nach und nach), wie diese Zellen sich ausbreiten und andere Verbindungen eingehen, in denen sie das Bewußtsein der göttlichen Gegenwart, das jede von ihnen hatte, durch Ansteckung verbreiten. Auf diese Weise also entwickelt sich die gesamte Materie durch das Phänomen der Konzentration, der Entwicklung und der Zerstreuung, und sie lernt durch Ansteckung, entwickelt sich durch Ansteckung und macht Erfahrungen durch Ansteckung.
Aber es handelt sich nicht wirklich um die Zelle selbst, die andere Verbindungen eingeht – es handelt sich doch vielmehr um das subtile Bewußtsein der Zellen?
Ja, absolut! Die Zelle löst sich natürlich auch auf. Das BEWUSSTSEIN der Zellen dringt in die anderen ein.
Das ist schwer zu erklären, wenn man nicht selber die entsprechende Erfahrung hat.