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Mutters

Agenda

neunten Band

29. Mai 1968

(Mutter sucht nach einer Vase für eine Amaryllis und schickt sich an, sie mit den Rosen zusammenzustellen.)

Die Rosen können das überhaupt nicht leiden. Sie wollen keine anderen Blumen in ihrer Nähe dulden... Aber ich stelle sie trotzdem dazu.

(Mutter steckt die Amaryllis mitten
zwischen die Rosen und lacht)

Sie haben einen Kastengeist!

*
*   *

Etwas später

Hier ist ein Brief von T.F. Sie beklagt sich über die Filme, die wir hier zeigen – sie meint, diese sollten lehrreich sein und großartige Dinge zeigen...

Damit ein Film großartige Dinge darstellen kann, sollten die Leute diese wunderbaren Dinge erst einmal leben. Oder nicht?

Sie schrieb mir sogar, daß eine ganze Gruppe von Lehrern ein Rundschreiben aufsetzen will, um für eine Änderung zu plädieren – ich mag das überhaupt nicht. Das ist die Mentalität eines kleinen Pensionats. Also schrieb ich gestern eine Antwort.

(Mutter liest)

"Man würde den Kindern gern in filmischen Vorbildern zeigen können, wie das Leben sein sollte, aber davon sind wir noch sehr weit entfernt. Solche Filme müssen erst noch gemacht werden. Heutzutage zeigt das Kino meistens noch das Leben, wie es nicht sein sollte, und zwar auf hinlänglich schlagende Weise, um nichts als Ekel zu erregen.

Auch dies ist eine nützliche Vorbereitung.

Im Ashram werden Filme nicht zur Unterhaltung sondern als Teil der Erziehung zugelassen. Damit stellt sich das Problem der Erziehung.

Wenn wir davon ausgehen, daß ein Kind keinen Dingen ausgesetzt werden soll und nichts lernen, wissen und kennen darf als das, was es rein und frei von allen niederen, vulgären, gewalttätigen und degradierenden Regungen erhalten möge, dann muß der Kontakt mit der gesamten übrigen Menschheit mit einem Schlag unterbunden werden, angefangen mit all den Kriegsgeschichten, den Mordfällen und Konflikten, all den Lügen und Betrügereien, die man "Weltgeschichte" nennt; auch der gegenwärtige Kontakt mit der Familie, den Eltern, den Freunden, all dies muß unterbunden werden; sogar der Kontakt mit all den vitalen Impulsen im eigenen Wesen sollte ständig kontrolliert werden.

Dieser Gedanke war der Anlaß für das hinter den Mauern eines Klosters abgeschottete mönchische Leben oder das asketische Leben in einer Höhle oder in den Wäldern.

Dieses Mittel hat sich als völlig unwirksam erwiesen, und es ist ihm nicht gelungen, die Menschheit aus ihrem Sumpf zu befreien.

Sri Aurobindo zufolge liegt die Lösung ganz woanders.

Es gilt, das Leben als Ganzes zu konfrontieren, einschließlich der noch bestehenden Häßlichkeit, Lüge und Grausamkeit, während man gleichzeitig darauf achten soll, in sich selbst die Quelle aller Güte, aller Schönheit, allen Lichts und aller Wahrheit zu entdecken, um diese Quelle zum Zwecke der Transformation bewußt mit der Welt in Beziehung zu setzen.

Das ist unendlich viel schwieriger, als Ausflüchte zu suchen oder die Augen vor den Schwierigkeiten zu verschließen – und dies ist das einzig wirksame Mittel für jene, die wahrhaft stark und rein und fähig sind, die Wahrheit zu manifestieren.

Du kannst diesen Brief allen zeigen, die sich so wie Du selbst entrüsten."

Man muß sie ein wenig aufrütteln, sie sind so goody-goody [so bigott], oh!

Und das ist noch nicht alles. Es scheint, daß ich euch beiden (Sujata und Satprem) "Unterricht" erteile...

Unterricht!

Und man hat mich gefragt, ob es nicht möglich sei, an diesem "Unterricht" teilzunehmen... Was für ein Gedanke! Kannst du dir vorstellen, daß ich euch Unterricht gebe? Ach, es ist wirklich schrecklich... Sie bat mich darum, daß ich "eine bestimmte Anzahl von Lehrern" an diesem Unterricht teilnehmen lasse, denn das würde ihnen gut tun, angefangen natürlich mit ihr selbst.

Ich werde ihr folgendes sagen: "Ich kann Sie aus dem einfachen Grunde nicht teilnehmen lassen, weil es keinen Unterricht gibt!..." Schon letztes Jahr fragte mich R dasselbe, und ich antwortete: "Das ist ein völlig falscher Eindruck. Es kann sein, daß ich schweige, es kann sein, daß ich spreche, aber es ist auf keinen Fall irgendein Unterricht. Von Zeit zu Zeit sage ich etwas und dann ..."

Was für eine Idee!... Der Guru als Superlehrer, als Superprofessor! Schon allein die Vorstellung eines Gurus läßt mich schaudern, aber ein Superlehrer-Guru, was für ein entsetzlicher Gedanke!

Was die untereinander für Dummheiten austauschen müssen – erschreckend.

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