Mutters
Agenda
achten Band
29. November 1967
Lies mir doch bitte diesen Brief vor:
"Liebe Mutter, im Bulletin sagtest du: "Die psychischen Erinnerungen... sind unvergeßliche Momente des Lebens, wo das Bewußtsein intensiv, leuchtend, stark, aktiv und mächtig ist; manchmal sind es Wendepunkte in der Existenz, die die Ausrichtung eines Lebens verändern. Aber niemals könnte man sagen, welches Kleid man gerade trug oder mit welcher Person man sprach, die Nachbarn, und in welcher Art von Umgebung man sich befand." (Entretien vom 6. Mai 1953). Über die Erinnerungen an kleine Details sagtest du: "Das ist völlig idiotisch."
Aber wie kommt es dann, daß man in den Zeitungen recht oft die Geschichte von kleinen Kindern liest, die sich an ihr vergangenes Leben erinnern? ..."
Das ist keine psychische Erinnerung. Sie schaffen immer eine schreckliche Verwirrung!
Es ist nicht psychisch, sondern wenn ein Vital aufgrund besonderer Umstände von einem Körper in einen anderen übergeht und sich deshalb daran erinnert – gewöhnlich wenn es innerhalb der Familie oder unter Nachbarn überwechselt.
Ist das alles, was er sagt?
"... Wie kommt es, daß die Zeitungen recht oft die Geschichte kleiner Kinder erzählen, die sich an ihr vergangenes Leben erinnern, und die Einzelheiten sich bewahrheiten? Das Studium von Ereignissen dieser Art führt die Parapsychologie dazu, die Wiedergeburt zu bestätigen; sind sie also nicht auf dem Holzweg? Wie kann man sonst die Wiedergeburt auf wissenschaftliche Weise beweisen?"
Wie arrogant das Mental ist! Anstatt sich einfach zu sagen: "Es gibt da etwas, das ich nicht verstehe", und um eine Erklärung zu bitten, oh, reckt es sofort den Kopf.
Wie heißt denn der Junge? Ich werde ihm das schicken (Mutter schreibt):
Die Erinnerungen, von denen du sprichst und die in den Zeitschriften erzählt werden, sind Erinnerungen des vitalen Wesens, das ausnahmsweise einen Körper verließ, um in einen anderen einzutreten. So etwas geschieht, aber nicht sehr häufig. Ich sprach hingegen von der Erinnerung des psychischen Wesens, und man ist sich dessen nur bewußt, wenn man in bewußter Beziehung zu seinem psychischen Wesen steht. Die beiden Dingen stehen in keinerlei Widerspruch.
*
* *
Dann kommt die Rede auf das Darshan vom 24. November
Ich habe neue Fotos vom Tag des Darshans bekommen. Die Fotos wurden mit einem Teleobjektiv aufgenommen, interessiert dich das? (Mutter holt die Fotos)
S hat eine neue teleskopische Kamera und nahm damit nur meinen Kopf auf, anstatt alles aufzunehmen, als ich auf dem Balkon stand. Zwei davon finde ich sehr gut... Es ist kein vergrößerter Ausschnitt, das Foto ist so. (Mutter zeigt Satprem die Fotografien)
Ich weiß nicht, aber bei jedem Darshan habe ich den Eindruck, eine andere Person zu sein, und wenn ich mich nachher auf dem Foto objektiv betrachte, sehe ich tatsächlich jedesmal eine andere Person. Manchmal einen alten Chinesen, manchmal eine Art Transposition von Sri Aurobindo, einen verhüllten Sri Aurobindo; dann manchmal jemanden, den ich sehr gut kenne, der aber nicht dieselbe Person ist: Ich WAR einmal so. Das ist mir mehrere Male passiert.
Diesmal habe ich auch den Eindruck von jemandem... Gewöhnlich siehst du ganz anders aus.
Nicht wahr!
Etwas, das ich kenne.
Ja, richtig. Genau mein Eindruck. Ich schaue mir das an und sage mir: ich kenne diese Person sehr gut – aber sie hat nichts mit diesem Körper zu tun.
Da ist etwas, das ich kenne.
Genau, man kennt es sehr gut, aber es ist nicht dies (Mutter zeigt auf ihren Körper); es ist nicht hier, obwohl es sehr vertraut ist.
Ich weiß nicht warum, aber es erinnert mich an einen Maler.
Man weiß nicht recht, ob es eine Frau oder ein Mann ist, ich bin nicht sicher.
Ich fragte mich, ob es nicht ein Wesen ist, das in einer anderen Welt als der physischen Erdwelt lebte? Denn es ist... ich kenne es, aber nicht mit der Vertrautheit der körperlichen Empfindung – jemand, den ich sehr gut kenne, den ich häufig gesehen habe.
Ich habe auch den Eindruck von jemandem, den ich schon gesehen habe.
Oh, ja. Aber ich weiß nicht, ob du ihn in dieser Welt gesehen hast.
Ich weiß nicht warum, ich denke an ein Gemälde oder einen Maler.
Welches von beiden ist dir vertrauter?
Dieses, Nummer 14.
Ja, das ist es. Bist du sicher, daß es eine Frau ist?
Ich bin mir auch nicht ganz sicher.
Nein.
Ich weiß nicht warum, aber mir kommt die Idee eines Malers oder eines Gemäldes.
Ein Maler?... Leonardo da Vinci? (Lachend) Aber der hatte einen Bart!
(Sich an Sujata wendend:) Kennst du diese Person?
Es ist nicht dieselbe Mutter!
Ja (Mutter nimmt das eine und dann das andere Foto): dies und das sind zwei verschiedene Personen.
Aber ich kenne sie sehr gut, seltsam, besonders dies (Mutter weist auf eine Stelle des Fotos zwischen den Augenbrauen und den Lippen), und etwas im Blick.
Vielleicht ist es ein Gemälde, du hast vielleicht recht. Aber ich weiß nicht welches.
Jemand, der mir sehr vertraut ist, aber... Wenn man mir sagte, es sei eine historische Persönlichkeit, wäre ich nicht erstaunt.
Besonders dieses hier (Nummer 14).
Seltsam. Das wird immer ausgeprägter. In dem Maße, wie der Körper den inneren Rhythmus erfaßt, nimmt es zu.
Es kann nicht physisch sein.
(Sujata:) Ein wenig chinesisch.
Was ist es? Eines Tages werden wir es wissen...
Es ist sehr vertraut.
Ja. Aber mein Eindruck ist so: Jemand, den ich sehr nahe kannte, mit dem ich vielleicht gelebt habe, aber nicht ich, verstehst du. Der Körper sagt nämlich: das bin nicht ich. Innerlich ist es völlig anders: es gibt kein "Ich und Du", all das existiert dort nicht; aber der Körper selbst hat das noch und sagt: "Das bin nicht ich, es ist jemand, den ich sehr gut kenne, aber ich bin es nicht."
Warum erscheint es gerade auf dem Balkon so?
Es kann zwei Gründe geben. Vielleicht hat sich das ursprüngliche Bewußtsein in einer vergangenen Existenz abgespalten (das geschah mehrere Male) und sich in zwei verschiedenen Körpern gleichzeitig manifestiert; natürlich bestand eine Intimität und wahrscheinlich eine Vermischung ihrer Leben – es kann also eine physische Sache sein. Aber es kann sich auch um jemanden handeln, der auf dauerhafte Weise existiert, eine dauerhafte Form, mit der wir auf konstante Weise in Beziehung stehen, irgendwo in einer anderen Welt (im Übermental, im Supramental, oder anderswo), und das Gefühl stammt von innen: "Oh, dies ist mir vertraut." Vielleicht ist es eins dieser beiden Dinge. Ich weiß noch nicht welches.
(Nach einem Schweigen) Es handelt sich mehr um einen Ausdruck, eine Art Schwingung, eine Atmosphäre, als um genaue Züge. Es wäre also eher jemand, der irgendwo auf beständige Weise existiert und mit dem wir in Beziehung stehen.
Dies würde das Gefühl erklären, daß man nicht weiß, ob es ein Mann oder eine Frau ist: es muß sich in einer geschlechtslosen Welt abspielen, wo es weder Mann noch Frau gibt.
(Schweigen)
Der Körper selbst hat mehr als einen Eindruck, eine Art... ein Wissen – mehr als ein Wissen, kurz, es ist eine Tatsache: Es gibt viele, viele Wesen, Kräfte, Persönlichkeiten, die sich durch ihn manifestieren, manchmal sogar mehrere gleichzeitig. Das ist eine sehr geläufige Erfahrung; zum Beispiel ist Sri Aurobindo da, und er spricht, er sieht, er hat seine Art zu sehen (durchdringende und ironische Geste) und seine Art, sich auszudrücken, das geschieht sehr häufig. Oft ist es auch Durga oder Mahakali oder... Manchmal sind es Wesen von sehr hoch oben, ewige Wesen – die sich manifestieren, und es gibt eine Art Absolutheit im Wesen, das kommt. Manchmal sind es Wesen von einer nahen Ebene, die versuchen, sich fühlbar zu machen, sich auszudrücken, aber das ist unter Kontrolle.
Der Körper ist daran gewöhnt.
Als ich diesmal am 24. auf den Balkon trat, war es seltsamerweise jemand... (und das erlebe ich von Zeit zu Zeit, aber immer häufiger), der von einer Ebene der Ewigkeit aus blickt, mit einem großen Wohlwollen (etwas wie Wohlwollen, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken kann) verbunden mit einer absoluten Ruhe, fast Gleichgültigkeit, und beide blicken gemeinsam (Mutter bezeichnet weit unten befindliche Wellen), als ob es aus weiter Ferne gesehen würde, von sehr hoch, sehr... (wie soll ich sagen?) mit einer sehr ewigen Vision. Genau dies fühlte mein Körper, als ich auf den Balkon trat. Der Körper sagte: "Aber ich muß rufen, es bedarf einer Aspiration, damit die Kraft auf alle Leute niederkommt." Und "Das" war... (erhabene, darüberstehende Geste), oh, sehr wohlwollend, aber mit einer Art Indifferenz – eine Indifferenz der Ewigkeit, ich kann es nicht erklären. Der Körper empfindet all das als etwas, das sich seiner bedient.
Deshalb interessieren mich die Fotos: um es zu objektivieren.
Wir werden es erfahren.