Mutters
Agenda
siebenten Band
(Im Anschluß an die Lektüre eines lange zurückliegenden Entretiens vom 19. April 1951, in dem Mutter gesagt hatte: "Man unternimmt eine Art innere Jagd. Man geht auf die Jagd nach kleinen finsteren Winkeln... Man gibt die Schwierigkeit in sich selbst oder in den anderen, wo auch immer sie sich manifestiert, dem göttlichen Bewußtsein hin und bittet es, sie zu transformieren.")
Genau das tue ich seit zwei Tagen. Seit zwei Tagen verbringe ich meine gesamte Zeit damit, diese ganze... ach, diesen Berg an schäbigen kleinen Dingen zu sehen, die man dauernd erlebt, winzige schäbige Dinge. Dafür gibt es nur ein Mittel, ein einziges, und stets dasselbe: es hingeben.
Es ist beinahe so, als ob das Höchste Bewußtsein einen in Kontakt mit völlig vergessenen Dingen bringen würde, die der Vergangenheit angehören – die sogar schon völlig ausradiert sind (oder es waren oder so schienen), Dinge, mit denen man überhaupt nicht mehr in Berührung stand. Alle möglichen kleinen Umstände, die in der Sicht des neuen Bewußtseins, von ihrem wirklichen Platz her gesehen, aus dem ganzen Leben, dem menschlichen Leben im allgemeinen, ein so armseliges, gemeines und schäbiges Ganzes machen. Es ist eine helle Freude, das alles hinzugeben, auf daß es verwandelt und umgestaltet wird.
Jetzt ist dies sogar zur Bewegung des Zellbewußtseins geworden. Alle Schwächen, alle Reaktionen auf feindliche Suggestionen (ich meine all die winzigen Kleinigkeiten in den Zellen, in jeder Minute) – manchmal kommt das in solchen Wellen, daß der Körper unter dem Ansturm ohnmächtig zu werden meint. Und dann... kommt dieses so warme, tiefe, weiche und mächtige Licht, das alles wieder in Ordnung bringt und den Weg zur Transformation ebnet.
Diese Phasen sind sehr schwierig für das Leben des Körpers. Man hat das Gefühl, als existiere nur noch eine Sache, die entscheidet: der höchste Wille. Es gibt keinerlei Unterstützung mehr – von der Unterstützung der Gewohnheit über die des Wissens bis zur Unterstützung des Willens, keine einzige, alle verschwunden. Es gibt nur noch den Höchsten.
(Schweigen)
Die Sehnsucht im Zellbewußtsein nach einer vollkommenen Aufrichtigkeit der Hingabe.
Und die erlebte Erfahrung – intensiv erlebt –, daß allein diese absolute Aufrichtigkeit der Hingabe die Existenz ermöglicht.
Die geringste Vortäuschung bedeutet eine Verbündung mit den Kräften des Zerfalls und des Todes.
Wie ein Lied der Zellen – die nicht einmal die Unaufrichtigkeit besitzen dürfen, sich dabei zu beobachten –, das Lied der Zellen: "Dein Wille, Herr, Dein Wille ..."
Die ungeheure Gewohnheit, vom Willen anderer abzuhängen, vom Bewußtsein anderer, von den Reaktionen anderer (von anderen und von allem), diese universelle Komödie, die alle mit allen spielen und die alles allem vorspielt, muß durch eine spontane, absolute Aufrichtigkeit der Hingabe ersetzt werden.
Offensichtlich ist diese Vollkommenheit der Aufrichtigkeit nur im materiellsten Teil des Bewußtseins möglich.
Nur dort kann man sein, existieren, handeln, ohne sich dabei zu beobachten, und dies mit einer absoluten Aufrichtigkeit.
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Wenig später
Dieses Entretien [vom 19. April 1951] interessiert mich enorm. Dies ist genau der Gegenstand der jetzigen Bemühung.
Sehr interessant ist die ständige Wechselwirkung zwischen der inneren und äußeren Arbeit, wie zum Beispiel die Vorbereitung dieses Bulletins 1 . Ich sehe sehr wohl, daß der ursprüngliche Anstoß immer von außen kommt (von "außen" im Hinblick auf diesen Körper), in dem Sinne, daß der Brennpunkt der Bemühung vom Gesundheitszustand der Menschen in meiner Umgebung abhängt, von einem gewissen Zusammenspiel der Umstände, wie auch von einer geistigen Arbeit (wie dieses Bulletin). Das sind die Ursachen. Denn dort (Geste zur Stirn) herrscht wirklich immer eine ruhige und schweigende Unbewegtheit. Also kommt alles nur von außen.
Der Körper wird immer bewußter: Er besitzt eine sehr scharfe Wahrnehmung der Schwingungen, die von den alten Gewohnheiten, den alten Seinsweisen und dem Widerstand herrühren, im Unterschied zu jenen der Gegenwart der Wahren Schwingung. Es ist also eine Frage der Dosierung und des Verhältnisses, und wenn die Menge, die Gesamtsumme der alten Schwingungen, Gewohnheiten und Reaktionen zu groß ist, so bewirkt dies eine Störung, die nur durch Unbewegtheit und Konzentration überwunden werden kann, wodurch man eine so klare und intensive Wahrnehmung von der Zerbrechlichkeit des Gleichgewichts und des Daseins gewinnt. Und dann dahinter: eine Pracht. Die Pracht des göttlichen Lichts, des göttlichen Willens, des göttlichen Bewußtseins, der ewigen Antriebskraft.
1 Satprem hatte Mutter dieses Entretien für das nächste Bulletin vorgelesen.