Mutters
Agenda
sechsten Band
7. April 1965
Schläfst du gut?
Nicht besonders, und mein Schlaf ist nicht bewußt: ich sehe dich nicht.
Ach, mein Kind (lachend), manchmal sage ich mir: "Wie schön für die Leute, nicht bewußt zu sein!"
Weißt du, ständig ziehen Erfahrungen an mir vorbei, ohne Unterbruch – natürlich trete ich in manchen Augenblicken in einen glückseligen Zustand, aber dies ist mir nicht für lange Zeit vergönnt. Ich würde gerne mindestens vier oder fünf Stunden so verbringen, aber es wird mir nicht gewährt. Ständig, ständig... und was für Geschichten!
Ich kann es nicht ausdrücken... Es ist weder überbewußt noch unterbewußt... man könnte es zwischenbewußt nennen – es ist genau die Schattenseite der Dinge. Und dann... (Mutter schüttelt den Kopf)
(Schweigen)
In "dokumentarischer" Hinsicht wäre es sehr interessant, tagtäglich alles, was geschieht, zu notieren. Es ist nämlich nicht auf einen Ort oder eine gewisse Anzahl von Leuten beschränkt: es handelt sich um eine ausgesprochen weltumfassende Tätigkeit. Das wäre offensichtlich sehr interessant. Aber dazu bräuchte man mindestens ein oder zwei Stunden jeden Morgen, um die ganze Nacht zu notieren! Und man muß sich schön ruhig verhalten, sonst verschwindet alles. Dies ergäbe unglaubliche Dokumente.
Voraussagen erhalte ich nur in sehr symbolischer oder eigenartiger Form. Eine Form, die man "analog" nennen könnte. Man zeigt mir analoge Tatsachen, die in der Geschichte der Erde aufgetreten sind (manchmal nicht die historische, sondern die "prähistorische" Geschichte der Erde), mit einer speziellen Färbung, ein bißchen innerlicher als die bloßen rohen Tatsachen: damit einher geht eine Schwingung von einer Kombination aus Denken, Gefühl und besonders Kraft – der Kraft der Aktion. Das kommt mit einer Art Kraft der Projektion in die Zukunft (Mutter bezeichnet eine Wurflinie, die von den Ereignissen der Vergangenheit zu denen der Zukunft verläuft), und zwischen den beiden liegt die im irdischen Fortschritt durchlaufene Kurve. Eigentlich wäre dies recht interessant... Man darf aber nichts anderes zu tun haben!
Eines wird jedenfalls sehr deutlich: Ein Wort oder ein Satz zum Beispiel, eine Bewegung, ein Gedanke, ein Impuls, alles hat seinen speziellen Schwingungspunkt (in der Vergangenheit) und seinen ganzen Verlauf an Folgeerscheinungen (dieselbe Bewegung einer Wurflinie), die ganze Kurve der Folgeerscheinungen. All das zeigt sich als Ganzes (Mutter bezeichnet einen Bildschirm, auf dem plötzlich ein Bild anhält). Die Kurve: diese Sache führt... brrt! dorthin. Aber das Endergebnis (so etwas wie eine spektakuläre und hochtrabende Bedeutung mit großen Auswirkungen) wird mir nie gegeben. Das, was jemanden zu einem großen Propheten macht, wird mir nicht zuteil (ich strebe nicht danach, aber es wird mir auch nicht gewährt). Nur (dieselbe Geste einer Kurve): diese Sache wird sich so abspielen, brrt! und dann wird das und das sein... (Mutter bezeichnet gewisse Punkte auf der Kurve), was aber das Endergebnis betrifft: Schweigen.
Man kann es jedoch nur notieren, wenn man nichts anderes zu tun hat. Eigentlich war es niemals zu etwas nutze. Glaubst du etwa, die Weissager hätten den Menschen geholfen?... Ich nicht. Was kommen mußte, ist schon immer eingetreten, und die Tatsache, daß man es voraussah, hat nichts daran geändert.