Mutters
Agenda
vierten Band
22. April 1963
(Brief von Satprem an Mutter)
Rameshwaram, Montag, 22. April
Liebe Mutter,
Gestern bin ich gut hier angekommen. Bis jetzt habe ich die meiste Zeit damit verbracht, gegen ein schreckliches Gefühl in meinem Herzen, in meinen Gedanken, in meinem Körper anzukämpfen. Es ist so stark, daß ich heute den erstbesten Zug nehmen würde, um zurückzukehren, wenn ich nur könnte. Noch nie habe ich mich hier so gefühlt. Beinahe hätte ich telegraphisch um Deine Hilfe gebeten. Ich werde versuchen, es hier so lange "auszuhalten", wie es die Höflichkeit gebietet, und dann werde ich schnellstens abreisen.
In materieller Hinsicht könnten die Bedingungen gar nicht ärmlicher sein – tatsächlich ist es das krasse Elend in völligem Schmutz. Mein Körper ist nicht gerade in brillanter Verfassung, aber ich hoffe, er wird sich erholen. In mentaler und affektiver Hinsicht: NULL. Bleibt nur das Eine, ohne das alles zusammenstürzen würde.
Ich habe Dich verteufelt nötig.
In Liebe,
Satprem
(Mutters Antwort)
23.4.63
Satprem, mein liebes Kind,
Gerade habe ich Deinen Brief erhalten. Er bestätigt nur, was ich sah und FÜHLTE. Die beiden letzten Nächte waren rundum schlecht, und tagsüber geht es nicht besser.
Selbstverständlich solltest Du sobald wie möglich zurückkehren. Schicke ein Telegramm, sobald Du Dich entschieden hast. Ich meinerseits tue mein Bestes, Dich fühlen zu lassen, daß ich bei Dir bin.
Zärtlich,
Mutter
(Bruchstück eines Briefes an Sujata)
Montagmorgen, 22. April 63
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Gerade schrieb ich Mutter, um ihr mitzuteilen, daß ich den erstbesten Zug nehmen würde, um zurückzukehren, wenn ich nur könnte. Als ich hier ankam, hatte ich ein schreckliches Gefühl wie noch nie, fast wie eine Panik. Alles war so entsetzlich leer und weit weg. Ich muß überempfindlich geworden sein. Wenn ich nicht Angst davor hätte, mich an dieses Gefühl zu verlieren, und wenn es nicht X gegenüber grob wäre, nähme ich heute noch den Mittagszug. Das neue "guest-house" 1 spottet jeder Beschreibung: Zementmauern umgeben von Zementmauern. Der Bau ist so hervorragend, daß kein Lufthauch darin zirkulieren kann, und natürlich ist kein einziger Grashalm zu sehen, nur prächtige Eisengitter und durchbrochene Zementplatten, dafür nicht einmal die elementarsten Annehmlichkeiten. Ich weigerte mich strikt, dieses Grab zu betreten, und so brachte man mich im Haus nebenan unter, das X gehört und als Abstellraum dient. Ein absoluter Schmutzhaufen. Sie kamen nicht einmal auf den Gedanken, mir eine Matte anzubieten. Schließlich brachte man mir eine Bank zum Schlafen, die ich abwies.... Soweit die materiellen Bedingungen. Ich hoffe, mein Körper erholt sich. Sobald ich mit Anstand Abschied nehmen kann, lichte ich den Anker.
Satprem
1 Ein Geschenk der Geschäftsleute des Ashrams.