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Mutters

Agenda

dritten Band

14. August 1962

(Ich erinnere mich nicht mehr genau an die Umstände, die zur folgenden Unterhaltung führten, denn ich bewahrte keine Notizen meiner Fragen an Mutter oder der äußeren Details, aber anscheinend wollte ich einen Brief an X, meinen damaligen tantrischen Lehrmeister, schreiben, um ihn zu treffen und ihm zu erklären, was geschehen war, und vor allem, um ihm zu sagen, daß ich trotz der äußeren Umstände und unseres äußeren Bruches eine tiefe Zuneigung für ihn bewahre.)

...Man darf niemals zurückgehen, man muß immer vorwärtsschreiten.

Die Kurven verlaufen so, so, so (gewundene Bewegung), und nur wenn man wie der supramentale Pfeil vorangeht, kann man darüber hinausgehen. Was [mit X] passierte, war also notwendig. Es gibt aber eine höhere Stufe, als es jemandem übel zu nehmen, daß man sich in ihm getäuscht hat. Das ist eine so gewöhnliche, menschliche Sache – lächerlich! Aber so ist es nun mal. Er ist und war immer, was er ist. Er gab niemals vor, etwas anderes zu sein, als er ist, nur (mit einem ironischen Lächeln über Satprem) hat die Vorstellungskraft viele Vergoldungen hinzugefügt, die es nicht gab, und nun bewirkten die Umstände (die immer unter dem Einfluß des Bewußtseins stehen), daß die Vergoldungen verschwanden. Was du aufrichtig für ihn empfandest, was nicht das Ergebnis einer überquellenden Vorstellungskraft sondern ein aufrichtiges Gefühl war, das muß natürlich bestehen bleiben 1 .

Aber es bleibt ja bestehen!

Dann gibt es nur eines zu sagen: "Mein Gefühl bleibt unverändert." Du brauchst dich nicht wieder unter seinen Einfluß zu stellen, denn es war nur der Einfluß deiner Vorstellungskraft.

Ich weiß nicht recht, wie ich es ihm sagen soll...

Warum willst du dir im voraus ausdenken, was du ihm sagen wirst? Bewahre in deinem Bewußtsein nicht die äußere Konvention, die Illusion, in der du lebtest, sondern die Realität!

Entscheide nichts mental!

Man muß unbewegt, schweigend sein können und den Herrn durch sich sprechen lassen. Das ist viel besser, als vorher zu entscheiden, viel besser... Mich hat der Herr niemals im Stich gelassen. Ich fand mich Hunderte von Malen in sehr schwierigen Umständen. Ich tat nichts und sagte: "Gut, wir werden schon sehen, was geschieht!" und natürlich geschah immer das Beste. Ich hatte nichts damit zu tun – nicht ich war es sondern der Herr.

Je weniger man erklärt, je weniger Pläne man macht, desto besser – immer, immer.

*
*   *

Etwas später

Gleich nachdem ich das letzte Mal mit dir sprach, betrachtete ich die Sache nochmals genau, um völlig sicher zu sein, und ich sah, daß sogar mein Körper eine kleine Anstrengung machen mußte (nur eine kleine Anstrengung), um die Empfindung zu haben, etwas Getrenntes zu sein, eine Individualität zu sein. Das erschien ihm störend, als ob man ihn in eine Schachtel stecke!

Es besteht vielmehr der Eindruck von Schwingungen, die irgendwo angesammelt und verdichtet sind. Aber mit einem sehr anpassungsfähigen inneren Spiel, denn es verteilt sich (Geste der Ausbreitung in alle Richtungen) wie durch eine Art Verfeinerung oder Verflüchtigung. Es hat keine Grenzen – wie könnte es auch! Es verläuft so (dieselbe ausstrahlende Geste). Dieselben Schwingungen sind überall, in allen Körpern und in allen Dingen. Nur eine willentliche Konzentration in einer besonderen Anordnung ergibt das, was wir als Körper bezeichnen – spontan fühlt er sich immer so (er hält nicht inne, sich zu beobachten, aber wenn etwas ihn veranlaßt, sich zu betrachten, spürt er es spontan so). Diese Begrenzung, die in allen Wesen ist und die in ihm WAR (war er es?... Oder haben sich die Zellen verändert? Ich weiß es nicht), jedenfalls ist die Begrenzung dessen, was die Leute "diesen Körper" nennen, völlig verschwunden. Früher (vor dreißig Jahren) fühlte er etwas Abgetrenntes, das sich zwischen anderen getrennten Dingen bewegte – das ist verschwunden.

Mehrere Male versuchte ich es, ich sagte mir: "Sehen wir mal, ist da nichts, überhaupt nichts, das so fühlt 2?" Von oben betrachtete ich es so. "Ist da wirklich, tatsächlich nichts? Bist du völlig aufrichtig, spontan 3? Ist da nichts?" – Unmöglich, etwas zu finden. Unmöglich!

In allen Seinszuständen, sogar im Subtilphysischen, im Mental, im Vital, überall ist es seit langer Zeit nicht mehr so. Aber hier geht es um den Körper. Ich sage "ich" – das, was "ich" sagt, ist... weit wie das Universum. Das KANN NICHT anders sein. Es ist nicht so, weil ich es will oder darauf bestehe, nicht als Ergebnis einer Tapasya oder... keineswegs: das KANN NICHT ANDERS SEIN, es ist so. So ist meine spontane Seinsart. Die Erfahrung hat sich völlig (wie soll ich sagen?) exteriorisiert.

Darin liegt der WESENTLICHE Unterschied bei diesem Körper. Deshalb fühlt er sich nicht wie die anderen Körper. Es ist... (Mutter schüttelt den Kopf) nein, es ist nicht dasselbe, er spürt deutlich, daß es nicht dasselbe ist, denn seine Reaktion ist anders!

Vielleicht gab es vorher ein Jiva? Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht mehr. Denn jetzt erinnere ich mich eigentlich nur an ein fortschreitendes Universum und eine besondere Konzentration auf die Belange der Erde, weil der Herr entschied, daß der Augenblick gekommen sei... etwas zu ändern. Das ist alles. Etwas verändern!

(Schweigen)

Ein Mann – der weder besonders alt noch jung ist – lebt seid fünfundzwanzig Jahren ununterbrochen an einer der Quellen des Ganges, in einer kleinen Höhle, die in den Berg gegraben ist, sehr klein, völlig kahl, gestampfte Erde, nur ein Tigerfell. Er sitzt auf dem Tigerfell, ganz nackt, mit nichts an, nackt wie ein neugeborenes Kind, im tiefsten Winter wie im Sommer – draußen ist alles mit Schnee bedeckt. Er ißt... manchmal bringen ihm die vorbeigehenden Leute Früchte. Die läßt er in der Sonne trocknen, legt sie dann ins Wasser und trinkt es. Das ist alles. Seit fünfundzwanzig Jahren lebt er dort, ohne diesen Platz zu verlassen.

Eines unserer Kinder (V) ging ganz allein dorthin – ein mutiger Junge. Im Winter ist es völlig von allem abgeschnitten, es gibt nichts. (Es war im Mai, und draußen lag noch Schnee, und was für eine Kälte! – Es muß schrecklich sein.) Er sitzt da, ganz nackt, das erscheint ihm völlig natürlich! Er fragte den Jungen sogar: "Willst du die Nacht hier verbringen?..." Aber es genügte ihm schon so!

V ging dorthin und setzte sich in seine Nähe. Dann versank der Mann in eine Art Trance und begann, ihm Dinge über sein Leben zu erzählen (über das Leben des Jungen, nicht sein eigenes!). V interessierte sich, war neugierig und fragte ihn: "Woher komme ich denn?" Der Mann antwortete: "Oh! Von einem Ashram am Meer – dort ist das Meer." Dann begann er zu erzählen (man muß dazusagen, daß er äußerlich absolut nichts von Sri Aurobindo, mir und dem Ashram wußte – überhaupt nichts). Er sagte ihm, daß dort ein "großer Weiser" und "die Mutter" lebten und daß sie etwas auf der Erde vollbringen wollten, das noch nie zuvor vollbracht worden war – es sei sehr schwierig. Ich weiß nicht, ob er sagte, daß ich jetzt allein sei, aber jedenfalls sagte er dann: "Ja, sie mußte sich zurückziehen 4, denn die Leute, die sie umgeben, verstehen nichts, und... das Leben dort ist sehr schwierig geworden. Es wird noch bis 1964 sehr schwierig sein."

Vielleicht las er im Kopf des Jungen (ich weiß es nicht), aber jedenfalls entsprach es keinem bewußten Gedanken. Er sagte mehrere Male: "Sie wollen etwas vollbringen, das noch nie zuvor vollbracht worden ist, es ist sehr schwierig – sehr schwierig. Sie sind gekommen, um das zu vollbringen."

Vor zwei Tagen erfuhr ich das. Es interessierte mich: "Etwas, das noch nie zuvor vollbracht worden ist. Etwas völlig Neues." 5

Er sagte noch viele andere Dinge. Es scheint, daß er ein besonderes Hindi spricht, das sehr schwer zu verstehen ist. Aber das wiederholte er mehrere Male, und es war völlig klar.

Das interessierte mich.

Sri Aurobindo und ich sind wirklich dafür gekommen. Das schwebte über meinem Kopf, seit ich ganz klein war: etwas Neues und sehr Schwieriges (Mutter lächelt). Sehr schwierig.

Angeblich sagte er, wenn wir bis 1964 durchhielten, würden die Schwierigkeiten verschwinden. Aber das ist eine sehr starke Formation – woher erhielt er sie? Ist es Sri Aurobindos Formation? Ist es der Gedanke des Jungen? Oder von wem?... Aber dann ist er ein wunderbarer Gedankenleser, er muß auf wunderbare Weise in der mentalen Welt sehen.

Das fand ich interessant. Wenn man die Leute hier fragte, hätten nicht viele eine so klare Idee: "Sie sind gekommen, um etwas völlig Neues zu vollbringen, etwas sehr Schwieriges."

Das ist schön.

Gut, mein Kind.

 

1 In der Tat kam mein endgültiger Bruch mit X erst zwei Jahre später, 1964.

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2 Die Trennung des Körpers.

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3 Der Körper ist gemeint.

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4 Mutters "Rückzug" dauerte nicht lange an. 1962 war vielleicht ihr einziges ruhiges Jahr. Von 1963 an wird die mitleidslose Menschenmenge wieder einsetzen.

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5 Einige Tage später bemerkte Mutter mit einer Art Bewunderung: "Es ist fast wie ein Wunder, wenn diese Leute zugeben können, daß man etwas völlig Neues vollbringt! Das ist die große Schwierigkeit bei allen, die etwas verwirklicht haben – sie haben die Tür verschlossen: "Jetzt haben wir verwirklicht, was die Alten gesagt haben, und das genügt." Da einen Menschen zu finden, der äußerlich nichts weiß und der FÜHLTE, daß wir etwas vollbringen wollen, das noch nie vorher vollbracht worden ist... das finde ich äußerst interessant. Das bedeutet eine Öffnung. Eine Öffnung hoch oben, höher als die gewöhnliche spirituelle Atmosphäre."

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