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Mutters

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ersten Band

10. Mai 1958

Heute morgen betrachtete ich plötzlich meinen Körper (gewöhnlich schaue ich ihn nicht an: ich bin darin und arbeite), ich betrachtete meinen Körper und sagte mir: "Nun, was würde ein Beobachter zu diesem Körper sagen?" (Der Beobachter, von dem Sri Aurobindo in The Synthesis of Yoga spricht.) Nichts sehr Bemerkenswertes. Dann formulierte ich es wie folgt (Mutter liest eine handgeschriebene Notiz):

"Dieser Körper hat weder die unangefochtene Autorität des Gottes noch die unstörbare Erhabenheit des Weisen."

Was denn?

"Er ist nur ein einfacher Lehrling des Übermenschlichen."

Das ist alles, was er versucht zu tun.

Ich sah und verstand sehr deutlich, daß ich, wenn ich mich konzentrierte, ihm die Haltung absoluter Autorität der ewigen Mutter hätte geben können. Als Sri Aurobindo mir sagte: "Du bist SIE", übertrug er zugleich diese Haltung von absoluter Autorität auf meinen Körper. Die innere Vision der Wahrheit war da, und folglich kümmerte ich mich sehr wenig um die Unvollkommenheiten des physischen Körpers – ich beschäftigte mich nicht damit und benutzte ihn einfach als Instrument. Sri Aurobindo machte die Sadhana für diesen Körper, der nur dauernd für sein Handeln offen bleiben mußte. 1 Danach, als er gegangen war und ich das Yoga selbst weiterführen mußte, um seinen physischen Platz übernehmen zu können, hätte ich die Haltung des Weisen einnehmen können. Ich tat es, denn in dem Augenblick, als er ging, war ich in einem Zustand unvergleichlicher Erhabenheit. Als er seinen Körper verließ und in den meinen einging und mir sagte: "Du wirst weitermachen, du wirst bis zum Ende der Arbeit gehen", zwang ich diesem Körper eine Erhabenheit auf: die Erhabenheit einer vollkommenen Losgelöstheit. Ich hätte so bleiben können.

Aber die vollkommene Erhabenheit bedeutet irgendwie auch, daß man sich vom Handeln zurückzieht, ich mußte also das eine oder das andere wählen. Ich sagte mir: "Ich bin weder ausschließlich dies noch ausschließlich das!" Und die Arbeit von Sri Aurobindo auszuführen bedeutet im Grunde, das Supramental auf der Erde zu verwirklichen. Dann begann ich diese Arbeit, und um die Wahrheit zu sagen, forderte ich nur das von meinem Körper. Ich sagte ihm: "Jetzt wirst du alles in Ordnung bringen, was zerstört ist, nach und nach wirst du diese höhere Menschlichkeit verwirklichen, die Brücke zwischen dem Menschen und dem supramentalen Wesen, also das, was ich den Übermenschen nenne."

Und das tue ich seit acht Jahren; und ganz besonders seit zwei Jahren, seit 1956. Das ist jetzt die Arbeit jedes Tages, jeder Minute.

Das ist meine Lage. Ich verzichtete auf die unangefochtene Autorität Gottes, ich verzichtete auf die unstörbare Erhabenheit des Weisen... um der Übermensch zu werden. Darauf konzentrierte ich alles.

Wir werden sehen.

Ich lerne zu arbeiten. Ich bin nur ein Lehrling, ein einfacher Lehrling: ich bin dabei das Handwerk zu lernen.

*
*   *

Kurz danach

Es ist der Körper, der physische Körper, der bei einer beträchtlichen Anzahl von Leuten hartnäckig widersteht.

Für die Menschen im Westen ist es viel schwieriger als für die Inder. Ihre Substanz ist wie durchsetzt von Falschheit. Bei den Indern kommt das natürlich auch vor, aber gewöhnlich liegt ihre Falschheit viel mehr im Vital als im Physischen – ihr Physisches diente immerhin Körpern, die erleuchteten Wesen gehörten. Die europäische Substanz scheint voller Empörung zu sein; in der indischen Substanz wird diese Auflehnung gemildert durch einen Einfluß von surrender [vollkommene Hingabe]. Neulich erzählte mir jemand von seinen Brieffreunden, und ich sagte ihm: aber raten Sie ihnen doch zu lesen, zu lernen, der Synthese des Yoga zu folgen: das führt Sie direkt auf den Weg. Da antwortete er mir: "Oh! sie sagen, da geht es nur um Hingabe, um Hingabe, immer Hingabe..." und davon wollen sie nichts wissen.

Sie wollen nichts davon wissen! Selbst wenn das Mental es annimmt, weisen der Körper und das Vital es zurück; der Körper weigert sich, weigert sich mit der Hartnäckigkeit eines Steines.

Geschieht das nicht aus Unbewußtheit?

Nein, sobald er bewußt wird, ist er sich seiner eigenen Falschheit bewußt! Er ist sich dieses Gesetzes bewußt, jenes Gesetzes, dieses dritten Gesetzes, jenes vierten Gesetzes, jenes zehnten Gesetzes – alles ist "Gesetze". "Wir sind dem physischen Gesetz unterworfen: das wird dieses Resultat ergeben, und wenn ihr dies tut, wird jenes geschehen, usw." Nein! Das quillt aus allen Poren! Ich weiß es wohl. Ich weiß es wohl. Das trieft von Falschheit. Im Körper haben wir überhaupt keinen Glauben an die göttliche Gnade, nichts davon, nichts, nichts, nichts! Wenn man sich nicht einer Tapasya 2 unterworfen hat, wie ich es tat, sagt man: "Ja, alle Innerlichkeit, Moral, alle Gefühle, die ganze Psychologie, das alles ist schön und gut; wir wollen das Göttliche und wir sind bereit zu... – aber schließlich bleiben die materiellen Tatsachen materielle Tatsachen, sie haben ihre konkrete Wirklichkeit: eine Krankheit ist eine Krankheit, Nahrung ist Nahrung und die Konsequenz von allem, was man tut, ist eine Konsequenz, und wenn man..." bla, bla, bla, bla, bla!

Man muß verstehen, daß das nicht wahr ist – daß das nicht wahr ist, daß das eine Lüge ist, daß all das nur eine Lüge ist. Es ist NICHT WAHR, es ist nicht wahr!

Wenn wir innen in unserem Körper den Höchsten akzeptierten, wenn jemand die Erfahrung hätte, die ich vor einigen Tagen hatte 3: das bedeutet das Höchste Wissen in Aktion, mit der völligen Beseitigung aller vergangenen und zukünftigen Konsequenzen. Jede Sekunde hat ihre Ewigkeit und ihr eigenes Gesetz, ein Gesetz absoluter Wahrheit.

Als ich diese Erfahrung hatte, verstand ich, daß ich noch vor einem Monat dabei war, gebirgshohe Dummheiten zu sagen. Ich lachte und stimmte fast den Leuten zu, die sagen: "Trotzdem wird der Höchste nicht über die Anzahl der Zuckerstücke entscheiden, die man in seinen Kaffee tut! Das hieße, seine eigene Seinsart auf den Höchsten zu übertragen." Und das ist eine Dummheit, so groß wie der Himalaja! Das ist eine Eselei, die anmaßende Eselei des Mentals, das sich auf das göttliche Leben überträgt und sich einbildet, das göttliche Leben entspräche seiner Übertragung.

Der Höchste entscheidet nicht: Er weiß. Der Höchste will nicht: Er sieht. Und zwar in jeder tausendstel Sekunde, ewig. Das ist alles. Und das ist der einzige wahre Zustand.

Ich weiß, daß die Erfahrung, die ich kürzlich hatte, neu ist, und daß ich die erste auf der Erde bin, die sie hatte. Aber sie ist das einzige, was wahr ist. Alles andere...

Ich begann meine Sadhana, als ich geboren wurde, ohne zu wissen, daß ich es tat. Ich setzte sie mein ganzes Leben fort, fast achtzig Jahre lang (man kann sagen, daß es während der ersten drei oder vier Lebensjahre noch etwas war, das sich im Unbewußten bewegte). Und eine willentliche, bewußte Sadhana begann ich vielleicht mit zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahren, auf einem vorbereiteten Boden. Ich bin über achtzig: ich dachte nur an das, ich wollte nur das, ich hatte kein anderes Interesse in meinem Leben und keine einzige Minute vergaß ich, daß es DAS war, was ich wollte. Es gab keine Zeiten der Erinnerung und andere, in denen ich vergaß: das war fortdauernd, unaufhörlich, Tag und Nacht, seit achtzig Jahren – und ich hatte die Erfahrung zum ersten Mal vor ungefähr einer Woche! So sage ich, daß die Leute, die es eilig haben, die ungeduldig sind, anmaßende Idioten sind.

...Es ist ein harter Weg. Ich bemühe mich, ihn so angenehm wie möglich zu machen, aber trotz allem ist es ein harter Weg. Und es ist offensichtlich, daß es nicht anders sein kann. Man wird mit Fausthieben und Hammerschlägen bearbeitet, bis man versteht. Bis man diesen Zustand erreicht, in dem alle Körper euer eigener sind. Dann fängt man an zu lachen! Man fühlte sich durch dieses gekränkt, jenes tat einem weh, man litt an diesem, an jenem – oh! wie komisch das erscheint! Und nicht nur der Kopf, auch der Körper findet das komisch!

(Schweigen)

...und das ist so tief verwurzelt: alle Reaktionen des körperlichen Bewußtseins sind so, sie ziehen sich irgendwie zusammen bei der Idee, eine höhere Macht eingreifen zu lassen.

(Schweigen)

Auf der positiven Seite bin ich überzeugt, daß wir in dem Resultat, das wir erreichen wollen, übereinstimmen, das heißt eine vollkommene und rückhaltlose Hingabe – in der Liebe, im Wissen und in der Handlung – an den Höchsten UND AN SEIN WERK. Ich sage an den Höchsten und an sein Werk, weil die Hingabe an den Höchsten allein nicht genügt. Wir sind jetzt für die supramentale Verwirklichung hier, das ist es, was von uns erwartet wird, aber um das erreichen zu können, muß die Hingabe vollkommen sein, ohne Vorbehalt, vollkommen uneingeschränkt. Ich denke, du hast das verstanden, das heißt, du hast den Willen, das zu verwirklichen.

Auf der negativen Seite – also die Schwierigkeiten, die zu überwinden sind – ist eines der schwerwiegendsten Hindernisse die Anerkennung, die das unwissende und lügnerische äußere Bewußtsein, das gewöhnliche Bewußtsein, allen angeblichen physischen Gesetzen schenkt, den Ursachen, Wirkungen und Folgen, all dem, was die Wissenschaft physisch, materiell entdeckt hat. All das stellt eine unbestreitbare Wirklichkeit im Bewußtsein dar, eine Wirklichkeit, die sich unabhängig und unbedingt der ewigen göttlichen Wirklichkeit gegenüberstellt.

Und das geschieht so automatisch, daß es unbewußt ist.

Wenn es sich um Regungen wie Zorn, Begierden usw. handelt, erkennt man, daß sie unrecht haben und verschwinden müssen, aber wenn es um materielle Gesetze geht – die des Körpers zum Beispiel, seine Bedürfnisse, seine Gesundheit, seine Nahrung und all das –, so haben diese Gesetze eine so starke, so dichte, so feste konkrete Wirklichkeit, daß sie ganz und gar unbestreitbar erscheinen.

Nun, um das überwinden zu können, was von allen Hindernissen das größte ist – diese Gewohnheit, das spirituelle Leben auf die eine Seite zu stellen und das materielle Leben auf die andere, diese Anerkennung des Existenzrechtes der materiellen Gesetze –, muß man den Entschluß fassen, koste es, was es wolle, nie eine dieser Regungen anzuerkennen.

Um dieses Problem klar erkennen zu können, ist es absolut unerläßlich, von vorrangiger Bedeutung, aus dem mentalen Bewußtsein herauszukommen, sogar aus der mentalen (auch der am höchsten entwickelten) Übersetzung der supramentalen Vision und der supramentalen Wahrheit. Nur im supramentalen Bewußtsein sieht man die Sache so, wie sie ist, in ihrer Wahrheit, und wenn man versucht, sie zu erklären, fängt sie sofort an zu entschlüpfen, weil man gezwungen ist, sie mental zu formulieren.

Ich selbst sah die Dinge erst im Augenblick dieser Erfahrung und als ein Resultat dieser Erfahrung. Aber sogar die Erfahrung selbst ist unmöglich zu formulieren, und sobald ich mich anstrengte, sie zu formulieren, und je mehr es mir gelang, sie zu formulieren, um so mehr verblaßte und entschwand sie.

Folglich, wenn man sich nicht erinnert, diese Erfahrung gehabt zu haben, bleibt man in demselben Zustand wie vorher, aber mit diesem Unterschied, daß man dann weiß, und man kann wissen, daß diese materiellen Gesetze nicht der Wahrheit entsprechen. Das ist alles. Sie entsprechen überhaupt nicht der Wahrheit, und folglich, wenn man seiner Aspiration treu sein will, darf man ihnen in keiner Weise Anerkennung schenken. Man muß sagen: das ist ein Übel, an dem wir vorübergehend leiden, für eine Zwischenzeit, aber es ist ein Übel und eine Unwissenheit. Denn es ist wirklich eine Unwissenheit (das ist keine Redensart): es ist eine Unwissenheit, es ist nicht die Sache, wie sie ist, sogar wenn es um unseren Körper geht, wie er ist. Folglich erkennen wir nichts an. Wir sagen: es ist ein Übel, das wir vorübergehend ertragen müssen, bis wir uns davon befreien, aber wir ERKENNEN ES NICHT als eine konkrete Wirklichkeit an. Es hat KEINE konkrete Wirklichkeit, es ist eine falsche Wirklichkeit – das, was wir als konkrete Wirklichkeit bezeichnen, ist eine falsche Wirklichkeit.

Und der Beweis dafür – ich habe den Beweis, weil ich es an mir selbst erfahren habe – besteht darin, daß von der Minute, wo man das andere Bewußtsein, das wahre Bewußtsein erreicht, sich AUGENBLICKLICH all diese Dinge verändern, die zuvor so echt, so konkret erschienen. Eine Anzahl von Dingen, von materiellen Tatbeständen meines Körpers veränderten sich augenblicklich. Die Erfahrung blieb nicht lange genug, daß sich alles ändern konnte, aber gewisse Dinge änderten sich und kehrten nicht zurück, die Änderung blieb. Das bedeutet, würde dieses Bewußtsein ständig aufrecht erhalten, so wäre es das ewige Wunder (was wir aus gewohnter Sicht als Wunder bezeichnen), das phantastische und ewige Wunder! Aus der supramentalen Sicht wäre es aber überhaupt kein Wunder, sondern die natürlichste Sache der Welt.

Wenn man also der supramentalen Aktion keinen dunklen, starren, hartnäckigen Widerstand entgegensetzen will, muß man ein für allemal einsehen, daß wir nichts von all dem anerkennen dürfen.

 

1 Diesen letzten Satz fügte Mutter schriftlich hinzu.

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2 Tapasya: yogische Disziplin oder Askese.

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3 Am 1. Mai 1958.

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