Mutters
Agenda
dreizehnten Band
Geht es dir gut?
Und dir ging es in den letzten Tagen nicht gut?
Es ist seltsam. Glücklicherweise kommen all diese Dinge eins nach dem anderen: alle Funktionen wechseln sozusagen ihre Autorität. Die Funktionen, die natürlich abliefen – eben im Einklang mit den Kräften der Natur – ganz plötzlich, brrm! vorbei. Das zieht sich zurück. Und dann erscheint etwas, das ich das Göttliche nenne... vielleicht bezeichnete es Sri Aurobindo mit Supramental, ich weiß es nicht, es ist etwas in der Art, aber offensichtlich befaßt es sich mit der Materie, der Manifestation, und es ist die Verwirklichung von morgen, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Wenn alles gründlich gestört ist und äußerst schlecht geht, dann willigt Das ein, einzugreifen.
Der Übergang ist nicht angenehm.
(Mutter gibt Sujata Blumen)
Hier, mein Kind!
Mit heftigen Schmerzen, mit... unmöglich zu essen, usw. usw.
Offensichtlich mußte es jemand tun. Als er wegging, sagte mir Sri Aurobindo, daß nur ich es tun könne. Ich sagte: "Gut." Ich tat es nicht aus Ehrgeiz – ich willigte ein, das ist alles.
Wahrscheinlich liegt es an der Dummheit meines Körpers, daß ich auf diese Weise leide. Wäre er aufnahmefähiger und mehr... (Mutter öffnet die Hände) ja, aufnahmefähiger, dann würde es mit weniger Reibung ablaufen. Das sehe ich wohl. Ich sehe die Schmerzen, den Konflikt, die Unfähigkeiten, all das ist unsere Dummheit. Da besteht kein Zweifel. Wir können nur uns selbst dafür verantwortlich machen. In jedem beliebigen Augenblick und unter allen Umständen, wenn wir die wahre Haltung einnehmen, das heißt, wenn wir so sind (Mutter öffnet die Hände): Möge Dein Wille geschehen – wirklich, aufrichtig, uneingeschränkt – dann geht es gut.
Folglich ist es unsere eigene Schuld, wir können nur uns selbst verantwortlich machen. Nur aus Dummheit beschweren wir uns. Oh, ich beklage mich nicht... aber auf einmal kann ich nichts mehr tun.
Und was hast du zu sagen?
Nichts, liebe Mutter.
Hat sich nichts für dich ereignet?... Ich hoffte, daß dir dies wenigstens etwas helfen würde.
Ist nichts geschehen?
Nein.
Gut, sei's drum.
Noch zu mental.
(Schweigen)
Wenn du willst, bleiben wir still. Willst du nichts fragen? Hast du keine Neuigkeiten?
Du sagst "noch zu mental", meinst du...
Das bedeutet: Anstatt direkt, ohne Gedanken, zu empfangen... Die Gedanken stören alles – sie schränken die Empfänglichkeit ein und stören. Das sehe ich bei mir selbst, ich mußte so lange dafür kämpfen, um nicht... Dieses Bedürfnis zu verstehen und zu erklären, das sind all die alten Bewegungen, die zurückkehren. Man muß akzeptieren, ein Dummkopf zu sein – solange es nötig ist. Sobald ich akzeptiere, ein Dummkopf zu sein... ist es die Glückseligkeit. Aber die alte Gewohnheit kehrt zurück.
Für den Menschen ist die höchste Verwirklichung das Verstehen: die Dinge verstehen. Für das Supramental ist die Verwirklichung die Macht (Mutter breitet die Arme in einer souveränen Geste aus), der schöpferische Wille.
Natürlich wäre es äußerst schädlich, wenn die menschlichen mentalen Instrumente sich dieser Macht bemächtigten – das wäre schrecklich. Es gäbe schreckliche Katastrophen. Folglich muß man mit aller Bescheidenheit akzeptieren, völlig zu verdummen, bevor man diese Kräfte erlangen kann.
(Schweigen)
Aber ich muß sagen, daß du ständig in meinem Bewußtsein warst – und das trifft nur für sehr wenige zu (Mutter zählt sie mit den Fingern ab), vielleicht zwei oder drei; sonst, oh, die sind weit, weit weg... Du warst ständig da, deshalb hoffte ich, daß du eine Änderung gespürt haben mögest. Du warst ständig in meinem Bewußtsein.
Ich habe dich letzte Nacht gesehen.
Ach! Also doch! Und was geschah?
Ich weiß nicht, ich schaute dich an und dann... (wie soll ich sagen?)... Erst war ich besorgt, und nachher, ich weiß nicht, schmolz alles, und mein Bewußtsein tauchte wie in einen tiefen Schlaf. Und ich hatte den Eindruck, daß du lächeltest.
(Mutter lächelt) Das war doch sehr gut!... Was du Bewußtsein nennst, ist dein intellektuelles Bewußtsein.
Ich hatte große Mühe, danach aus diesem "Schlaf" herauszukommen. Ich mußte große Anstrengungen unternehmen, daraus herauszukommen.
Aber warum wolltest du herauskommen?
Wahrscheinlich mußte ich aufstehen.
(Mutter lacht) Das macht nichts.
(Mutter geht in Kontemplation bis zum Ende des Gesprächs
und öffnet die Augen, als die Uhr schlägt)
Wieviel Uhr ist es?
Elf Uhr, liebe Mutter.
Da siehst du es. Als ich begann, sagte ich mir: Um elf Uhr werde ich aus der "Meditation" herauskommen und sprechen. (Lachen) Deshalb fragte ich dich. Das ist interessant!
Wenn wir einfach werden wie ein Kind... dann geht es gut.
Wir dürfen keine Furcht haben, weder vor Krankheiten noch vor Dummheit noch... nicht einmal vor dem Tod – wir müssen so sein (weite und ruhige Geste wie ein Ozean).
Wenn wir eine Art heiteres Vertrauen haben könnten (von Zeit zu Zeit kommt das, ganz allmählich). Doch dafür muß das Bewußtsein so weit wie die Schöpfung sein. Man ist weit wie die Schöpfung und ein Vertrauen... Im Grunde kommen wir darauf zurück (man kann es auf ganz kindliche Weise ausdrücken): Er weiß besser als wir, was zu tun ist.
Er weiß besser als wir, was zu tun ist.
Das ist mein Mittel. Dieses Mittel finde ich am einfachsten. Vielleicht gibt es andere – sicher gibt es andere –, aber für mich ist es das einfachste. Wenn sich etwas beunruhigt oder widersetzt: "Er weiß besser als du, was nottut."
(Satprems Hände haltend) Wenn wir lächeln könnten, wäre alles viel leichter.
(Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß)
Auf Wiedersehen, mein Kind!... Aber wirklich (das sind keine leeren Worte): ich bin immer bei dir. Dies ist eine Tatsache – (Mutter befühlt die Luft) konkret.
Dadurch hat sich meine Umgebung auf sehr interessante Weise neu geordnet. Hoch interessant.
Und der Körper möchte so weit, als es ihm möglich und erlaubt ist, etwas Nichtexistierendes sein: einfach, daß Das durch ihn hindurchgeht. Ständig geht es so durch ihn hindurch (Geste durch die Hände). Damit er nur als Mittel zur Konzentration und Verteilung dient, auf diese Weise (Geste eines durch Mutter Hindurchlaufens). So geschmeidig, so unpersönlich, so... (wie soll ich sagen?) ohne eigenen Willen. Ohne eigenen Willen, einfach die Kraft übertragen: damit Das hindurchgeht – ohne sie zu entfärben.
Ohne sie zu entfärben, ohne sie zu vermindern, ohne...
(Satprem tritt zurück, Sujata nähert sich)
Liebe Mutter, gestern morgen hatte ich einen sehr sonderbaren Traum... In meinem Traum sah ich Satprems Garten. Ich war auf der Straße und sah seinen Garten, und ich bemerkte einen "Adoration"-Baum, der voller Blüten war. Das erfüllte mich mit großer Freude. Und dann sah ich etwas weiter hinten eine Pflanze, die sehr hoch war, und zwar das "Mental"...
(Mutter nickt)
Dann schaute ich, und auf einem Ast (ich glaube, es war eine Kokosnußpalme) saß ein Vogel,... das Gefieder war weiß, ein Vogel wie eine Taube, aber mit einem langen Schwanz, sehr lang, und dann, glaube ich, war auf der Brust so etwas wie ein goldener Kreis...
Oh!
Und der Kopf war ein wenig... nicht ganz orange, ein wenig wie guerua 1 – ockerfarben, in der Art, und er hockte da auf einem Zweig.
(Auf Satprem deutend) Das war er.
(Sujata überrascht) War er es, liebe Mutter? Ich weiß es nicht.
Aber ja doch! (Lachen) Das ist gut.
1 Guerua: orange (der Sannyasins).