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Mutters

Agenda

zwölften Band

25. Dezember 1971

Guten Tag! Es ist das Fest des Lichtes: Weihnachten ist das Fest des wiederkehrenden Lichtes – es ist viel älter als das Christentum. (Mutter lacht) Wenn die Tage wieder länger wurden...

Und nächsten Samstag ist der 1. Januar. Ich werde dich sehen...

Ich hoffe, 1972 wird besser sein!

(Mutter nickt)

Mehr und mehr bin ich davon überzeugt, daß wir eine Art haben, die Dinge zu empfangen und auf sie zu reagieren, was die Schwierigkeiten SCHAFFT – davon bin ich immer mehr überzeugt. Denn ich habe wenig erfreuliche physische und materielle Erfahrungen mit dem Essen. Schon seit sehr langer Zeit habe ich überhaupt keinen Hunger mehr (ich esse nur aus Vernunftgründen, "weil man essen muß", sonst...), aber beim Schlucken, beim Atmen treten kleine Schwierigkeiten auf (lächerliche Dinge). Und alles ändert sich je nachdem, ob man seine Aufmerksamkeit darauf richtet oder nicht; entsprechend einer Haltung (sich selbst zugekehrte Geste), wo man sich beim Leben zuschaut, oder einer Haltung (weite Geste), wo man in den Dingen, in der Bewegung, im Leben ist; schließlich eine Haltung, wo man nur dem Göttlichen Bedeutung zumißt. Wenn es einem gelingt, ständig so zu sein, existieren keine Probleme – und die Dinge sind gleich. So ist die Erfahrung: Die Sache in sich selbst ist, wie sie ist, und nur unsere Reaktion den Dingen gegenüber wechselt. Diese Erfahrung wird immer überzeugender. Es gibt drei Kategorien: unsere Haltung den Dingen gegenüber, die Dinge an sich (diese beiden verursachen immer Schwierigkeiten), und es gibt eine dritte Kategorie, wo alles in Beziehung zum Göttlichen steht, im Bewußtsein des Göttlichen – alles läuft wunderbar leicht! Ich spreche von materiellen Dingen, vom materiellen, physischen Leben (bei den psychischen Dingen weiß man seit langem, daß es so ist), aber die materiellen Dinge, d.h. die kleinen Schwierigkeiten des Körpers, die Reaktionen, die Schmerzempfindung, Umstände, die schlecht laufen, das Essen, das man nicht schlucken kann – banalste Angelegenheiten, denen man keine Aufmerksamkeit schenkt, wenn man jung und stark und in guter Verfassung ist (man beachtet sie nicht, das ist für alle gleich), wenn man aber im Bewußtsein seines Körpers lebt, in dem, was ihm geschieht, und in seiner Art, die Dinge aufzunehmen, all das, oh, was für ein Elend! Wenn man im Bewußtsein der anderen lebt, dessen, was sie wollen, dessen, was nottut, der Beziehung mit einem selbst – ein Elend! Wenn man hingegen in der göttlichen Gegenwart lebt und das Göttliche alles tut, alles sieht, alles ist... herrscht Frieden – es ist Friede, die Zeit hat keine Dauer, alles ist leicht, und... Nicht, daß man Freude empfände oder daß man fühlte... Das ist es nicht. Das Göttliche selbst ist da. Dies ist die EINZIGE Lösung. Und darauf geht die Welt zu: das Bewußtsein des Göttlichen – das Göttliche, das tut, das Göttliche, das ist, das Göttliche... der GENAU gleiche Umstand (ich spreche nicht von anderen Umständen), der GENAU gleiche Umstand. Das ist meine Erfahrung in diesen Tagen, überaus konkret: Vorgestern war ich krank wie ein Hund, und gestern waren es die gleichen Umstände, mein Körper befand sich im selben Zustand, alles war gleich und... alles war friedlich.

Davon bin ich absolut überzeugt.

Hätte ich nicht so große Schwierigkeiten, zu sprechen... Das erklärt alles, alles, alles.

Die Welt ist die gleiche – doch sie wird auf eine diametral entgegengesetzte Weise gesehen und gefühlt.

Alles ist ein Phänomen des Bewußtseins – alles. Dabei geht es aber nicht um dieses oder jenes oder ein drittes Bewußtsein, nein: unsere ganze menschliche Art, bewußt zu sein, muß ersetzt werden durch die göttliche Art, bewußt zu sein. Darauf läuft die ganze Sache hinaus. Davon bin ich absolut überzeugt.

(Schweigen)

Zusammenfassend könnte man also sagen: Die Welt ist in jedem Augenblick so, wie sie sein soll.

Ja.

Wir sehen sie nur falsch oder fühlen sie falsch oder empfangen sie falsch.

Das ist wie der Tod. Es ist ein Übergangsphänomen. Uns erscheint es, als wäre es schon immer so gewesen – für uns ist es seit eh und je so, weil unser Bewußtsein so ist: (Mutter zeichnet ein kleines Viereck in den Raum), wenn man hingegen dieses göttliche Bewußtsein hat, oh, dann werden die Dinge fast augenblicklich, verstehst du. Ich kann es nicht erklären.

ES GIBT eine Bewegung, ES GIBT einen Fortschritt, ES GIBT etwas, das sich für uns durch Zeit ausdrückt, das existiert, es ist etwas... es ist etwas im Bewußtsein... Das ist schwierig in Worte zu fassen... Es ist wie ein Bild und seine Projektion. In etwa so. Alle Dinge SIND, und für uns ist es, als sähen wir sie auf einen Schirm projiziert: ein Bild kommt nach dem anderen. So ungefähr.

Ja, Sri Aurobindo sagte, im supramentalen Bewußtsein existieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nebeneinander wie auf einer einzigen Karte des Bewußtseins 1 .

Ja, so ist es. Das ist es. Aber für mich ist dies eine Erfahrung. Für mich ist es nicht etwas, das ich "denke" (ich denke nicht), es ist eine Erfahrung. Das ist schwer zu erklären.

Die Wirkung, die es auf uns hat, die Empfindung, die wir haben, hängt ausschließlich von unserer Bewußtseinshaltung ab. Das Bewußtsein, in sich selbst zu sein oder im Ganzen zu sein... im Ganzen zu sein, ist schon etwas besser, als egoistisch man selbst zu sein, aber das hat Vorteile und Nachteile, und es ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist... das Göttliche als Totalität – Totalität in der Zeit und Totalität im Raum. Dieses Bewußtsein kann der Körper haben, denn mein Körper hatte es (flüchtig, einige Augenblicke lang), und während er es hat, ist alles derart... nicht Freude, Vergnügen oder Glück, es ist nichts von alledem: eine Art glückseliger Friede... leuchtend und schöpferisch. Das ist großartig. Nur kommt und geht es immer noch... Wenn man daraus heraustritt, hat man das Gefühl, in ein schreckliches Loch zu fallen – unser gewöhnliches Bewußtsein (das gewöhnliche menschliche Bewußtsein will ich sagen) ist ein schreckliches Loch. Aber man weiß auch, warum es vorübergehend so war, das heißt, es war nötig für den Übergang von hier nach dort. Alles, was geschieht, ist nötig für die volle Entwicklung des Schöpfungsziels. Man könnte sagen (das ist ein hübscher Satz): Das Ziel der Schöpfung ist, daß das Geschöpf bewußt wird wie der Schöpfer. Das ist Wortemacherei, aber es geht in diese Richtung.

Das Ziel der Schöpfung ist dieses Bewußtsein des Unendlichen, Ewigen, das allmächtig ist – unendlich, ewig, allmächtig (was unsere Religionen Gott nannten: für uns, in Bezug auf das Leben, ist es das Göttliche) – Unendlich und Ewig, Allmächtig... außerhalb der Zeit: jedes individuelle Partikel soll dieses gleiche Bewußtsein besitzen; jedes individuelle Partikel soll dieses gleiche Bewußtsein enthalten.

Die Trennung schuf die Welt, und in dieser Trennung manifestiert sich das Ewige.

Worte sind idiotisch, aber so ist es. Ich weiß nicht, ob du verstehst.

(Schweigen)

Zusätzlich (nicht als Widerspruch, sondern um es zu vervollkommnen) kommt die genaue Empfindung dessen, was man tun soll – dessen, was man sein soll, dessen, was man tun soll, und warum man geschaffen wurde. All dies ZUSAMMEN... oh!... (Mutter hat ein glückseliges Lächeln)

Das gibt uns zugleich den Seinsgrund und das Ziel der Schöpfung – beides zugleich – und fast die Entwicklungsmethode.

(Schweigen)

Ja, es ist wie etwas, das IST, das in seiner Gesamtheit existiert und fortschreitend auf eine Leinwand projiziert wird. Und doch besteht es als Ganzes – es wird nur fortschreitend auf eine Leinwand projiziert.

(Mutter tritt in Kontemplation)

Ich habe den Eindruck, daß ich auf dem Weg bin, zu entdecken ..., welche Illusion zerstört werden muß, damit das physische Leben ununterbrochen sein kann – daß der Tod von einer... Entstellung des Bewußtseins herrührt.

Das ist so, weißt du (Mutter macht eine Geste, als ob sie das Geheimnis erfassen würde).

Ich habe dir das schon gesagt: Manchmal scheint es mir, daß die Tatsache des fortgeschrittenen Alters die Arbeit erschwert, aber in allgemeiner Hinsicht ist es eine GROSSE Hilfe – ich habe verstanden, daß ich in jungem Alter diese Arbeit niemals hätte tun können. Wenn ich im wahren Bewußtsein bin, in dem Augenblick, wo ich im wahren Bewußtsein bin, ist die Anzahl der Jahre nichts! – Der Körper fühlt sich so jung, so voll von... etwas anderem als "jung" (jung bedeutet für ihn unreif und unwissend). Es ist nicht das... man steht in Verbindung mit "etwas" ..., das sich im Maße der Erfordernisse allmählich transformiert.

Unsere Sprache (oder unser Bewußtsein) ist... unzulänglich. Später werde ich es sagen können. Etwas GESCHIEHT – mehr kann ich nicht sagen. (Mutter lacht)

Frohe Weihnachten, mein Kind!

Frohe Weihnachten, dir auch.

Das Fest des Lichtes.

 

1 "Während der Verstand von einem Augenblick der Zeit zum nächsten fortschreitet, Dinge verliert und erwirbt und wieder verliert, um sie nochmals zu finden, beherrscht die Gnosis [= das Supramental] die Zeit in einem einzigen Blick und in einer ununterbrochenen Macht, und sie verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit ihren unteilbaren Verbindungen in einer einzigen ununterbrochenen Karte des Wissens. Die Gnosis beginnt mit der Gesamtheit, die sie unmittelbar besitzt; sie sieht Teile, Gruppen und Details nur in Beziehung zur Gesamtheit und in einer mit ihr verbundenen Schau." Synthesis of Yoga, XX.464.

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