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Mutters

Agenda

zehnten Band

25. Oktober 1969

(Das folgende Gespräch ergab sich infolge zweier Briefe des jungen indischen Schülers, der A.R., den Heiler, in seiner Zurückgezogenheit begleitete.)

21. Oktober 1969

Herr A.R. fragte mich, ob ich das Wiederlesen der "Notizen auf dem Weg" abgeschlossen habe. Daraufhin fragte ich ihn, ob er selbst nach seinen Studien der letzten zwei Tage etwas gefunden habe. Das löste einen ganzen Wortschwall aus. Er sagte mir:

"Ich habe nichts Neues gelernt. Alles, was Mutter sagt, weiß ich seit zwanzig Jahren. Die eigentliche Basis meiner Erfahrung war die Transformation der Zellen, und von dort bin ich ausgegangen. Nach dem, was sie schreibt, glaube ich, Mutter begann diese Erfahrung erst vor zwei Jahren, und wie ich es auffasse, hat sie sie jetzt abgeschlossen. Alles, was sie sagt, ist für mich wahr und kann nicht anders sein. Nur bin ich nicht, wie sie, auf jede Etappe der Erfahrung im Detail und bis zum Ende eingegangen. Meine Methode war direkt, gradlinig, bis ganz nach oben; ich habe alle diese Etappen und Visionen auf dem Weg abgekürzt, denn sonst hätte ich nicht tun können, was ich getan habe. Verstehst du, ich habe mich nicht mit diesen Details befaßt, denn dann hätte ich mein Ziel verloren, meine Realisation verfehlt. Für sie geht das sehr gut, denn sie ist gebildet. Sie kennt die Philosophie, die Metaphysik, die Wissenschaften und was weiß ich noch alles. Zusätzlich hatte sie die Chance, Sri Aurobindo getroffen zu haben. Ich würde ihn gern treffen. Ich war jedoch ganz allein. Deshalb hatte ich keine andere Wahl. Ich bedaure das nicht. Ich bin hierhergekommen, weil ich wußte, daß es hier jemanden gibt, der meine Sprache spricht. Ich erhielt die Bestätigung meiner Erfahrungen, und ich gebe eine Bestätigung ihrer Erfahrung. So ist das. Man kann sagen, daß wir Hand in Hand in unsere Erfahrung gegangen sind – wir sind auf derselben Ebene. So verstehe ich es. Ich weiß nicht, was sie von mir denkt, sie hat mir nichts gesagt. Ich wollte mit ihr diskutieren, aber ich glaube, sie ist nicht bereit, viel zu sprechen. Was tun...

Jedenfalls sagte sie mir, sie werde mir helfen; in dem Fall entwickelt sich sicher etwas. Der Samen, den man heute sät, sprießt nicht gleich morgen. Man muß warten. Vielleicht dauert es eine Weile."

 

24. Oktober 1969

Ich glaube, das Folgende wird Sie interessieren. Es ergab sich aus einer langen Diskussion gestern abend.

Thema: Die Mission des Herrn A.R. in diesem Leben

Er sagte mir, er sei dabei, eine solche Kraft zu erlangen, daß er jedem Hindernis gegenübertreten könne, und auf diese Weise werde er auch den Leuten die Macht der göttlichen Kraft beweisen können. "Zuerst will ich völlig sicher sein, daß ich diese Kraft jederzeit und allen Hindernissen zum Trotz manifestieren kann. Ich werde es einer Menge von tausend Leuten durch eine praktische Vorführung zeigen, indem ich zehn oder fünfzehn Kranke unter ihnen aufrufe und sie durch diese Kraft heile. Dann müssen sie überzeugt sein, daß es tatsächlich eine Kraft gibt, die alles tun kann. Aber dafür muß ich bereit sein. Denn 80% der Leute werden gegen mich sein, und um sie zu überzeugen, muß man wirklich stark, wohl gewappnet und sicher sein. Wenn ich einmal bereit bin, kann mich niemand aufhalten. Alle Regierungen und Religionen werden zusammenbrechen. Ich werde dem Papst schreiben und ihn fragen, was sie überhaupt predigen. Was hat Christus im Evangelium gesagt? Er hatte den Aposteln aufgetragen, in die Welt zu gehen und die Kranken zu heilen und die Dämonen zu verjagen. Was tun die Priester und die Katholiken gegenwärtig?"

Ich fragte ihn: "Sind Sie sicher, daß dies Ihre Mission ist?"

— "Ja, ich bin sicher. Ich weiß es seit langem. Und ich bin dabei, mich darauf vorzubereiten. Der Tag ist nicht fern. Zuerst muß man so stark wie Christus sein, um das zu tun."

— "Glauben Sie denn nicht, es wäre viel besser, das Göttliche um Seiner selbst willen zu suchen anstatt aufgrund irgendeiner Macht, selbst wenn es die Macht wäre, seine Existenz zu beweisen? Warum wollen Sie jederzeit diesen Beweis erbringen können, und ist es nötig, ihn durch Heilungen zu demonstrieren?"

— "Natürlich hast du recht, wenn du sagst, daß man das Göttliche um des Göttlichen willen suchen muß. Für euch ist das leicht zu verstehen, weil ihr von dieser Atmosphäre hier durchflutet seid. Aber der westliche Mensch braucht einen Beweis, er will wissen, was er gewinnen wird. Das Leichteste und Frappierendste, das man vorzeigen kann, ist die Heilung. Das ist doch sehr einfach. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst. Christus tat dasselbe."

 

Hast du Bruder A 1 gesehen?... Er hat sich sehr verändert – sehr. Er ist unvergleichlich besser als vorher. Es scheint, er war bei den Buddhisten. Er wollte zu Vinoba Bhave gehen, aber ich glaube nicht, daß er dort lange geblieben ist, denn jetzt kommt er von einem buddhistischen Kloster.

Aber er ist immer noch so christlich gesinnt wie vorher, nicht wahr?

Ich weiß es nicht... Er will nicht nach Frankreich zurückkehren, denn er sagt, er würde dort "belästigt" werden. Er will in ein Kloster in Griechenland gehen und später hierher zurückkehren... Aber er hat sich sehr verändert, wirklich.

Und der andere... [der Heiler], das klingt ja ziemlich amüsant.

Ja?

Er ist sehr amüsant. (Mutter lacht) Bei einem gewöhnlichen Bewußtsein wäre dies Anmaßung. Bei ihm ist es eine Art Spontaneität. Das ist sehr amüsant. Aber die beiden [A.R. und Bruder A] haben sich recht gut verstanden; sie sagten, sie würden sich wiedertreffen, sie haben sich verabredet... ich weiß nicht wo.

Das ist amüsant.

Aber was hältst du von seiner "wunderbaren Mission" in der Welt?

(Mutter lacht) Wenn er Erfolg hat, wird es interessant sein. Das halte ich davon.

Ist es eine Illusion oder ein Versprechen? Ich weiß es nicht... Mit seinem Leistenbruch ist es recht interessant, denn als du mir davon erzähltest, konzentrierte ich mich und schaute. Ich sah die Kraft, wie sie kam, und ich realisierte: Wenn er den Leistenbruch wieder nach innen brächte, würde er nicht wieder heraustreten – das ist schon wunderbar genug. Aber er sagt, daß er von allein nach innen gelangen soll, ohne äußere Intervention... Das ist... viel weiter auf der Skala. Wenn das geschieht, dann alle Achtung!

Ich weiß nicht, wir werden sehen.

Ich habe irgendwie den Eindruck einer Illusion: Diese Vorstellung eines "großen Coups", um die Leute zu überzeugen, indem man Wunder wirkt...

Oh, ja. Das ist unmöglich. Das ist eine Albernheit.

Das scheint mir auch so.

Besonders hier, wo so viele Leute sogenannte Wunder gewirkt haben.

Er will es in Europa tun.

Ach so!

In Europa, im französischen Fernsehen, indem er die Massen durch spektakuläre Heilungen aufrührt.

Meine Güte! Das ist eine Kinderei.

Ja, das scheint mir auch so.

Aber man muß ihn machen lassen.

Die Menschheit läßt sich nicht durch Wunder bekehren.

Nein.

Er glaubt das nur, weil er ungebildet ist.

Aber bedenke: alles ist möglich! Schließlich bin ich nicht ganz sicher, ob Christus nicht auch Wunder gewirkt hat.

Doch, er hat Wunder vollbracht.

Oh, das wird uns gesagt... aber wir waren nicht dabei (Lachen).

Mich stört diese Idee, "besser als Christus" sein zu wollen... Ich habe den Eindruck, man müßte vielmehr ETWAS GANZ ANDERES tun.

(Mutter lacht) Oh, ja.

(Schweigen)

Angeblich sagte Christus jedoch selber, er werde "mit dem Schwert Gottes" zurückkehren – also ganz und gar nicht mehr dasselbe.

Ich glaubte nicht daran, das fiel mir sehr schwer – erst Sri Aurobindo brachte mich dazu, an die physische Realität von Christus zu glauben. Ich dachte immer, das sei bloß so eine Geschichte – man hätte irgend jemanden genommen und eine Geschichte daraus gemacht. Aber Sri Aurobindo glaubte daran. Er sagte, Christus sei ein Avatar gewesen – ein partieller Avatar.

(Schweigen)

Im Grunde würde ich gern verstehen, welche Art von Macht er hat. Welche Art von Realisation hat dieser Mann? Welche Art von Macht, ist es eine supramentale Macht oder was?

Alles, was ich sagen kann, ist, daß von all den Leuten, die er hier behandelt hat, nicht einer wirklich geheilt wurde – alle erlitten Rückfälle. Und aus meiner Sicht liegt dies daran, daß hier nur diejenigen krank sind, die krank sein SOLLEN.

Es kann also keine supramentale Macht sein.

(Schweigen)

Er bat darum, mich heute zu sehen. Ich werde ihn empfangen. Natürlich sage ich nichts, und wenn er spricht, höre ich nicht. Aber ich werde versuchen zu SEHEN.

Nach dem, was er sagt und was ich bis jetzt gesehen habe, spürt er eine Harmonie, die über die Schöpfung hinausgeht und die sich noch nicht völlig manifestiert hat und die sich durch ihn manifestieren wird... Darin liegt etwas Wahres, aber anstatt sich durch eine einzelne Person zu manifestieren, will diese Harmonie auf die ganze Erde herabkommen. Das habe ich gesehen. Das Kindliche an seiner Einstellung ist, daß er es als etwas Persönliches nimmt – das ist alles. Dies ist mein Eindruck. Aber daß diese Harmonie herabkommen will und sicherlich zur neuen Schöpfung beitragen wird, das erscheint mir richtig.

Der Erfolg in der Welt ergibt sich immer aus einer... (wie soll ich sagen?) einer Verminderung und Personifizierung der Dinge. Zum Beispiel liegt für mich nichts Erstaunliches darin, daß er Wunder wirkt, denn etwas, das für ein erleuchtetes Bewußtsein – für das Wahrheitsbewußtsein – eine logische Konsequenz ist, wird für ein nicht erleuchtetes Bewußtsein einem Wunder gleichkommen. Daß er sich eine Reputation macht als Wunderwirker, würde mich nicht erstaunen. Vielleicht ist er dazu bestimmt, so etwas zu werden...

Das ist amüsant. (Mutter lacht)

Er hat genau die Naivität (die Naivität der Unwissenheit), die bewirkt, daß er kein Mental hat, das sich sieht und lächelt. Er ist voll mit seiner Überzeugung identifiziert – diese Verfassung paßt den Leuten, sie stekken noch voll da drin.

Wir werden sehen.

All diese Super-Wunder sind NICHT überzeugend.

Oh, nein, ganz und gar nicht. Überhaupt nicht.

Nicht überzeugend. Das ist eine Art Taschenspielerei, und wenn es vorbei ist, ist es vorbei – innen hat sich nichts verändert.

Nein.

Was wird er in dieser Welt erreichen?... Ich habe den Eindruck, dieser Mann macht sich auf einen schmerzlichen Weg. Er wird in die Löwengrube fallen.

Er hat das Licht hier nicht gesehen. Er ist in seiner eigenen Realisation eingeschlossen.

Aber ja! Deshalb hätte ich ihn übrigens sehen wollen, BEVOR er dich trifft.

Nein, nein. Das ist amüsant, mein Kind. Man muß es lassen, man muß die Dinge sehen. (Mutter lacht ironisch) Du kannst ihn NACHHER sehen. Ich bestehe darauf, ihn vorher zu sehen – du würdest etwas in ihn hineinpflanzen... Nein, nein. Ich will ihn sehen.

Aber Mutter, er wird wieder dasselbe tun: er ist vor dir (oder vor irgend jemandem) und hebt ab, hopp! Er erfaßt sein "Etwas" und dann zieht er daran.

Ich kann darüber hinausgehen.

Dann wird er das für etwas "Höheres" halten.

Das macht nichts. (Mutter lacht) Das macht nichts, mein Kind. Das ist sehr amüsant (Mutter lacht hellauf)... Weißt du, die Erleuchtung DER WAHRHEIT zu empfangen, ist eine solche Gnade – ich weiß nicht... wenn sie wirklich für ihn ist, wird er sie haben, und das möchte ich wissen. Wenn er sie nicht empfängt, dann bedeutet das... (Mutter macht eine weite, rhythmische Geste), er ist Teil des unermeßlichen Spiels.

(langes Schweigen)

Er kommt heute. Ich hatte ihm gesagt, er solle nachher zu dir gehen, so kannst du spüren, ob... irgend etwas nachgegeben hat.

Ja, soll er zu mir kommen, nachdem er hier war.

Er kommt gegen halb vier – ich werde ihn nicht lange dabehalten.

Ah... er hat nicht gelernt, sich auf den Boden zu setzen, oder?

Doch, das kann er, liebe Mutter.

Mit seinem Leistenbruch ist es vielleicht nicht...

Wenn er seinen Rücken anlehnen kann, geht es... Bei mir saß er auch auf dem Boden.

Also gut.

(Schweigen)

Ich verstehe sehr gut, wie das kommt: Es gibt eine gewisse... ich weiß nicht, ob es eine Verwirklichung ist, aber es ist etwas da (Geste nach oben), man erfaßt es, und man kann es erfassen, indem man sich vor einem Stein niederwirft, oder beim Samadhi, oder während man auf der Straße geht und überall, und es ist die GLEICHE Sache.

Ja, ja.

Und es ist unwiderlegbar.

Ja, das stimmt.

Er kann vor dir sitzen, Das erfassen, und es ist "dasselbe".

(Mutter lacht)

Aber ich bin überzeugt, daß es für ihn keinen Unterschied machte, als ich ihn das erste Mal sah: er war völlig in seiner eigenen Schöpfung eingeschlossen. Es ist trotzdem eingedrungen, aber er empfand es nicht als etwas Neues... Die Subtilität des Unterscheidungsvermögens kommt von einer Verfeinerung des Bewußtseins, die nicht jedem zugänglich ist. Die Subtilität des Unterscheidungsvermögens.

Mir ist es ein Rätsel, daß man das göttliche Bewußtsein haben kann und trotzdem nicht sieht. Wie ist das nur möglich? Denn er hat ein göttliches Bewußtsein, das ist sicher. Wieso sieht er denn nicht?

(Nach einem Schweigen) So wie ich ihn sehe, liegt das daran, daß es sich für ihn durch ein persönliches Bewußtsein manifestieren muß. Ein "persönliches Bewußtsein" heißt: jemand [Mutter], der "sich bewußt ist, das Göttliche zu tragen", und der fühlt "ich trage das Göttliche". Verstehst du? Wenn dies nicht da ist (das Göttliche ist da, aber die Person hat nicht die Haltung "ich bin das Göttliche"), dann kann er es nicht fühlen. Und ich gehe noch weiter: Ich glaube nicht, daß viele Europäer oder westliche Menschen es fühlen können. Die Inder können das wegen ihres Atavismus. Während alle Inder, die verwestlicht sind, es nicht fühlen können. Sie brauchen das Gefühl der Person, die sagt: "Ich bin". Mein Körper hingegen... (lachend) mein Körper hat den Zustand überschritten, wo er sagt: "Ich bin". Allein die Idee bringt ihn schon zum Lachen.

Daran liegt es.

Ich spüre sehr wohl einen Unterschied. Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen und zu verstehen versucht. Ich sagte mir: "Wenn ich Das dort oben berühre, ist es das Gleiche, und es ist immer das Gleiche ..." bis ich mir eines Tages überlegte: "Sehen wir doch mal, wo der Unterschied liegt, wenn ich bei Mutter bin, und wenn ich nur mit Dem bin."

Hast du den Unterschied gespürt?

Ja, da habe ich verstanden (das ist nicht lange her 2). Ich hatte den Eindruck, wenn ich bei dir bin, war es nicht etwas, das ich dort oben erhasche, sondern vielmehr etwas, das VON INNEN kommt.

Ach!

Als würde ich von innen erfaßt.

Ja.

Und als ob alles von innen her aufleuchtete.

Ja, so ist es. Genau das ist es.

Es war nicht etwas, das mir von oben herab auf die Schultern fiel.

Ja, das ist es. Aber das ist der Daseinsgrund dafür (Mutter berührt ihren Körper), für die Gegenwart hier. Damit es... von innen kommt – keine wunderbare Herabkunft.

Ja, das ist der Unterschied.

Aber ihn hat das nur noch mehr in seiner Überzeugung bestärkt, verstehst du? Er fühlte sich sehr wohl [bei Mutter]. Deshalb sagte ich dir, daß sein physisches Ego nicht fortgegangen ist... Es erschien ihm ganz natürlich. Er muß sich sehr wohl gefühlt haben.

(Schweigen)

Mein Zustand ist jetzt so geworden, daß, sobald der Körper SICH FÜHLT (d.h. sich bewußt ist, ein Körper zu sein), AUGENBLICKLICH ein Unbehagen entsteht, wie auch immer seine Verfassung ist. Selbst wenn er sich in einem Zustand der Anbetung oder Aspiration befindet, ist es von Unbehagen begleitet; und nur wenn er keinerlei Empfindung seiner abgetrennten Existenz mehr hat, fühlt er sich wohl. Der normale Zustand ist Schweigen und Reglosigkeit, aber... Wie soll ich das erklären? Das Bild ist nicht richtig, aber wenn die Gegenwart nicht "hindurchgeht", sondern so ausstrahlt (Geste), in einer Tätigkeit, geht alles gut, und es besteht überhaupt nicht mehr das Gefühl eines "Körpers", durch den das Göttliche hindurchgeht. Er ist so (reglose Geste), reglos und inexistent, er hat kein Bewußtsein von sich selbst sondern nur ein Bewußtsein von... der göttlichen Aktion. Dann geht alles gut. Sobald der geringste Eindruck aufkommt, daß die Sache durch ihn "hindurchgeht", kommt das Unbehagen. Das ist zu einem sehr akuten Zustand geworden.

Ich könnte sagen (das hört sich wie Literatur an): In dem Zustand, wo er sich selber nicht mehr spürt oder wo nur noch das göttliche Bewußtsein existiert, ist es das Gefühl der Unsterblichkeit, der Ewigkeit; sobald er sich jedoch auch nur im geringsten als "etwas" spürt, in dem sich das Göttliche manifestiert, wird es absolut zu einem Gefühl des Todes – man wird sofort wieder sterblich. Ein überaus klarer Eindruck. Und das ist sehr subtil, denn... das Gefühl (die Empfindung, die Wahrnehmung) eines "Ich" ist völlig verschwunden – ständig – wirklich völlig verschwunden; aber sobald er sich als "etwas" spürt, das noch ein wenig anders ist, wird es schrecklich schmerzhaft – ein völliges Wohlbefinden kennt er nur, wenn er sich selbst nicht mehr spürt.

Das ist schwierig zu erklären, aber so ist es.

(langes Schweigen)

Das muß es sein... Es gibt unzählige Bewußtseinsschichten. Die Entwicklung (die universale Entwicklung) hat in fortschreitendem Maße die Bewußtwerdung einer jeden Schicht ermöglicht, und je entwickelter man ist, um so mehr verschiedene Schichten kann man wahrnehmen, aber erst wenn man sich ALLER Bewußtseinsschichten bewußt ist und sie zu einer einzigen Einheit werden (aber einer Einheit, die sich ihrer Vielfältigkeit bewußt ist), erst dann kann sich das höchste Bewußtsein, das ganz in der Tiefe liegt, voll manifestieren. Es gibt noch Schichten im Körper, die nicht voll bewußt sind; manche Schichten bleiben noch wie ein Rückstand alles Vorhergegangenen: Mineral, Pflanze, Tier, all das. Der ganze bewußte Teil der Zellen ist voll erleuchtet, aber... übrigens braucht man nur zu sehen: (Mutter zeigt auf die Haut ihrer Hände, sichtbar untransformiert)... Er ist ÄUSSERST sensibel geworden, der geringste Stoß verursacht... Äußerst sensibel... Er scheint nicht mehr dieselbe "Dichte" zu haben... doch der äußere Anschein ist noch ganz derselbe. Diejenigen, die eine innere Schau haben, sehen etwas (eine andere Form von Mutter), aber nur weil sie die Fähigkeit einer inneren Schau haben. Und das ist der Grund (dieser Rückstand). Das Bewußtsein der Zellen, sozusagen das "innere" Bewußtsein der Zellen, ist durch und durch bewußt, aber es bleibt noch etwas zurück (der Rückstand, Mutter macht eine Geste wie eine umgebende Kruste). Und diese Arbeit hat ein Mann wie A.R. nicht gemacht: bei ihm ist es eine Art verschwommenes globales Bewußtsein. Er ist sich durchaus einer Kraft bewußt, die "stärker ist als sein Körper" und die sich seines Körpers "bedient"... In der Welt ist das sehr nützlich, und es kann allerlei Dinge zustandebringen. Aber er ist nicht für die Transformation bereit, verstehst du: er selbst, sein Körper. Er hat eine Art innerer Gewißheit, daß es sein KANN, aber... Ich weiß nicht... Es sei denn, der Herr will, daß es so sei; das wäre amüsant – das würde mich wirklich sehr amüsieren.

Denn er selbst spricht von einer Arbeit der Transformation der Zellen.

Ja, er spricht davon.

Aber was meint er denn genau?

(Mutter lacht) Das ist es ja!

Ich hab dir das schon gesagt, ich habe die Erfahrung gemacht, als ich ihn sah: Als er sich verabschiedete, wollte ich seine Hand berühren, um zu wissen – und ich berührte eine HAND, verstehst du? Ich berührte eine Hand (Mutter deutet eine Härte an), da war seine Hand – ich berührte nicht das Göttliche sondern eine Hand... Ich glaube, er hat den Eindruck, daß die Kraft DURCH seine Hand wirkt.

Ja (für ihn) handelt es sich immer um eine "Herabkunft"; es ist nicht etwas, das von innen ausstrahlt. Es ist eine herabkommende Kraft.

Hat er immer diesen Eindruck?

Ich selbst habe diesen Eindruck bei ihm.

Ich auch. Als er dasaß, sah ich die Kraft unentwegt in ihn herabkommen, aber trotzdem war da ein Herr namens A.R.

Es ist ganz und gar nicht etwas, das von innen ausstrahlt.

Nein.

Aber das Bewußtsein, das da ist (Geste oberhalb Mutters), ist sich sehr bewußt, daß dies (Mutter berührt ihre Hände) keine Hände sind. (Mutter lacht) So sehr man es auch versucht, sie sind es nicht! Es mag ein verfeinerter Körper sein, aber keine Hände. Wenn ich jedoch dasitze und jemand hier ist, ist mein Körper sich seiner selbst nicht mehr bewußt; er ist sich absolut nicht bewußt, daß eine Kraft durch ihn fließt, er ist sich seiner selbst nicht bewußt – in dem Augenblick gibt es nur noch die Wirkung der göttlichen Gegenwart. Er wird sich der Empfänglichkeit der anderen bewußt, der Aktion, die diese Kraft bei den anderen auslöst, all das – aber der Körper selber existiert nicht mehr.

Dies ist allerdings nur ein Anfang.

Was wird geschehen?...

(Schweigen)

Alles, was im Körper bewußt ist, hat nur noch eine einzige Bewegung: daß kein Unterschied mehr bestehe. Das ist alles. Und keineswegs der Eindruck, hier oder da zu "ziehen" oder nach oben zu "steigen" – nein: kein Unterschied mehr.

Die Diskrepanz wird immer schmerzlicher – viel schmerzlicher als eine Krankheit (es ist nicht dasselbe: eine Art innere Beklemmung).

(Schweigen)

Du wirst ihn heute abend sehen, nach seinem Besuch (Mutter lacht belustigt).

 

(Am Abend traf Satprem A.R., und nach einer heftigen Diskussion, in der er diesem Mann die Augen öffnen wollte, schickte er Mutter folgenden Brief, um ihr Bericht zu erstatten. Er stand dem unwiderlegbaren Monismus gegenüber, der nicht sieht, was direkt vor seiner Nase liegt.)

25. Oktober 1969

Liebe Mutter,

A.R. sagt, bei Dir fühle er nur einen Unterschied in der Intensität ein und derselben Sache. Ich versuchte ihm zu erklären, daß es nicht ganz "dasselbe" sei, aber er besteht darauf, daß es nur EINE Sache mit verschiedenen Intensitäten gibt und daß Das bei Dir lediglich reiner als bei den anderen hindurchkommt. Als wir vom Avatar sprachen, sagte er: "Es kann keinen Unterschied geben zwischen einem Avatar und einem vollendeten Yogi, und wenn ein Unterschied besteht, dann nur deshalb, weil der Yogi nicht wirklich vollendet ist."

Kurz, wir kreisten beide um eine undefinierbare Differenz – die vielleicht die Gnade ist.

Am Schluß war er nicht sehr zufrieden mit mir... Ich bedaure das. Ich habe den Eindruck, kläglich versagt zu haben.

Dein etwas "verwirrtes" Kind,

in Liebe,

Satprem

 

(Mutters Antwort)

Satprem, mein liebes Kind,

Was A.R. als "mich" bezeichnet (die Mutter), ist dieser physische Körper, und es ist eine Tatsache, daß er nichts von ihm empfängt. Ob er es weiß und fühlt oder nicht, er empfängt von ganz oben, nicht von innerhalb seines Körpers.

Heute beobachtete ich aufmerksam: Die ganze Zeit, während er vor mir saß, kam die Gegenwart unaufhörlich in einer unpersönlichen Form in ihn herab – nichts ging direkt von meinem Körper in den seinen. Heute blieb er nicht so lange hier wie beim ersten Mal, aber die Erfahrung war dieselbe. Bevor er fortging, nahm ich seine Hand, um zu sehen, ob ich etwas Besonderes fühlte, aber wie beim ersten Mal fühlte ich nichts – nichts wurde gegeben, nichts empfangen.Was er vom Avatar und vom Yogi sagt, ist logisch betrachtet wahr.

Aber vielleicht gibt es ein Geheimnis, das die Menschen nicht verstehen können... außer sie geben ihr Menschsein völlig auf.

Sei nicht "verwirrt", und Du wirst das wunderbare Lächeln spüren, das über allem waltet.

Immer bei Dir,

Mutter

 

1 Ein katholischer Mönch, der vor ungefähr einem Jahr in den Ashram gekommen war und den Heiler getroffen hatte. Als Folge dieser Begegnung sprach A.R. von seiner "Mission des Heilens."

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2 Dies war tatsächlich ein bedeutender Wendepunkt in Satprems Leben: das experimentelle Verständnis des Unterschieds zwischen dem großen Das und dem "etwas Anderen", das sich durch Mutter überträgt. Er brauchte also fünfzehn Jahre, um Mutter zu erkennen...

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