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Mutters

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zehnten Band

2. April 1969

(Seit dem vergangenen Jahr hatte sich Satprem über Kopf- und Augenschmerzen beklagt, die seltsamerweise stets nachts auftraten. Vor kurzem empfahl ihm Mutter, das Lesen und Schreiben für einen Monat einzustellen.)

Wie sind die Nächte?

Es geht.

Ist es nicht besser?

Doch, es ist besser.

Aha... Hast du noch Schmerzen?

Sobald ich arbeite, bekomme ich Kopfschmerzen.

Aber du sollst doch nichts tun! (Mutter lacht)

Häufig wollen mich Leute besuchen.

Ich gebe dir jedenfalls keine Arbeit mehr.

Das bedaure ich. Denn das ist nicht anstrengend, im Gegenteil. Mich ermüdet es, Leute zu sehen.

Ist es denn notwendig, sie zu empfangen?

Ich frage mich, was ich tun soll. Oft denke ich, wenn sie kommen, heißt das, daß sie "gesandt" sind.

(Sujata bemerkt:) Ich nicht.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Seit langer Zeit wollen mich alle möglichen Leute sprechen. Ich sage mir: "Was tun? Nein sagen?" Oder annehmen: "Wo sie schon gekommen sind, akzeptiere ich das."

Es ist aber nicht immer nützlich, oder?

Nein, einmal in hundert Fällen.

So ist es.

Du brauchst nur zu sagen, daß du niemanden empfängst.

Sie fanden einen Trick. Sie wissen, daß ich abends am Meer spazierengehe, so kommen sie dorthin.

Wer sind diese Leute?

Verschiedene, die das Buch gelesen haben.

Ich weiß, man sagte mir öfters, jemand wolle dich sehen – ich sage stets: "Das ist nutzlos, er hat andere Arbeit zu tun."

Bei mir zu Hause lehne ich immer ab, denn wenn ich jemanden bei mir empfange, kann ich nicht mehr arbeiten und kann nichts mehr tun. Das ist kategorisch. Aber am Meer... kommen sie einfach.

Am Meer brauchst du nur in Meditation zu treten, und du hörst nichts.

Manchmal tue ich das.

Das ist wirklich das Beste. So verschaffst du dir den Ruf eines großen Weisen, (Mutter lacht) und gleichzeitig gewährt es dir Ruhe.

Sie sind unausstehlich. Hier sehe ich einige von ihnen (Gott weiß, daß ich genug zu sehen bekomme), aber selbstverständlich sage ich kein Wort, und wenn sie mir etwas sagen, verstehe ich nichts. Wenn sie dann sehen, daß keine Antwort erfolgt, schweigen sie.

Es gibt kein anderes Mittel. Sie belästigen einen mit vollkommen nutzlosen Dingen.

Gestern sah ich allerdings einen Franzosen, der sich mit Auroville beschäftigt und der enge Verbindungen mit den Leuten dieser neuen "Popmusik" hatte (weißt du, diese neue musikalische Bewegung, die mit den Hippies anfing). Er ist der Vater der kleinen A, die in Auroville geboren wurde.

Ja, ich soll ihn an seinem Geburtstag empfangen.

Er besuchte mich und spielte mir diese Musik vor. 1

Wie ist sie?

Seltsam... barbarisch.

Barbarisch?

Ja, ziemlich barbarisch, aber mein Eindruck war: barbarisch aus der neuen Welt.

(Mutter lacht) Am 16., wenn ich ihn sehe, werde ich auch etwas davon hören.

Die Leute, die diese Musik komponieren, haben Millionen Anhänger. Sie haben ein riesiges Vermögen – sie sind im Kino, im Radio, im Fernsehen, alles steht ihnen zur Verfügung, und sie befinden sich mitten in einer Revolution.

Ach?

Ja, wie ich schon sagte: Barbaren der neuen Welt. Die ganze alte Welt wird hinweggefegt. Es ist wirklich der Beginn von etwas, das sich auf sehr barbarische Weise ausdrückt, aber etwas darstellt. Die Idee dieses Jungen ist nun zu versuchen, diese Leute zu berühren und sie mit Auroville in Beziehung zu bringen. Denn diese Leute haben offensichtlich Millionen von Anhängern – sie repräsentieren eine gewaltige Macht (eine Macht über die Masse). Sie stellen etwas dar, aber barbarisch.

Es würde mich interessieren, das einmal zu hören, um es kennenzulernen... aber ich brauche nicht lange dazu.

Genau das habe ich ihm gesagt.

Ein paar Minuten genügen.

Richtig. Er wollte es dir eine Stunde lang vorspielen!

(Mutter lacht aus vollem Herzen, Schweigen)

Ich frage mich oft, welches die wahre Haltung gegenüber diesen Leuten ist, die mich besuchen wollen...

Du kannst in Meditation eintreten. (Scherzend) Du verschaffst dir den Ruf eines Weisen.

Wenn ich mit ihnen spreche, erhebt sich seltsamerweise oft eine Art Krieger in mir, und manche Leute rufen Reaktionen in mir hervor: ich möchte zuschlagen. Manchmal ist das sehr brutal – ich weiß nicht, warum. Das kommt und schlägt zu. Bei anderen bin ich im Gegenteil sehr ruhig. Manche sagen: "Sie sind zu streng."

War das schon immer so? Ist es nicht erst mit dem neuen Bewußtsein so geworden, seit diesem Jahr?

Auch im letzten Jahr.

Ich habe nämlich bemerkt, daß in diesem neuen Bewußtsein so etwas steckt: plötzlich kommt es auf diese Art, oh, und es möchte zuschlagen.

Besonders, wenn ich auf mentale Kleinlichkeit stoße.

(Schweigen)

Sind diese Musiker die gleichen Leute, die Drogen nehmen?

Ja.

Dann muß es im Vital sein.

Ach, es ist ohne Zweifel sehr vital. Aber sie spüren, daß die Welt eine Revolution durchläuft, daß wir eine neue Welt erreichen und daß alle alten Konventionen hinweggefegt werden. Sie haben keinerlei Konformismus und stehen allem offen gegenüber.

Offen in dieser Weise (horizontale Geste), nicht so (vertikale Geste).

Nein, das nicht, aber trotz allem haben sie einen gewissen guten Willen. Sie – oder eine andere Gruppe der gleichen Art: die "Beatles" – machte sich auf, diesen Maharishi Mahesh Yogi im Himalaya zu besuchen.

Und was geschah?

Dieser Yogi vertritt die "Transzendentale Meditation", und er empfing sie für einen Monat im Himalaya. Natürlich langweilten sie sich nach zwei Wochen, sie konnten es nicht mehr aushalten. Außerdem ist das "Transzendentale" nicht besonders offen für die Welt... Wenn man diesen Leuten stattdessen zeigte, was Sri Aurobindo brachte, einen weltoffenen Yoga, dann würde es sie berühren.

Leider halten all diese Leute ihre Wünsche für Inspirationen. Das bedeutet... Auch mit Auroville habe ich diese Schwierigkeit (sie sagen alle, sie kämen nach Auroville, um "Freiheit" zu finden), deshalb wiederhole ich bei jeder Gelegenheit: "Man kann nur frei sein, wenn man mit dem Höchsten Herrn vereint ist; und um sich mit dem Höchsten Herrn zu vereinen, darf man keine Begierden mehr haben."

Ach, offensichtlich war all das nötig [die Begierden], aber... man darf nicht dort steckenbleiben.

(Schweigen)

Hast du keine Neuigkeiten von P.L.?

Nein.

Wir sind nicht mehr ganz in der Zeit, wo man jemanden einsperren kann... Sie könnten ihn beschuldigen, "vom Christentum abgefallen zu sein", aber ich denke, das ist ihm egal. Oder vielleicht doch nicht?

Er wäre davon betroffen, denn dann könnte er nichts mehr für den Katholizismus tun.

Das wäre schade, sehr schade. Aber das ist auch das Schlimmste, das ihm passieren könnte.

Er hat sehr mutig gehandelt.

(Schweigen)

An dem Tag, als du mir die Neuigkeiten von P.L. brachtest, hatte ich in der Nacht (wie soll ich sagen?) eine "spezielle Delegation des Bewußtseins" zu ihm entsandt, damit es ihn genau das Richtige sagen lassen würde. Es wird interessant sein, das Resultat zu erfahren.

Dieses Bewußtsein ist wunderbar – seine Art, die Dinge zu sehen, ist wirklich einzigartig. Ich könnte es so ausdrücken: meine Sicht und mein Verständnis der Welt, des Lebens, von allem, haben sich völlig verändert, im Sinne einer Erweiterung... – natürlich arbeitete ich dauernd daran, diese Erweiterung zu erreichen, aber jetzt erfüllt sie sich mit etwas ganz Neuem. Dabei verbinden sich zwei Tendenzen: die eine ist dieses verständnisvolle und wohlwollende Lächeln, das STÄNDIG besteht, bei allem, selbst bei den dümmsten Widrigkeiten; und gleichzeitig, hinter diesem Wohlwollen (aber "Wohlwollen" ist ein schwaches Wort), liegt eine solche Macht! Wirklich gewaltig... Als ob es von Macht fast bersten würde. Eine fast konkrete Macht, ich weiß nicht (Mutter betastet die Luft)... es ist ein Licht, aber ein Licht, das man berührt: wenn es durch die Finger fließt, fühlt man es hindurchgleiten, so konkret ist es. Ein Licht aus dunklem Gold.

Innerhalb von ein paar Tagen hatte ich zwei Fälle von Personen, die sich wie Gimpel und Dummköpfe aufführten (das kommt häufig vor!), aber beide begriffen und spürten es, und sie schrieben mir und gaben genau das zu, was in diesem Licht zutage getreten war. Das ist wirklich etwas Neues. Vorgestern und heute bekam ich je einen Brief; der eine von einem Franzosen und der andere von einem Amerikaner. Beide hatten sich wie völlige Dummköpfe aufgeführt, und normalerweise hätten sie ihr eigenes Verhalten mit allerlei guten Gründen gerechtfertigt, aber beide bekannten sich zu ihrem Verhalten: "Ich habe mich wie ein Dummkopf aufgeführt." Das ist neu.

(Schweigen)

Man könnte folgendes sagen: Wenn das menschliche Bewußtsein eine Anstrengung unternimmt, um mit dem höheren Bewußtsein in Verbindung zu treten (nicht der normale Mensch sondern das fortgeschrittene menschliche Bewußtsein), hat man stets den Eindruck, daß es sofort fließend, durchsichtig, ätherisch wird (die Beziehung, die man mit dem höheren Bewußtsein erreicht) – sobald das menschliche Bewußtsein in Beziehung mit den höheren Dingen treten will und sich von niedrigen Bewegungen reinigen, sich erweitern will, dann "verdünnt" es sich gleichsam. Bei diesem neuen Bewußtsein hingegen, das im Vergleich dazu über eine WEIT ÜBERLEGENE Vision und Wahrnehmung verfügt, ist es solide und konkret. Dieser Eindruck ist überaus stark. Anfangs hatte ich den Eindruck, von einem festen Schutzwall umgeben zu sein – nun, diese Festigkeit bleibt bestehen, und zugleich wird es unendlich viel weiter, höher, umfassender... und eben diese Solidität. Und dieses Etwas, das ich "Wohlwollen" nennen muß, weil ich keine anderen Worte finde, enthält eine so außerordentliche Macht des Mitgefühls!... Fast wie etwas, das kein Leiden duldet – kein PHYSISCHES Leiden. Emotionale Leiden, die von einer emotionalen Entstellung herrühren, interessieren es nicht besonders, sie erscheinen ihm idiotisch, aber das rein materielle Leiden, das von der Struktur der materiellen Welt und seinen Abläufen herrührt, das erscheint ihm inakzeptabel. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll: eine Art Weigerung, dies zuzulassen... Ich beobachte das jetzt (wir befinden uns noch im Beobachtungsstadium), und mir scheint aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen, daß es zumindest in einem gewissen Ausmaß auch die Macht hat, das Leiden zu transformieren und aufzulösen. In manchen Fällen war dies bereits offensichtlich, aber es ist noch keine feste Tatsache. Ich weiß nicht. Aus diesem Grunde hoffte ich zum Beispiel wirklich, daß aufgrund dessen, was ich gesehen hatte und was passiert ist, deine Nächte besser würden, aber... Offensichtlich bin ich noch ein höchst unvollkommenes Instrument.

Es geht schon viel besser.

Ja, aber... Es liegt eben noch in der Welt des Relativen.

Die beiden Zustände sind so (Mutter legt ihre Hände dicht übereinander). Der Körper selbst hat beständig die Erfahrung eines fast wunderbaren Zustandes, aber es bleibt noch... (ist es die Erinnerung oder die Gewohnheit oder tatsächlich eine Vermischung der beiden Zustände?) – es bleibt noch die Fähigkeit, physisch, materiell zu leiden. Das heißt, daß noch viel zu tun bleibt.

Für mich ist jetzt alles eine Frage der Schwingungen, und es gibt eine gewisse Schwingung, die ich kaum beschreiben kann, weil es keine Worte dafür gibt, aber die, wie ich schon sagte, eine Art Mitgefühl beinhaltet (ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber diese Wahrnehmungen sind sehr intensiv), wenn diese Schwingung kommt, hat sie wirklich eine außergewöhnliche Macht, aber... es scheint nicht die Möglichkeit (Mutter verdreht abrupt zwei Finger) eines abrupten Wechsels zu geben. In manchen Fällen fühlten Leute eine starke Linderung, aber keine Heilung.

Meine Mutter hast du wirklich geheilt. 2

Ja, "einfach so".

Aber sie war völlig geheilt.

Richtig (Mutter scheint sich zu erinnern), deine Mutter wurde geheilt.

Manchmal erhalte ich unerwartet Briefe von Leuten, mit denen ich sonst nicht korrespondiere, die von ihrer Heilung berichten. Aber ich spreche von dem ganz kleinen Kreis hier... Bei Pavitra handelte es sich um ein Wunder, sogar nach der Meinung des Arztes, der nicht einmal "gläubig" ist; aber... es ist nicht perfekt, das heißt, die Gefahr eines Rückfalls bleibt bestehen. 3 Dabei nahm Pavitra die bestmögliche Haltung ein.

So geht es eben: es wirkt fast wie ein Wunder, und dann... Wahrscheinlich geschieht dies, damit wir uns nicht vor Stolz und Selbstzufriedenheit aufblähen und damit wir wissen, wie sehr wir uns noch ändern müssen. Was das Physische angeht (Mutter betrachtet ihre Hände), da brauchen wir keine Demonstration, da ist es offensichtlich. Aber es wurde gesagt und hundertmal wiederholt: dies wird sich als letztes ändern. Folglich...

Die innere Veränderung ist jedenfalls beträchtlich. Im Hinblick auf das Bewußtsein war es die größte Veränderung meines ganzen Lebens, und dabei habe ich schon viele Wandlungen durchgemacht und viel gearbeitet und... All dies ist nichts im Vergleich zu dem, was sich seit dem ersten Januar ereignet hat. Der Körper hat wirklich den Eindruck, eine andere Person zu sein... Doch das genügt nicht.

Wir werden sehen.

Aber ich wünsche mir, daß du stark und solide bist...

Tu so, als seiest du ein großer Weiser, das wird lustig. (Mutter lacht)

 

1 Es handelte sich um die Rolling Stones.

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2 Man befürchtete Krebs.

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3 Es handelte sich um Krebs. Leider wird es einen Rückfall geben.

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