Mutters
Agenda
achten Band
Jemand hat es sich in den Kopf gesetzt, eine Broschüre für den 21. Februar nächsten Jahres herauszugeben (Mutters neunzigster Geburtstag), man schickte mir nun die Broschüre mit der Bitte, eine Botschaft für die erste Seite zu schreiben. In dieser Broschüre bat man um die Meinung vieler bekannter Leute: Indira Gandhi, den Präsidenten von Indien und alle möglichen anderen; jeder sagt dasselbe in millionenfacher Wiederholung: "Große Persönlichkeit, dies und jenes ..." All die üblichen Dummheiten. Ich schrieb daraufhin folgendes:
Es gibt kein anderes Bewußtsein als das Höchste Bewußtsein.
Es gibt keinen anderen Willen als den Höchsten Willen.
Es gibt kein anderes Leben als das Höchste Leben.
Es gibt keine andere Persönlichkeit als die Höchste Persönlichkeit, die der All-Einzige ist.
Alle üblichen Platitüden leiern sie herunter!
Ich sagte mir, das könnte ihnen eine Lehre sein.
*
* *
Etwas später
Ich hatte vieles zu sagen, aber ich erinnere mich nicht mehr.
Nur eine Feststellung ist wirklich interessant, daß alle dasselbe sagen – alle, die DIE Erfahrung hatten, sagten dasselbe... nur, jeder auf seine Art, so daß es den Anschein hat, etwas anderes zu sein. Gestern war dies so klar und noch den ganzen Morgen, heute morgen sehr früh: auf diese Weise, auf jene Weise, der eine hier, der andere da (Mutter deutet verschiedene Facetten an), die Philosophen, die Religionsgründer, die Weisen aller Länder, haben stets dasselbe gesagt. Zum Beispiel scheint sich die Lehre Buddhas sehr von der des Christentums zu unterscheiden, und doch ist es immer dasselbe. Das heißt, es gibt EINEN Zustand (wenn man diesen Zustand erlangt), wo man sich des göttlichen Bewußtseins bewußt ist (nicht "bewußt von", "bewußt durch" oder "bewußt mit", ich kann es nicht erklären... das göttliche Bewußtsein ist bewußt, das heißt, das Bewußtsein in seiner Essenz), und da bestehen keine Probleme mehr, keine Komplikationen, keine Erklärungen, nichts – alles ist so klar wie nur möglich. Jeder versuchte es zu erklären, und natürlich wurde es konfus, unvollständig, falsch und widersprüchlich – aber alle sprechen von derselben Sache!
Das erschien gestern wegen eines Jungen, der mir einen Brief von einem Freund von ihm schickte mit dem üblichen Unsinn: "Ich glaube nicht an Gott, denn ich kann ihn nicht sehen." Die gewöhnliche kleinliche Dummheit. In bezug darauf sah ich nach längerem Nachdenken, daß derjenige, der ableugnet, und derjenige, der beteuert, derjenige... daß all das (wie soll ich sagen?) Variationen desselben Themas sind, selbst wenn es das Gegenteil zu besagen scheint.
Gestern war es interessant, denn dieselbe Feststellung galt auch für die Materialisten, die meinen, daß die "konkrete" Wahrheit die einzige Wahrheit sei, nämlich das, was man ihrer Meinung nach sehen, hören und berühren kann... Es ist dieselbe Sache, derselbe Zustand – reflektiert in verschiedenen Spiegeln. Aber der Unterschied zwischen den einzelnen Spiegeln ist kein wesentlicher und radikaler Unterschied, nur... (Geste sich bewegender Facetten), ja, gewisse Leute nannten es "Spiel", aber es ist nicht einmal ein Spiel; man könnte es fast eine unterschiedliche Position nennen.
Alles, was man darüber sagt, ist unwichtig, es gehört zu diesem enormen Geschwätz, das versucht, "etwas" auszudrücken, das nicht ausgedrückt werden kann. Aber wenn man darin ist, wird es so klar, so offensichtlich – einfach, ohne Probleme. Und die Welt ist kein Problem mehr.
Selbst dieser so bedeutsam erscheinende Unterschied zwischen jenen, die die Manifestation für göttlich und wesentlich halten, und jenen, die meinen, um das wahre Göttliche zu erlangen, müsse man aus der Manifestation heraustreten (weil sie ein "Irrtum" ist, nicht wahr, ein Irrtum, der im Bewußtsein begangen wurde), selbst diese beiden Anschauungen sind ein und dasselbe! – Aber wie soll man es ausdrükken? Wenn man das sagt, scheint es idiotisch, und dennoch ist es dort oben wahr. Es ist wahr – wahr und so voll. Es ist voll und nicht leer – hier klingt alles hohl, hohl, hohl; die Leere des Unzureichenden. Aber dort oben...
Es ist fast wie ein Kaleidoskop: man dreht es, und ein anderes Bild erscheint, man dreht, und wieder erscheint ein anderes Bild, noch einmal dreht man... und dennoch ist es immer ein und dasselbe.
Jetzt macht der Körper die Erfahrung. In einem bestimmten Zustand, dem wesentlichen Zustand, der Dem entspricht, ist alles harmonisch, in einem lebendigen Frieden, lächelnd und glücklich. Bei der geringsten Kleinigkeit, einem Nichts – schon dem Eintreten einer Unstimmigkeit in die Atmosphäre – eine Geringfügigkeit –, habe ich das Gefühl von etwas äußerst Scharfem und Schmerzlichem, auf eine Art, die nicht dem Schmerz der Unwissenheit ähnelt sondern eher einem... man könnte es Unbehagen nennen, nicht einmal das... Jeder hat es auf seine Weise erklärt: die einen nennen es "von der Wahrheit in die Lüge abfallen", die anderen "vom Licht in die Dunkelheit fallen", wieder andere "vom Ananda ins Leiden fallen", andere... Jeder brachte seine Erklärung, aber es ist etwas... Ich finde keine Worte dafür, doch der Körper spürt es auf sehr intensive Weise, und er sieht, daß am Ende davon, als Konsequenz, die Auflösung steht; so wendet er seine ganze Anstrengung darauf, diese innere Harmonie wiederherzustellen, diesen harmonischen Zustand, wo alles in Einklang steht – wobei die Dinge sich dem Anschein nach nicht einmal ändern. Dennoch sind sie auf die eine Art wunderbar und auf die andere abscheulich.
Dieser Gegensatz spitzt sich mehr und mehr zu, von Minute zu Minute: in einem Augenblick ist alles göttlich, im anderen alles abscheulich – dennoch ist es ein und dasselbe.
Seit der Erfahrung auf dem Balkon am 15. August 1 wurde das sehr deutlich.
Es hat nichts mit dem Denken und nicht einmal mit den Gefühlen zu tun: es ist rein materiell (Mutter berührt die Haut ihrer Hände). Es ist der Unterschied zwischen einer fortschreitenden und ununterbrochenen Harmonie, die keinen Grund hat aufzuhören, die immer bewußter, immer harmonischer wird, immer... man nennt es glückselig, froh, all das – aber das ist es nicht. Es ist "etwas"... etwas, das SO NATÜRLICH ist... das den Rhythmus der Ewigkeit besitzt – es ist DAS, und dann plötzlich (Geste der Umkehrung) ein Zurückfallen in... genau DIESELBE SACHE, alles ist das Gleiche, und alles ist das Gegenteil.
Das geht so weit, daß die materielle Wahrnehmung einer vollkommenen Harmonie (die sich nicht beschreiben läßt, da sie kaum mentalisiert ist) zu einer schweren Krankheit im Bewußtsein werden kann. Solche Dinge.
Ich habe zum Beispiel eine äußerst umfassende und zugleich vollkommene Schau, daß all jene, die versuchten, die Macht der direkten Einwirkung auf die Materie mittels der Vorstellungskraft, des Denkens, des Willens oder des Glaubens zu erklären, nur einen kleinen Aspekt der Angelegenheit erfaßt haben, aber in der eigentlichen Sache gibt es keine Trennung; wenn es wahrgenommen oder erfaßt wird, splittert es sich in unzählige kleine Dinge auf, aber im wesentlichen ist es... (wie soll ich sagen?) eine Seinsweise, ein Bewußtseinszustand – eine SEINSWEISE, nicht einmal ein "Bewußtseinszustand", denn das würde beinhalten, daß man sich "EINER Sache" bewußt wäre, das ist es aber nicht: es ist eine Seinsweise. Diese Seinsweise drückt sich im menschlichen Bewußtsein so aus: "Ah, das Göttliche", als Gegensatz. Es handelt sich um eine VOLLKOMMEN NATÜRLICHE, spontane Seinsweise – aber wie verwandelt sich DAS in das? Wie formt es sich um?... Ständig, ständig (Geste winziger Umkehrungen) vollzieht sich der Wechsel vom einen zum anderen, vom einen zum anderen, vom einen zum anderen, wie um zu lernen, wie Das entweicht (der Mechanismus des Übergangs). Für uns, für das ganze armselige Bewußtsein, das unzählige unheilvolle Erfahrungen durchgemacht hat, scheint es ein "Rückfall" in einen früheren Zustand zu sein, folglich ist es nicht das. Aber wie läuft der Mechanismus ab?...
Im Grunde werden wir die Lösung erst finden, wenn wir das Wie und Warum kennen.
Ständig, ständig... (die gleiche Geste winziger Drehungen).
Alle bisherigen Erklärungen sind nichts als Erklärungen. Es ist nicht wirklich DAS.
Zu wissen warum und wie, bedeutet wahrscheinlich die Macht, alles zu ändern...
In dem Falle wird es eines Tages kommen.
1 Der "goldene Friede".