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Mutters

Agenda

achten Band

3. September 1967

(Den Auroville-Strand betreffend, wo Satprem abends oft spazierengeht. Der Strand liegt ungefähr sieben Kilometer von Pondicherry entfernt.)

Ich finde, die Atmosphäre ist anders.

Dort unten?... Dort ist es wunderbar.

Ja, aber die Atmosphäre ist ganz anders, ich weiß nicht, ob es an meinem Bewußtsein liegt.

Fehlt etwas?... Reicht sie nicht bis dort hin? (Mutters Atmosphäre)

Ich weiß nicht, ich fühle mich nicht "eingehüllt" wie hier.

Als Sri Aurobindo noch hier war, fühlte ich seine Atmosphäre bis zum See 1, wenn ich ausging. Wenn ich weiter wegging, verringerte es sich, und dann hörte es auf.

Aber ich glaubte, daß hier...

Ich weiß nicht, ich habe diesen Eindruck; vielleicht ist es sehr subjektiv, aber ich empfinde nicht dieselbe Geborgenheit, wenn du so willst.

Im Moment ist hier nämlich eine so gewaltige Ansammlung, weißt du. Ich staune immer darüber, daß niemandem etwas zustößt. Natürlich müssen die aufnahmebereiten und empfindsamen Leute einen großen Unterschied spüren. Es ist wirklich fast konkret geworden, weißt du, so (Geste einer geschlossenen Faust). Ich selbst spüre den Unterschied.

Daran liegt es vielleicht.

*
*   *

(Die christliche Person betreffend, die sich dem Ashram anzunähern sucht.)

Hast du sie gesehen?

Ach, ja... Es gibt gewisse Entwicklungen. Als ich sie das letzte Mal traf, spürte ich wirklich, daß sie von etwas umgeben war... etwas, das sehr aufnahmebereit erschien, aber tatsächlich völlig in seiner eigenen Struktur eingeschlossen war.

Das stimmt.

Am nächsten Tag schrieb sie mir einen Brief. Als ich diesen Brief las, hatte ich das Gefühl, die große Lüge, den Asura zu berühren. Weißt du, die WAHRE Lüge, das heißt, diejenige, die das Licht erfaßt hat und eine Lüge daraus macht.

Genau so ist es.

Ich sagte: "Das ist die Lüge." Ich hatte eine eigenartige Reaktion: plötzlich wollte ich den Brief mit einem Messer durchbohren und ihn dann verbrennen.

Sieh an, das ist interessant!

Ich tat es nicht, denn ich sagte mir, daß ich ihr vielleicht ein Leid zufügen würde.

Ich hatte auch diesen Eindruck von Lüge 2 .

Amüsanterweise erhielt ich den Brief, las ihn, und dann kam Sujata ins Zimmer, sie verbrachte nur fünf Minuten hier, dann sah ich sie plötzlich wieder hinausgehen. Eine halbe Stunde später sagte sie mir: "Was ist mit dir los? Plötzlich war ich erschöpft, als hätte ich zwölf Stunden gearbeitet."

Siehst du.

Was geschah danach?

Ich schrieb ihr einen Brief, in dem ich folgendes sagte: "... Sie müssen selbst sehen, selbst fühlen. Wenn Sie mit der religiösen Erfahrung, die das Christentum darstellt, zufrieden sind, sehe ich nicht ein, warum ich Ihre Illusion zerstören sollte. Jeder folgt dem Weg, den er für gut befindet. Wenn Sie zu mir kämen und sagten: "Ich suche etwas anderes", na, gut, dann könnte ich vielleicht etwas ausrichten. Aber sonst kann ich wirklich nichts für Sie tun, und alle Worte sind überflüssig. Es liegt an Ihnen, das zu fühlen und zu sehen."

Ausgezeichnet. Genau das mußte sie zu hören bekommen... Sie sind alle gleich, sie wollen von den anderen "profitieren". Das ist wirklich eine Lüge.

Dieser Brief ist sehr gut.

(Schweigen)

Diese Einstellungen enden immer in einer Krise.

Wir hatten hier eine Französin aus der Dordogne. Nach ihrer Ankunft änderte sie ihren Namen: wir nannten sie Nivedita. Sie war überaus enthusiastisch und sehr ergeben. Gleichzeitig war sie sehr christlich geblieben und versuchte, die beiden in Einklang zu bringen. Natürlich verursachte das innere Schwierigkeiten, und eines Tages, ohne recht zu wissen warum, ging sie zur Beichte – das führte zu einem Zusammenbruch. Sie geriet in eine tiefe Verzweiflung. Ich sagte ihr: "Es ist besser, du gehst fort." Und sie fuhr ab. Sie kehrte nach Frankreich zurück; dort angekommen, schrieb sie wieder verzweifelte Briefe, und dann starb sie.

Je tiefer sie dringen, desto schwieriger wird das Problem. Es ist besser... Diese Dame hat eine äußere Arbeit zu verrichten. Ich ermutigte sie nicht, uns nahezutreten, denn eines Tages wird sie dem großen Problem gegenüberstehen – symbolisch auf eine Person übertragen –, und zwar dem Problem der auf ein Dogma reduzierten Religion als absolutes Gesetz im Gegensatz zur Freiheit, und... nicht viele Leute können das ertragen.

 

1 Ungefähr zehn Kilometer von Pondicherry entfernt.

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2 Hier einige kurze Auszüge aus dem zur Debatte stehenden Brief: "... Jemand sagte: Es geht nicht darum, die Freiheit wie eine Fahne zu tragen, sondern wie ein Kreuz... Warum mag man in Ihrem Buch das Kreuz nicht? Seit aller Ewigkeit ist es die Form, die versammelt und die aufsteigt. Die Form, die nicht alleine aufsteigen will; die Form, die in eine Masse getaucht, nur mit der ganzen Masse auftaucht – die Form, die an allen Kardinalpunkten haftet und an allen Kardinalpunkten blutet... Sofort nachdem ich Sie gesehen hatte, ging ich zur Werkstatt der Leprakranken, und dort schöpfte ich nicht nur die Kraft, ihnen durch finanzielle Mittel, Fachwissen oder Freundschaft zu helfen, sondern sogar vielleicht so zu sein wie sie und bis auf den Grund ihrer wahren Misere zu gehen..."

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