Mutters
Agenda
siebenten Band
5. Oktober 1966
Apropos finanzielle Situation muß ich dir eine kleine Geschichte erzählen, die Sonntag oder Montag passiert ist. Ich habe dir schon gesagt, daß die Situation völlig... Für ein gewöhnliches Bewußtsein ist sie kritisch. Ich erinnere mich nicht mehr an die konkreten Einzelheiten, aber ich mußte dringend etwas bezahlen – ich glaube, es war für die Arbeiter, weil sie Hunger hatten, sie hatten ihren Lohn nicht bekommen. Da überkam mich eine Art Mitgefühl für diese Leute, die kein Geld hatten, und doch konnte ich nichts tun, weil ich nichts hatte. Am Abend dann, als ich auf- und abging (während meiner Stunde für Meditation und Ruhe, in der Konzentration), bot ich all dies dar (Geste nach oben), und in einer fast kindlichen Art sagte ich dem Herrn etwas – Er war da, verstehst du, ich war bei Ihm –, das sich in Worten ungefähr so anhören würde (ich rede zwar nicht, aber man kann das in Worte übertragen): "Ich weiß, daß Du bei mir bist und hinter allem stehst, überall, aber ich würde gern wissen, ob Dich das, was ich mache, die Arbeit, die ich mache, interessiert oder nicht! (Mutter lacht) Und wenn Dich das interessiert, nun, dann brauche ich dieses Geld."
Das kam einfach so, in einer völlig kindlichen Form, aber absolut lauter. Zwei Tage später, als ich das Geld unbedingt brauchte, als alles völlig unmöglich schien, kommt Amrita plötzlich zu mir und sagt: "Hier, Soundso hat einen Scheck in dieser Höhe geschickt!" – Genau die Summe, die ich brauchte. Und dieser Mann... ich glaube, es ist das erste Mal, daß er Geld geschickt hat. Völlig unerwartet, ein absolutes Wunder – ein Wunder wie für Kinder. Genau im richtigen Moment die gewünschte Summe, und völlig unerwartet. Da habe ich wirklich gelacht, und ich sagte mir: "Wie dumm wir doch sein können! Wir wissen nicht, daß alles genau so passiert, wie es passieren muß."
Ich kann nicht sagen, daß ich mir Sorgen mache (ich mache mir nie Sorgen), aber ich fragte mich... manchmal frage ich mich: "Wird es weitergehen oder ..." Ich bin nicht ganz sicher, was herauskommen wird, weil... Ich versuche nie zu wissen, und ich will es auch gar nicht wissen, aber ich habe nicht den Eindruck, daß "man" es mir sagt (ich glaube, dies ist eine weitere mentale Dummheit, und wenn nichts formuliert wird, bedeutet das, daß es geht, ja, daß es gehen muß). Aber verstehst du, da ist etwas Kindisches, das gern hätte, wenn ihm gesagt würde: "Mach dies so und jenes so ..." Doch das geht eben nicht!
Ich erhalte keine Befehle: Wenn ich etwas sagen muß, empfange ich das absolut genaue Wort, den genauen Satz. Aber für das Handeln erhalte ich keinen Befehl, weil... Ich glaube nicht, daß ich zögere, ich frage mich nie: "Soll ich dieses oder jenes tun?" Nie. Mein ganzes Bemühen zielt darauf ab, von Minute zu Minute zu leben. Das heißt, in jeder Minute genau das tun, was zu tun ist, ohne Pläne zu entwerfen, ohne zu denken, ohne... weil all dies mental wird. Sobald man sich anschickt, etwas zu denken, geht es nicht mehr. Aber ganz instinktiv und spontan tue ich das Nötige: dies, das, jenes... Wenn es gilt, auf etwas zu reagieren, dann kommt es. Mit dem Geld ist es ähnlich. Ich werde einzig veranlaßt zu sagen: "Soundso braucht soundsoviel, jene Abteilung benötigt soundsoviel." Und dies nicht lange im voraus, sondern wenn es unumgänglich wird. Und dann kommt es auch. Ich weiß nicht, was morgen geschieht; ich trachte überhaupt nicht danach, zu wissen, was passieren wird. Aber an jenem Tag war es, als ob ich fragte: "Also gut, gib mir einen Beweis, daß Dich das interessiert!" – Und paff, fiel es uns in den Schoß. Da mußte ich lachen, und ich sagte mir: "Was für ein Kindskopf ich doch noch sein muß!"
Zwei Tage lang kam das Geld immer genau in dem Augenblick, wo ich etwas bezahlen mußte, und ich sagte mir: "Gut, sehr schön!" Jetzt ist es nicht mehr so lustig. Damals aber schon.
Jetzt ist im Hintergrund eine Art Vertrauen: Nun gut, wenn es kommen muß, dann kommt es auch, basta.
Der Geist der Organisation, wenigstens von einem menschlichen Standpunkt aus gesehen (vielleicht nicht nur menschlich, aber lassen wir das), der Geist der Organisation liebt es, alle Dinge vor sich zu haben wie auf einem Bild und dann Pläne zu schmieden, zu organisieren und zu sehen: Das da kommt hierhin, jenes dorthin... All dies ist nutzlos. Man muß lernen, von Minute zu Minute zu leben, einfach so. Das ist viel angenehmer. Wahrscheinlich ist dies deshalb so schwierig, weil es in einem völligen Gegensatz zum gesunden Menschenverstand steht und weil die Menschen in meiner Umgebung erwarten, daß ich Pläne mache und Entscheidungen treffe und... Das macht dann Druck. Ich glaube, das ist es. Sonst wäre es natürlich und spontan ein Wunder in jeder Minute. Ich neige immer dazu zu sagen: "Ach, macht euch doch keine Sorgen! Je mehr ihr euch Sorgen macht, desto schwieriger werden die Dinge – laßt alles geschehen, laßt alles einfach geschehen!" Doch sie sehen mich irgendwie entsetzt an (Mutter lacht); ich plane eben nicht voraus, verstehst du?
Das war meine kleine "Geschichte" – mein kleines Wunder. Es kam, wie um mir zu sagen: "Aha, du möchtest also ein Wunder sehen? – Nun gut, da hast du es, schön fertig und rund!" (Mutter lacht) Eine gute Lektion.