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Mutters

Agenda

siebenten Band

17. September 1966

Was macht dein Buch?

Findest du, daß es zu langsam vorangeht? Möchtest du, daß es schneller geht?

Nein. Ich frage dich, weil ich gestern abend noch bis in die Nacht damit beschäftigt war. Aus diesem Grunde frage ich. Nachts sehe ich Dinge, ich höre Sätze und sehe Szenen, und dann... Ich sage mir also, daß es vorangeht.

(Schweigen)

Eine neue Aktivität entwickelt sich... Ich ertappe mich dabei, wie ich mit Menschen spreche, die ich meistens nicht kenne, und ich beschreibe eine Szene: sie können dies oder jenes veranlassen, man kann ihnen dies oder jenes vorschlagen, und schließlich kommt dies oder jenes dabei heraus – wie Szenen aus einem Buch oder einem Film. Tagsüber oder am nächsten Morgen sagt mir dann plötzlich jemand: "Ich habe eine Botschaft von Ihnen erhalten, Sie haben mir gesagt, ich solle jener Person schreiben und ihr das und das sagen ..." Ich tue das nicht mental, nicht, daß ich denken würde: "Er muß dieser Person schreiben und jenes tun", überhaupt nicht. Ich lebe – ich lebe eine Szene oder erzähle sie, und das wird dann von jemandem empfangen (an den ich überhaupt nicht denke). Es wird von irgend jemandem aufgefangen, wie eine Nachricht, in der ich Anweisungen gebe, dies oder jenes zu tun. Und das geschieht hier, in Frankreich, in Amerika, überall.

Lustig!

Jemand schrieb mir: "Sie haben mir gesagt ...", und es handelt sich um eine meiner "Szenen"! Eine der Szenen, die ich erlebte – nicht erlebte: zugleich erlebte und erzeugte. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Es ist wie eine Arbeit der... (Mutter scheint eine unsichtbare Substanz zwischen ihren Fingen zu kneten, als ob sie sie formen wollte).

Das bin nicht ich, verstehst du! Hier (Mutter berührt ihre Stirn), Gott sei Dank, Herr, ich hoffe, daß das immer so weitergeht: ruhig und still, so still, ruhig und friedlich. Aber es kommt von allen Seiten (Geste unzähliger Kommunikationen, die sich in dieses Schweigen ergießen).

Auch Geschichten von Ländern, von Regierungen, da kenne ich das Ergebnis nicht – vielleicht erfahren wir das später.

Und in dieser Art Aktivität habe ich alle möglichen Kenntnisse, die ich gar nicht besitze. Manchmal gar ein medizinisches oder technisches Wissen, das ich überhaupt nicht habe – dort aber schon, verstehst du, denn ich sage: "Dies ist so, jenes ist so ..." Amüsant.

Und das bin nicht ich. Ich, wo bin "Ich" denn überhaupt?... Auf jeden Fall ist es nicht das (Mutter zwickt die Haut ihrer Hand). Armes Ding! Es hat weiterhin seine Aspiration und zugleich das Gefühl seines Unvermögens, seines Elends und seiner Ohnmacht, das auszudrücken, was ausgedrückt werden sollte, das Gefühl seiner Unwürdigkeit, ein Instrument des Göttlichen zu sein. Gleichzeitig hat es eine Art wachsender Gewißheit von... (wie soll ich sagen?) von der Großmut der göttlichen Gegenwart, die so wunderbar ist in ihren Wirkungen, trotz des fast totalen Schwachsinns von alldem hier (Mutter weist auf ihren eigenen Körper), das äußerlich von Dummheit durchsetzt ist, doch mit einer so brennend-intensiven, konstanten Aspiration und mit etwas Rührendem in seiner Demut und seinem Vertrauen, das seine Ohnmacht empfindet und zugleich diese wunderbare Macht, die da ist und nichts verlangt außer zu wirken – wenn man sie machen läßt. Das drückt sich in einer Art Film-Rückschau aller Schwierigkeiten des Körpers, seiner ganzen Ohnmacht, seiner Unfähigkeiten und Dunkelheiten aus, all dies läuft ab wie auf einer Leinwand, um aufgelöst zu werden. Und dann wohnt man der Auflösung ins Licht bei. Phantastisch!

Und der Eindruck, von einem ganz dünnen Faden gehalten zu werden, dem Faden... nicht des Glaubens, es ist kein Glaube. Es ist eine Gewißheit, die jedoch zugleich eine Aspiration ist. Und die spürt – die spürt, daß da etwas absolut Neues und Junges ist in dieser verrotteten Atmosphäre von Ungläubigkeit, Dummheit und Böswilligkeit. Da ist nur dieser so dünne Faden, und es ist ein Wunder, daß...

(Schweigen)

Selbst jene, die meinen, sie hätten den Glauben, wollen, daß alles für sie getan wird. Sie wollen, daß die höchste Macht, der Höchste, alles für sie tut TROTZ ihrer Ungläubigkeit, ihrer Dummheit und Unfähigkeit. Und das nennen sie dann Allmacht. Sie verstehen nicht einmal, daß diese Schwingung der Wahrheit, wenn sie sich durchsetzte, die Zerstörung von all dem, d.h. ihre eigene Zerstörung, bedeuten würde. Die Zerstörung dessen, was sie glauben zu sein.

Das Wunder... das Wunder ist dieses unendliche Mitgefühl, dank dem nichts zerstört wird. Es wartet. Es ist da, mit seiner vollen Macht, seiner vollen Kraft, und... bestätigt einfach seine Gegenwart, ohne sich aufzudrängen, um... den Schaden auf ein Minimum zu reduzieren.

Ein wunderbares Mitgefühl. Wunderbar!

Und all diese Idioten nennen das Ohnmacht!

*
*   *

(Etwas später schlägt Satprem vor, Mutters letzten Kommentar zu den Aphorismen im Ashram-Bulletin zu veröffentlichen, mitsamt der Vision der Vögel, die zu menschlichen "Meinungen" werden, und nur einige persönliche Kürzungen vorzunehmen.)

Die Leute werden sagen, ich fiele ins Kindheitsstadium zurück.

Aber keineswegs! Das ist sehr ausdruckskräftig.

(Lachend) Das Bild ist schön (ich habe es gerade nochmals gesehen). Das Bild ist sehr schön.

Nun gut.

Wiederholt es sich nicht zu häufig? Vier, fünf Mal dasselbe.

Nein, nein. Jedesmal fügst du ein Element hinzu. Ein guter Fluß.

Hast du denn nichts anderes, was wir für die "Notizen auf dem Weg" brauchen könnten?

Vielleicht. Ich muß noch einmal nachschauen. Ich glaube aber nicht.

Verstehst du, es erweckt den Eindruck von Kindergeschwätz, weil... Die Schilderung dieser gegenwärtigen Erfahrungen ist in keiner Weise ein intellektueller Ausdruck, und für diejenigen, die nicht verstehen, daß dies die Erfahrung in der physischen Substanz, in den Zellen, in der materiellsten Form ist, hat es den Anschein von bloßem Kindergeschwätz. Das ist die Erfahrung, wie sie ein Kind haben mag, ohne die Komplikationen und Erklärungen als Folge der intellektuellen Entwicklung.

Und diese Einfachheit, diese Abwesenheit jeglicher Komplikation und Ausarbeitung verleiht den Dingen insofern einen großen Wert, als sie von vollkommener Aufrichtigkeit und Schlichtheit sind. In allem, was mental, vital, intellektuell ausgedrückt wird, steckt immer MEHR in der Form, im Wort, im Ausdruck – MEHR als in der Erfahrung –, es wird vervollständigt und aufgerundet. Was gesagt wird, ist mehr, als gesagt werden will. Dies hingegen ist eine vollkommen reine Erfahrung, in der die Worte als eine Art Schmälerung, Verringerung empfunden werden, die zugleich eine Kompliziertheit einführt, die in der Erfahrung gar nicht existiert. Die Erfahrung selbst ist ganz einfach und schlicht: sie ist wirklich rein. Alles, was man sagt, ist so, als fügte man etwas hinzu, was ihre Reinheit und Einfachheit verringert.

Diese Dinge zu sagen, ist also gut für einen selbst, es ist auch gut für jemanden, der in demselben "Seelenzustand" ist. Aber für die Öffentlichkeit... (Mutter schüttelt den Kopf) ist die Verständnislosigkeit vorprogrammiert.

Voilà.

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