Mutters
Agenda
siebenten Band
20. April 1966
Sehr früh heute morgen, etwa gegen vier Uhr, hatte man mich "irgendwohin" kommen lassen. Seit langem versuchte man, Verbindungen herzustellen, die sehr wichtig sind, um bestimmte Dinge miteinander in Kontakt zu bringen. Es klappte nie, immer entstand Verwirrung. Letzte Nacht rief man mich also. Ich kam dort an, und es gab Wege, was sehr freundlich war. Wege (Mutter zeichnet kleine Schleifen in die Luft), die auf der ganzen Strecke mit kleinen Grasrändern und Pflanzen gesäumt waren. Alles war so schön und säuberlich angelegt, nirgendwo Unordnung. Drei Wege, die zusammenliefen und weiterführten. Ich sagte: "Endlich einmal eine gut gemachte Arbeit!" Und man antwortete mir: "Ja, aber es war leichter, weil man die Zustimmung der Regierung hatte."
Ich fand diesen Gedanken reizend.
Das alles ist natürlich symbolisch. Ich erwachte mit dem Eindruck: irgend etwas wird jetzt endlich glattgehen!
Es war makellos: eine Arbeit ohne Fehl und Tadel, die mit Intelligenz und Verständnis getan worden war. Schon sehr lange habe ich nichts Vergleichbares mehr gesehen.
"Ach, es war leichter, weil die Regierung ihre Zustimmung gegeben hatte." (Mutter lacht)
Das ist ja wirklich etwas Neues!
Nicht wahr? Aber ich glaube nicht, daß es sich um die indische Regierung handelte. Ich glaube, es war symbolisch.
Handelt es sich um die Weltregierung?
Ich habe dies so aufgefaßt.
(An dieser Stelle wird die Unterhaltung von einem Schüler unterbrochen, der eintritt und den Tod von Anusuya, seiner Freundin, mitteilt)
Um welche Zeit?
Gerade eben. Der Anruf vom Krankenhaus kam gerade eben.
Ich frage das, weil V mir sagte, daß sie dorthin gehen würde. Sie hatte mir gesagt, Anusuya fühle sich nicht wohl. Ich schaute also und... V wollte, daß ich ihr einen Brief für Anusuya mitgebe. Ich nahm also einen Zettel und schrieb... Ich erinnere mich nicht mehr an die genauen Worte, aber es lautete etwa so: "Der unerschütterliche Glaube, daß allein Gottes Wille geschieht." Ich erinnere mich nicht mehr genau, ich schrieb, was diktiert wurde. Und in dem Augenblick, wo ich das schrieb, wußte ich, es ist zu Ende.
Ich sagte nichts, aber ich wußte es.
Weil... Es ist sehr einfach. Ich legte mein ganzes Bewußtsein in sie, und ich wußte, wenn sie genesen sollte, würde sie es wissen: mit einem Schlag hätte sie die Gewißheit, daß sie gesund wird. Als V mir berichtete, was sie gesagt hatte: "Man glaubt, es ginge mir besser, aber ich fühle mich nicht gut", schaute ich das an, und ich sah, daß sie sich nicht irren konnte. Weil ich mein Bewußtsein in sie gelegt hatte, konnte sie sich nicht irren. Daß sie gesagt hatte: "Es geht nicht gut", bedeutete, daß es zu Ende war.
Aber man muß eines wissen. Unnötig zu sagen, daß ich sie sehr liebe, daß ich sehr glücklich war, sie hier bei mir zu haben; sie war sehr hilfreich, und ich sehe es als großen Verlust an, daß sie geht, vom materiellen Gesichtspunkt aus. Aber als ich wußte, daß es ernst ist, wollte ich sofort (wie immer, in jedem Augenblick meines Lebens), daß aus göttlicher Sicht das Bestmögliche geschehe. Der göttliche Standpunkt ist immer auch der persönliche Standpunkt: der göttliche Standpunkt ist das, was für die betreffende Person das Beste ist. Ich sah mit absoluter Bestimmtheit, daß es für sie das Beste war.
Menschlich können wir für dies und das Gründe suchen, aber das ist es nicht – für ihre Seele, für ihr wahres Wesen, war dies das Bestmögliche.
Nimm sie in dich auf!
Ach, ihr könnt beruhigt sein.
Die letzten Worte, die sie gestern abend zu mir sagte, waren: "Bitte Mutter, mich schlafen zu lassen!"
Sie suchte die Ruhe.
Wißt ihr, ich wünschte, ihr alle, die hier bei mir seid, könntet fühlen, wie ich es weiß: daß es bloß eine Umkehrung der Erscheinungen ist. Sie lebt, sie ist bewußt, sie hat alle ihre Fähigkeiten, alle ihre Möglichkeiten – alles ist da. Sie hat nichts verloren. Nur die menschliche Unwissenheit glaubt, daß man etwas verliert. Sie hat NICHTS verloren.
Manche Menschen scheiden in einer Glorie dahin – nicht viele, aber einige. Diejenigen, die so fortgehen, haben nicht einmal einen schwierigen Übergang. Als ich diese Worte für sie aufschrieb, fühlte ich eine Befreiung (das war vor einer halben, dreiviertel Stunde).
Nein, ich spüre den Kummer, ich verstehe ihre Mutter, für sie wird es schrecklich sein – es ist nicht, daß ich es nicht verstehe und fühle –, aber ich wünschte so sehr, daß diejenigen, die Vertrauen haben, wissen, was für eine Pracht das sein kann.
(Schweigen)
Wenn ihr ganz still sein könnt, in einem sehr friedvollen Glauben, wird sie auch bei euch sein, dann wird sie euch nicht verlassen.
Sie ist da.
Bei euch muß sie den Frieden und ein hellsichtiges Bewußtsein finden: mit dem Kummer ihrer Angehörigen wird sie einige Schwierigkeiten haben, sie werden sehr aufgewühlt sein, und sie muß zumindest in der Atmosphäre eines totalen Friedens und Vertrauens Zuflucht nehmen können.
Sie selber sagt euch dies.
Die Wellen von draußen sind schwierig: sie kommen sehr bewegt und aufgewühlt. Man muß sich erinnern. Um euch muß wie ein Bad der Ruhe herrschen.