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Mutters

Agenda

sechsten Band

21. Juli 1965

Es besteht eine kleine Hoffnung, daß dieses materielle Mental, das Mental der Zellen, sich transformiert.

Das ist eine gute Neuigkeit!

Sicher! Ich bin recht erstaunt. Gestern oder vorgestern bemerkte ich es. Es ging mir nicht gut, kurz, es war ziemlich unangenehm, da stieß dieses Mental [der Zellen] plötzlich ein Gebet aus. Ein Gebet... Du weißt, wie ich früher betete – die Prières et Méditations [Gebete und Meditationen] –, damals betete das Mental, es hatte seine Erfahrungen und betete. Jetzt aber ist es die Erfahrung aller Zellen: eine intensive Aspiration, und plötzlich drückt sich all dies in Worten aus.

Ich notierte mir das.

Ja, das ist recht interessant...

Es war zur Zeit des Abendessens; mich überkam eine Müdigkeit, eine Spannung (das kommt immer) und das Bedürfnis nach mehr Harmonie in der Atmosphäre... es wird ein wenig unbehaglich; ich saß da, und plötzlich loderte all das wie eine Flamme auf, oh, mit einer solchen Intensität, als stieße dieses Körpermental im Namen des Körpers (der Körper begann, mentalisiert zu werden) ein Gebet aus... (Mutter sucht eine Notiz) Es fühlt sehr stark die Einheit der Materie (ein Gefühl, das seit langem schon äußerst stark ist, das jetzt aber sehr bewußt wird: eine Art Identität); es war beherrscht vom Gefühl der gesamten Materie – der irdischen menschlichen Materie – und es sagte:

"Ich bin unserer Unwürdigkeit müde. Aber nicht nach Ruhe sehnt sich dieser Körper...

Das war eine Empfindung in allen Zellen.

... Nicht nach Ruhe sehnt sich dieser Körper, sondern nach der Glorie Deines Bewußtseins, der Glorie Deines Lichts, der Glorie Deiner Macht, und vor allem...

Hier wurde es noch intensiver:

... nach der Glorie Deiner allmächtigen und ewigen Liebe."

All diese Worte hatten einen so konkreten Sinn.

Ich notierte mir dies rasch und ließ es dann hier liegen. Aber siehe da, dieses Mental ist wie das andere... (Mutter sucht eine zweite Notiz), es ist gewissermaßen um Vollkommenheit des Ausdrucks bemüht. Am darauffolgenden Nachmittag, nach meinem Bad (im allgemeinen setzt nach dem Bad eine besondere Aktivität ein), befand es sich wieder in diesem Zustand, und ich mußte mir folgendes notieren (es kam genau wie ein Gebet):

"OM, höchster Herr,

Gott der Güte und der Barmherzigkeit

OM, höchster Herr,

Gott der Liebe und der Glückseligkeit...

Als es zur "Glückseligkeit" kam, waren alle Zellen wie aufgeplustert davon.

... Ich bin unserer Schwäche müde. Aber nicht nach Ruhe sehnt sich dieser Körper, er sehnt sich nach der Fülle Deines Bewußtseins, er sehnt sich nach der Pracht Deines Lichts, er sehnt sich nach der Majestät Deiner Macht; vor allem sehnt er sich nach der Glorie Deiner allmächtigen und ewigen Liebe."

In den Worten liegt ein bestimmter konkreter Inhalt, der nichts mit dem Mental zu tun hat. Es ist etwas Erlebtes – nicht nur gefühlt: erlebt.

Später am Nachmittag war es kein Gebet mehr sondern eine Feststellung (Mutter sucht eine dritte Notiz)... Ich fand, daß es interessant wurde. Es sagte:

"Die anderen Seinszustände...

Wenn du wüßtest, mit welcher Art von Verachtung, welcher Miene von Überlegenheit es sprach!

"Die anderen Seinszustände, das Vital, das Mental, mögen sich an teilweisen Kontakten erfreuen...

Damit sind alle dazwischenliegenden Seinszustände, auch die Götter, die Wesenheiten und all das gemeint. Es sprach mit Kraft und einer Art Würde – ja, Würde, beinahe Stolz, aber kein Hochmut. Es war Edelmut im wahrsten Sinn.

... Allein der höchste Herr kann mich zufriedenstellen."

Plötzlich kristallisierte sich diese Vision in der klaren Erkenntnis, daß nur das äußerst Vollkommene diesen Körper zur vollen Entfaltung bringen kann (Geste der Verbindung von oben und unten).

Ich fand das sehr interessant.

Es ist der Anfang von etwas.

(Schweigen)

Es fing an mit Ekel – einem Ekel... einem herzzerreißenden Ekel angesichts all dieses Elends, all dieser Schwächen, all dieser Erschöpfung, all dieser Unpäßlichkeiten, diesem ganzen Ächzen und Knirschen, dieser Reibungen, uff!... Es war deshalb so interessant, weil zugleich mit diesem Ekel etwas wie eine Suggestion der Auflösung, des Nichts kam: die Sehnsucht nach dem ewigen Frieden. Doch der Körper fegte all das hinweg, als richtete er sich auf: "He, aber das ist es nicht! Das ist nicht das, was ich will. Ich will... (und plötzlich brach ein strahlendes Licht durch – ein herrliches goldenes Licht)... ich will die Pracht Deines Bewußtseins."

Ja, das war eine Erfahrung.

(Schweigen)

Die Reibungen bestehen noch immer ein wenig, aber jedenfalls geht es besser. Vorhin... Weißt du, sie bedrängen mich zu zweit oder zu dritt auf einmal, sei es mit den Bitten all dieser Leute, mit Arbeit, die getan werden muß, mit Fragen, die beantwortet, oder Schecks, die unterzeichnet werden müssen; das ist eine Arbeit, als ob... man wird von allen Seiten traktiert wie mit Krallen. Diese Müdigkeit fühle ich jeden Tag, ständig, darum brauche ich vollkommene Ruhe (es ist, als würde man zerkratzt), und ich sah: Es liegt daran, daß die ganze Arbeit, die man diesem Körper aufzwingt, nicht das ist, wonach er sich sehnt – es kommt nicht von oben, sondern von hier, von dem, was mich umgibt – darum knirscht es so, als würde etwas zerrieben. Deshalb appellierte dieses Mental ganz bewußt an die Aspiration der Zellen, an den Gleichmut und die Gelassenheit der Zellen: "Jetzt ist der Augenblick, gelassen zu sein", und sofort trat eine Art ruhige Unbewegtheit ein, es ging besser, und ich konnte bis zum Schluß durchhalten.

Ich habe den Eindruck, als hätte ich einen Zipfel der Lösung zu fassen bekommen 1 . Natürlich muß man jetzt... work it out [es ausarbeiten].

Zumindest besteht Hoffnung.

Ich stand immer unter dem Eindruck dessen, was Sri Aurobindo gesagt hatte: "Dieses Instrument [das physische Mental], taugt nichts, am besten wird man es los ..." 2 Es war sehr schwierig, sich davon zu befreien, denn es war so eng mit dem physischen Körper und seiner gegenwärtigen Form verquickt... es war schwierig. Als ich es versuchte und sich schließlich ein tieferes Bewußtsein einstellen wollte, kam es zu einem Ohnmachtsanfall. Ich will damit sagen, daß die Vereinigung, die Verschmelzung, die Identifikation mit der höchsten Gegenwart ohne dieses physische Mental, durch seine Auflösung, einen Ohnmachtsanfall hervorrief. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Jetzt, da es mitarbeitet, bewußt mitarbeitet (und wie es scheint, mit großer Empfindsamkeit), werden sich die Dinge vielleicht ändern.

Alles, was mental war... Ich erinnere mich noch sehr genau an den Zustand, in dem ich mich befand, als ich die Gebete und Meditationen schrieb, vor allem jene, die ich hier schrieb (die von 1914): das erscheint mir jetzt alles kalt und trocken... ja, trocken, leblos. Es ist leuchtend, schön, angenehm, aber kalt und leblos. Hingegen hat diese Aspiration hier [des Mentals der Zellen], oh, eine ganz außergewöhnliche Macht – eine Macht der Verwirklichung. Wenn sich das ordnet, könnte etwas getan werden. Dort liegt eine geballte Kraft.

(Schweigen)

Seit den letzten zwei Nächten drehen sich plötzlich alle morgendlichen Aktivitäten – jene, die sich im Subtilphysischen mit Sri Aurobindo und allen Leuten von hier abspielen – um die Nahrung, aber unter einem völlig andersartigen Aspekt. Dies geschieht immer, um mir Hinweise über Leute und Dinge zu geben. Vorletzte Nacht ereignete sich ein lustiger Vorfall. Wie ihr wißt, befindet sich Mridou, die rundliche Frau, die für Sri Aurobindo kochte, im Subtilphysischen. Als sie starb (ich wußte nicht einmal, daß sie tot war), ging Sri Aurobindo sie in ihrem Haus holen, brachte sie zu mir und legte sie mir vor die Füße: so erfuhr ich, daß sie gestorben war (am nächsten Morgen teilte man es mir dann mit). Zunächst verstand ich nicht, was geschehen war; ich sah Sri Aurobindo in Mridous Haus gehen und wieder herauskommen: (lachend) mit so einem kleinen Paket, und er legte es mir zu Füßen. Ich war ganz verblüfft, ich sah, daß es Mridou war und rannte Sri Aurobindo nach, um ihn zu fragen: "Aber was soll das bedeuten?" Dann verschwand alles. Am nächsten Morgen teilte man mir mit, daß sie gestorben sei. Nun lebt sie also im Subtilphysischen, und ich sehe sie sehr oft, wirklich sehr oft (sie ist ein wenig besser, als sie physisch war, aber nicht viel intelligenter). Vorletzte Nacht brachte sie mir große Pflaumen (sie waren so groß), ich aß welche und fand sie köstlich. Dann kam Pavitra und schaute sich diese Pflaumen an und sagte mir: "Oh, die darf man nicht essen, die sind doch schimmelig!" Ich erinnerte mich, weil es mich belustigte. Ich schaute und sagte (lachend): "Ich sehe keinen Schimmel, und außerdem schmecken sie köstlich." Letzte Nacht war da ein Mann (den ich sehr gut kenne, an dessen Name ich mich aber nicht erinnere), der mir sagte, ich müsse unbedingt Milch trinken. (Seit vielen, vielen Jahren trinke ich keinen Tropfen Milch mehr.) Er zeigte mir die Milch und sagte mir: "Sehen Sie, man muß die Milch mit der Suppe oder mit diesem und jenem mischen." Ich fragte mich: "Sie mal an, warum plötzlich so etwas?" Noch nie habe ich vom Essen geträumt! (Übrigens sind das keine Träume: ich schlafe nicht, sondern bin vollkommen bewußt). Das fing vor zwei Nächten an, zuerst aß ich Pflaumen – so große Pflaumen –, und letzte Nacht sollte ich Milch trinken. Dies war aber so eindringlich, daß ich mich heute morgen einen Augenblick lang fragte, ob ich nicht doch anfangen sollte, Milch zu trinken.

Auch das ist neu.

Die Serie begann mit jener Vision (immer noch im selben Bereich), in der ich versuchte, Tee für Sri Aurobindo zu besorgen und man mir stattdessen Erde mit einem Stück trockenen Brotes gab. 3

Eine ganze Welt beginnt sich zu öffnen. Wir werden sehen.

Gut. Hast du etwas mitgebracht?...

Es stimmt wirklich, ich habe den Eindruck, die Atmosphäre ist seit ein oder zwei Tagen angenehmer.

Ah!

Ich weiß nicht, ob es an mir persönlich liegt, ja, eine glücklichere Atmosphäre...

Ja, das ist es.

... die weniger knirscht.

Ja, so sollte es eigentlich sein. Wir werden sehen... Wenn das, was ich wahrnehme, stimmt, dann müßte es in diese Richtung gehen.

Sonst bin ich immer in einer miserablen Laune, wenn es dir "nicht gut geht".

Ja... Oh, aber ich sage genau das Gegenteil, mein Kind! (Lachend) Ich wollte nicht unhöflich sein, aber eigentlich wollte ich dir sagen: "Verflixt nochmal, welch schlechte Laune du hast, das macht mich ganz krank!" (Lachen)

Es ist wahr, es geht weder in diese noch in die andere Richtung (Geste von Mutter zu Satprem und von Satprem zu Mutter): alles ist eins. Deshalb sagte ich nichts. Wir sind es zwar gewohnt, so vorzugehen (Geste vom einen zum anderen), aber das entspricht nicht der Wahrheit, so ist es nicht: es ist ein Ganzes, das in jedem einzelnen seinen eigenen Ausdruck annimmt.

Gut.

*
*   *

Kurz darauf über Savitri, den Dialog mit dem Tod:

Er sagte, er wolle diesen ganzen Abschnitt neu schreiben, was er aber nie tat. Als man ihn fragte (ich weiß nicht, ob es Nirod oder Purani war), sagte er: "Nein, später."

Er wußte in jenem Augenblick bereits, daß es kein "später" geben würde. Er wußte es schon damals.

"Nein, später."

Ich weiß nicht...

*
*   *

Satprem steht auf, um zu gehen:

Man sollte also besser nicht schlecht gelaunt sein. (Lachend) Du wirst mir sagen, man sollte nicht krank sein... Gut, gut.

 

1 Man kann nicht umhin, an Sri Aurobindos "mathematische Formel" zu denken: "Jetzt", schrieb er im August 1935, "habe ich den Dreh gefunden... Wie ein wahrer Einstein bin ich nun im Besitz der mathematischen Formel dieser ganzen Angelegenheit (unverständlich für jeden außer mir, wie im Falle Einsteins), und ich arbeite sie aus [work it out], Ziffer um Ziffer." Mutter verwendet fast die gleichen Worte.

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2 Siehe insbesondere Sri Aurobindos Conversations with Pavitra, S. 162, vom 20. November 1926. Pavitra klagte über diesen "mechanischen Teil des Mentals, der mich mit sich reißt". Sri Aurobindos Antwort lautete: "Das ist nur eine äußere Funktion, im Laufe des Prozesses wird sie fallengelassen und abgestoßen." Das war 1926. Sri Aurobindo änderte später seine Meinung, vielleicht genau dann, als er seine "mathematische Formel" entdeckte.

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3 Siehe Gespräch vom 30. Juni.

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