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Mutters

Agenda

vierten Band

19. Juni 1963

Dies ist wirklich eine schwierige Zeit.

Die ganze letzte Nacht... Es sind Handlungen, die sich im Halbdunkel abspielen und von den Leuten – Leuten vom Ashram hier – für das Licht gehalten werden... Jeder geht dort gemäß seiner eigenen Vorstellung und dem, was er als sein "Wissen" ansieht, seiner Beschäftigung nach. Alles geschieht im Halbdunkel, in großer Verwirrung und mit dem Gefühl einer äußerst bedrückenden Machtlosigkeit. Das dauerte während Stunden an. Schließlich wollte ich absolut, um jeden Preis, dort herauskommen und ins Licht und die offene Weite zurückfinden. Es war aber schier unmöglich: alle Wege, die ich nehmen wollte, um herauszukommen, sanken plötzlich ein oder verschwanden, als würden sie plötzlich von einer Mauer oder einer Fülle verworrener Dinge verschluckt, oder der Weg endete plötzlich und fiel senkrecht in eine große Tiefe ab... Ich erinnere mich, wie ich unbedingt eine solche Stelle passieren wollte und schließlich an einen senkrechten Abgrund kam und mich fragte: "Was nun?" In dem Augenblick sah ich einen Mann, ich weiß nicht, wer es war, aber er war wie ein Bergsteiger gekleidet (das war symbolisch), mit der Ausrüstung eines Bergsteigers, um steil absteigen zu können. Mit Hilfe seines Pickels hielt er sich fest und stieg hinab. Da sagte ich ihm: "Das heißt VORGEBEN zu handeln, aber nicht handeln." Dann konzentrierte ich mich, und dadurch konnte ich plötzlich über einen Weg auf eine Terrasse gelangen.

Ich wurde von drei oder vier Leuten begleitet (es waren aber symbolische Personen). All dies geschah im Halbdunkel, und draußen war stockdunkle Nacht. Als ich auf der Terrasse ankam, leuchtete dort eine von diesen großen elektrischen Straßenlampen mit einem weißen Licht auf (das ergab nur das schwache Licht einer elektrischen Lampe in der Nacht: also nichts). Die Terrasse war sehr lang, aber sie führte auf allen Seiten ins Leere: es gab keine Möglichkeit weiterzukommen. Am vorderen Ende war sie von einer Art Haus versperrt und zu beiden Seiten fiel sie senkrecht in ein dunkles Loch ab. Dazu dieses Gefühl der Machtlosigkeit, nichts zu wissen – nicht wissen, wohin gehen, nicht wissen, was tun, das war... Und doch ist dies der NORMALZUSTAND DES MENSCHLICHEN BEWUSSTSEINS – das Bewußtsein der menschlichen Aktivität. Für mein Bewußtsein war es wirklich... geradezu eine Folter letzte Nacht, darin eingeschlossen zu sein. Schrecklich.

Ich fragte mich: "Was kann ich tun, um hier rauszukommen?" Ich konzentrierte mich und wurde mir wieder der göttlichen Gegenwart bewußt, aber etwas sagte: "Nichts antwortet, es zeigt keine Wirkung." Das war schrecklich. "Nichts antwortet. Es wirkt nicht; es ist wirkungslos, es kann sich nicht ändern, nichts antwortet, nichts reagiert, es funktioniert nicht." Zwei oder drei Personen waren mit mir dort. Ich setzte mich (gewisse Zimmer waren höher als die anderen, was Niveauunterschiede auf den Terrassen ergab), ich saß auf einem Vorsprung und fragte mich innerlich intensiv: "Was soll ich tun, wie soll ich vorgehen? Wo ist der Hebel?" Ich suchte einen Hebel, um all das zu ändern, konnte ihn aber nicht finden. Plötzlich trat ein uraltes Männchen aus einem Zimmer ganz im Hintergrund, das für die Bindung an alte Dinge zu stehen schien (er war ganz blau). Er symbolisierte wohl eine alte Methode oder eine alte Disziplin. Trotzdem sagte ich zu ihm: "Ah, wenn Sie nun hier sind, wissen Sie vielleicht, wie ich hier herauskommen kann? Wie kann ich mich befreien, wo ist der Ausweg?" Das brachte ihn zum Lachen: "Nein, nein! Es gibt kein Mittel, es gibt keinen Ausweg, man muß sich mit dem zufriedengeben, was man hat." Dann betrachtete er die armselige Lampe, die dort brannte und kaum Licht gab, und sagte (Mutter nimmt einen hochtrabenden Tonfall an): "Aber vor allem kam ich, um Ihnen zu sagen, daß man diese Sonne auslöschen muß. Ich will hier keine blendende Sonne!" – "Ah", sagte ich, "er nennt das Sonne!" Das ekelte mich derart an, daß ich schließlich aufwachte. Etwas riß mich brüsk heraus. Aber mit einem solchen Eindruck von Bedrängnis: "Wie läßt sich das je ändern?" Das MITTEL genügte nämlich nicht. Diese Angst: "Meine eigene Erfahrung genügt nicht, DORT wirkt sie nicht, was ist also zu tun? Was läßt sich tun?" Mehrere Stunden lang war ich heute morgen in diesem Zustand: "Was ist nötig, was erfordert es, um diese Dunkelheit in Licht zu verwandeln?"

Nicht gerade ermutigend.

Ich erzähle dir nicht alle Einzelheiten, aber alle möglichen Leute mit allen möglichen Plänen und Ideen waren dort vertreten, und manche kamen... Was ich gerade beschrieb, geschah ganz am Ende, aber schon vorher waren viele Leute gekommen, die sagten: "Oh, jetzt habe ich alles wunderbar organisiert!" Dann kam der nächste mit dem nächsten Plan, worauf sie untereinander diskutierten und... eben das ganze Leben! Ein ganzer mentaler Bereich des Lebens.

Meine Erfahrung reichte dort nicht aus. Es gab keinen Kontakt, ich war machtlos. Das spärliche Licht, das durch meine Gegenwart entzündet wurde und das man für eine blendende Sonne hielt, war für mich wie eine Straßenfunzel... Das war schmerzlich.

Ich fragte mich: "Warum nur? Warum kann ich nicht selbst an diesem Ort glücklich und ruhig sein?" Etwas erwiderte: "Weil ich es ändern will." Wenn ich es akzeptierte, würde ich es nicht einmal merken, aber es ist so, weil ich die Dunkelheit ändern will. Folglich... wird die Freude erst sein, wenn wir GEFUNDEN haben – wie aber finden?... Alle Mittel, die ich für den Yoga und die Transformation benutze, all dies war hier vollkommen nutzlos, ohne jegliche Wirkung. Noch nie habe ich einen so unempfänglichen Ort wie diesen gesehen. Keine Wirkung, völlig wirkungslos! Und alle waren mit ihrem Wissen SEHR zufrieden.

Es ist offensichtlich ein mentaler Bereich. Ein mentales Unterbewußtsein. Schrecklich. Schrecklich.

Morgens fragte ich mich: "Was? Gibt es noch viel von dieser Art?" – Eine Welt! Eine Welt, eine Unzahl von Dingen. Und dann diese Machtlosigkeit; das heißt, wenn mir der Schlüssel nicht gegeben wird, ist nichts zu machen. Dieser kleine Alte, oh, ich wurde fast wütend (ich kann nicht wirklich wütend sein, aber ich wurde es fast, was mich dann aufweckte), ich war aufgebracht. "Aah, aah! (Mutter spricht mit der krächzenden Stimme des kleinen Alten) Sie wollen hier heraus?... Es gibt keinen Ausweg. Sie sehen doch, daß man hier nicht herauskommt – warum wollen Sie überhaupt heraus?... Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß diese Sonne ausgelöscht werden muß. Wissen Sie, diese blendende Sonne."

So sind meine Nächte.

Da gewinnt man den Eindruck, daß es noch Jahrhunderte dauern wird, bis es sich ändern kann. Oder sonst die Katastrophe.

Obwohl sogar eine Katastrophe... (Mutter schüttelt den Kopf). Das rüttelt die Dinge auf, und dann fällt alles wieder ins Alte zurück.

(Schweigen)

Ich suchte immer nach einem Weg in die Tiefe.

Das muß sein, um in die unterbewußten und unbewußten Tiefen hinabzudringen. Deshalb gibt es stets Schwierigkeiten – ein Loch.

Ich habe noch nicht versucht zu springen. Bis jetzt hat mich nichts veranlaßt zu springen – mehrere Male fand ich ein unerwartetes Mittel, aber nie kam der Impuls: "Was soll's, ich stürze mich da hinab."

Ich weiß nicht warum.

(langes Schweigen)

Es wird immer bestimmter – eindeutiger. Als rücke das Problem immer näher und würde drängender und erdrückender.

(langes Schweigen)

Es ist völlig offensichtlich, daß die Menschen nur existieren und leben können, WEIL sie unbewußt sind. Wären sie sich ihres gegenwärtigen Zustandes wirklich voll bewußt, wäre es unerträglich. Ich kann sehen, daß man durch eine sehr schwierige Zeit geht, wenn man von dieser Unbewußtheit (der unbewußten Gewohnheit, in einem solchen Zustand zu leben) zu einer bewußten Sicht des Zustandes, in dem man sich befindet, übergeht. Wenn man sich der Dinge voll bewußt wird – was man ist und unter welchen Bedingungen man lebt –, aber noch nicht die Macht hat herauszukommen, wie letzte Nacht, wird es fast unerträglich. Dazu kam das klare, völlig präzise Bewußtsein, daß Leben oder Tod nichts daran ändern: es hängt nicht von diesen Dingen ab, die letztlich nur die oberflächliche Erscheinung berühren – das ist es nicht! Unglückliche Menschen sagen sich: "Ah, eines Tages werde ich sterben, und dann sind meine Schwierigkeiten vorüber!" – Das sind Dummköpfe! Es ist ganz und gar nicht zu Ende, es geht weiter. Und es wird so lange weitergehen, bis sie endgültig herauskommen, das heißt sich aus der Unwissenheit zum Wissen erheben. Das ist der einzige Ausweg: die Unwissenheit hinter sich lassen und zum Wissen gelangen. Man kann tausendmal sterben und kommt doch nicht heraus, es nützt nichts – es geht weiter. Im Gegenteil, es zwingt einen manchmal noch mehr in die Tiefe.

So ist es.

Wenn man das zu früh weiß, wird es unerträglich... unerträglich. In einem bestimmten Augenblick wird es wirklich unerträglich. Wäre da nicht die Antwort der inneren Gewißheit, daß es enden wird, daß man da herauskommen kann...

Es erfordert einen Hebel von gewaltiger Macht.

Leute ohne ein solides Fundament kann das zum Wahnsinn treiben. Es wirkt aber eine bemerkenswerte Gnade, denn die Erfahrungen sind genau auf die Fähigkeit der Leute abgestimmt. Heute morgen erlebte ich eine Stunde... eine völlig bewußte Stunde, in der ich mir einer einzigen Sache bewußt war, nämlich dieser Machtlosigkeit – die Machtlosigkeit, sich über die Unwissenheit zu erheben. Der Wille, sich über die Unwissenheit zu erheben, zusammen mit der Unfähigkeit, es zu tun. Diese Spannung hielt eine Stunde an.

Als ich aufwachte, war die Spannung derart, daß sich mein Kopf wie ein siedender Kessel anfühlte. Sofort sagte ich: "Herr, das ist Deine Angelegenheit, nicht meine. Es geht mich nichts an." Natürlich beruhigte sich alles augenblicklich.

Aber jene, die diese Erfahrung nicht haben (es geht nicht um Worte, sondern es ist eine Frage der Erfahrung), wenn sie dieses Halbwissen hätten, dieses Wissen, daß man in Unwissenheit lebt, unfähig, sich darüber zu erheben – "es gibt keinen Weg herauszukommen, es gibt kein Mittel herauszukommen" – und daß die menschliche Weisheit wie der kleine Alte ist: "Aber warum wollt ihr hier überhaupt herauskommen? Warum denn? – So ist das nun mal..." Erschreckend. Weißt du, ich fühlte mich, als ob sich Kräfte für eine Explosion anstauten, wie bei ihren Bomben, genau so; es war derart konzentriert, so ungeheuerlich, daß es schien, als würde alles gleich bersten. Tatsächlich könnte die Menschheit unmöglich mit dem Wissen leben, in welchem Zustand sie sich befindet, wenn es nicht gleichzeitig den Schlüssel gäbe, dort herauszukommen (der noch nicht gefunden wurde), oder wenigstens die Zusicherung, daß man irgendwann herauskommen wird.

Ich spreche nicht von Dingen des höheren Mentals, denn der Schlüssel, um dort herauszukommen, wurde schon vor langer Zeit gefunden. Ich meine den unteren Teil, die materielle Welt – es geht um die materielle Welt. Deshalb machen sich alle Menschen wie der Alte dieser Nacht einfach aus dem Staub – es ist ihnen egal: "Was soll das überhaupt! Warum wollt ihr etwas ändern. Versucht bloß nicht, hier Licht zu schaffen, es lohnt sich nicht, und außerdem stört es nur. Laßt die Unwissenheit in Frieden."

Es ist ganz klar symbolisch. Aber es bedeutet eine schreckliche, schier unerträgliche Angst.

Deshalb haben sich alle gesagt: "Man kann sich nur davon abwenden – laßt all das, kümmert euch nicht darum, es gibt keinen Ausweg."

(Schweigen)

Dies ist die Arbeit im physischen Mental, von der wir neulich sprachen – im materiellen Mental.

(Schweigen)

Es war sehr seltsam, denn die ganze Zeit befand ich mich in einem Zustand, wo ich mir sagte: "Ich muß etwas finden, ich muß etwas finden, es gibt etwas zu finden..." Ich versuchte, mit den Erfahrungen der höheren Wesen 1 in Beziehung zu treten, aber es funktionierte nicht – es gab keinen Kontakt. Als ich den Alten kommen sah... Ich wußte genau, daß er nichts ausrichten konnte, aber ich sagte mir: "Ich muß ihn fragen, ich muß ihn trotzdem fragen", ich fragte ihn, obwohl ich sehr wohl wußte, daß er mir den Schlüssel nicht geben konnte. Beide Dinge zeigten sich mir: das Wissen, daß alles, was dort geschieht 2, von keinerlei Nutzen ist, dort läßt sich die Lösung nicht finden; aber gleichzeitig dürfen wir trotzdem nichts vernachlässigen, nichts unterlassen, wir müssen alles versuchen, alle Möglichkeiten erschöpfen.

(Schweigen)

Als ich heraustrat, geschah es so (Geste, als ob Mutter durch eine Bewegung nach hinten und nach oben abrupt aus der Erfahrung herausträte). Wie kann ich das nur erklären?... Ich suchte einen Weg nach unten, ich wollte unten einen Ausweg finden, fand aber keinen. Dabei begleitete mich eine kleine Person, die sehr zuvorkommend das Licht auslöschen wollte! (auf den Befehl des Alten hin) Da spürte ich in mir: Ich kann das nicht ertragen, ich kann nicht mitansehen, wie man dieses Licht auslöscht – dieses Licht, das durch meine Anwesenheit entzündet wurde –, ich kann das nicht ertragen! Und so verließ ich den Ort plötzlich (dieselbe Bewegung des Rückzugs nach hinten und nach oben) und befand mich augenblicklich wieder in meinem Bett.

Der Weg, den ich suche, führt jedoch immer abwärts – abwärts, abwärts, abwärts – er steigt nie auf. Immer führt er hinab, hinab, hinab.

Ah... wann wird das ein Ende nehmen?... Ich weiß es nicht.

(Schweigen)

Alle Details sind klar – ich könnte ein Buch darüber schreiben. Jeder hat jetzt seinen Platz und seine Bedeutung 3 . Sie sind alle so zufrieden, so zufrieden! Und so VOLLKOMMEN unwissend, was ihre wirkliche Verfassung angeht. Ich spreche nicht von Leuten ohne Wissen: Alle, die in dieser Nacht kamen, waren Leute voller Philosophie, Wissen, "spirituellen Erfahrungen" und allem, was sich daraus ergibt – die Elite.

Die Elite der Menschheit.

 

1 Die höheren Teile von Mutters Wesen.

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2 In diesem mentalen Bereich.

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3 Mutter sagte oft, daß jeder der Schüler des Ashrams das Symbol einer Schwierigkeit sei, die bewältigt werden müsse.

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