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Mutters

Agenda

dritten Band

17. November 1962

(In bezug auf den sino-indischen Konflikt an der Himalaya-Grenze:)

X schrieb N, um ihm in präzisen und fast heftigen Worten anzukündigen, daß dies der Anfang eines allgemeinen Umsturzes, eines weltweiten und katastrophalen Krieges sei.

Ich weiß, daß dies der Wille des Asuras ist, von dem ich dir schon mehrere Male erzählte, des Herrn der Lüge, der als der Herr der Wahrheit geboren wurde und der weiß, daß seine Stunde naht ("naht" ist relativ in dieser Welt), und der ankündigte, daß er vor seinem Verschwinden so viele Katastrophen als möglich verursachen werde. Kürzlich, kurz bevor der Konflikt ausbrach, ging ich in einen Bereich der vitalen Welt, der unmittelbar oberhalb der Erde liegt, wie eine Plattform (nicht wie der Gipfel eines Berges, aber ein Platz, von dem aus man den Überblick hat, wo der Kapitän zum Beispiel hingeht, um sein ganzes Schiff zu übersehen – es war ein Ort in der vitalen Welt, von dem man das ganze irdische Leben überblicken konnte). Ich ging dorthin – es war ziemlich dunkel, sogar sehr dunkel – und dort stand dieses große Wesen, sehr groß, viel höher als das Zimmer... (Mutter blickt zur Decke) er nimmt gerne eine große Erscheinung an! Er ist sehr groß, pechschwarz (das ist sein natürlicher Zustand – den Menschen erscheint er in funkelndem Licht, aber jemand, der die innere Schau hat, wird nicht getäuscht, denn es ist ein eiskaltes Licht – aber manche Leute lassen sich täuschen und halten ihn für den höchsten Gott; dies nebenbei bemerkt). Er war dort, und ich traf ihn – ich ging nicht hin, um ihn aufzusuchen, sondern traf ihn dort an. Er jubilierte und forderte mich auf, mich umzuschauen.

Von dort sah man alles im Umkreis. Als ich ankam, brach plötzlich ein Sturm aus – ein schreckliches Gewitter –, ich beobachtete weiter. Dann sah ich in dieser Richtung... ich weiß nicht, ob es Norden, Süden oder Westen war, aber es war in dieser Richtung (Mutter weist nach Norden), zwei Blitze, nicht genau gleichzeitig – ich schaute nach Norden, ich wußte genau, daß ich dorthin schaute. Der erste kam von Osten, ein ungeheurer Blitz, der einschlug, und ein anderer kam wenig später, unmittelbar danach, von Westen. Die zwei Blitze trafen auf dieselbe Stelle, ohne sich aber zu verbinden. Es war Nacht, alles war dunkel, auch die Erde war dunkel, man sah nichts, und der Platz, wo sie sich trafen, wurde durch das Licht dieser Blitze plötzlich erleuchtet. Es gab einen schrecklichen Lärm und... (es war ein kreisförmiges Blickfeld, der Rest lag im Dunkeln). Es brannte! Alles brannte. Man sah die Umrisse der Gebäude, der Häuser, allerlei Dinge im Licht der Blitze, und dann fing alles an zu brennen: eine schreckliche Feuersbrunst.

Ich bemerkte sogar (es war ein reichlich seltsames Gefühl): "Sieh an! Wie interessant, das alles von so nah zu sehen." Das heißt, ich hatte das Gefühl, daß meine "Station", wie Sri Aurobindo sagt, meine gewohnte Station, die Welt zu sehen, sehr hoch ist: Ich war hinabgestiegen, um an diesen Ort zu gehen. Das ließ mich sagen: "Sieh an! Wie interessant, die Dinge aus solcher Nähe zu sehen." (Ich sagte es ihm nicht, aber ich dachte es.) Der andere neben mir, in einem gewissen Abstand zu meiner Rechten, jubilierte – er stand aufrecht da, ich sah seinen Kopf, als ich nach oben blickte (Mutter blickt zur Decke). Er jubilierte und sagte: "Siehst du, sieh doch nur!" Außer sich vor Freude. Ich verharrte völlig unbewegt. Alles war unbewegt, ruhig, keine Regung (lediglich dieser Gedanke durchfuhr mich gleichsam: "Wie interessant, es von so nahe zu sehen"), und dann hielt ich alles an: (Mutter verharrt unbewegt wie eine Statue, die Fäuste geschlossen). Sehr bald darauf (ich kann es nicht genau sagen, denn die Zeit dort ist nicht dieselbe wie hier), aber sehr bald hörte alles auf 1 . Der Sturm war nur ausgebrochen, um die beiden Blitze herbeizuführen. Sobald die Blitze die Erde getroffen hatten, war es aus und vorbei. Dann die Flammen – der ganze Platz stand in Flammen (es glich einer ungeheuren Stadt, aber es war keine Stadt – sicherlich stand es symbolisch für ein Land), bruff! Das loderte nur so. Die Flammen stiegen sehr hoch. Ich machte einfach so, und alles hörte auf (Mutter verharrt regungslos, mit geschlossenen Augen und geballten Fäusten). Als ich dann weiter beobachtete, trat alles wieder in seine Ordnung. Da sagte ich (ich weiß nicht, warum ich Englisch sprach – ach ja, weil er Englisch gesprochen hatte, er sagte: You see, you see!), ich sagte: "Das hat aber nicht lange gedauert, sie sind schnell damit fertig geworden!" Er kehrte mir den Rücken zu und verschwand in die eine Richtung und ich in die andere. Dann nahm ich mein äußeres Bewußtsein wieder auf, so erinnerte ich mich genau an alles.

Ich glaube, sie fingen drei oder vier Tage später an, dort oben zu kämpfen.

Was liegt dort im Westen?...

Ich weiß nicht. Ich dachte, es sei Rußland, aber Rußland scheint unschlüssig zu sein und nicht eingreifen zu wollen. Ich weiß nicht.

Wurde Indien getroffen?

Ja, offensichtlich war es Indien.

Als ich sagte: "Wie interessant, das aus solcher Nähe zu sehen!", hatte ich auch das Gefühl, physisch nahe dabei zu sein, ein Teil war physisch sehr nahe. Aber ich stand allen Kriegen sehr nahe (den zwei letzten Kriegen, und dieser ist der dritte). Ich war ganz in der Nähe: ich war da, als die Bomben auf Paris fielen – das war der Erste Weltkrieg.

Das alles wurde mir durch Bilder gezeigt.

Abgesehen davon, als außen die Nachricht eintraf, daß sie ihr Bestes tun, sich gegenseitig wegen nichts umzubringen, sobald ich das erfuhr, ließ ich auf die ganze Grenze dasselbe niederkommen wie in jener Nacht: Friede und Unbewegtheit. Zwei Tage später fragte ich nach Neuigkeiten, und man sagte mir: "Ach, sie scheinen müde zu sein! Sie tun nichts!" Jetzt rühren sie sich kaum noch.

Dann gab es politische Schwierigkeiten 2 – all das bedeutet Arbeit, die recht gut vonstatten ging. Aber immer abgeschwächt, niemals das Ganze. Es gibt immer ein Ergebnis, aber nicht DAS Ergebnis... Ich glaube, unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf der Erde ist "das" Ergebnis unmöglich: es wäre ein Wunder, das zu viele Dinge umstürzen würde. Die Konsequenzen wären schlimmer als...

So steht es.

Ich weiß, daß dieser Herr da, den ich seit dem Zweiten Weltkrieg im Auge behalte (schon vor dem Zweiten Weltkrieg), das beabsichtigt. Er kündigte mir alle möglichen Katastrophen an. So vermute ich, daß X das auch gesehen hat, ohne zu wissen, woher es kommt – ich vermute es. Es verwundert mich. Aber schließlich schreibt er dies auf so kategorische Weise, daß man fast glauben könnte, er wünschte es herbei. – Ich kann nicht glauben, daß er es wünscht. Ich sagte einfach: "Gut. Ja, es ist EINE der Möglichkeiten." Welche der beiden wird die Oberhand gewinnen? Das weiß ich nicht. Dieses Geheimnis offenbart der Herr nicht... denn Er denkt (das ist völlig sicher), es wäre schlecht, wenn wir wüßten, was kommen wird: wir täten nicht das Nötige. So ist es immer: Man weiß nicht, was kommen wird, weil man sonst nicht das Nötige täte.

Ich tue, was Er mir zu tun aufträgt, aber Er sagt mir nicht, was die Konsequenzen sein werden. Ich frage Ihn nicht: Ich weiß, daß es mich nichts angeht.

Wenn ich es wüßte, selbst wenn ich es nicht sagte, würde es sich nämlich ausbreiten (Mutter deutet Wellen an, die sich von ihrem Kopf ausbreiten). Es wäre nicht gut, wenn die Leute es wüßten.

Aber ich hatte jede Menge Visionen aller Art, von den fürchterlichsten bis zu den wunderbarsten – all das sehr apokalyptisch, im Bereich des Unglaublichen. Viele, viele Dinge. Details und das Ganze. Ich könnte einen ganzen Band damit füllen!

Ich weiß nicht, ich habe den Eindruck, daß die Menschheit nicht zum Frieden bereit ist, sie muß aufgerüttelt werden.

Ja, bedauerlicherweise ist sie nicht bereit.

Sie verdummen.

Sie verdummen. Sie rühmen sich ihrer Gewaltfreiheit, ihrer kleinlichen Moral... Sie sind nicht bereit.

Schade.

Denn es kann uns um Jahrtausende zurückwerfen... Es gibt Augenblicke, in denen die Dinge konvergieren, und es ist selten, einen AUGENBLICK in dieser Geschichte zu haben: Das erstreckt sich über lange, lange Zeitabschnitte, über eine fast unbegrenzte Zeit. Aber einen AUGENBLICK zu erhalten, der im irdischen Leben aktuell wird (Mutter stemmt ihre Faust auf die Erde), ist sehr schwierig. Wenn dieser Augenblick vergeht, versäumt wird...

Aber ich frage mich immer... denn Sri Aurobindo ging fort, ohne sein Geheimnis zu offenbaren. Er sagte mir, er ginge ABSICHTLICH – soviel sagte er mir. Er sagte mir, was ich wissen mußte. Aber niemals erklärte er, der Augenblick sei nicht gekommen. Er dachte... Als er kam, sagte er, der Augenblick sei gekommen. Er sagte nie, daß er gesehen habe, daß alles noch nicht bereit sei. Er sagte mir: "Die Welt ist nicht bereit", das teilte er mir mit. Er erklärte mir, er ginge absichtlich, weil es "nötig" sei, und daß ich bleiben und fortfahren müsse, daß ich weitermachen würde. Diese drei Punkte sagte er mir. Aber niemals teilte er mir mit, ob ich Erfolg haben würde. Niemals sagte er mir, ob ich den Augenblick wieder herbeiführen könne oder nicht.

Ich muß sagen, daß für mich die Zeit vorbei ist, wo es interessant war, diese Art Dinge zu wissen, denn... ich lebe etwas zu sehr in der Ewigkeit der Zeit, um dem große Bedeutung beizumessen.

Nur was ich äußerlich sehe, was ich feststelle (das heißt, je mehr ich IN der Sache bin), ist: die Welt ist nicht bereit. Die Menschen... sie verstehen nicht einmal, um was es geht! Wie könnten sie auch... Wenn man ihnen etwas von da sagt (Geste nach oben) oder wenn man ihnen etwas von dort zeigt, verstehen sie es nicht. Sie verstehen es nicht. Sie entstellen, verzerren es sofort, um es verstehen zu können. Deshalb... Ich weiß nicht, ob...

(langes Schweigen)

Aber seltsamerweise ist die Erde aufnahmebereiter, seitdem die Menschen sich dort oben 3 bekämpfen.

Und doch wurde schon immer gekämpft – überall wurde gekämpft. Seit dem letzten Krieg hörten sie nie auf, an der einen oder anderen Stelle zu kämpfen: in Afrika, in Asien, überall. Es wurde immer gekämpft. Stets gab es irgendwo Kämpfe. Die ganze Geschichte in Algerien, dort ereigneten sich schreckliche Dinge. Die Ereignisse am Kongo und all das – überall wurde gekämpft. Aber... ich weiß nicht warum (es ist nicht so, als kümmerte ich mich nicht um diese Angelegenheiten: sie waren in meinem Bewußtsein), aber diesmal geschahen zwei Dinge: eine größere Kraft kam herab (sehr konkret, direkt fühlbar), eine große Macht kam herab, die ausdrücklich gesandt wurde, und dann eine gewisse Aufnahmefähigkeit – überall, sogar bei den Chinesen (ich will nicht sagen, es sei ortsgebunden: überall in der Welt). Besteht auf materieller Ebene die Angst bei der Vorstellung, daß...? Wenn ein neuer Weltkrieg ausbricht, wird es offensichtlich unbeschreiblich schrecklich sein – ganze Zivilisationen werden verschwinden. Das Leben auf der Erde wird in schrecklicher Weise zurückgeworfen werden. Bewirkt dies, daß die Menschen...? Daß eine Aspiration erwacht ist? – Es ist möglich. Jedenfalls ist offensichtlich die Aufnahmefähigkeit größer. In der Tat sehe ich, daß der Wille, wenn er sich ausbreitet (Mutter macht eine Geste der Ausstrahlung), eine konkretere und sofortigere Wirkung hat.

Die anderen Konflikte waren sehr oberflächlich, wie Krankheiten – wie Hautkrankheiten! Oberflächliche Dinge. Es geschahen unvorstellbare Scheußlichkeiten, völlig abstoßende Dinge, überall, aber... (ich erinnere mich an die Ereignisse in Algerien, ich wurde auf dem Laufenden gehalten, ich wußte, was geschah: schreckliche Dinge), und dennoch scheint es... ja, es erschien wie eine Hautkrankheit der Erde! Es war sehr oberflächlich. Aber plötzlich dort [in Nefa und Ladakh], ja, da wurde es anders!

Das war der Eindruck: eine sehr lokalisierte Krankheit (alle können sich anstecken, aber dennoch sehr lokalisiert). Doch hier [beim sino-indischen Konflikt] scheint es etwas IN DER TIEFE aufgewirbelt zu haben – tiefgreifend. Ist es so, weil die Menschen DENKEN, es könne weltweite Konsequenzen haben?... Ich weiß es nicht. Oder ist es wirklich das erste Zeichen von etwas sehr... sehr Bedeutungsvollem?

(Schweigen)

All das erscheint mir jetzt als ein Spiel von äußerst präzisen Kräften, und an einem Tag war es wie die Empfindung eines tiefen Wirbels... etwas sehr Weites, das einen GROSSEN Schmerz enthielt. Da wallte ganz spontan etwas in mir von der individuellen Seele, vom tiefen psychischen Wesen auf und sagte: "O Herr! Willst Du, daß wir diese Erfahrung wieder machen?" Da stabilisierte sich alles, hörte auf, und ein strahlendes Licht erschien. Aber ich erhielt keine Antwort. Nur dieses strahlende Licht, triumphierend. Aber das mag ebensogut bedeuten: Egal was geschieht, es wird immer so sein – das ist offensichtlich.

(Schweigen)

Ich weiß nicht.

Irgendwo in einem Winkel – nicht hier [physisch] –, an einer Stelle (Mutter deutet auf eine Stelle hinter ihrem Wesen) verharrt etwas sehr ruhig, völlig ruhig und außerhalb aller Bewegungen der Kräfte. Etwas, das dort sitzt, unverrückbar, sehr ruhig und der öffentlichen Beobachtung entzogen (mit "öffentlich" will ich nicht unbedingt sagen "irdisch": die ganze Welt), etwas, das so ist (Geste nach hinten, die Augen geschlossen, unbewegt wie eine Statue) und DAS NICHT WILL.

Das erkenne ich sehr genau.

Das heißt, ein Teil des Wesens – der schöpferischen Kraft – WILL NICHT.

Als ob der Entschluß wirklich gefaßt wäre, daß die Erfahrung diesmal bis ans Ende, bis an ihr Ziel gehen solle, ohne Unterbruch. Und etwas, das nicht... [nicht will]. Dieses Etwas hat es beschlossen und bleibt dabei.

(Schweigen)

Als man mir mitteilte, was X schrieb, kam sogar etwas (irgendwo dort, zu meiner Rechten, ich weiß nicht)... Sie 4 antwortete sofort (wir benutzen Worte – Worte sind unzulänglich, aber ich habe schließlich nichts anderes zu meiner Verfügung), Sie sagte: "Ach, ihm ist daran gelegen, auf der anderen Seite zu bleiben."

Ich mußte mich zurückhalten, um nichts zu sagen.

Mit dem Bewußtsein hier beobachtete ich (natürlich fragte man mich, wie er so etwas schreiben und denken könne), und ich sagte, daß jeder Bereich seinen eigenen Determinismus habe, und wenn man nur diesen Determinismus sieht, scheinen die Dinge auf absolute Weise entschieden zu sein. Diese Vision [von X] gehört dem vital-physischen Determinismus der Erde (Leben und Materie) an, und in diesem Bereich erscheint die Katastrophe absolut. Aber es gibt höhere Bereiche, und ihr Eingreifen kann alles verändern.

Doch dazu muß man in diesen höheren Regionen sehen und leben.

Im Falle von X reicht der persönliche Kontakt sehr hoch, aber das ist rein persönlich. Seine allgemeine Vision (ich sage nicht universal) hört auf der vital-physischen Ebene auf. Eine Spur Mental, und DAS IST ALLES. Es besteht ein Widerspruch zwischen der persönlichen Möglichkeit, die sehr hoch hinauf reicht (aber in einem sehr kleinen Punkt), und der allgemeinen Vision. Wenn seine Aufmerksamkeit sich nach außen wendet, ist sie sehr beschränkt. Sie mag weltweit sein, aber sie liegt... sozusagen unter einer Schicht.

Da gab ich diese Erklärung ab. Aber die Wahrheit...

Das ist alles.

Hast du Sri Aurobindos letzte Briefe über China 5 gelesen?

Ja, ja! Er las sie mir selbst vor! (Mutter lacht)

Aber alles, was Sri Aurobindo sagte, traf immer ein. Weißt du, er sagte auch (aber das war eine Laune, er schrieb es nicht), er hatte mir zur Wiedervereinigung Pakistans [mit Indien] gesagt: "Zehn Jahre." Er sagte: "Noch zehn Jahre." Die zehn Jahre vergingen, und nichts passierte – OFFIZIELL passierte nichts. Aber die Wahrheit ist (ich erfuhr es von Leuten in der Regierung), daß Pakistan Anstalten zu einer Wiedervereinigung machte und um einen Zusammenschluß bat (sie hätten eine gewisse Autonomie bewahrt, aber die beiden Länder wären VEREINT gewesen, es wäre eine UNION gewesen), doch Nehru lehnte ab.

Welch ein Esel!

Sri Aurobindo hatte es gesehen.

Er hatte gesehen, daß es so war. Nach Ablauf der zehn Jahre, als der Mann, der an der Spitze Pakistans stand, starb 6, gerieten sie in große Schwierigkeiten und konnten sich nicht einigen. Dann schickten sie jemanden (natürlich nicht offiziell, aber inoffiziell) und baten Indien um eine Wiedervereinigung unter bestimmten Voraussetzungen – doch die Inder lehnten ab. Es war die Wiederholung derselben Dummheit, die sie begingen, als Cripps kam, um seine Vorschläge zu unterbreiten, und als Sri Aurobindo ihnen durch eine Botschaft mitteilen ließ: "Nehmen Sie an, was immer die Bedingungen sein mögen, sonst wird es nachher noch schlimmer sein." Das teilte ihnen Sri Aurobindo mit. Gandhi war da und antwortete: "Was hat dieser Mann sich einzumischen! Er soll sich ausschließlich um das spirituelle Leben kümmern." 7

Sie haben alles getan, um das Land zu ruinieren.

Ja.

Soweit sie es konnten 8 .

Genau das sah X: daß sie das Ruin des Landes verursacht hatten. Also sagte er: "Diese Leute haben das Land ruiniert, dafür werden sie zugrundegerichtet." Das hatte er im Kopf, und deshalb öffnete er diesem Drama Tür und Tor – was eine schreckliche Zerstörung zur Folge hätte.

Es ist wahr, daß sie es verdienen! Sie handelten auf der ganzen Linie auf die dümmstmögliche Weise. Hauptsächlich aus Dummheit, aus Ehrgeiz, aus Eitelkeit, aufgrund vieler Dinge, aber besonders aus völligem Unverständnis – eine blinde Sicht, die gerade bis zur Nasenspitze reicht!

Zeichne das nicht auf. Ich will keine politischen Erinnerungen aufheben. Seit langem sage ich nichts über die Weltsituation, weil ich nicht möchte, daß man etwas davon erfährt (nicht daß ich nichts wüßte, aber ich möchte es nicht bekanntgeben). Wenn ich mich jemals mit Politik beschäftige – falls die Dinge eine günstige Wendung nehmen –, werde ich 1967 anfangen zu sagen, was ich weiß. Aber nicht vorher.

Vorher halte ich mich völlig still. Ich sage nichts und versuche zu handeln, das ist alles. 9

 

Addendum

Auszug aus Sri Aurobindos Botschaft anläßlich von Indiens Unabhängigkeit:

15. August 1947

Der 15. August 1947 ist der Geburtstag des freien Indien. Er bezeichnet das Ende einer alten Ära und den Anfang eines neuen Zeitalters für das Land. Aber wir können es auch durch unser Leben und unsere Taten als eine freie Nation zu einem bedeutenden Datum werden lassen, in einem neuen Zeitalter, das sich der ganzen Welt für die politische, soziale, kulturelle und spirituelle Zukunft der Menschheit eröffnet.

Der 15. August ist mein eigener Geburtstag, und natürlich freut es mich, daß er diese weitreichende Bedeutung angenommen hat. Ich betrachte dieses Zusammentreffen nicht als zufälliges Ereignis sondern als Billigung und Besiegelung durch die Göttliche Kraft, die meine Schritte in der Arbeit, mit der mein Leben begann, leitet – der Beginn ihrer vollen Blüte. Tatsächlich kann ich heute beobachten, wie fast alle Weltbewegungen, die ich zu meinen Lebzeiten erfüllt zu sehen hoffte, Früchte zu tragen beginnen oder auf ihrem Weg zur Vollendung sind, obwohl sie damals als unrealistische Träume erschienen. In all diesen Bewegungen kann das freie Indien eine große Rolle spielen und eine führende Position einnehmen.

Der erste dieser Träume war eine revolutionäre Bewegung, die ein freies und vereintes Indien schaffen würde. Heute ist Indien frei, hat aber keine Einheit erreicht. (...) Die alte religiöse Trennung zwischen Hindus und Moslems scheint sich jetzt zu einer andauernden politischen Teilung des Landes verhärtet zu haben. Es bleibt zu hoffen, daß diese nun beschlossene Tatsache nicht als für immer entschieden akzeptiert wird, sondern als eine vorübergehende Notlösung. Wenn sie andauert, kann Indien ernsthaft geschwächt, sogar verstümmelt werden: Ein Bürgerkrieg bleibt immer möglich, wie auch eine neue Invasion und fremde Eroberung. Indiens innere Entwicklung und sein Gedeihen kann behindert werden, seine Stellung unter den Nationen geschwächt, seine Bestimmung beeinträchtigt oder sogar frustriert werden. Das darf nicht sein: die Teilung muß verschwinden 10! (...)

Sri Aurobindo

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Auszug aus einem Brief Sri Aurobindos über die Invasion Süd-Koreas am 15. Juni 1950:

28. Juni 1950

Ich weiß nicht, warum Sie von mir Aufklärung über die Korea-Krise erhalten möchten. Da gibt es keinen Grund zu zögern, die ganze Sache ist sonnenklar. Es ist die erste Bewegung des kommunistischen Angriffsplans, diese nördlichen Teile und dann ganz Südostasien zu beherrschen und in Besitz zu nehmen – als Vorbereitung für ihre Manöver auf dem übrigen Kontinent. Unterwegs können sie Tibet als Tor nach Indien einnehmen 11 . Wenn ihnen das gelingt, besteht kein Grund, warum nicht schrittweise die Beherrschung der ganzen Welt folgen sollte. Falls der Krieg mit Amerika hinausgezögert werden kann, bis Stalins Zeit kommt, werden sie dann irgendwann bereit sein, sich mit Amerika anzulegen. Truman scheint die Situation verstanden zu haben, wenn wir seine Maßnahmen in Korea richtig verstehen, aber es bleibt abzuwarten, ob er stark und entschieden genug ist, die Angelegenheit bis zum Schluß durchzuziehen. Seine Maßnahmen scheinen unvollkommen und erfolglos zu sein, da sie keine militärische Intervention einschließen, außer zur See und in der Luft. Dies scheint die Lage zu sein. Wir werden sehen, wie sie sich entwickelt. Eines ist sicher: Wenn zu viel Unentschlossenheit herrscht und Amerika jetzt die Verteidigung Koreas aufgibt, könnte es gezwungen werden, eine Position nach der anderen aufzugeben, bis es zu spät ist. Früher oder später muß es Stellung beziehen und die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen ins Auge fassen, sogar wenn das zum Krieg führt. Auch Stalin scheint nicht bereit zu sein, sofort das Risiko eines Weltkrieges auf sich zu nehmen, und selbst wenn dies der Fall wäre, kann Truman den Spieß umdrehen, indem er ihn ständig vor die Alternative stellt, entweder dieses Risiko einzugehen oder Position auf Position an Amerika abzutreten. Ich glaube, das ist alles, was ich im Moment sehen kann. Gegenwärtig ist die Situation so ernst, wie sie nur sein kann. 12

Sri Aurobindo

 

1 Tatsächlich erklärten die Chinesen drei Tage später, am 20. November, unverhofft einseitig die Feuereinstellung und den Rückzug ihrer Truppen, obwohl sie spektakuläre Fortschritte gemacht hatten, fast ohne auf Widerstand zu stoßen. Niemand verstand warum.

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2 Mutter bezieht sich wahrscheinlich auf die Schwierigkeiten, die Absetzung des Kriegsministers Krishna Menon zu erreichen. Erinnern wir uns doch, daß die indische Politik Nehrus der Epoche völlig pro-chinesisch war (der Slogan war Hindi-Chini bhai-bhai: die Inder und die Chinesen sind Brüder), und als die Chinesen in Indien eindrangen, reiste der Kriegsminister unbesorgt in irgendeiner Mission nach London, mit der Erklärung: Ach, es ist nichts Ernstes!

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3 An der Grenze im Himalaya.

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4 Die Schöpferkraft.

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5 Siehe Addendum.

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6 Vielleicht handelt es sich um den Tod von Liaquat Ali und die tiefgreifenden wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, die zur Auflösung des pakistanischen Parlaments im Oktober 1958 und der Machtübernahme des Generals Ayub Khan führten.

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7 Im April 1942, als England sich gegen die Nazis und Japan verteidigen mußte und Japan drohte, in Birma und Indien einzudringen, schickte Churchill einen Abgesandten, Sir Stafford Cripps, mit einem sehr großzügigen Angebot nach Delhi, mit welchem er hoffte, den guten Willen und die Mitarbeit Indiens im Kampf gegen die weltweite Bedrohung gewinnen zu können. In diesem Vorschlag bot Großbritannien Indien den Status eines Dominions an als ersten Schritt zu einer unabhängigen Regierung. Sogleich trat Sri Aurobindo aus seiner Abgeschiedenheit heraus, um Cripps und allen indischen Führern seine Zustimmung zu telegrafieren. Er schickte sogar einen persönlichen Gesandten zu Gandhi und dem indischen Kongreß, um sie zu überzeugen, dieses unverhoffte Angebot sofort zu akzeptieren. Ein Telegramm von Sri Aurobindo an Rajagopalachari (den zukünftigen Präsidenten Indiens) spricht von den schwerwiegenden Folgen einer eventuellen Ablehnung der Vorschläge von Cripps: "... Sofortige, dringliche Lösung angesichts der schwerwiegenden Bedrohung. Ich beschwöre Sie, Indien vor der ungeheuren Gefahr einer erneuten Fremdherrschaft zu bewahren, während die alte dabei ist, sich selber zu eliminieren!" Niemand verstand das. "Was hat der sich einzumischen?" Hätte Indien den Status eines Dominions akzeptiert, so wäre die Spaltung in zwei Teile und die künstliche Schaffung Pakistans, wie auch die drei folgenden Kriege (die noch nicht beendet sind) und das Blutbad, das 1947 in Bengalen und Punjab zur Zeit der Teilung wütete, vermieden worden. (Siehe im Addendum einen Ausschnitt einer Botschaft von Sri Aurobindo anläßlich von Indiens Unabhängigkeit.)

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8 Andererseits sagte Mutter auch beim Tode Nehrus in einer Botschaft vom 27. Mai 1964: "Nehru verließ seinen Körper, aber seine Seele ist EINS mit der Seele Indiens, die für die Ewigkeit lebt."

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9 Ich bewahrte dieses Gespräch trotzdem auf. Schließlich konnten diese Worte nicht zensiert und die große Geschichte verheimlicht werden. Und wo liegt letztlich die Grenze zwischen Zensur und Lüge?

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10 Sieben Wochen nach Indiens Unabhängigkeit und der Gründung von Pakistan drang Pakistan in Kaschmir ein.

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11 Vier Monate später, am 21. Oktober, wurde Tibet besetzt; Indien protestierte nicht.

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12 Cent. Ed., Vol. XXVI, 404 und 416.

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