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Mutters

Agenda

dritten Band

7. Juli 1962

(Satprem liest Mutter einige Abschnitte aus seinem neuen Buch über Sri Aurobindo vor. Das erste Buch – Sri Aurobindo und die Transformation der Welt – war vom Pariser Verleger als "abstrakt und unklar" beurteilt worden. Mutter bemerkt dazu:)

Wahrscheinlich werden sie nichts verstehen.

Für mich war das andere Buch sinnfälliger.

Ja, für mich auch. Als ich es schrieb, war es intensiver. Hier habe ich gar nicht den Eindruck einer Inspiration beim Schreiben.

Meine Vorstellung war, völlig sachlich zu sein, Begebenheiten zu erzählen: aus Sri Aurobindos Leben, vom Ashram, etwas in der Art.

Das ist immer noch... (Geste oberhalb des Kopfes). Das ist für intelligente Leute, die sich für geistige Dinge interessieren.

Ich weiß nicht, wie man diese Dinge verschweigen kann...

Jedenfalls läuft es gut – es ist gut, ich sage das nicht, um zu kritisieren, ich finde es sehr gut... Es liegt noch etwas zu hoch.

Ach, hör mal!

Aber es geht gut. (Mutter lacht) Noch etwas zu hoch für sie.

Ist das Kapitel damit fertig?

Das war nur, um die Dinge einzuordnen. Ich muß doch wohl sagen, was Sri Aurobindo an Neuem gebracht hat, denn um das ganze "spirituelle" Indien geht es ja gerade nicht. Auf die eine oder die andere Art muß man ihnen das doch klar machen, nicht wahr?

Ja, du sagst es ihnen auf sehr intelligente Art.

Es ist einfach ausgedrückt.

Ja-a... Oh, man könnte es noch viel einfacher sagen! Aber das macht nichts. Ich möchte damit nicht sagen, es sei nicht gut. – Es ist sehr gut.

Ach, weißt du, ich schätze die Inspirationen, die mir kommen, nicht sehr hoch ein... Ich meine damit, ich weiß, daß es genausogut etwas anderes sein könnte. – Es ist nichts "Unvermeidliches".

Nein, von Inspiration lassen sie sich nicht berühren, darauf kannst du dich also nicht verlassen. Aber du hast für intelligente Leute geschrieben, für Menschen, die suchen und die sich für Ideen interessieren – sind sie auch so veranlagt?

Aber nach dieser Einleitung beabsichtige ich, das Problem praktisch anzugehen: Sobald die Leute das Ende des Mentals erreichen, drehen sie sich im Kreise und finden nichts – deshalb spreche ich von Bereichen oberhalb des Mentals und von Entdeckungen, die man macht, wenn man in sich selbst einkehrt: das mentale Schweigen. Ich spreche von einer praktischen Disziplin. Das war meine Vorstellung. Ich wollte den Yoga nicht abstrakt erklären, sondern die Sache von der praktischen Seite angehen: Dies versucht man zu tun, und dann kann so etwas geschehen – die mentale Transformation, die Verwandlung im Vital, die Träume usw. All die praktischen Dinge. Ich wollte vom psychologischen Gesichtspunkt ausgehen.

Das ist gut. Im Hinblick auf das Werk, auf dein Schaffen, ist es natürlich sehr gut – es ist sehr interessant, das soll gesagt werden, das MUSS gesagt werden. Ist der Mann, der diesen Brief schrieb, aber fähig, etwas davon zu verstehen? Da setze ich ein Fragezeichen.

Wir werden sehen.

Wenn er das nicht versteht, bedeutet es, daß er sowieso nichts verstehen wird.

Erzähl ihnen doch, daß wir Sport betreiben, ein Schwimmbecken haben!...

Das werde ich sagen.

Das können sie verstehen. Das heißt, diesen Aspekt, daß wir keine Bande von Mönchen sind, die im Kreise sitzen und Meditationen abhalten, sondern daß alle Aktivitäten zugelassen sind und daß jeder beschäftigt ist: Der Schriftsteller schreibt, der Maler malt, und die Kinder treiben Sport. Das würden sie verstehen.

Ich werde das besprechen, aber später, am Ende. Nachdem ich die Umwandlungen des Bewußtseins beschrieben habe, die immerhin die Grundlage der Arbeit sind, werde ich zeigen, wie sich das in der Praxis auswirkt. Aber wenn ich sofort damit beginne, ohne zu sagen, warum es so ist...

Das stört sie nicht!

Ich hatte vor allem diesen Teil im Auge. Ich sagte: "Man muß ihnen das nur an den Kopf werfen", und damit hat sich's.

Aber man muß doch versuchen, ihnen verständlich zu machen, warum das so ist!

Nein, das kannst du vergessen. "Versuchen, es ihnen verständlich zu machen", das mußt du aus dem Programm streichen. Zu deiner persönlichen Befriedigung bin ich damit einverstanden, denn damit wird die Sache wahrer und lebendiger, aber diese Vorstellung kannst du vergessen – es ist unmöglich, sie verstehen zu lassen. Ich sage dir, wenn du den Bereich der materiellen Tatsachen verläßt (Mutter hält die Hand vor die Nase), sind sie verloren. Erzähl ihnen doch: "Sobald man aus dem Zug steigt und sich umsieht, sagt man euch: All diese Häuser da, das ist der Ashram. Hier ist die Bibliothek, da sind die Tennisplätze, dort die Sportplätze, das ist ..." Ja, das verstehen sie!

Es ist gut. Es wird ein sehr gutes Buch. Aber wahrscheinlich werden sie nur bei einem sehr kleinen Teil sagen: "Ach, endlich etwas Praktisches!"

Daß der Ashram mit zwei Häusern und so und so vielen Leuten anfing, diesen Aspekt wollte man in Amerika wissen. Als ich um Geld aus Amerika bat, fragten sie danach, und ich mußte ihnen mitteilen, daß wir zu einem bestimmten Zeitpunkt mit zwei Häusern begannen und wie es dann Schritt für Schritt zu dem wurde, was es jetzt ist. Daß wir jetzt so und so viele Häuser haben (Mutter lacht) und daß es so viele Leute sind und daß wir so viele Besucher jedes Jahr haben und daß das Samadhi ein Pilgerort geworden ist und daß... einfach all diese Geschichten, wie sie in Zeitungen erscheinen – das schrieb ich nach Amerika. Ich sammelte Papiere, Dokumente und Statistiken, und sie waren sehr zufrieden. Hätte ich ihnen nur ein Viertel von dem gesagt, was du schreibst, hätten sie erwidert: "Um Himmels willen, seid praktisch!"

"Praktisch", das will sagen, nicht mehr zu verstehen als sie. Das ist es: Praktisch sein bedeutet, nicht mehr zu verstehen als sie.

Aber das macht nichts.

?

Du hast für ein aufgeklärtes Publikum geschrieben, das Ideen liebt – so weit, so gut. Aber ein solches Buch kauft man nicht für ein wenig Geld und liest es im Zug zwischen zwei Stationen. So ist es nicht, nein, man muß über das Gelesene nachdenken und still sein. Sitzen und nachdenken – es gibt nicht einen unter Millionen, der so ist!

Sie haben es in der Tasche, wenn sie in der Metro sind (vielleicht nicht in der Metro, dort reicht die Zeit nicht), aber im Zug ziehen sie es aus der Tasche und...

(Satprem macht eine entmutigte Geste)

Nein, nein, hör nicht auf, schreib es fertig! Aber vielleicht verlangen sie von dir, es zu kürzen (Mutter lacht) – es wird "Längen" geben. "Warum haltet ihr euch bei Ideen auf? Das ist zweitrangig."

Ich verstehe. Aber ich sehe nicht, wie ich...

Nein, schreib dein Buch, wie du es siehst!

Ich hatte ein psychologisches Buch im Auge. Das heißt für jemanden, der Forschungen anstellt, der zu verstehen sucht. Nicht auf philosophische sondern auf psychologische Art, wie jemand, der mit sich selbst experimentiert.

Was?

Einer unter einer Million! Du wirst keine Leser finden.

Nein, nein, die Leute wollen "sich die Zeit vertreiben", etwas, das sie unterhält und das sie für eine halbe Stunde ihre Unannehmlichkeiten, ihre Familienangelegenheiten und Geschäfte vergessen läßt.

Das soll keine Kritik sein, es ist nur eine Voraussage.

Nein, mach weiter! Sie werden dir nur sagen: "Ihr Buch ist sehr gut... aber es hat Längen. Wenn Sie uns erlauben, es zu kürzen ..." (Mutter lacht) Und bei allem, was wirklich psychologisch ist, werden sie eine große Schere nehmen und... (Mutter lacht)

Aber das kann getrennt erscheinen.

Mach weiter! Darin sind Dinge, die als gesonderte Artikel in Zeitschriften für ernsthafte Leser erscheinen können, Leute also, die gerne denken – deren gibt es nicht viele.

Schick es ihnen, du wirst sehen! Wenn sie kürzen wollen, werden wir eben kürzen und diese Teile an eine Zeitschrift schicken. Dann werden sie ihr kleines Geschichtenbuch haben. 1

*
*   *

(Etwas später ist die Rede von den immer knapper werdenden Tonbändern, auf die Satprem diese Gespräche aufnimmt. Es sei angemerkt, daß Mutter sich stets weigerte, die Tonbänder des Ashrams zu benützen.)

...Wenn es verloren geht, ist es eben verloren! Der Herr wird darüber entscheiden, das spielt keine Rolle.

Man muß dem Herrn etwas behilflich sein.

Er kennt sein Metier nicht! (Mutter lacht)

Man fragt sich immer, ob Er die Dinge dieser Welt eigentlich so gut kennt wie wir. (Mutter lacht hellauf) Das ist sehr amüsant.

*
*   *

(Beim Fortgehen macht Mutter die folgende Bemerkung über den Widerstand des Verlegers in Paris:)

Ich tue folgendes: (Geste, mit dem Daumen einen Druck auszuüben). Wer weiß, alles kann passieren. Es geschehen recht interessante Dinge in der Welt, die mir zeigen, daß es trotzdem eine Antwort gibt, es antwortet ein bißchen – ich mache so (dieselbe Geste), und es ist nicht ganz umsonst. Was sich in Algerien tut 2, auch gewisse Dinge in Amerika... es gibt eine Antwort. Dann haben Leute plötzlich Erfahrungen (ich glaube, ich sagte es dir schon), die ihrem Zustand völlig unangemessen sind – Erfahrungen, als würden sie in eine Kurve geschleudert, die sie mehrere Leben überspringen läßt. Dies geschieht individuell, wie mir scheint – Menschen mit einem Minimum an Vertrauen gewinnen mehrere Leben... vielleicht viele Leben – aber auch die Welt.

Das heißt, daß wir mit Siebenmeilenschritten vorankommen, ja, mehr noch.

Jedenfalls ist dein Buch gut.

Wie ich immer sage: "Seid eurer Zeit wenigstens um zwei Generationen voraus." Dein Buch ist ihnen auch eine Generation voraus.

 

1 Mutter behielt recht (teilweise!). Das zweite Buch wurde von diesem Verlag ebenfalls abgelehnt, dann aber von einem anderen angenommen.

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2 Algerien wurde gerade für unabhängig erklärt.

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