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Mutters

Agenda

zweiten Band

15. Oktober 1961

(In den beiden vorhergehenden Gesprächen hatte Satprem Mutter Teile seines Manuskripts über Sri Aurobindo vorgelesen)

Du hast mir zu einer merkwürdigen Erfahrung verholfen.

Als du mir beim ersten Mal dein Manuskript vorlasest, rief ich Sri Aurobindo, damit er zuhöre, und er war im Subtilphysischen zugegen und hörte zu. Als ich mich dann gestern hinsetzte, um dir zuzuhören, dachte ich: "Es wäre doch viel besser, wenn er in mein Gehirn käme (!), denn so..." Ich rief ihn auch, und er kam in mein Gehirn. Das dauerte einige Zeit: während des ganzen ersten Teils waren wir noch beide zugegen, dann wurde es immer mehr er, mehr und mehr, mehr und mehr... Es war, als würde sich mein Kopf physisch blähen! Es gab nur noch Platz für ihn. Da war das Licht... dieses dunkelblaue Licht der mentalen Macht im Physischen (aber das wahre Mental), das auch die Tantriker benutzen und das man immer bei X wirken sieht. Aber hier war es, wie ich es noch nie gesehen hatte! Weißt du, mein Kopf war voll davon! Ganz voll, kein Atom von Platz mehr – ich hatte sogar das Gefühl, daß er sich blähte!

Dieses Licht war ABSOLUT unbewegt, ohne jede Vibration, vollkommen kompakt und... zusammenhängend. Wenn ich zum Beispiel das Licht bei X sehe, enthält es immer Vibrationen: es schwingt, Dinge bewegen sich – hier war keine einzige Vibration, keine einzige Bewegung: eine MASSE, die ewig unbewegt erschien, aber (wie soll ich sagen?) aufmerksam, sie hörte zu. Es war eine Fülle dieser Art. Und es hatte die Form meines Kopfes, als hätte "das" den gesamten Kopf eingenommen. Mein Kopf fühlte sich so voll an! Aber es war nicht der Eindruck einer Spannung oder des Widerstandes, nichts derartiges: einzig eine unbewegte Ewigkeit – so KOMPAKT, kompakt und absolut einheitlich, ohne Vibrationen. Und es nahm zu, wurde immer mehr, immer mehr, es wurde schwer, aber von einer ganz besonderen Schwere: kein Gewicht, sondern der Eindruck von Masse.

Darin war nichts mehr von mir selber. Ich war gleichsam in einer Art Trance entschwunden – aber ich war bewußt (es war jedoch nicht ich), das Bewußtsein war sich dessen bewußt und verfolgte es. Ich konnte mich allerdings nicht an die Worte erinnern – in diesem Augenblick konnte ich es nicht beobachten. Alles, was ich dir jetzt schildere, kommt daher, daß die Erfahrung hinterher noch mindestens eineinhalb Stunden andauerte. Als ich von hier wegging, begann ich es zu objektivieren, zu sehen, was es war, ansonsten befand ich mich einfach in diesem ZUSTAND. Aber in diesem Zustand blieb die Wahrnehmung dessen, was er hörte, und an zwei oder drei Stellen kam der Eindruck, als sagte er (ich kann es nicht genau bestimmen, es ist nur ein Eindruck): Not necessary ["nicht nötig"]. Deshalb sagte ich auch hinterher, als du nach meiner Meinung fragtest, daß dieser Teil "zu philosophisch" wäre (in dem Augenblick war ich noch in einem sonderbaren Zustand: nichts war aktiv in mir, alles war so, wie ich beschrieb). Bei ihm war es sehr deutlich, fast als sagte er bei bestimmten Worten: That, not necessary. That, not necessary. Nicht viele, nicht oft, aber hier und da. Besonders am Ende (das war noch er, der gegenwärtig war, als du sprachst), als du meintest, man müsse es den Leuten "erklären", da sagte er sehr deutlich: No, not necessary.

Ich selber war unfähig, mich zu erinnern oder es aufzunehmen... da war nur noch sein Kopf zugegen.

Das passierte mir zum ersten Mal.

Seine Gedanken zu empfangen (zum Beispiel zu denken, was er denkt), das passiert mir ununterbrochen, aber dies war anders: es war eine GEGENWART – im Kopf. Und mein Kopf kam mir zunehmend größer und schwerer vor! Wirklich schwer, von ungewohnter Macht. Das blieb noch lange hinterher. Das hatte ich noch nie physisch erlebt, nie mit dieser Macht, dieser Macht des Denkens, eine materielle Macht des Denkens – im Gehirn.

Gelegentlich sieht man Bruchstücke davon. Ich erwähnte bereits, daß ich es oft bei X sah. Auch bei einem anderen Tantriker (anscheinend genießt er im Norden große Hochachtung) sah ich diese sehr sorgfältig ausgearbeitete Organisation der mentalen Macht – der physischen mentalen Macht. Aber es war stets vibrierend oder unterbrochen oder partiell, vorbeihuschende Blitze oder vorübergehende Formationen. Hier war es anders: das Gefühl der Ewigkeit.

Dann...

Normalerweise hätte man sagen können, ich (mein Körper) wäre in Trance, aber er konnte sich bewegen, er konnte sprechen, denn ich sprach ja mit dir – dennoch war es ein sonderbarer Eindruck (der auch jetzt noch ein wenig geblieben ist): als wäre mein Kopf zu groß für meinen Körper. Es ist nicht unangenehm, aber ungewohnt.

Nach unserem gestrigen Treffen "schickte" ich dir all das, sobald ich es deutlich sah und es objektivieren konnte (ich schrieb dir nicht, weil ich keine Zeit hatte, aber ich "sagte" dir all das), denn ich hatte das Gefühl, du wüßtest natürlich nicht, was passiert war, und dachtest vielleicht, ich hätte nicht zugehört oder was weiß ich!

Nein, nein! Ich fühlte, daß das, was ich geschrieben hatte, nicht das Richtige war.

Aber dies war eine ungeheure Erfahrung! Und es beweist, daß dieses Buch ihn wirklich interessiert.

Die gesamte Arbeit der letzten 8 Tage muß ich nochmal machen.

Warum? Du bist nicht damit zufrieden?

Es ist nicht so recht "das". Der Faden fehlt.

Weißt du, am ersten Tag, als du es mir vorlasest, war er so froh! Ich sah seine Kraft darin, seine Macht, es war golden, mein Kind! Es enthielt eine Fortbewegungskraft. Über das, was du gestern gelesen hast, kann ich natürlich nichts sagen, weil ich von dieser Erfahrung ein wenig überwältigt war! – Ich erlebte das zum ersten Mal.

Seit sehr langer Zeit bete ich... Immer wenn ich sagte: "Herr, nimm dieses Gehirn in Besitz", erwartete ich etwas derartiges, aber ich erwartete es mit dem supramentalen Licht (teilweise und vorübergehend hatte ich es auch). Aber dies war wirklich... Ich weiß nicht, was er mit meinem Gehirn getan hat! (Nicht mein Gehirn, aber was er mit meiner Mentalkraft getan hat). Ich nehme an, in diesem Augenblick hatte er sie absorbiert, weil es kein Gefühl eines Unterschieds mehr gab. Ich hatte den Eindruck, daß sich die physischen, materiellen Zellen dadurch entwickeln und transformieren werden – ich denke, das wird geschehen, mir wurde auch eine Art Zusicherung gegeben, daß dies eintreten wird. Wenn ich es jetzt betrachte, während ich es dir erzähle (es hat jetzt nicht mehr diese überwältigende Macht, aber es ist geblieben, die Wirkung bleibt), sehe ich, daß es eine Art Wärme verleiht. Es ist nicht genau das (es ist nicht mit den uns geläufigen physischen Begriffen vergleichbar). Auf Englisch gibt es die Worte warmth und heat – es ist warmth nicht heat. Die Ohren sind ganz davon ergriffen (Mutter berührt ihren Kopf), alles ist ergriffen, hier, dort, überall – beträchtlich! Und diese Unbewegtheit! Sobald man innehält, ist es die Unster... nein: die Ewigkeit.

Es bedeutet wirklich, DAS hierhin zu bringen [in die Materie].

Aber liest du mir jetzt die Fortsetzung vor?

Nein, Mutter, ich glaube, ich muß das alles überarbeiten. Ich habe nicht den Faden, nur kleine Stücke hier und da.

Ist der Faden wirklich so notwendig? Denn letztes Mal – ich kann es nicht genau sagen, weil ich mich nicht daran erinnere –, aber ich hatte den Eindruck, Sri Aurobindo griff immer dann ein, wenn die Verknüpfungen der gewohnten Intelligenz erschienen, gerade das, was du wahrscheinlich schriebst, um die Dinge zu verbinden und verständlich zu machen. Ich erinnere mich nicht an die genauen Stellen, aber dort sagte er hin und wieder: Not necessary, not necessary. That can go. ["Nicht nötig, das kann wegfallen."]

Danach versuchte ich, es zu verstehen (ich versuchte, mich genügend zu identifizieren, um zu verstehen), und ich hatte den Eindruck, daß er es viel mächtiger fand, wenn du nicht der gewohnten Logik folgst (ich interpretiere, weil es nicht genau das war), aber wenn du so willst, ist es besser prophetisch zu sein als didaktisch – Ideen einfach aufwerfen, pluff! Und dann sollen die Leute daraus machen, was sie können. Ich hatte den Eindruck, er betrachtete das nicht nur vom Wesentlichen her, sondern auch vom Standpunkt des Publikums, und er wollte nicht, daß es ermüdend sei – es sollte auf keinen Fall ermüdend sein. Es kann bestürzend sein, aber nicht ermüdend. Man muß in... sonderbare und fremde Dinge gestoßen werden, aber nicht... Es wäre zum Beispiel besser (das ist meine Ausdrucksweise, nimm es für was es wert ist), daß die Leute sagen: "Er ist verrückt", als daß sie sagen: "Er ist ein lästiger Prediger". All das mit seinem Sinn für Humor – wie da, wo er sagt, daß die Verrücktheit den Göttern viel näher steht als die Vernunft!

Den Anfang hörte ich nicht, aber alles, was mit den physischen Gegebenheiten [in Sri Aurobindos Leben] zu tun hat, wird sicher sehr vernünftig und normal sein (in Stil und Ausdrucksweise), da besteht nicht so leicht die Gefahr, daß die Leute sagen: "Er ist ein etwas verrückter Erleuchteter"!... Ich weiß nicht, aber der ganze erste Teil, den du mir vorgelesen hast, war so gut! Da kamen die ganze Zeit wie Schübe von goldenem Licht. Vielleicht wolltest du hinterher zu viel erklären? Du weißt nicht, was geschehen ist?

Doch, das Bedürfnis, zu erklären.

Er scheint zu meinen, das wäre nicht nötig!

Insbesondere möchte er, daß das Ende sehr kurz sei. Das spürte ich seit dem ersten Tag: daß das Ende wie ein Hervorquellen sei, das einen in der Schwebe läßt – vor allem nicht versuchen, vernünftig zu sein. Ein Hervorquellen, das wie ein offenes Tor in eine sehr leuchtende, völlig unbekannte Zukunft führt, ohne sie greifbar und nahbar machen zu wollen. Dieses Eindrucks bin ich mir sicher. Weißt du, ganz und gar dieser Eindruck: ein geschlossenes Tor (die Leute leben ja alle hinter verschlossenen Toren), und dann stößt man das Tor plötzlich auf, ein Ausbruch von Licht, und dann... läßt man euch dort: setzt euch, betrachtet, besinnt euch – und wartet, daß die Zeit kommt, hindurch zu gehen.

Vor allem nicht den Ehrgeiz haben, ihnen etwas erklären zu wollen.

Aber Sri Aurobindos Arbeit – das, wofür er gekommen ist – muß man ihnen doch darlegen!

Aber das ist ja, wofür er kam... wie ein umgekehrter Vulkan.

Ein Ausbruch, eine Explosion.

So wirft er den Keim aus, und jenen, die ihn aufsammeln können, fällt die lange, langsame Arbeit zu.

(Schweigen)

Wenn man die Kurve dessen verfolgt, was er am Ende schrieb, sieht man es sehr deutlich: nachdem er dies aufgeworfen hatte (ja, wie ein mächtiger Lichtkeim) und sogar sagte: "Diesmal wird es verwirklicht", sah er, je mehr seine Arbeit fortschritt und er genau an der Verwirklichung arbeitete, immer deutlicher all die zu bewältigenden Etappen, und je mehr er das sah, um so mehr betonte er: "Glaubt nicht, daß es euch über Nacht widerfahren wird. Glaubt nicht, dieser Weg wäre ein sofortiges Wunder."

Nachdem er von der supramentalen Herabkunft gesprochen hatte, sagte er, es müsse eine ZWISCHENSTUFE zwischen unserem gegenwärtigen mentalen Zustand (selbst dem höchsten Mental) und dem supramentalen Bereich vorbereitet werden, denn würde man direkt in die Gnosis eintreten, bedeutete es eine so abrupte Veränderung, daß die physische Verfassung unseres Wesens es nicht aushielte – es erfordert eine Zwischenstufe. Davon bin ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen vollkommen überzeugt: zweimal wurde ich richtiggehend von der supramentalen Welt in Besitz genommen, und beide Male war es, als würde der Körper – wirklich der physische Körper – völlig aufgelöst durch... die Gegensätzlichkeit der Zustände.

Erst gestern sah ich deutlich... (Mutter deutet auf diese Masse in ihrem Kopf) Meine Augen quollen davon über, weißt du. Und ich sehe: in seiner Arbeit, sich hier zu festigen, verursacht es diese winzige Schwingung – wie ein Tüpfeln von Schwingungen –, die unerläßlich zu sein scheint, um in diese Materie eindringen zu können.

Interessanterweise verursachte es weder Kopfweh noch Unbehagen, nichts dergleichen, aber auch keine große Freude oder Befriedigung... Unsere Worte erscheinen immer abwertend, das geht nicht, aber der Unterschied zwischen unserer gewohnten Funktionsweise und der neuen ist etwas so ungeheuer Erdrückendes, daß es offensichtlich einer Anpassung bedarf. Und er sagte immer, daß die Anpassung anfänglich eine Verminderung sein wird und wir erst ganz allmählich die ursprüngliche Reinheit wiedererlangen können. Das ist es.

Aber für all das ist jetzt nicht die Zeit, es zu sagen, mein Kind!

Ich habe zum Beispiel nichts für das nächste Bulletin. Ich hätte etwas von den Dingen aussuchen können, die du notiert hast [die Agenda] – aber das ist unmöglich, das kann nicht veröffentlicht werden! Unmöglich, die Zeit ist noch nicht gekommen. Die Leute verstehen nicht einmal die einfachsten Dinge, die ich sage! Ich sehe, daß sogar Nolini manchmal zögert, er begreift es nicht. Was ist es dann erst bei den anderen!

(Schweigen)

Im Grunde ist es das, was er tat: es ist, als hätte er mit der Macht des Ursprungs die Neue Möglichkeit über der Welt ausgeschüttet: "Die Zeit für DAS ist gekommen" – plumps!... Jetzt laßt uns ruhig bleiben und sehen, wie es sich entwickelt.

(Schweigen)

Weißt du, er ist so sehr HIER.

Vor wenigen Tagen sagte ich mir in einem dieser Augenblicke, wo man etwas idiotisch ist ("etwas" ist untertrieben!): "Wie schön war es doch in der Zeit, als ich ihn ständig bei mir spürte. Jetzt bin ich in dieser Periode, wo ich ihn nicht mehr fühle." Da sagte er mir so klar und bestimmt: You don't feel me, because I AM you. [Du fühlst mich nicht, denn ich BIN du.]

Und ich sah, daß es stimmt. Die Vereinigung vollzieht sich in so detaillierter Weise, daß man nicht mehr die Freude hat, sich so zu spüren (Geste der Umarmung).

(Schweigen)

Aber jetzt begreife ich, was er meinte, als er mir sagte: You alone have the endurance [Du allein hast die nötige Ausdauer]. Was für eine Ausdauer das erfordert, mein Kind!

Wie kann man den Leuten all das sagen! Was sagen?... Sie sind Millionen Meilen davon entfernt.

Erwecke einfach die Hoffnung in ihnen – DIE Hoffnung. Eine Hoffnung, die auf der Gewißheit beruht – auf der Gewißheit der Erfahrung. Weißt du, wenn man sich das vorstellen könnte: Der Höchste selber kommt und sagt: "Jetzt komme ich, um euch zu sagen: So ist es, bereitet euch vor."

Immer – immer – war die erste Reaktion der Menschen auf der Erde, zu sagen: "Er ist verrückt."

Aber was macht das schon aus!

Das ist genau der Punkt: Dein Buch hat einen ganzen Teil, der genügend vernünftig, künstlerisch, gut formuliert und dargestellt ist, daß es einige solche Seiten geben darf (es dürfen nicht zu viele sein): Wir springen mitten ins Verrückte!

Ich SEHE es, ich sehe, wie all das glitzert...

Wenn du mir jetzt etwas vorlesen willst, bin ich ganz Ohr – ich kam, um zuzuhören.

Nein, Mutter, ich muß erst den Faden erwischen.

Ja.

Aber konzentriere dich, ruf ihn! Ruf ihn. Mache eine Invokation, ruf ihn – er ist HIER. Es ist nur eine Frage der Verbindung. Diesen Faden mußt du fangen – nicht im Kopf.

Das ist es ja gerade. Verstehst du, bevor ich anfange zu arbeiten, bleibe ich immer ganz still, aber in diesem Schweigen kommt NICHTS. Ich könnte Stunden so bleiben!

Aber ja, mein Kind!

Es kommt nichts!

Und dann?

Nach einiger Zeit, weil die Zeit vergeht, muß ich arbeiten...

Ah! Vielleicht ist das nicht das richtige Mittel!

So erwische ich natürlich eine Idee – manchmal ist es die richtige, manchmal nicht.

Es geht nicht so sehr um richtig oder nicht richtig, sondern um die Schwingung der Kraft.

Ich sage das, weil ich sehe, wie sehr Sri Aurobindo dieses Buch für ein wichtiges Werkzeug für die weltweite Arbeit hält – wenn du so willst, hat er es von Anfang an ernst genommen. Er ist so sehr HIER, daß es mir gar nicht unmöglich scheint, daß ER die Ausdrucksweise DIKTIERT.

Es geht nicht so sehr um die Ideen, denn das ist alles sehr gut.

Lies mir deine letzte Seite vor. Ich kümmere mich nicht um die Gedankenfolge, lies die letzte Seite, damit ich sehen kann, ob ich dieselbe Kraft darin spüre.

Ja, aber alles Vorhergehende muß ich neu schreiben.

Du willst es neu schreiben? Das macht nichts. Weißt du, die Logik eines Buches und ich!...

Wenn ich einen WAHREN Eindruck eines Buches haben will, öffne ich es irgendwo in der Mitte, dann lese ich die erste Seite und die letzte Seite – manchmal lese ich zuerst das Ende und dann den Anfang – irgendwo. Das heißt, ich will wissen, ob die Kraft darin ist.

Die gewöhnliche Logik... Lies! Fang irgendwo an, mitten im Satz, das ist egal!

(Nach dem Lesen)

Ich möchte alles überarbeiten.

Aber wird das, was du "Verbindungen" nennst, das ganze nicht etwas schwerfällig machen?

Mir fehlt ein Faden. Ich weiß nicht, manche Leute können ein Buch in Stücken hier und dort schreiben – ich kann das nicht. Wenn ich nicht fühle, daß all das hinter mir liegt, kann ich nicht weiterschreiben. Für mich muß es ein Fluß sein.

Hör zu, überlege... Denn ich bin nicht so sicher wie du. Was ich sehe, sind Stücke: ein Leerraum, ein weiteres Stück, ein Leerraum (Mutter scheint ein Bild in die Luft zu malen), und dann eine Apotheose am Ende – wirklich, dein Ende ist fabelhaft.

Es braucht keineswegs im ganzen Buch dasselbe zu sein.

Die wesentliche Offenbarung kann in Stücken erscheinen (wie es einem ja auch kommt). Die Verbindung bleibt unsichtbar – die Verbindung durch Eine Gegenwart. Ansonsten kommt es in Schüben, und das besitzt eine große Kraft.

Alles, was du mir jetzt vorgelesen hast, ist sehr gut, und es wäre gewiß weniger gut, wenn es irgendwie verbunden würde.

Ich fühle deutlich, daß manche Stücke nicht gut sind.

Sie sind nicht gut oder sie fehlen?

Sie sind nicht gut.

Dann brauchst du sie nur herauszunehmen! Warum nicht? Das mag der Logik widersprechen – sogar einer höheren Logik –, aber das ist uns egal!

Ich will sehen... Wenn ich den Faden erwische, wird es gehen – aber ich muß ihn erwischen.

Du mußt konkret spüren, daß Sri Aurobindos gesamte Ausdruckskraft (ich meine nicht seine Worte, darum geht es nicht), die Macht, Das Wissen zu vermitteln (nicht das mentale Wissen: die Erfahrung), daß dies zugegen ist. Es ist ständig zugegen. Deshalb... ein aufmerksames Schweigen. Aber sehr geduldig, denn sobald die Kraft kommt, setzt sich im mentalen Bereich etwas in Bewegung. Dann kommt auch eine Art Eifrigkeit, das zu erwischen, die alles verdirbt.

Ich habe bemerkt, daß die wahre Inspiration nicht kommt, wenn man sich sehr darum bemüht oder wenn man eine sehr intensive Aspiration hat, sondern... (wie soll ich sagen?) wenn man in einem Lächeln nachgibt.

Zuerst ist es dann weiß, nichts kommt. Wenn man es versteht, nicht ungeduldig zu werden (sich einfach Seiner Wonne erfreuen, einfach so – selbst wenn Zeitalter verstreichen, erfreut man sich Seiner Wonne), dann kommt auf einmal, wenn man es am wenigsten erwartet, der Blitz: DAS ist es!

Dies ist mir sehr oft passiert: mit einem Schlag, pluff! Aber dann mit einer Gewißheit!

Gut.

Mutter, gib mir nur einen Hinweis. Soll ich das, was ich dir gestern vorlas, nicht herausnehmen? Es wäre mir eine Erleichterung, wenn du es mir sagtest.

Ich glaube nicht, mein Kind! Ich kann es dir nicht mit Gewißheit sagen, weil das nicht ich war, die zuhörte, verstehst du? Es gab keinen Erinnerungsmechanismus. Ich könnte dir kein einziges Wort von dem sagen, was du geschrieben hast – aber ich hörte es.

In meinem Kopf habe ich eine Vision von bestimmten Satzteilen, drei oder vier Worten, wo er sagte, was ich beschrieb: Not necessary. Aber das waren nur wenige Stellen. Es war nur eine Einstellung: eine Haltung der Ausdrucksweise. Aber es störte nicht.

Mit Sicherheit fühle ich weiterhin: Sri Aurobindo will, daß das Ende kurz sei. Und ich hatte selber eine Art Vision (wahrscheinlich kann das nicht mit seiner Macht des Verständnisses gewesen sein), eine Art Gefühl sehr hoch oben, daß das Wichtigste am Buch sehr kurz sein soll: der Eindruck, ein Tor zu durchbrechen, es weit aufzustoßen, und man taucht in eine Lichtfontäne. Das ist alles. Jetzt bleibt ruhig und seht, was geschehen wird.

*
*   *

(Mutter erhebt sich, um zu gehen)

Wir sind zu sehr Sklaven der Zeit.

Aber es geht nicht immer dann am langsamsten, wenn man seine Zeit zu vergeuden glaubt. Ich habe gemerkt, daß mit einer bestimmten Einstellung – genau eine offene Haltung zur Ewigkeit – die Dinge sehr viel schneller geschehen. Sehr viel schneller.

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