Mutters
Agenda
ersten Band
4. Juni 1960
(Satprem beschwert sich über seine schlechten Nächte)
Wenn man morgens müde aufwacht, ist das wegen dem Tamas [Trägheit] und nichts anderem: eine ungeheure Masse von Tamas; ich erkannte das, als ich das Yoga des Körpers begann. Und es ist unvermeidlich, solange der Körper nicht transformiert ist.
Ich lege mich sehr früh hin: um acht Uhr. Da ist noch überall Lärm, aber das macht nichts; wenigstens bin ich sicher, nicht mehr gestört zu werden. Dann muß man sich flach hinlegen und alle Muskeln, alle Nerven entspannen (das kann man sehr leicht lernen), ich nenne das, "wie ein Lappen" auf dem Bett zu werden: daß nichts mehr bleibt. Gelingt es einem, das auch mit dem Mental zu tun, so entledigt man sich all der idiotischen Träume, die einen noch müder aufwachen lassen, als man beim Einschlafen war: das ist eine Aktivität der Hirnzellen, die unkontrolliert weiterläuft, und das ermüdet sehr. Also eine vollkommene Entspannung, eine Art vollständige Ruhe ohne Spannung, wo alles innehält. Doch das ist erst der Anfang.
Nach dieser Entspannung bin ich es gewohnt, mein Mantra zu wiederholen. Mit diesen Mantras hat es etwas Besonderes auf sich (ich weiß nicht, wie das bei den anderen ist: ich spreche von meinem, das ich selber fand; es kam spontan), und zwar bewirkt es je nach den Anlässen, den Augenblicken, je nach dem, was man den Zweck des Wiederholens nennen könnte, völlig verschiedene Auswirkungen. Zum Beispiel beim Auf- und Abgehen in meinem Zimmer benutze ich es, um die Verbindung herzustellen: mein Mantra ist ein Mantra des Herbeirufens; ich rufe damit den Höchsten und stelle die Verbindung mit dem Körper her.
Das war der ursprüngliche Grund für mein Japa. Denn der Ton besitzt eine eigene Macht, und indem man den Körper einen Ton wiederholen läßt, veranlaßt man ihn gleichzeitig, die Schwingung zu empfangen. Ich habe aber auch gemerkt, wenn etwas in den Körperfunktionen gestört ist (ein Schmerz, eine Störung, eine einsetzende Krankheit) und ich mein Mantra auf eine bestimmte Weise wiederhole (dennoch dieselben Worte, dasselbe Mantra, aber mit einer bestimmten Absicht wiederholt, vor allem mit einer Bewegung der Hingabe, Hingabe des Schmerzes, der Störung und ein Ruf, wie eine Öffnung), dann hat es eine wunderbare Wirkung! Das Mantra wirkt genau, wie es gebraucht wird: auf genau diese Weise und keine andere. Und nach kurzer Zeit richtet sich alles wieder. Gleichzeitig erhalte ich natürlich das genaue Wissen des Ursprungs der Störung und des Mittels zu seiner Behebung; aber unabhängig davon wirkt das Mantra direkt auf den Schmerz.
Ich benutze mein Mantra auch, um mich in Trance zu versetzen: nach dieser Entspannung auf dem Bett und einer so vollständigen Selbsthingabe wie nur möglich, von allem, von oben bis unten, und einer möglichst vollständigen Unterdrückung aller Widerstände des Egos, beginnt man das Mantra zu wiederholen. 1 Nach zwei oder drei Wiederholungen bin ich in Trance (anfangs dauerte es länger). Und von dieser Trance geht man über in den Schlaf: die Trance dauert so lange wie erforderlich, und ganz natürlich, spontan, geht man über in den Schlaf. Aber wenn man von diesem Schlaf erwacht, erinnert man sich an alles! Der Schlaf war wie eine Fortsetzung der Trance. Und im Grunde ist der einzige Sinn des Schlafes, daß der Körper die Wirkung der Trance verarbeitet und diese Wirkung überall angenommen wird und daß der Körper seine natürliche Arbeit der Elimination von Giften ausführt. Für mich bestehen die Schlafzeiten kaum noch in nennenswerter Weise: manchmal beschränken sie sich auf eine halbe Stunde, eine viertel Stunde. Doch anfangs schlief ich über längere Zeiten: eine Stunde oder sogar zwei Stunden hintereinander. Und wenn ich aufwachte, gab es keine Spur dieser Schwere, die der Schlaf hinterläßt: die Wirkung der Trance dauerte an.
Selbst für jene, die noch nie in Trance waren, ist es gut, vor dem Einschlafen ein Mantra zu wiederholen (oder ein Wort, ein Gebet). Aber die Worte müssen ein Eigenleben haben (ich meine nicht, eine intellektuelle Bedeutung, nichts derartiges, sondern eine Schwingung). Die Wirkung auf den Körper ist außerordentlich; das schwingt, schwingt, schwingt... und ganz ruhig läßt man sich gehen, als wolle man einschlafen. Und der Körper schwingt immer mehr, immer mehr, immer mehr, und man gleitet dorthinein.
Das ist die Heilung des Tamas.
Das Tamas verursacht den schlechten Schlaf. Es gibt zwei Arten von schlechtem Schlaf: der Schlaf, der euch beschwert, euch verstumpft, als verliere man alle Ergebnisse der Anstrengungen des vergangenen Tages; und der Schlaf, der euch auslaugt, als hätte man die ganze Zeit in einer Schlacht verbracht. Ich habe auch gefunden, daß die Nächte besser werden, wenn man den Schlaf in Abschnitte teilt (das kann man sich angewöhnen). Das heißt, man muß in gewissen Abständen zu seinem gewohnten Bewußtsein und seiner gewohnten Aspiration zurückkehren können, unter dem Ruf des Bewußtsein zurückkehren... Man darf aber keinen Wecker benutzen! In Trance ist es nicht gut, erschüttert zu werden.
Im Augenblick des Einschlafens kann man eine Formation bilden, sagen: "Ich werde um diese Zeit aufwachen" (als Kind gelingt einem das sehr gut).
Für die erste Schlafperiode sollte man mindestens drei Stunden rechnen; für die letzte genügt eine. Aber die erste muß mindestens drei Stunden dauern. Im Grunde müßte man sich für wenigstens sieben Stunden hinlegen; sechs Stunden genügen nicht, um viel auszurichten (ich stelle mich natürlich auf den Standpunkt der Sadhana, um die Nächte nützlich zu machen).
Während einiger Jahre schlief ich insgesamt nur zweieinhalb Stunden jede Nacht. Meine ganze Nacht dauerte nur zweieinhalb Stunden. Ich ging direkt ins Sat-Chit-Ananda, dann kehrte ich zurück: so vergingen die zweieinhalb Stunden. Doch der Körper wurde müde. Das ging fünf oder sechs Jahre so, als Sri Aurobindo noch in seinem Körper war. Und tagsüber ging ich ständig in Trance, beim geringsten Anlaß (aber es war eine Trance, kein Schlaf: ich blieb bewußt). Doch ich sah, daß der Körper angegriffen wurde, ihm blieb nicht mehr die notwendige Zeit, die Giftstoffe zu verbrennen. 2
...Über den Schlaf gäbe es viel Interessantes zu erzählen, weil das eins der Dinge ist, die ich am gründlichsten studierte. Zu erzählen, wie ich meiner Nächte bewußt wurde (das lernte ich bei Théon; und jetzt, wo ich Indiens ganzes Wissen kenne, sehe ich, daß Théon SEHR erfahren war). Aber es stört mich sehr zu sagen: "Ich tue dies, ich tue jenes..." Ich würde von diesen Dingen lieber in Form einer Abhandlung sprechen, ein Essai über den Schlaf, zum Beispiel. Sri Aurobindo sprach oft von seinen Erfahrungen, aber er sagte sehr selten "ich" – das sieht immer wie Angeberei aus!
Sri Aurobindo sagte (und ich tat dies, ohne zu wissen, was es war), daß der wahre Grund für den Schlaf, der yogische Grund, darin besteht, das Bewußtsein wieder in Kontakt mit dem Sat-Chit-Ananda zu bringen. Für manche Leute geschieht das sofort; andere brauchen acht, neun, zehn Stunden, um es zu schaffen. Aber eigentlich, normalerweise sollte man erst wieder aufwachen, wenn der Kontakt hergestellt worden ist. Deshalb ist es sehr schlecht, sich in künstlicher Weise wecken zu lassen (mit einem Wecker, zum Beispiel), denn so verliert man die ganze Nacht.
Meine Nächte sind jetzt geordnet: ich lege mich um acht Uhr hin und stehe um vier auf, eine sehr lange Nacht, in drei Abschnitte geteilt. Und ich stehe pünktlich um vier Uhr morgens auf; aber ich bin immer schon zehn Minuten oder eine viertel Stunde früher wach und mache eine Durchsicht der Nacht: die Träume, die Tätigkeiten usw., so daß ich bereits voll aktiv bin, wenn ich aufstehe.
Die Nutzung der Nacht ist etwas Ausgezeichnetes, das eine doppelte Wirkung hat: eine "passive", indem es euch hindert, wieder zurückzufallen und zu verlieren, was ihr gewonnen habt (das wäre betrüblich), und eine aktive: ihr macht einen Fortschritt, führt euren Fortschritt weiter. Man nutzt die Nacht, so bleibt keine Spur von Müdigkeit.
Zwei Dinge sind zu vermeiden: in die Stumpfheit des Unbewußten zu fallen, wo all die Dinge des Unterbewußten und des Unbewußten aufsteigen und euch überrollen, in euch eindringen; und eine vitale und mentale Hyperaktivität, in der man seine Zeit damit verbringt, buchstäblich zu kämpfen – schreckliche Kämpfe. Die Leute kommen zerschlagen daraus hervor, als ob sie Hiebe bekommen hätten – und sie bekamen sie, es ist nicht "als ob"! Ich sehe da nur eine Lösung, und zwar die Beschaffenheit des Schlafes zu ändern.
1 Mutter fügte später hinzu: "Oder irgendein anderes Wort, das eine Kraft für euch enthält, ein Wort, das spontan dem Herzen entspringt, wie ein Gebet, und das eure Aspiration beinhaltet."
2 Unglücklicherweise bat uns Mutter, viele Dinge aus diesem Text zu entfernen. Jetzt tut es uns leid.